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Wöchentlich erscheinen drei Nunnuern. Pränumeraiivti«-Preis 22j Silbergr. (j Thlr.) vierteljährlich, Z Tdlr. Mr bas ganze Jahr, ohne Erhöhung, IN allen Tbeilcn der Preußischen Monarchic. Magazin für die Pränumerationen werden von jeder Buchhandlung (in Berlin bei Bert n. Co in«., Zägerstraße Nr. 25), so wie von aUrn König!. Post-Aemtcrn, angenommen. Literatur des Auslandes. 148. Berlin, Dienstag den 10. Dezember 1844. Belgien. Vlacmische Dichter. Von Louise von Ploennies. I. A. de Laet. Im Augenblick, wo die vlaemische Bewegung einen neuen Stoß erlitten durch den Untergang ihres Haupt-Organs „Vluemscli Lelgie", welches bisher, von I. Alfred de Laet redigirt, in Brüssel erschien °), ist es um so wichtiger, Deutschlands Interesse und warme Theilnahme für die wackeren Flamänder in Anspruch zu nehmen, welche mit immer erneuten Schwierigkeiten zu kämpfen haben. Gelingt cs ihnen, Anklang in deutschen Herzen zu finden, so wird diese Freude fie neu ermuthigen. In ihrem eigenen Vaterlande haben fie leider fast nur Erfahrungen vom Gcgentheil zu machen; denn eS ist beinahe unglaublich, daß ein Volk so weit kommen kann, fich seiner Sprache zu schämen. Dennoch ist es so; wer in Belgien Anspruch auf Bildung macht, verleugnet seine Muttersprache, und nur das niedere Volk ist ihr treu ge- blieben. Antwerpen ausgenommen, wo die vlaemische Reaktion feurige An hänger gefunden hat, habe ich nirgends Gelegenheit gehabt, die vlaemische Sprache reden zu hören, sobald sch mich nicht in der Gesellschaft von Schrift stellern ober Dichtern befand. Alle Damen, welchen ich vorschlug, die Unter. Haltung in vlaemischer Sprache zu führen, vcrficherten mir, die französische Sprache seh die Landessprache, und schienen über meine Zumuthung sogar beleidigt. Von ihrer eigenen Literatur wußten sic gar nichts (ich nehme natür- lich die Frauen der Schriftsteller aus), dagegen waren die Werke Paul de Kock's, die A-lMere«, der äuil errsnt rc. ihre tägliche Lektüre. Daß aber Belgien unter seinen eigenen Dichtern Talente besitzt, welche es verdienen, durch Theilnahme ermuntert und erfreut zu werden, davon hoffe ich meinem Vaterlande demnächst in meinem Werke über neuere niederländische Literatur überzeugende Beweise zu geben. Für heute erlaube ich mir, Alfred de Laet'S schöne Ode an die Dichter mitzutheilen, deren energische Fcuerworte gewiß auch in seinem Vaterlande zünden müßten, wenn fich Jemand fände, der fie ins Französische übersetzte. Möchte doch die echt germanische Ge sinnung, welche fich darin so kräftig ausspricht, den cdcln Dichter in Deutsch land warmes Mitgefühl finden lassen! Wahrheit der Empfindung und feurige Hingebung an die Idee, für welche sie kein Opfer scheuen, sind die charakte ristischen Züge der Poesie der neueren belgischen Dichter. An die Dichter, von I. A. de Laet. Unsre Ahnen waren groß! — was ist aus uns geworden? Ein muthloS Volk, zerstampft vom Fuße fremder Horden, Das seinen Löwennackcn schwach und zitternd bücht. Durst ihr der eisernen Teutonen Söhn' euch nennen. Und würd' Ambiorix als Enkel euch erkennen. Euch, die der Schande Festet drücht? Sind wir dasselbe Volk, dem Cäsar'S Schaar erbebte. Das, frei von fremdem Zwang, in freien Wäldern lebte, DaS keine Fessel je und keine Kette band? Dem Priesterwort verhieß, aiS größtes Heil von allen, AuS Schädeln, nacht und bleich, der Feinde, die gefallen, Zu löschen HeldendurstcS Brand? Sind wir der uucrschrockncn Löwe» Söhne? Durch'S Mittelalter scholl, gleich wie Posaunentöne Ihr Ruhm, eS blich ihr Glanz vor Gottes Thatcn nur. ES war der Gotteshaus), der mächtig sie durchrauschte, Als dröhnend ihrem Zug die weite Erde lauschte, Bei ihrer Riesenspur. 