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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. Pränumeration«-Prei« 22j Silbergr. (t LHIr.) vierlelsährlich, Z Thlr. sü, dä« gnnj-Iadr. ohne Erhöhung, in ollen Theilen der Preuhischen Monarchie. Magazin für die Pränumerationen »erden von jeder Buchhandlung (in Berlin hei Veit u. Comp., Jägerstraße Rr. 25). so thie von allen Königl. Post Aemtern, angenommen. Literatur des Auslandes. -G' 89. Berlin, Donnerstag den Lid. Juli 1844 Nord-Amerika. Nord-Amerikanische Sagen. Der rothe Schwan.') Drei Brüder hatten in früher Jugend ihre Aeltern durch den Tod ver loren; selbst der älteste von ihnen war noch nicht einmal im Stande, voll, kommen für den Unterhalt seiner jüngeren Brüder zu sorgen, obschon er Alles that, was in seinen schwachen Kräfte» stand, damit diese keinen Mangel litten. Daß sie aber dennoch nicht verhnngerten, schien mehr durch übernatür lichen Beistand, als durch seine Hülfe und die Nahrungsmittel, die ihnen ihr Vater hinterlassen, verhindert zu werden. Ihr Vater aber war ein Einsiedler (pui.gcvuä-arv-üir.ris) gewesen, hatte seine Hütte fern von den Dörfern seines Stammes aufgebaut, und seine Kinder waren daher, als er und sein Weib gestorben, ohne Verwandte, ohne Freunde zurückgeblieben: ja, jene wußten nicht einmal, ob es noch andere Menschen außer ihnen gäbe, wußten nicht, wer ihre Aeltern gewesen, denn als diese gestorben, war der Acltestc noch zu jung, um sich jetzt ihrer erinnern zu können. Ungeachtet sie nun so einsam und verlassen lebten, so verzweifelten sie doch nicht, sondern gebrauchten ihre schwachen Kräfte, so weit es geben wollte, und lernten so nach und nach jagen und Thiere tödtcn. Der älteste Bruder wurde bald ein gewandter Jäger, und nimmer war von da an Mangel an Nahrungsmitteln in ihrer Hütte. Vorzüglich aber zeichnete er sich durch seine Gewandtheit im Erlegen des Büffels, deS Elenn und des Hirsches aus, in welcher Kunst er seine Brüder gar treulich unterrichtete, sobald diese ihm nur auf die Jagd folgen konnten. Nachdem diese nun selbst jagen und für ihren Unterhalt sorgen konnten, faßte der Aelteste den Entschluß, sie zu verlassen und andere Woh. nuugen aufzusuchcn, versprach ihnen aber zugleich, sobald es möglich, zurück- zukehren und ihnen Weiber mitzubringen. Seine Brüder waren jedoch damit nicht einverstanden, und sagten, sie könnten sich nicht von ihm trennen. MaujeckewiS, der zweite der Brüder, lehnte sich laut gegen diesen Vorschlag auf und sagte: „Was willst du denn eigentlich mit denen, die du zu holen beabsichtigst, machens — wir haben so lange ohne sie gelebt, daher können wir eS auch fernerhin." Stine Worte wurden gehört, und die drei Brüder blieben wieder einige Zeit bei einander. Eines Tages kämen sie unter einander überein, daß jeder von ihnen ein Männchen von der Art Thiere erlegen sollte, in deren Jagd er die meiste Geschicklichkeit besäße, um sich aus der Haut des erlegten ThiereS Köcher zu machen. Was sie beschlossen, führten sie auch aus, und verfertigten sich dann eine Menge Pfeile, um ihre Köcher damit zu füllen und so für jeden Vorfall vorbereitet zu sepn. Bald darauf gingen sie auf die Jagd, um zu versuchen, wer am ersten mit einem erlegten Wild nach Hause kommen würde und dieses dann noch so zubereitcn könnte, als ob er die Anderen bewirthcn wollte, Keiner aber