Volltext Seite (XML)
Wöchentlich erscheinen drei Nummern. Pränumeration«-Preis 22z Silbergr. sj Mr.) vierteljährlich. Z Tdir. für da« aanze Jahr, ohne Erhöhung, in allen Ldeilen der Preußischen Monarchie. Magazin für die Pränumerationen werden von jeder Buchhandlung (in Berlin bei Den u. Comp., Jägerstraße Nr. 25), so wie von allen König!. Post-Aemiern, angenommen. Literatur des Auslandes. 143. Berlin, Mittwoch den 29. November 1843. Frankreich. Die Neger-Emancipation in den französischen Kolonieen. Am 26. Mai 1840 wurde in Paris eine berathende Kommission ernannt, deren Geschäft cs war, die auf die Sklaverei in den französischen Kolonieen und auf die politische Verfassung derselben bezüglichen Fragen einer Prüfung zu unterwerfen. Diese Kommission hat nun vor kurzem durch das Organ ihres Präsidenten, des Herzogs von Broglie, dem Ministerium der Marine und der Kolonieen einen sehr ausführlichen Bericht über ihre Arbeiten geliefert, welcher von Gesetz-Vorschlägen, die ihr gestellte Doppel-Frage betreffend, begleitet ist. Der auf Befehl der Regierung gedruckte Bericht (360 Seiten in 4.) ist eben so interessant als lehrreich. Er hat alle Zweifel beseitigt, welche Lie so wichtige Frage der Emancipation, nach Allem, was England zu ihrer Lösung gcthan, hcrvorgerufen; denn in England ist die Lösung eigentlich ein Zer hauen des Knotens gewesen, und sie hat nicht wohl etwas Anderes sepn können. Ein für die Abschaffung der Sklaverei begeistertes Publikum erlangte in England von der Regierung eine Emancipation, die nicht nach ihrem Sinne war-, in Frankreich ist es umgekehrt: da nimmt die Regierung die Initiative der Frage und studirt sie mit Eifer und Ausdauer vor einem Publikum, das sehr wenig Notiz davon zu nehmen scheint. In England haben obskure, in StaatSgeschäften unerfahrene Leute dadurch, daß sie auf die Meinung der Massen wirkten, die Apathie überwunden, das Widerstreben besiegt, den Einwürfen der Personen von Einfluß, deren Mitwirkung zum Gelingen des Unternehmens nothwendig war, Schweigen auferlcgt; in Frankreich dagegen verwenden Staatsmänner, ausgezeichnete Publizisten ihre Talente darauf, eine Meinung zu bilden, deren Mitwirkung ihnen zur Vollendung eines National-Denkmals nothwendig ist. Die Neger der britischen Kolonieen verdanken den Dissidenten der Hauptstadt ihre Freiheit; die Neger der französischen werden die ihrige der Elite der Pariser Gesellschaft verdanken. Der in Frankreich befolgte Gang hat einen augenscheinlichen Nutzen: dieser besteht darin, daß man zunächst, in allen seinen Theilen, den Weg untersucht, welchen die Praris wandeln muß; daß man alle seitab führende Pfade beleuchtet, alle Schwierigkeiten ermittelt. Es ist dies eine normale, regelmäßige, logische Verfahrungsweise; doch hat sie auch eine schwache Seite, die der Bericht ahnen läßt und welche die Quelle vieler Täuschungen sepn kann. Der religiöse Eifer, welcher in England der Frage sich bemeisterte, hat nach diesem ersten Erfolge nicht geruht. Mochten nun die Förderer der Emancipation ihre Verantwortlichkeit fühlen, oder mochte die Natur der sie belebenden Uebcrzeugungen selbst ihnen das Bedürfniß einflößen, folgerecht zu sepn und die Verwirklichung ihrer Ideen bis auf die Spitze zu treiben: sic sind bei der Ausführung der von der Regierung anbefohlenen Maßregeln sehr thätig gewesen und haben den ersten so dornigen Schritt von der Sklaverei zur Freiheit um ein Bedeutendes erleichtert. „Diesen ersten Schritt" — so sagt der Berichterstatter — „haben die britischen Kolonieen unmerklich und fast ohne Anstrengung gcthan, weil ihnen hier, um die Autorität des Herrn zu erben und der des Gesetzes zuvorzu kommen, etwas zu Statten kam, das stärker als erstere und lebendiger als letztere war: der überwiegende Einfluß der Geistlichkeit bei den Schwarzen. Dieser Einfluß hängt mit den besonderen Umständen zusammen, in welchen die britischen Kolonieen sich befanden, mit dem Charakter der ersten Urheber der Emancipation, mit den eigenthümlichen Prinzipien, unter deren Anrufung die Sache der Emancipation hervorgetreten und im britischen Parlamente groß geworden ist. „Man erweist der britischen Regierung in der That zu viel Ehre, wenn man die Abschaffung des Sklavenhandels und der Sklaverei ihrer hohen Weisheit zuschreibt, und man thut ihr zu viel Unrecht, wenn man gewisse macchiavellistischc Cvmbinationcn von ihrer Seite argwöhnt: die britische Regierung ist in dieser Beziehung weder der Zeit vorangceilt, noch hat sie die Ereignisse geleitet; im Gegenthcil, sic hat fünfzehn Jahre lang der Abschaffung des Sklavenhandels und fünfundzwanzig Jahre lang der Abschaffung der Sklaverei sich widersetzt und bei jeder Gelegenheit nur der Nothwcndigkeit nachgegeben. „Eben so würde man der Philosophie, der Philanthropie Englands zu viel Ehre erweisen, wenn man ihr in dem großen Unternehmen die crste Rolle anwicse. Die Philosophen und Philanthropen haben ohne Zweifel ruhmvoll unter den Kämpfenden figurirt; allein nur der religiöse Geist hat des Tages Last und Hitze getragen, und ihm gebührt vor Allem die Ehre des Erfolges. Die Religion ist die wahre Befreierin der Schwarzen in den britischen Kolo nieen gewesen; sie hat, beim Beginnen des Kampfes, die Clarkson, Wilber force, Granville, Sharp und so viele Andere erweckt, mit unbezwinglichem Muthc und eiserner Ausdauer gewaffnet; die Religion war es, welche, zuerst in der Nation, dann im Parlamente selbst, jene große Partei der Abolitionisten schuf, die alle Tage zunimmt, in alle Parteien eindringt und Alle zur Er wägung der Sache nöthigt; sie hät, seit vierzig Jahren alle Begebenheiten, alle Umstände sich zu Nutze machend, die Abschaffung des Sklavenhandels im Jahre 1807 erwirkt; durch ihre Vertreter die Erklärungen des Wiener Kon gresses (1815) und später die des Kongresses von Verona veranlaßt; im Jahre 1823 die Motion des Herrn Burton, die Entschließungen Canning's, das Rundschreiben Lord Bathurst's diktirt; im Jahre 1831 den Conseils-Befehl vom 2. November an die Kolonieen geschickt, eben dadurch im Jahre 1833 die Abschaffung der Sklaverei unvermeidlich und 1838 die Beibehaltung der Lehr zeit unmöglich gemacht; sie hat endlich 1841 zum Sturze des letzten Whig- Ministeriums das Ihrige gcthan, um einer Reduktion der Zucker-Steuer, Welche den Erfolg der Emancipation behindern konnte, zuvorzukommen. „Die Abolitionisten sind in den Kolonieen eben so thätig gewesen wie im Mutterland?; sie haben dieselben mit Kirchen, Bcthäusern, Missionen und Vereinen bedeckt, die zu allen diffentirendcn Sekten Englands gehörten und unter den Geistlichen der herrschenden Kirche eine hcilsameNacheiscrung erregten. Indem sic daran arbeiteten, die Emancipation in London nothwcndig zu machen, haben sie dieselbe in den Antillen möglich und leicht zu machen sich bemüht; sie haben Bahn gebrochen, die Hindernisse überwunden, den Boden urbar gemacht. Prediger ocr herrschenden Kirche, Methodisten, Herrnhuthcr, katholische Priester: Alle sind um die Wette ans die Plantagen gegangen, den Schwarzen das Licht und die Tröstungen des Evangeliums bringend, sich, den Herren gegenüber, als Beschützer der Sklaven, den Behörden gegenüber, als Fürsprecher für diese unterdrückte Menschenklaffe aufwerfend. „Trotz der Anklagen, die man bei Gelegenheit des Neger-Aufstandes von 1830 so laut und so unzeitig gegen die Missionaire erhob, verdankte doch Jamaika ihrer Dazwischenkunft mehr als der bewaffneten Macht. Dadurch, daß die presbyterianischen Geistlichen um die Plantagen-Besitzer sich vereinig ten, hemmten sie das Umsichgreifen des Aufruhrs, der im Innern der Gebirge ausgebrochen war. „Wir müssen zu unserem Schmerze gestehen, daß in unseren Kolonieen nichts AehnlichcS eristirt." Man darf sogar hinzusetzen, daß etwas dem Zusammenwirken der prote stantischen Sekten Analoges bei der französischen Emancipation niemals fiatt- finden wird, weil die Bewegung nicht aus religiösen Prinzipien hervorge- gangen, weil die Meinung, die sich unter dem Einflüsse der heutigen Förderer der Emancipation bildet, eine wohlüberlegte ist, welche die Hindernisse kennt und den Resultaten nicht unbedingt vertraut — eine Meinung ohne Verblen dung und ohne Fanatismus; weil endlich jene Förderer, jene erwählten Menschen, wie fest begründet ihre Uebcrzcugung und wie schwer auch die Ver bindlichkeit sep, die sie auf sich nehmen, nicht selbst gehen werden, wie die englischen Methodisten, um Hand ans Werk zu legen und die Neger aus dem Joche ihrer Herren unter das des Gesetzes zu bringen. Die ersten Seiten des Berichtes der französische» Kommission sind der Widerlegung einiger allgemeinen Einwürfe gewidmet, unter denen diejenigen voranstehcn, welche von einigen betheiligtcn Personen, nämlich von den Sklaven-Besitzern der Kolonieen, gemacht werden. Der Verfasser verweilt nicht lange bei denselben, und er hat Recht: diese Pflanzer-Logik schmeckt zu sehr nach Eigennutz, als daß sie bei europäischen Christen Kredit und Gunst finden könnte, obgleich eine Dame von der baute-vole«, die Gräfin Cam- baffedös-Merlin, kürzlich den Muth gehabt hat, in einem Artikel der kevue den üeux Nonäe« als Verfechterin dieser Meinung aufzutreten. Das blen dendste Argument dieser Logik: Laß die Sklaverei in den Kolonieen für die Neger eine angenehme Lage ist in Vergleichung mit derjenigen, welche in Afrika ihrer wartete — erinnert uns an die Berthcidigung des Schäfers im „Advokat Patelin". Auch dieser tödtete die Schafe aus Menschlichkeit, damit sie nicht an den Schafpocken sterben. Wenn man der Frau Gräfin glauben soll, so giebt es keinen freien Ar beiter in Europa, der das Loos der Sklaven von Havana nicht beneiden könnte, einer übrigens äußerst trägen und lasterhaften Menschenklasse, für