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«rscheinin drei Nummern. Pränumkr«ti«n<, Preis 2Lj Silbergr. (t Thtr.) vierteljihrlich, 3 Tdlr. für da« ganze Jahr, ohne Erhöhung, in allen Theilen der Preu-iseden Monarchie. Magazin für dir Pränumerationen werden von jeder Buchhandlung (in Berlin bei D«i> u. Eomv., JSgerNraße Nr. 28), so wie von allen König!. Post - Aeintern, angenommen. Literatur des Auslandes. 1847. 119. Berlin, Dienstag den L Oktober Schweden. Dem Andenken Geifers und Franzens. Schweden hat seine drei bedeutsamsten Dichter jetzt verloren. Tegnör, der voranging, sind in den letzten Monaten auch Geiser und Franzen gefolgt. Jenes haben diese Blätter nach seinem Tode schon gedacht; die beiden Anderen verdienen wohl ebenfalls einen Nachruf in denselben. Wenn wir aber ihr Bild uns noch einmal zurückführen wollen, so kann dies nicht charakteristischer und sprechender geschehen, als indem wir von dem Einen mitthcilen, wie er selber seinen Eintritt ins Leben und das erste Entstehen seines Berufes zum Geschichtsschreiber erzählt, und von dem Anderen die Grabschrift, die er sich gleichsam selbst gesetzt hat. Der Erstere, Geiser, ist in Deutschland weit bekannter, als Franzön. Seine Geschichte des schwedischen Volks ist deutsch übersetzt, eben so seine besten Gedichte: Mannheim, der letzte Kämpe, der letzte Skalv, der Odalbonde, der Viking u. s. w. Er war ein vielseitiger Literat, Historiker, Philosoph, Aesthetikcr, Dichter, Tonsetzer und noch in seinen letzten Jahren ein politisches Haupt der liberalen Seite. Wie alle diese verschiedenen Anlagen frühzeitig bei ihm gekeimt sind und gehegt wurden, davon hat er selbst eine Schilderung gegeben, über die ich keinen besseren Ausdruck weiß, als daß einem wohl bei ihrem Lesen ums Herz werden muß. Sic ist entnommen aus einer kleinen nicht fortgesetzten Schrift, und sie möge überschrieben seyn; Geifers Kindheits-Erinnerungen. „Ich danke Gott für die besten Aeltern. Das Andenken an den glücklichen Fleck auf Erden, den ihre pflegende Hand geheiligt hat, liegt wie Sonnenschein in meiner Seele. DaS ist die Freistätte in meinem tiefsten Innern, wo ich die Quelle der Jugend noch immer rauschen zu hören glaube. Was alles da- Frühlingsgrün Saftiges hat, der WaldeSschatten Erquickendes, die frische Welle Labende-, — der Duft von Fichtenrcis und Blumen — Landluft, Mor. genluft — alle- da- lebt noch in dieser Erinnerung und ist in ihr gegenwärtig, und Stadtleben, Stubenleben, Bücher unendlich, der ganze Staub der gelehr- ten Heerstraße hat sie nicht auslöschen können. Sie quillt wieder aus dem Sande hervor, wie die Quelle in der Wüste. Ich trage sic mit mir umher und bin ein Jugendthor mit erbleichendem Haar. Meine Heimat, Wermland, hat das Glückliche und Eigenthümliche, zum großen Theil noch immer ein neue- Land zu sepn. Man sollte nicht glauben, daß e- so lange her ist, seit Alos der Holzschneider dort zuerst die Art an die Waldeswurzel setzte. Da- Land gehört zur Nordlandsnatur. Aus Ge- wässern und Gebirgen sieht man seinen Grundriß bestehen; langgestreckte Wasserbecken in den Thälern, von denen kleinere Seitenarme sich tief in den Bergen verlieren, dazwischen Waldung, in den Wäldern hin- und hergestreute kleinere Seen, Dörfer, Gebirgsweiden, einsame Fischerhäuser, Holzsällungen, Kohlenmeiler