sollte ein anderes Wild erlegen, als ein solches, das er gewöhn lich zu jagen pflegte. — Sie gingen nun auf verschiedenen Wegen fort. — Noch war Odjibwa, der Jüngste, nicht tief in den Wald gedrungen, als er auch schon auf einen Bär stieß, ein Thier, das er jedoch nach ihrer gegen seitigen Uebereinkunft nicht erlegen durfte. Dessenungeachtet verfolgte er ihn, schoß einen Pfeil ab und tödtete damit den Bär. Wider ihre Wette, begann er augenblicklich, der Beute das Fell abzuziehen, als plötzlich etwas in seiner Nähe die ganze Luft röthete. Er rieb sich die Augen, denn er glaubte, er täusche sich , doch alles Reiben änderte die Sache nicht, die rothe Färbung blieb dieselbe. Endlich vernahm er auS der Ferne ein fremdartiges Geräusch. Anfänglich hielt er dies für den Ton einer menschlichen Stimme, doch nach dem er den, Geräusch eine Strecke gefolgt war, erreichte er die User eines großen See'S und entdeckte den Gegenstand bald genug, den er suchte. Etwas vom Ufer ab, saß auf dem Wasser des See s ein wundervoll schöner, rother Schwan, dessen Gefieder vielfach in den Strahlen der Sonne wicder- glänzte und der dann und wann jenes Geräusch hervorbrachte, das er vor her gehört. Da sich der Schwan dem Anschein nach noch nicht außer dem Bereich 'j Aus dein von Tiboollng, MN«, dem Tini zijjiv irv^earcllv» äeruusäezelenen Mär. ibcnkemij« der Indianer Nord Amerika'», von wciämn wir bereu» früber Proben milgn ebeiit. Gegenwärtig erscheint hier in der GroviuSseben Buchhandlung iE. Reimarn«) ein mit Abbildungen geschmäSooß auögMaueler „Märchensaal aller Nölkcr", heransgegcbcn von »r. H. Klette. Wir haben dem Herrn Herausgeber gern gegattet, auch da»unige dabei zu benufen, was siir seinen Awes in früheren Jahrgängen unser«» Magazin« ent halten iß- des Pfeils befand, so zog er die Bogensehne mit Kraft und Ucberlegung an, — fort flog der Pfeil, aber ohne Wirkung fiel er vor dem Schwan nieder. Pfeil folgte nun auf Pfeil, bis endlich der Köcher leer war. Ruhig blieb der Schwan aus seiner früheren Stelle, schwamm im Kreise herum, streckte den langen, schlanken Hals aus oder tauchte den Schnabel in das Wasser, als habe er die Pfeile, die nach ihm geschossen, gar nicht bemerkt. Odjibwa eilte nach Hause, raffte alle Pfeile, die ihm gehörten, zusammen, vergaß auch die seiner Brüder nicht, sprang zum See zurück, verschoß aber auch Liese gleich vergeblich. Dann stand er still und schaute traurig nach dem schönen Vogel. Da erinnerte er sich plötzlich, daß seine Brüder gesagt, in dem Medizinbeutel ihres vcrstorbeucn Vaters befänden sich auch drei magische Pfeile. Fort eilte er; denn die Begierde, den Schwan zu tödten, hatte alle Einwürfe gegen die beschlossene Handlung beschwichtigt. Zu jeder andere» Zeit würde er cs für einen Frevel gehalten haben, nur de» Medizinbeutel seines Vaters zu öffnen: jetzt aber ergriff er mit Hast selbst die drei Pfeile, warf alle übrige Gegenstände desselben in die Hütte und eilte athemloS nach dem See zurück. Noch schwamm der Schwan auf diesem herum. Er nahm seine Stellung, schoß den ersten Pfeil mit großer Genauigkeit ab, ohne den Vogel aber zu treffen. Der zweite Pfeil kam jedoch dem Bogel viel näher; als er nun den letzten Pfeil auflegte, fühlte er seinen Arm kräftiger und sicherer, und indem er die Sehne mit großer Festigkeit anzog, sah er, wie der Pfeil den Hals des Schwans