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sichen dieselben aus Buntpapier-Fabriken, Baumwollcn-Spinmrcien, Broncc Fabriken und Sbawls- und Tapeten-Manufakturen. Da das Geich nur ans solche Werkstätten Anwendung findet, welche mehr als zwanzig Arbeiter be schäftigen und die Anzahl der beschäftigen Arbeiter je nach der Jahreszeit wechselt, so ereignet cs sich häufig, daß manche Fabriken während des Winters der Inspektion unterworfen, während des Sommers aber von ihr ausgenom men sind. Die Kinder sind demnach ein halbes Jahr lang beschützt und ein halbes Jahr ohne Schutz; der Unterricht ist bald obligatorisch für sie und bald steht er in ihrem Belieben; die Dauer der Arbeit verkürzt sich oder dehnt sich aus; die Ausübung des dem Staate zustehenden Rechtes hängt gänzlich vom Zufall ab und folgt gewissermaßen den Bewegungen des Marktes. „Um diesem Uebelstande zu begegnen, brauchte die Verwaltung bloß, in dem sie das Gesetz in seinem weiteren Sinne interpretirte, anzuordnen, daß jede Werkstätte, die an einem bestimmten Tage mehr als zwanzig Arbei ter beschäftigte, der Aufsicht auch dann unterworfen bliebe, wenn diese Zahl im Laufe des Jahres sich verringerte. Ein Radikalfehlcr des Gesetzes bleibt jedoch eben die Gränze, die cS gezogen: jene Theilung der Gewerbe in Vereinigungen von mehr und in solche von weniger als zwanzig Arbeitern dient zu gar nichts, denn in der Wirklichkeit stellen sich dir Dinge anders als in der Theorie dar. Alles, waö außerhalb Paris Fabrikarbcit heißt, häuft die Arbeiter, Erwachsene sowohl als Kinder, zu Hunderten an; in Paris dagegen ist eine Werkstätte von fünfzehn bis zwanzig Arbeitern schon eine Fabrik und tritt aus der bescheidenen Sphäre des Handwerks heraus, um ein höheres Verhältnis in der gewerblichen Ordnung rinzunchmen. Wenn man die kleinere Industrie wirklich für sich absondern will, so muß man mindestens noch die Werkstätten, welche mehr als zehn Arbeiter beschäftigen, zur größeren zählen. Unter dieser Zahl wird die Arbeit zur bloßen häuslichen Beschäfti gung ; darüber aber nimmt sie den Charakter einer Speculation an und bedarf vorweg eines gewissen Vermögens. „Wie die Sachen jetzt stehen, ist nichts leichter, als das Gesetz zu umgehen. Ein Kind, das sich von dem Inspektor zu sehr gedrängt sicht, verläßt die Werkstätte, um sich nach einer anderen zu flüchten; aus den beaufsichtigten Werkstätten findet eine beständige Wanderung nach den der Aufsicht nicht unter worfenen statt. Und daß es in Paris niemals an Werkstätten mangelt, die der Hände bedürfen, geht selbst aus den Arbeitslöhnen hervor, die hier bezahlt werden. In den Stadtvierteln, die ich besucht, beträgt der Tagrlohn der Er wachsenen durchschnittlich Zi bis 5 Fr. (28 Sgr. bis ii Thlr.), der dcr Frauen II bis 2 Fr. (10 bis 16 Sgr.), dcr der Kinder zwischen l2 und 16 Jahren l bis Fr. (8 bis 12 Sgr.), der der Kinder unter 12 Jahren 75 Cent- bis 1 Fr. l6 Kis 8 Sgr.). Und zwar bezieht sich dies nicht etwa auf LuruS-Gewerbe, bei welchen ein geschickter Arbeiter oft 8 bis w Fr. (2 bis 2? Thlr.) täglich verdienen kann. Ja, cS ist Thatsache, daß ein Bauer auf dem Lande in Frank reich im Allgemeinen weniger verdient, als eine Frau in Paris und kaum so viel als ein Kind über zwölf Jahren. „In der Hauptstadt macht häufig der Arbeiter dem Fabrikanten und das Kind dem Arbeiter Vorschriften. Man sollte gar nicht glauben, bis zu welchem Grade diese Duodez-Arbeiter nothwe»dig geworden. Es giebt nur dreitausend Weberschifflein-Werfer (l-sno-urs) in ganz Paris, sagte mir ein ShawlS- Arbciter, und wir sind ganz in ihren Händen. In den Buntpapier-Fabriken kostet es sehr viel Mühe, sich die jungen Hülfsarbcitcr zn verschaffen, die man gemeinhin Direur« nennt. Diese, nachdem sie ihren Sold sich bedungen, treten in «ine Werkstatt ein, arbeiten oft, als ob eS aus Gnade geschehe, einen halben Tag und gehen dann nach Hause. Arbeiter und Meister haben mir versichert, daß in den Buntpapier-Fabriken die l'ireur« zuweilen dreimal täglich wechseln. „Was jedoch die Schwierigkeiten hauptsächlich vermehrt, ist der Umstand, daß der Fabrikant, den der Gesetzgeber für die Dauer der Arbeit und den Untcrrricht der Kleinen verantwortlich gemacht, keine dirckte Beziehungen zn den in seinen Werkstätten beschäftigten Kindern hat. Das Kind hängt nicht von dem Meister ab, der es in seine Fabrik aufnimmt, sondern von dem Ge sellen oder Arbeiter, dem eS Hilst; dieser allein kennt und wählt den Kleinen, ja wenn der Fabrikant selbst die Wahl treffen wollte, so würde er damit nicht zu Stande kommen. Dcr Arbeitslohn des Kindes ist in dem des Arbeiters, der nach Stücken bezahlt wird, mit einbegriffen, und dieser remuncrirt also seinen Gchülfen je nach dem Beistand, den ihm Letzterer leistet. Der Arbeiter also ist eS, der ihn annimmt und wieder entläßt, ohne daß der Herr dabei was zu thun hat. Die einzige Prärogative des Herrn Ist, daß er die Polizei übt in den Werkstätten, und was ist das oft für eine Polizei! Vor Erlaß des Gesetzes vom 22. März 1841 kannten die Fabrikherrcn nicht einmal die Namcn der Kinder, die bei ihnen arbeiteten ; die Pariser Fabriken waren eine Art von WirthShäusern, wo sich einquartic- rcn konnte, wer da wollte. Jetzt freilich muß der Fabrikant wenigstens zu er fahren suchen, wer diejenigen sind, die seine Werkstubcn bevölkern, aber in der Regel geschieht dies mit der größten Nachlässigkeit. Es vergehen zuweilen acht Tage, bevor dcr Arbeiter dem Fabrikanten den Namen des Kindes an- giebt, das er beschäftigt; dieser Name wird alsdann in ein Register einge tragen, aber man wartet gewöhnlich den Besuch des Inspektors ab, um sich das von der Präfektur ausgestellte Arbeiterbüchlein zu fordern, und um sich zu überzeugen, ob das Kind die Schule besucht oder ein Schulzeugniß besitzt. „Ich weiß sehr wohl, daß es das Geschäft der Fabrikherren sehr erleichtert und auch ihrem Nutzen entspricht, wenn sic ihren Arbeitern die Sorge über lassen, mit den jungen Lehrlingen zu verhandeln; ich weiß auch, daß dieser Gebrauch nicht bloß in Paris oder in Frankreich, sondern, wie es scheint, in der ganzen Welt für nothwendig gehalten wird. Wenn man jedoch die Sache näher betrachtet, so erkennt man bald, wie falsch und täuschend doch dieses ganze Verfahren «st. Die Aussicht über das Kind wird demjenigen anvcrtraut, dcr am wenigsten geeignet ist, sie zu führen, und dcr junge Arbeiter geräth dadurch bald in eine furchtbare Sklaverei, und bald, was cben so wenig taugt, in vollständige Unabhängigkeit. Nichts ist, meines Erachtens, leichter, als diese Gewohnheiten zu ändern; das Gesetz braucht nur dem Fabrikanten, dcr die Kinder beschäftigt, die Pflicht anfzuerlegen, mit den Aeltern direkt zu ver handeln. Die Gesellen oder Arbeiter werden sich alsdann schon mit ihm über die Wahl dcr Gchülfcn, deren sie bedürfen, verständigen. Der Fabrikant lie fert die ArbeilSstühlc, die Rohstoffe, das Lokal und die Maschinen, warum sollte er also nicht auch für die kleinen HülfSarbeiter sorgen können, die den Arbeilcrn oder den Maschinen zur Ergänzung dienen? Ohne diese Reform ist eine bessere Disziplin, und die vom Gesetze vorgeschricbene Ordnung kaum zu erreichen. „Das Gesetz vom 22. März hat, wenn es auch den Zweck, zu welchem cs gegeben worden, nicht erreichte, gleichwohl einen heilsamen Einfluß aus das Gewerbewesen in Paris geübt. In den JnspcctionS-Bczirken, in welchen die Kontrole nicht bloß nominell ist, ist dadurch, daß die Fabrikanten verpflichtet werden, die Kinder von 12 bis 16 Jahren nicht über.zwölf Stunden täglich arbeiten zu lassen, die Arbeilsdaucr auch für die Erwachsenen auf zwölf Stun den beschränkt worden. In den Buntpapier-Fabriken und Spinnereicn fängt das Tagewerk um 64 Uhr Morgens an und endigt um 8 Uhr Abends, wobei den Arbeitern anderthalb Stunden zu ihren Mahlzeiten bewilligt sind. In dessen kommt die Erleichterung gerade den Kindern weniger zu Statten, als den Erwachsenen, denn diese lassen iu der zur Erholung bestimmten Zwischen zeit von den Kleinen die Formen und die Werkzeuge reinigen und die ArbcitS- Materialien vorbcreiten, wodurch ihncu kaum Zeit übrig bleibt, zu essen. Einige Fabrikanten »öthigcn die Kinder auch am Sonntag Vormittag, die