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WüchmUich rnchemen drei Nununern. > Preis 22j Siiblrgr. (j Ld»-) eüneUSHrüa,, Z Ldlr. s»i das g^n;eI>chr. odne Erhöhung, in allen Lhellen der PreuSisihe» Monarchie, Magazin für die Pr.niumrralionen werden ron jeder Bttlddandiung (jn Berlin bei Veit n. (?. omp., Iägerstrafie Nr. 25), so wie eon aUcn Königl. Lost - Anntcrn, angenommen. Literatur des Auslandes. 152. Berlin, Donnerstag den 19. Dezember 1844. Frankreich. Ein berühmter Roman. In der französischen Romanen-Litcratur hat wohl kein Name so viel Auf sehen erregt und so viel dauernden Einfluß geübt als Frau von Lafayette, die Verfasserin des berühmten Romans: „Die Prinzessin von Cleve"; sie hat dem Roman sein eigentlichstes Gebiet angewiesen: das Studium des Herzens; sie hat siegreich alle die unnatürlichen Abenteurer der früheren Perioden verdrängt, die schwülstigen Ritter« und LiebeShofromane, die Schäfer und Riesen mit ihrem sentimentalen, tollen Beginnen, was nicht einmal der glänzenden Satire des Cervantes gelungen war, der durch seinen Don Quijote den Bannstrahl des Lächerlichen dagegen erhoben hatte. Der Einfluß, den Frau von Lafayette durch ihre Bücher auf die Literatur gewann, erstreckt sich noch bis auf unsere Tage; fast alle Romane der beliebtesten Gattung find Nachkommen der Prin zessin von Cleve, sogar in Deutschland ließen sich Verwandtschaften und Familien«Ähnlichkeit mit derselben zahlreich nachweisen, unv nach mehr als anderthalb Jahrhunderten ist die Ahnin nochunveraltet und kann sich mit Rede unv Kleid noch neben dem jüngsten Nachwuchs sehen lassen. Diese Eigenthümlich. keit des berühmten Romans, daß er wie in der Neuzeit geschrieben ist, unv oer Umstand, daß er in deutschem Gewände nur in sehr veralteter Form eristirt und deshalb wohl dem größten Theil der Lesewelt nur dem Namen nach be kannt seyn wird, veranlaßt uns, hier einige Auszüge nach einer der neueren Auflagen mitzutheilen, dir von Zeit zu Zeit in Frankreich davon veranstaltet werden. Frau von Lafayette sagt zwar von den Ucbcrsetzer», sie glichen unge schickten Bedienten, welche die Komplimente, die man ihnen aufträgt, in Grob heiten verkehrten, und die einzige deutsche Uebertragung, die wir von ihrem Romane besitzen, bestätigt allerdings diesen harten Ausspruch; indessen hat unsere Sprache seitdem an Eleganz, Biegsamkeit und Reichhaltigkeit so bedeu tend zügenommen, daß sie mit der französischen in jedem Betracht Schritt halten kann, und wir wollen unverzüglich ans Werk gehen, indem wir, wegen Mangel an Raum, uns erlauben, Vieles nur erzählend einzuschalten: Die schöne Prinzessin von Cleve kam vor ihrer Vermählung als Fräu lein von Chartres mit ihrer vortreffliche» Mutter an den glänzenden Hof Heinrich s 11. von Frankreich, jenes beständigen und jugendlichen Liebhabers der alternden Diane von Poitiers, die ihre Reize zwanzig Jahre länger behielt als andere Frauen. Frau von Charters brachte ihre schöne Tochter nicht ohne Zagen an diesen galanten Hof, aber die Unschuld und Anmuth des jungen Mädchens wurden nur durch die achtungsvollsten Huldigungen gefeiert. Unter de» zahlreichen Anbetern zeichnete sich sowohl durch glänzende Verhält nisse als durch angenehme Persönlichkeit und die glühendste Leidenschaft der Prinz von Cleve auS; er erhielt auf seine ernsten Bewerbungen das Jawort der besorgten Mutter, die sich glücklich pries, ihr Kleinod so edlen Händen an vertrauen zu können; wohl entging es ihrem aufmerksamen