und grüne Stege, welche die Winterwege der Bauern bezeichnen. Im größten Theil deS Lande- hat erst da- Eisen die Lichtung gebrochen. Die Hammer klappern an den größeren und kleineren Wafferzügen. Da, wo ich geboren bin, waren an einem kleinen Bach, der aus einem Waldsee in die Klara-Elf fällt, drei Eisenwerke im Lauf einer Viertelmeile. Da giebt cs »in frisches Leben im Winter. Eisenhämmer und nordischer Winter gehören zu einander. Da- ist ihre schöne Jahreszeit. Mitten im heißen Sommer sind die Söhne des Vulkan-, wenn sie vor ihrem Heerde sitzen, ein trübseliger An- blick. Allein im Winter bieten sie und ihre Umgebung ein munteres Schau- spiel der härtesten Arbeit dar. Diese Flammen aus tiefem Schnee heraus, da- Wasser, da- aus Pfeilern und Gewölben von Eis hervorstürzt, die schweren, weitschallenden Hammerschläge, welche in einer zur Ruhe gefrorenen Natur zeigen, daß der Mensch in ihr wach ist, und daß Sehnenkraft und Schweiß sich der Kälte und dem Schneetreiben rühren; Kohlen- und Eisen- schärfer in langen Reihen, mit Reif in den Bärten: wiehernde Pferde mit Dampfwolken aus den Nasenlöchern; das Getümmel von Leuten und Arbeit, — daS giebt ein Bild fürs Auge, ein Bild de- Lebens! Wie manchen Tag hab' ich cS geschaut, — mit Eine- unter den Elstern, den Sperlingen und Kindern! — Wie manchen Abend habe ich die aus der Esse aufsteigenden Feucrgarben betrachtet und die irrenden Funken verfolgt, bi- sic im dunkeln Räume erloschen! Gleichwohl bin ich in einem Winkel der Welt geboren. ES ist mit einer Art Heimatsstolz, daß ich noch immer mich gern erinnere, wie kaum eine halbe Biertelmelle von meiner Aeltern Wohnung der Weg geschlossen war. ES war für den, der blos im Wagen fahren will, das Ende der angebauten Menschheit. Es ist sonderbar, nur den Eindruck eine- vollkommenen Glückes au- den achtziger und neunziger Jahren des vorigen Jahrhunderts mit sich zu tragen, wo die Welt in ihren Grundvesten erschütterte, daß sie nocd davon bebt. Man wußte davon nichts an dem genannten Ende der Welt, oder man betrachtete daS Schauspiel, wie ich die Feuergarden in der Schmiede-Esse. Krieg und Um- Wälzung in gehöriger Entfernung lassen sich genießen, wie cin Dessert zum Mittagsmahl. Merkwürdig, was man dann aushalkcn kann. Man fühlt auch bei dem Erschrecklichsten blo» einen Ansatz von Hclccnmuth. Wir ängstigten uns nicht. Die schönen Reden in der französischen National. Versammlung, so viel davon bis in unseren Wald wicderhalltc, machicn uns ein unendliches Vergnügen! An die Blutseenen glaubten wir nicht sehr, wie sollten sie mir in die neue Ordnung gehören, und ich erinnere mich noch, wic einer unserer ehrbaren Nachbarn von NobeSpicrrc (cr war noch nicht Diktator) sprach, als von einem verfolgten Manne der Tugend, den man nicht in Frieden lasse. — Da kam über uns, wie cin Donnerschlag aus heiterem Himmcl, Gustav des Dritten Ermordung. — Es steht vor mir, als wäre eS gestern, — wie die furchtbare Neuigkeit uns bei Tische antraf — wie sich der erste Schrecken in Thronen Luft machte — wic wir uns weinend um unseres vortrefflichen Va- terS Knie drängten, und wie cr seine Augen und seine Hände zum Himmel erhob. Noch immer höre ich das tägliche Sterbeläutcn. Dennoch blieb da« letzte Jahrzehnt des achtzehnten Jahrhunderts für Schweden cin