Werk- stttbeu und die Hofräumc zu scheuern und zu reinigen. Diese Beschäftigung, die das englische Gesetz am Sonnabend Abend zu beendigen vorschreibt, ver kümmert demnach den Ruhetag, und zwar, ohne daß dafür den Kindern die geringste Schadloshaltung zu Theil wird. In manchen Etablissements wird die Vorschrift, am Sonntage keine Kinder unter sechzehn Jahren zu beschäfti gen, ebenfalls nicht befolgt, und um diese Gesetzes-Uebertretung zu rechtfer tigen, führt man an, daß die Bestellungen sehr pressant seyen, und daß die mit der Ausführung beauftragten Erwachsencn die Mitwirkung dcr Kinder nicht entbehren können. „Die Pariser Industrie, die von den Launen des LuruS und dem Wechseln dcr Mode abhängt, besitzt nicht dieselbe Regelmäßigkeit, wie die Gewerbe, welche Erzeugnisse allgemeiner Consumtion liefern; fi« arbeitet ruckweise, bald thätigcr und bald lässiger, als andere. Der Pariser Arbeiter ist ost ganze Monate lang ohne Beschäftigung und Lohn, die übrige Zeit des Jahres muß er dagegen ost simszehn bis zwanzig Stunden bei dcr Arbeit zubriitgen, ja manchmal wird Tag und Nacht unnntcrbrochcn fortgcarbcitet- Gewöhnt an diese außerordentlichen Anstrengungen, verlangt er häufig selbst, daß man ihn am Sonnabend in dcr Nacht und am Sonntag Vormittags die Arbeit fort setzen lasse, damit er sich dann bis zum nächsten Dienstage dem Müßiggang und dein Wirthbausleben ganz überlassen kann. Dies find die Gewohnheiten, deren Opfer die Kinder werden, dies sind die Unordnungen, die zu unterdrücken sind, wenn auch nicht im Heiligthume der Familie selbst, doch mindestens tu den dem Gesetze erreichbaren Werkstätten. Wenn die industrielle Maschine in solchen Monicntcn, wo man ihr Räderwerk gewaltsam in Gang setzt, des Beistandes der Kinder nicht entbehren kann, so halte man lieber ihre Bewe gung auf; es ist besser, die Erwachsenen tm Interesse der Kinder zur Ruhe zu verurtheilen, als die jungen Arbeiter im wohl- oder übclverstandcncn Interesse der Erwachsencn derselben zu berauben. „Wenn jedoch die beschränkende Klausel, welche Pie Arbeitsdauer der jungen Lcnte feststellt, in Bezug auf die von zwölf bis sechzehn Jahren mehr oder weniger beobachtet wird, so kann man dies nicht auch mit Bezug aus die Kleinen von acht bis zwölf Jahren sagen. In den Buntpapier-Fabriken werden Kinder unter zwölf Jahren entweder nicht zugelassen, oder sie müssen eben so lange arbeiten, als die Erwachsenen. In den ShawlS-Manufakturen ist die einzige Erholung, die man ihnen gönnt, die Zeit, die der Arbeiter bedarf, um das Werk in Gang zu setzen — etwas, was nicht alle Tage, ja auch nicht ein mal alle Wochen vorkommt. In den Baumwollen-Fabriken werden jetzt Frauen statt der Kinder beschäftigt, um dir Fäden dcr Mule-Jenny zu be festigen; die einzigen Kinder, die man beschäftigt, find die Garnwickler, die die Hälfte des Tages müßig dastehen, deren Anwesenheit aber nöthig ist, so lange die Arbeit dauert, und die demzufolge auch keinerlei Unterricht erhalten. „Der Gesetzgeber, der den Fabrikherrcn untersagte, Kinder von acht bis zwölf Jahren länger als acht Stunden zu beschäftigen, hatte dabei sowohl die Schonung ihrer Kräfte, als das Bcdürfniß ihrer Unterrichtung im Auge. Aber wedcr der eine noch dcr andere Zweck des Gesetzes geht in Erfüllung. In den größeren Fabriken werden nämlich Kinder dieses Alters gar nicht aus genommen, so daß sie sich genöthigt sehen, ihre Lehrzeit in den keiner Kon. trole unterliegenden kleineren Fabriken hinzubringcn, in welchen die Arbeits dauer gänzlich uneingeschränkt ist und an Unterricht gar nicht gedacht wird. Allerdings kann auch der Erwachsene des kleinen Gchülfen, dessen er sich ein mal bedient, selten .entbehre», und deshalb verdient das englische System den Vorzug, wonach eine Art von Relais angeordnet ist. Das englische Gesetz bestimmt nämlich, daß die Kinder in den Fabriken nicht länger als sechs und eine halbe Stunde täglich arbeiten, daß diejenigen, die des Vormittags beschäftigt wurden, eö nicht auch des Nachmittags seyn sollen, und daß eben so diejenigen, die am Nachmittag arbeiten, am Vormittag geruht haben müssen.