unmittelbar über der Brust durchbohrte. Doch der Vogel breitete jetzt langsam seine Flügel aus, schlug diese mehrmal auf und nieder, erhob sich dann vom Wasser in die Luft und zog gegen die sinkende Sonne. Getäuscht in seinen Hoffnungen, stand Odjibwa einige Augen blicke traurig da, denn er fühlte wohl, daß seine Brüder gerechte Ursache hätten, mit ihm zu rechten. Plötzlich sprang er in das Wasser, sicherte zuerst die beiden zurückgebliebenen magischen Pfeile, denn den dritten trug der Schwan mit sich davon, und eilte diesem dann nach, da er hoffte, daß dieser nicht weit mehr würde fliegen können, — den Pfeil mußte er wieder haben. Fort flog er; seine Schnelligkeit im Laufen war bekannt, denn er konnte einen Pfeil abschicßen und ihm dann so schnell nachlaufen, daß dieser noch weit hinter ihm zur Erde fiel. Ich kann schnell laufen, dachte er in seinem Herzen, und muß den Schwan früher oder später auffinden. So eilte er über Berge und über Prairiecn, immer gegen Westen, bis fast zur Nacht, ruhte nicht, sondern wollte sich erst später einen Platz zur Ruhe während der Nacht auSsucken. Plötzlich hörte er in einiger Entfernung rin verworrenes Geräusch, das von Menschen zu kommen schien, da es ganz klang, als fällten Einige Ääume, wobei die Streiche der Art durch den Wald tönten. Als er aus rem Wald hcraustrat, stieg eben die Sonne ihrem Ruheplatz zu, und gern hätte auch er jetzt einen Ruheplatz gefunden, wo er schlafen und etwas zu essen finden konnte, denn ohne einen Bissen hatte er die Heimat verlassen. Alle diese Wünsche konnten aber den Eifer in der Erreichung seines Zweckes nicht dämpfen, da er wohl fühlte, daß er diesen nur dann erreichen würde, wenn er standhaft dabei verharrte. Unerwartet bemerkte er plötzlich in einiger Entfernung auf einer Anhöhe eine große Stadt. Er richtete seine Schritte dahin und hörte bald den Wächter, Mudjee-Kokokoho, der noch etwas höher stand, um sogleich Nachricht zu geben, wenn sich ein Freund oder Feind näherte, auSrusen: „Es kommt ein Fremder!" Ein lauter Schrei verkündete, daß sie cs alle vernommen. Der junge Mann kam zur Stavt und wurde von dein Wächter in di« Hütte des Häuptlings ge wiesen. „Hier mußt du hincingehen", sagte Jener und verließ ihn. „Komm herein, komm herein", rief ihm der Häuptling zu, „sctzc dich dorthin", und wies dabei auf die Stelle, wo seine Tochter saß, „das ist der Ort, wo du dich niederscyen mußt." Bald gaben sie ihm etwas zu essen, srugen ihn aber nur wenig, denn er war ein Fremder. Nur wenn er sprach, antworteten ihm die Anderen. Nachdem es dunkel geworden, sagte der Häuptling: „Tochter, nimm die Moccafins unseres Schwiegersohns, sich, ob sic zerrissen, und ist dies der Fall, dann bessere sie aus und bring sein Bündel herein." Dem jnngen Mann kam cS ganz befremdend vor, daß er so freundlich ausgenommen wurde, und er nahm, ohne daß er eS gewollt, die Tochter zur Frau, obschon das junge Mädchen schön war. Sie nahm aber seine MoccasinS, die er abgelegt batte, nicht sogleich auf, und eS mißfiel ihm, daß sie so lange zögerte. Als sie diese endlich aushvb, uahm er sic aus ihrer Hand und hing sie selbst aus. Dann legte cr sich nieder, dachte an den Schwan und entschloß sich, mit TageS- ' anbruch wieder auszubrechen. Mit dem frühesten Morgen erwachte er, redete Lie junge Frau an, erhielt aber keine Antwort. Da berührte er sie leise: