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Wöchentlich erscheinen drei Nummern, vrännmeralion« -Preis 224 Silbergr. THIr.) vierteljährlich, Z Thlr. für do» ganze Jahr. ohne Erhöhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie. Magazin für die Pränumerationen werten von jeder Buchhandlung (in Berlin bei Veit u. Comv., Jägerstraße Nr. 28), so wie von allen König!. Post-Acmtern, angenommen. Literatur des Auslandes. 139 Berlin, Montag den 20 November 1843. England. Das irländische Parlament und die Union. Ein historischer Rückblick.") Nachdem Dermot, König von Leinster, die Gemahlin O'Rourke's, Königs von Meath, entführt hatte, beklagte sich dieser bei Roderich O'Connor, dem Gesammthcrrschcr der Irländer, welcher, um dem beschimpften O'Rourke Genugthuung widerfahren zu lassen, Dermot aus dem Lande jagte. Doch der bestrafte Ehebrecher sann auf Rache, und wandte sich an Heinrich II., König von England, welcher schon seit zehn Jahren die Eroberung Irlands im Schilde führte, nachdem ihm Papst Hadrian IV., damals noch im unbe strittenen Besitz aller Inseln deS Erdkreises, das Recht der Eroberung zu gesprochen hatte. Jenes Recht des Papstes erscheint seltsam, war aber zu damaliger Zeit so wenig irgend einem Zweifel unterworfen, daß selbst Jahr hunderte später noch die Eroberer Amerika'S demselben huldigten. Fragen wir also, worauf sich das Recht der Engländer auf den Besitz Irlands gründet, so müssen wir freilich gestehen, auf ein Verbrechen, durch ungerechte Kriege gesühnt und durch ein Gesetz geheiligt, das die Engländer sich wohl hüten werden, heute noch für sich geltend zu machen. Doch, was will daS sagen? Ist irgend eine andere Fremdherrschaft, wenn wir bis zum Keime ihres Entstehens zurückgehen, auf ein besseres Recht gegründet? Genug, jene Eroberung blieb eine geheiligte Thatsache, welche vier Jahrhunderte hin durch die größten Anstrengungen erforderte. Denn wenn auch viele Invasionen unter Fitz-Stephan, unter Strongbowct und durch die Anglo-Normannen seit dem Jahr NOS stattfandcn, so war doch bis 1003 Irland in der That noch nicht unterworfen. — Aber die Vollendung jenes schwierigen Wertes ist doch wenigstens durch einen Vergleich herbeigeführt, es find doch den Besiegten Bedingungen eingeräumt und von den Siegern dieselben gehalten worden? Wir wollen sehen! — Uebergehen wollen wir die natürlichen Folgen eines erbitterten Kampfes, die unzähligen Gcwaltthätigkeitcn, die schamlosesten Beraubungen und Gesetzes umgehungen; lassen wir unberücksichtigt die massenhaften Hinrichtungen unv Confiscationen, die gewaltthätige Einführung des Protestantismus in Irland, die vielfältigen Komplotte zur Vernichtung der cingeborncn Aristokratie, die schandhaften Kriege Jakob'S I., Strafford'S und Cromwcll'S, die Entfesselung der schmutzigsten Leidenschaften, welche das unglückliche Land zerfleischten: nur von dem irländischen Parlament wollen wir heute reden, und von den Vor- thcilcn, welche sich die Irländer davon zu versprechen hatten. Schon im zwölften Jahrhundert, gleich nach der ersten Invasion, wurde das irländische Parlament eingesetzt. Kaum hatten sich die Anglo-Normannen in ihrem neuen Besitz niedergelassen, als ihnen auch sogleich Privilegien und Freiheiten bewilligt wurden, welche die englischen Könige nicht anzutastcn wagten. Geschwornen-Gerichte traten in Kraft, die Verwaltungs-Gesetze wurden in einer aus LordS und Gemeinen zusammengesetzten Kammer be sprochen, und als die magna cliarts in England proklamirt wurde, sand sie auch sogleich auf Irland die ausgedehnteste Anwendung. Wohl wahr, aber wir dürfen hierbei nicht vergessen, daß die Anglo-Normannen, im Besitze aller dieser Freiheiten, die unter dem schimpflichsten Joche gehaltene irländische Bevölkerung vom Genüsse derselben ausschlossen. — Wir dürfen getrost die Annalen von vier auf einander folgenden Jahrhunderten vergleichen und werden nicht eine Spur der Gesetzgebung dieses Parlaments finden, daS nur zum Vorthcil der Sieger gebildet worden war. Doch, unter Heinrich VII. ist ja wohl von ihm die Rede? Popnings, da maliger Vice-König von Irland, erließ ein Gesetz, cs solle kein Parlament in Dublin zusammcntreten, ohne daß die Beweggründe zu seiner Zusammen berufung und die zu debattirenden Gesetzesvorschläge vorher von dem englischen Parlamente geprüft und gebilligt worden wären. °°) — Kurze Zeit darauf bestimmte ein anderes Gesetz, daS zur Ergänzung jenes früheren erlassen wurde, daß alle das Gemeinwohl Englands betreffende Verfügungen auch in Irland angenommen und ausgeführt werden sollten. °°°) Und damit auch nicht der geringste Zweifel über den Sinn jener Gesetzgebung mehr herrschen sollte, wurde unter der Regierung Philipp's (von Spanien) und Maria's ein aus- ') Nach der Lrltlak ans ror-lxn Nev!SN, einer Zeitschrift, die zwar die Ungerech tigkeit der bisherigen Behandlung Irlands anerkennt, aber doch gegen die Auflösung der Union ist, welche Ansicht auch auf dem Kontinent die vorherrschende zu sen» scheint. drücklicheS Verbot für das irländische Parlament erlassen, sich ohne ausdrück liche Erlaubniß deS englischen Königs zu versammeln; dieser allein habe sein Zusammentretcn im voraus zu sanctioniren und die zu bebattirenden Vor schläge zu bestimmen. Erst nachdem dieselben mit dem königlichen Jnsiegel Versehen und mit einem formellen Erlaubnißschrciben begleitet von London zurück gesandt worden wären, erst dann sepen sie in Dublin einer geeigneten Be- rathung zu unterwerfen. ") Ein politischer Körper, dessen Eristcnz auf solcher Basis ruht, ist doch gewiß ein bloßes Schattenbild, welches nicht in die Region der Geschichte hineinragt und dessen Erscheinung bald der Vergessenheit zum Raube wird. — Erst unter Karl II. hören wir wieder von jenem Parlamente reden. Dieser Fürst nämlich, welcher seine Restauration mit tausenderlei Grausam keiten befleckte, behandelte die irländischen Katholiken ungefähr eben so glimpf lich, wie späterhin die treuen Vendeer behandelt worden find. Die Soldateska Cromwell's, aus lauter protestantischen Abenteurern zusammengesetzt und bei der Gütervcrtheilung der Katholiken reichlich bedacht, wurde durch alle mög liche Mittel zu beschwichtigen gesucht, während die Geplünderten den Befehl erhielten, sich ruhig zu verhalten und nicht mit unnützen Beschwerden die Ohren ihres rechtmäßigen Königs zu belästigen. Doch gab es Einige, welche sich bei diesem Befehle durchaus nicht beruhigen konnten und sich ohne alle Ceremonie in den Besitz der ihnen „gestohlenen" Güter setzten. Sie wurden gehangen und bei dieser Gelegenheit eine Proclamation folgenden merkwür digen Inhalts erlassen: Alle (früher von der Republik wegen Katholizismus und RopalismnS) ihrer Güter beraubte Irländer find als Schuldige zu be trachten, so lange sie nicht vor einem zu diesem Zwecke niederzusetzenden Ge richtshöfe ihre Unschuld dargelegt haben; erst dann steht ihnen das Recht zu, auf die Wiedererstattung ihrer Güter anzutragen, welche ihnen aber erst ge währt werden kann, wenn die Zeit Mittel zur vollständigen Entschädigung der gegenwärtigen Besitzer wird an die Hand gegeben haben. Trotz der Vorsicht jedoch, welche man anwandte, das ReclamationS- Tribunal aus Protestanten zusammenzusctzen, geschah es dennoch, daß viele Katholiken für unschuldig erklärt wurden, und daß die zur Entschädigung be stimmten Ländereien nicht ausreichtcn. Eine Folge davon war, daß der Ge richtshof den Befehl erhielt, seine Arbeiten sogleich einzustellen, und daß ZOOV Beschwerdeführer auf günstigere Zeiten verwiesen wurden. — Um nun aber einen großen Theil der Verantwortlichkeit, welche eine so rücksichtslose Handlungsweise ihnen aufbürdcn mußte, von sich abzuwälzen, beriefen die Minister Karl's II. ein irländisches Parlament zusammen. Wie natürlich, war eS jedoch wiederum aus lauter Protestanten zusammengesetzt, welche an der Spitze des Schwertes die Rechtsansprüche ihres gegenwärtigen BcsitzthumS vor sich her trugen. Und dennoch, um vollkommen sicher zu seyn, daß kein Papist sich cingcschlichcn habe, mußte jedes Parlaments-Mitglied, bevor eS seinen Sitz einnahm, den Supremats-Eid schwören, ja das Haus der Lords legte sogar jedem seiner Mitglieder die Verpflichtung auf, vor dem Be ginn der Sitzungen daS heilige Abendmahl, nach anglikanischem Ritus, aus den Händen deS zum Präsidenten ernannten Erzbischofs von Armagh zu empfangen. Wieder tritt nun in der Geschichte dieses servilen Parlaments eine bedeu tende Lücke ein. I7IS erließ das englische Parlament eine Akte unter dem Titel: „Um besser die Abhängigkeit des Königreichs Irland nnd dessen Unter werfung unter die Krone Englands zu sichern." — In derselben Akte heißt eS ferner: daß die Lords von Irland seit kurzem eine ungesetzliche Gewalt sich anmaßen, indem sie die von den Gerichtshöfen gefällten Urtheile prüfen, um- ändern und verbessern. Deshalb ruft man die LordS zur Erkcnntniß ihrer untergeordneten Stellung zurück und gicbt ihnen wiederholt zu verstehen, daß das Königreich Irland von Rechts wegen der Krone Englands unterwürfig und gehorsam ist, war und sepn wird, so wie eS denn auch für ewige Zeiten mit demselben verbunden und an sein Geschick gekettet bleiben muß. Se. Maj. der König, von den geistlichen und weltlichen Lords, so wie auch von den Kommunen Großbritaniens, welche zum Parlamente vereinigt worden, be- rathen, hat, hatte und muß von Rechts wegen stets volle Gewalt und unum schränkte Macht besitzen, Gesetze und Statuten zu erlassen, welche für das irländische Volk jederzeit bindende Kraft besitzen. °°) So standen die Sachen noch im Jahre 1782, als der amerikanische Unab hängigkeitskrieg ausbrach und den Irländern das Beispiel eines stolzen Ent- ") Iv. Ueur^ Vll., e. II. — 10. II«nrx Vll-, c. 22. ') 2 ans I. Philip »nä Uaria, o. s, — "j V, Kovrxe I., c, 6.