Volltext Seite (XML)
—Mein Schränkchen. Humoreske von B. Rittweger. As wnr reizend! Von Natnrcichc, zierlich geformt, ruhte cS ""5 einem cntzückcndeti Untergestell, dessen geschivcisle FIis>c die verkörperte Grazie waren. Zwei GlnSihürcn hatte cS nnd drei Elageti, die mau mit allerlei Nippes besehen konnte. Der etwas Hartblane Anstrich der Innenseite stimmte zwar sür manchen Geschmack nicht ganz zn der Nalureichenfarbc, aber mir gefiel er. Er gehörte »nn mal zn meinem Schränkchen. So lange ich denken konnte, halte ich cS bewnndert. Sv oft ich daS alte Fräulein besuchte, schon, als ich noch ein kleines Mädchen war, stand ich jcdeSmal vor meinem Schränkchen in stillem oder lautem Eutziicken, je nach meiner Stimmung. Und dann hatte ich daS Gesühl, „lS sei der Besitz dieses Schränkchens der Gipfel irdischer Glückseligkeit. Als ich erwachsen Ivar, lächelte ich selbst bisweilen über meinen Enthusiasmus, aber daS hinderte mich nicht, mir glühend das Schränkchen zn wünschen. Das alte Fränlein kannte meine Vor liebe nnd sagte manchmal scherzend zu mir: „Anita, daS Schränkchen mnsg Dn einmal bekommen; ich werde cS in meinem Testament bestimmen." WaS Wunder, dast ich cS als „mein Schränkchen" betrachtete. Ich verheiratete mich und mein eigenstes kleines Zimmerchen — Bondoir, Ivie mau's vornehm anSdrückt — richtete ich in einem Stil ein, der dem des Schränkchens entsprach. ES würde sich später gut iu dem Zimmer auSuchmcn n» Stelle der arm seligen Etagere, die einstweilen die eine Wand zierte. Im Geist sah ich stets nur mein Schränkchen an dieser Stelle. Nicht, dast ich eben ans den Tod der alten Dame gewartet hätte, so schlecht war ich ganz gewist nicht. Aber ich hoffte doch bestimmt, länger zn leben, als sie, die nunmehr völlig kindisch geworden war. Man konnte sic nicht mehr besuchen nnd alle, die sie einst lieb gehabt, atmeten ans, als eS eines Tages hiest, sie sei gestorben. Und ich kann schwören, dast ich beim Empfang der Todesnachricht nicht an mein Schränkchen dachte, sondern nur daran, wie lieb und gut die Verstorbene in früheren Zeiten gegen mich gewesen Ivar. Später allerdings kehrten meine Gedanken zn meinem Schränkchen zurück, und ich war gespannt, ob sie cS mir wirklich vermacht hätte. Da stellte cs sich Herans, dast sic überhaupt kein Testament gemacht. Entfernte Verwandle kamen, um Besitz von der Hinlcrlassenschast zu ergreifen, und da sie nichts von den Habseligkeiten dcrVcrstorbcncn wollten, beschlossen sie, nlleö unter den Hammer zn bringen. Sic warteten nncb gar nicht lange, denn sie wollten gern bald wieder abreiscn, und so wurde der nächste Sonnabend — der Landlente wegen, die an diesem Tage zum Markt in die Stadt kamen — zur Auktion bestimmt. Mein Mann staunte, alö ich ihm erklärte, ich beabsichtige, der Auktion bciznwohnen, nm mein Schränkchen zn erstehen. Er sand es nicht Passend sür unsere Stellung; er erklärte, mir daS schönste Schränkchen lausen zu «vollen, welches eS mir gäbe. Aber in eine Auktion zn lanseu, sei Unsinn. Da kanfc man stets allerlei Kram zusammen nnd daS sei Geldverschwendung. ES war ja rührend, dast er mir irgend ein teures Schränkchen kanscu wollte, aber eS konnte mir nichts Helsen, denn ich wünschte mir eben gerade mir dieses, welches ich im Geist schon seit langer Zeit besäst, welches ich lieble seit meiner frühesten st indheil! Und sonderbar, dast er an nahm, ich würde unsinniges Zeug znsammeukaufcn. Als ob der Meusth nichl seiucu freie« Willen hätte! Die Männer sind doch manchmal zn komisch, so dachle ich. Ich Halle ja gar uichls nölig. Unser Haushalt war so vollständig eingerichtet, dank der Frei gebigkeit meiner Ettern nnd meines Gatten, dast es au nichts fehlte. Nein, nur nm daS Schränkchen war mir's zn thun. Ich würde eS sicher billig bekommen, andere Leitte würden cS gar nicht sür etwas Besonderes nnschen — eS war eben mir eine Liebhaberei von mir. Also ich machte mich nm Sonnabend morgen zeitig fertig, um uichtS zu verfämucu, steckte alles zu mir, was ich au Taschengeld besäst — eS waren über achtzig Mark — nnd begab mich in das HauS meiner alten Freundin, wo ein groster Saal zum Abhnlten der Auktion bestimmt war. Wehmütig schritt ich durch die veröd.teu Räume und zaghasl ticst ich mich aus einen Stuhl, ganz nahe der Thür, nieder, kaum wagend, mich muzuschanen. Ich war noch niemals in einer Auktion gewesen nnd fühlte mich etwas bedrückt. All die Menschen um mich her, daS lame Sprechen, das Mustern der Gegenstände, die albernen Witze, die nn mein Ohr schlugen, das rücksichtslose Slosteu nnd Drängen störte micli gewaltig, nnd fast bereute ich, dem Rate meines Mannes »übt gefolgt zu sein, aber da siel mein Blick ans mein Schränkchen, welches in einer Ecke stand, nnd ich sastte Mut. Es mnstte mein werden, nnd cs gab nnr diese eine Möglichkeit. Jetzt trat der Auktionator, ein gewaltiger Mann mit mächtigem Schnauzbart und einer Löwenstimme, binter den mit allerlei Papieren bedeckten Tisch, läutete mit einer Glocke nnd verkündigte den Beginn der Anküon, wobei er betonte, dast alle Gegenstände sofort bar bezahlt werden müssten. ES llang ganz graulich! Später machte er bei' jedem Gegenstand, den er auSbm, irgend eine scherzbaftc Bemerkung, was mich sehr unangenehm berübrtc in Erinnerung an meine alte Freundin. Neben mir hatte ein Mann mit listig zwinkernden Angeil Platz genommen, der mich ganz vertraulich nnsprnch. Er wollte mich auSforscheu, ans was ich reflektierte, aber ich war schlau und sagte, eigentlich ans gar nichts Bestimmtes, nur vielleicht das Schränkchen dort — cS sei ja nichts Besonderes, aber in der Speisekammer könne mau's nm Eude uvch gebrauchen. Werl sei das Ding wohl nicht viel. Er mnsterte eS eine Weile nnd stimmte mir dann zn mit seinem komischen Augenzwinkern. Ich warf noch hin, wenn ich's nicht bekäme, sei mir's anch einerlei. Schtnn, nichl wahr? Nnn ging'S los. Zunächst kam daS Porzellan an die Reihe. Ganze Slllste von Tellern mit schadhaften Rändern, wie sic eben » Attsiilcrlismu. „Hören Sie, Herr Wirt, ich sische schon die drille Fliege ans der Snppc! Dors-Wirt: „Wollen Sie nci lieber n Sieb haben?"