Mutterauge nicht, daß das Herz des jungen Mädchen theilnahmlos für den liebenSwerthen Bc- Werber geblieben, aber sie fürchtete keine Gefahr für ihre Tochter, wenn sie auch ohne Liebe einem so vortrefflichen Manne sich verbände. Der Prinz von Cleve war glücklich, als er die Braut errungen, ohne sich jedoch völlig be- friedigt zu fühlen; er bemerkte mit Schmerz, daß sie nur Achtung und Wohl wollen für rhn zu empfinden schien, er konnte sich nicht vorreden, daß sie ihm lebhaftere, schmeichelhaftere Gefühle verberge, denn ihr Berhältniß erlaubte ja, geradezu diese zu zeigen. CS verging fast kein Tag ohne Klage von seiner Seite. „Ist es möglich", sagte er zu ihr, „daß ich mich nicht glücklich fühle bei der Annäherung unserer Verbindung? und doch ist es nu, zu wahr, ich bin es nicht; Sie empfinden nur eine Art Güte für mich, die mir nicht genügt, Sie kennen keine Ungeduld, keine Unruhe, keinen Kummer, Sie find so gleichgültig bei meiner Liebe wie bei einer Verbindung, die nur auf die Vorzüge von Rang und Reichthum begründet ist." — „Sie find ungerecht", antwortete sie ihm sanft, „ich weiß wirklich nicht, was Sie mehr wünschen könnten, mir scheint fast, der Anstand verbiete mir, mehr Neigung zu zeigen, als ich thue." — „ES ist wahr", seufzte er, „Ihr Benehmen hat einen Anschein von Zärtlichkeit, mit dem ich vollkommen zufrieden wäre, wen» sich darunter noch mehr verbirgt; aber anstatt, daß der Anstand Ihnen Zurückhaltung anflegte, ist eS gerade nur der Anstand, der Sie sichtlich zwingt, mir Neigung zu zeigen. Ich rühre Ihr Herz nicht, meine Gegenwart verursacht Ihnen weder Unruhe noch Freude." Das junge Mädchen wußte nichts zu antworten; diese feinen Unterscheidungen lagen außerhalb ihrer Erfahrungen, und ihr Verlobter sah, wie wenig sie seine Leidenschaft erwiedern konnte, da sie nicht einmal verstand, wovon er sprach. Nach seiner Verheiratung blieb er scharfsichtig genug, um zu bemerken, daß die Ehe ihm keinen anderen Platz im Herzen seiner Gattin angewiesen hatte, und obwohl sie sich tadellos gegen ihn benahm, fühlte er sich nicht glücklich und sah, daß ihm außer ihrem ersehnten Besitz noch etwas zu wünschen übrig blieb. Deshalb hörte er nicht aus Liebhaber zu seyn, als er Ehemann geworden, leine Neigung behielt die Unruhe und Heftigkeit der Leidenschaft. Die Eifersucht hatte jedoch keinen Theil an dieser Uuruhc, nie war wohl ein Mann weniger dazu geneigt, u»d nie gab wohl eine Frau weniger Veranlassung zu Eifersucht; nichtsdestoweniger war sie inmitten des Hofes vielfachen Versuchungen dazu aus- gesetzt; sie war täglich mit der Blüthe der jungen Männerwelt bei Hofe zusam- men, aber ihr Benehmen und ihr AeußcreS trugen etwas so Achtunggebietendes, und ihre treffliche Mutter, Fran von Chartres, wachte so sorgfältig über jeden Schritt ihrer Tochter, daß sie für eine Erscheinung galt, die in jeder Beziehung unerreichbar war. Unterdessen kehrte der Herzog von Nemours, der Liebling aller Damen, sogar der Königinnen, der Gemahlin Heinrich s 11., und Mariens, Königin von Schottland, seiner Schwiegertochter, von einer Reise zurück; der junge Herzog galt für einen bevorzugten Günstling der Letzteren; er war ein Wun- der an Schönheit, Tapferkeit uud Galanterie; sein glänzender Ruf hatte sich sogar nach England verbreitet, und es schwebten seinetwegen Unterhandlungen ob zu einem Vermählungsplan mit der Königin Elisabeth. Bei Gelegenheit eines HvsfesteS wurde getanzt; die Prinzessin von Cleve stand gerade im