glückliches. Verschiedene äußere Anzeichen, daß die Zeit nicht zum friedlichen Genüsse bestimmt war, würden freilich auch bicr sich anfübren lassen. Damals sah sie Niemand oder suchte sie zu vergessen. Es find unter den politischen Wettcrverkünvcrn nur wenige solche alte Lootsen, welche an Merkmalen, die der Menge entfallen, die nahenden Stürme voraussagen können. Im Allgemeinen verspürt man vor dem Ausbruch der gesellschaftlichen Erdbeben eine besondere Lustigkeit unter den Menschen. Bei der Menge ist dies gedankenloser Leichtsinn, der Uebermuth des Friedens und der guten Tage. Manche scheinen sich auch ihre Furcht gleichsam fort zu singen. Eine genuß. reichere und fröhlichere Zeit, als die, welche der französischen Revolution vor- anging, hat es kaum je gegeben. Schweden genoß seiner Neutralität in dem großen Kampfe. Die Wunden des russischen Krieges wurden geheilt. An Geld war Ucberfluß — freilich Papiergeld — allein Ackerbau, Handel und Nahrung blühten. DaS Eisen hatte vortrefflichen Absatz. Wermland, welches durch dieses sein vornehmste- Erzcugniß in seinen Vermögensumständen den Wechselfällen des Handels unterworfen ist, hatte seit den sechziger Jahren keine jener finanziellen Niederlagen erfahren, die seitdem diese Provinz heim« suchen und seinen Grund und Boden in andere Hände bringen. — Mein Va- ter hatte aus einer solchen Niederlage das Haus seiner Väter wieder empor, gerichtet. Man hatte jetzt zwar keinen Ucberfluß, aber Wohlstand, und ein solcher herrschte im Allgemeinen im Lande. Es gab keinen gastfreieren Ort, als meine Kindcsheimat. Zu Weihnachten fuhr eine zahlreiche Jugend, zu. weilen aus bloßen Kohlenschlitten, in den Höfen der Nachbarschaft herum. Bei Tanz und Musik bin ich ausgewachsen. Wollte man auch sagen, daß e« oft nur in wollenen Strümpfen herging. Denn ich besinne mich recht wohl, daß ich mich in solchen in der Tanzstunde zeigte, — sie waren von meiner Mutter-Hand gestrickt, — dazu ein Beinkleid von schwarzem Satin, für mich bergestellt, nachdem cS einem anderen Geschlecht gehört halte, und ein grüne- Jäckchen von Bauerntuch mit stählernen Knöpfen. Jndcß wurde ich kein schiech, ter Tänzer, und etwas besser ausgerüstet, machte ich einige Jahre nachher Aufsehen mit meinem Tanz am Faschingsmarkt. Auch fehlte eS nicht an Uebung. Sobald junge Leute zusammen waren, stellte sie mein Vater zum Tanz; in der Herbstzeit fast an jedem Abend seine Kinder unter sich, mit dem Hauslehrer als Bortänzcr-, und seine eigene, große, ehrfurchtsvolle Gestalt, zuweilen an der Freude der Jugend selbst thcilnehmend, steht meiner Seele noch vor Augen. — ES waren dies keine geistlosen Vergnügungen. Ich habe vie Welt gesehen, und ich denke jetzt mit Bewunderung an die echt menschliche Bildung zurück, die in diesem ländlichen Kreise lebte. Unsere älteren guten Schriftsteller wurden dort außerordentlich in Ehren gehalten. Kein Fleck war noch auf den Glanz ihres Ansehens gekommen. Ich habe schon als Kind Gyllcnborg'S vortreffliche Fabeln, Atis und Camilla von Creutz, Orcnstjcrna's Aerndten und seine Stunden des Tage-, Kcllgren's und Leopold's beste Gedichte mehr als einmal vorlesen, genießen und bc- wundern hören. Ein alter Freund des Hauses, der uns oft besuchte, war ge- wöhnlich Vorleser dabei. Eben diesen habe ich die Erzählungen von Marmon-