's A" die Stelle von Viavmacl, Nelglo ist fetzt in Brüssel ein andere- Blatt in vlae mischer Sprache unter dem Titel „u° Vlaem-iebe »elgou» getreten. Dieses erscheint jedoch unter veränderter Redaktion und dient ganz anderen Interessen, atS die wegen Mangel» an Theilnahme -ingcggngene Zeitung. Letztere wollte nämlich den Sinn für niederdeutsche Sprache und Poesie auch unter den höheren und gebildeteren Ständen wie der erweisen und verbreiten und hatte sich hauptsächlich an diese gewendet, di- jedoch so durch und durch französirt sind, daß sie die Rase rümpften und der neuen Erscheinung vornehm den Rüsten kehrten. DaS Blatt hätte gleichwohl sich halten können, wenn cs sich eben so wie einige in der Provinz erscheinende unbedeutende vlacmische Blätter zum Organe des KiernS hätte machen wollen, der in der That da- Verdienst ha«, unter den niederen Ständen die Anhänglichkeit an die alte Sprache zu erhalten. Die Ansichten de» belgischen Klerus und die der patriotisch gesinnten Niederdeutschen de Laet, Sleeks und van de Beide sind jedoch zu verschieden, aiS daß sich Letztere zu einem Kompromiß hätten verstehen können, und so ist denn daS umgcschaffene Blatt, da- mehr für Lie niederen Dclksklasscn bestimmt ist, ganz in den Händen der sogenannten Priesterpartei. D. R. Glüht »och in unsrer Brust da- starke Herz von Rittern, Davor Tatarenvolk und Türken mußten zittern, AlS mit dem Krcuzpanicr zum Morgcnlandc zog Gras Baiduin, das Grab de» Heiland- zu gewinnen, Als seine Fabne stolz aus Zions hohen Zinnen - Im Winde -og? Sind wir die Kinder noch jener crhab'nen Mannen, Die sie umsonst durch Zwist uud Tvrannci vcrbauncn. Die an des Landes Heil geknüpft mit Seel und Blut, Die ihrer Heimat Recht vor allen Hertscbermächten, Bor Fürst und Kaiser stark mir Bürgermuth verfechten WaS sie erkauft mit Gold und Blu«? Sind wir die Söhne noch siegreicher Belgicrschaaren, Die nicht durch Mcuchelei noch Mord zu tilgen waren, Die sanken in dem Kampf für Freiheit und für Gott? Nicht konnte Schrecken sie, noch Schmeichclwort bestimmen. Sie ließen ungebeugt ihr Haupt im Blute schwimmen Aus Alba'S Mordschaffot. Die Ahnen waren stets des Krieg-, der Kunst Herolde; Der Fahn', die ihre Hand vor allem Volk entrollte. War der Weltherrschaft Bild als Siegel aufgedrückt. Unsre Ahnen waren groß! — was ist auS unS geworden? Ein muthlo» Volk, zerstampft vom Fuße fremder Horden, DaS seinen Löwenhals iu Schwäche zitternd bückt. Sag', Heimatland! waS soll der Barde jetzt dir singen, Was heischest du, daß froh sein Sang dich grüßt? Soll er im Heldcnton, im LicbcSIaut erklingen, Run, da sein Volk den Staub von fremdem Fußtritt küßt? So sordrc auch vom Sohn, daß er in Glllthakkordcn Den Hymnus für die sünd'ge Mutter wein, Durch deren Schuld der Buhle Mörder worden Am Gatten, dessen Namen sic befleckt. Ric sey von menrcr Hand, mag wild mein Herz auch schlagen, Ein Liebc-ton entlockt der Harfe Saitcnklang, Da ich die Nährerin von meiner Kindheit Tagen Erniedrigt knicen seh' vor fremdem Druck und Zwang. Entartetes Geschlecht von, deutschen Götterstammc, O, träs' als Geißel dich mein Lied mit Gluihgcwalt, Könnt- eS dein weibisch Herz durchglühn mit RubmcSflammc, Die rein au« deiner Seel' empor zum Himmel wallt. Doch nein, o Barden! nein, o Brüder! Hofft nicht für unser Land ein freudig Sclbsicrbiühtt; Nur für Gewinn, für Erdcngüter Fühlt Heu« der Belgier noch sei» cngcS Herz erglüh». De»k' nicht, o Dichterschaar! daß dcine Harfen,öne Mit hohem Muth durckglühn den matten Sklavensinn; Stütz' dich auf Ahnen nicht, — o, stütz- dich nicht auf Söhne, Du sollst alS Knechte sie dcnr Fremdling auserzichn. Doch, Brüder! wib da- LooS auch mag den Geist bedrücken, Zerreißt daS, Saitcngoid der Harsc nicht in Stücken. ES schwing' mit neuer Kraft sich euer Lied empor. Johannis scyd gedenk, der auS der Wildniß Gründen Da» lang entbehrte Wort LcS, Herrn kam zu verkünde» An Zion, daS ihm lang verschloß daS taube Ohr. DcS Adler- scyd gedenk — beim Wüthen von Orkanen Schwingt cr nur höher sich, vom Donner nicht gebannt, Denn auf dem Himmclszug kennt cr die Spur der Bahnen, Wo nie der mächt'gc Blitz entsinkt de- Gotte« Hand. O, Brüder! zögert nicht, es klinge neugeboren Durch Liefe Wüstenei Leg HarfenklangS Akkord; So durch die Wildniß stark drang einst JohanniS Wort, ES ging kein einzig Wort auS seinem Mund verloren. Singt, Barden! singt, ihr scyd die Sprossen Der Ahne», die so groß gedacht, Von ihrem warmen Blut durchflossen, Verachr-nd fremden Prunk und Macht. Singt, auf daß einst daS Volk vom fremde» Bann sich trenne, Daß eS sich eignen Ruhm in eigner Sprache schafft, Aus daß dereinst die Welt dcr Belgier Name nenne Und Ehrfurcht sic durchdring' vor eurer Manneekrast. Die Riesenaufgab' wurde euch gegeben, DcS Volke- kalten bleichen Leichnam zu beleben, Wie Christus Lazarum erweckt' auS TodcSnacht. Das tobte Vaterland vom Grabtuch zu befreien, Aus- neue Scclengluth dem starren Leib' zu leihen.