Bc- griff, sich einen Herrn zur Wahltonr auszuersehen, als ihr der König zuries, sie solle den Eintretcnden wählen ; dies war der Herzog von Nemours. Das Paar erregte allgemeines Aufsehen durch seine Schönheit, und ohne sich per. sönlich zu kennen, errtcth doch Jeder den Anderen; so viel hatte man sich gegenseitig rühmen hören. Nachdem der Tanz beendet, berief der König das Paar zu sich und fragte, ob sie sich denn wirklich gar nicht kennten, und ob sie nicht neugierig auf ihre Namen seycn? Der Herzog crwiederte kühnen, feurigen Blicks, er wisse sehr gut, daß seine Tänzerin nur die gefeierte Prinzessin von Cleve seyn könne. Die Prinzessin aber verleugnete erröthend, daß sie eine Ahnung von Namen und Stellung ihres Herrn gehabt hätte. Von dem Augenblick an entbrannte der junge Herzog für die schöne Frau und freute sich, daß er auf eine so seltsame und romantische Art mit ihr bekannt geworden war. Die Prinzessin war bei ihrer Heimfahrt so aufgeregt von diesem Ball, daß sie noch, trotz der späten Stunde, zu ihrer Mutter ging, um ihr davon zu erzählen; sie erwähnte dabei des Herzogs in einer Art, daß die Mutter Be sorgnisse über seine Erscheinung empfand. In den folgenden Tagen traf die Prinzessin wieder mit dem Herzog zu- sammen; beim Ballspiel des Königs und anderen Vergnügungen fand sie ihn allen übrigen Anwesenden so weit überlegen an Gewandtheit und Untcrhal« tungsgabe, an Haltung und Benehmen, daß er einen tiefen Eindruck auf sie machte. ES muß bemerkt werden, daß er jene Neigung für sic empfand, die liebenswürdig, lebhaft und doch gefühlsweich macht durch das heftige Bedürf, niß, geliebten Augen zu gefallen. Seine Leidenschaft wurde in kurzer Zeit so heftig, daß sie ihn ausschließ, lich beschäftigte und er alle seine früheren zahlreichen Verhältnisse ohne Wei- tereS abdrach ; seine Reise nach England, die ihn zu so hohen Ehren bringen sollte, vergaß er fast ganz; er ging täglich zur Königin-Dauphine, Maria Stuart, weil er die Prinzessin von Cleve dort sand, und rechnete dabei auf das Gerücht, welches ihn früher zum Liebhaber der schönen Maria stempelte, um bei diesen Besuchen seine eigentliche Neigung zu verbergen, denn er wollte sie um keinen Preis den Augen des Publikums zeigen; die Prinzessin von Cleve war seinem Herzen z» theucr, und er legte so viel Vorsicht in sein Be nehmen gegen sie, daß kaum sie selbst eine Ahnnng von seinen Gefühlen für sie hätte haben können, wenn nicht ihr eigenes Interesse an ihm ihre Aufmerk, samkeit geschärft, ihr die Augen geöffnet und ihr keinen Zweifel über die Art seiner Gefühle gelassen hätte. Sie mochte nicht mit ihrer Mutter reden über diese Wahrnehmung, während sie doch sonst derselben jede Kleinigkeit erzählte; eS war kein absichtliches Verbergen, unv Fran von Chartres bemerkte auch ohne Worte, welche Gefahr dem Herzen ihrer Tochter drohte. Mit müttcr- licher Klugheit begann sie selbst von dem Herzog zu sprechen und zwar nur Gutes, wohlweislich mit vergiftetem Lobe untermischt über seine Unfähigkeit, eine ernste Neigung zu empfinden, daß er nur zum Vergnügen mit den Frauen dcS Hofes verkehre, aber jede ernste Verbindung scheue, da er Pläue auf die Hand der Königin von England habe; nichtsdestoweniger habe man ihn in im Verdacht, die junge Königin-Dauphine zu lieben, und cs iep daher rath. sam, sagte Frau von Chartres, daß ihre Tochter sich etwas mehr von den Zimmern derselben entfernt hgltc, um nicht für die Vertraute eines solchen Verhältnisses zu gelten.