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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. Prjnunieranonö-Preiö 22j Siibergr. sj Tdir.) vierteljährlich, Z Tdlr. für dar ganze Hahr, ohne Erhöhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie. Magazin für die Pränumerationen werden von jeder Buchhandlung (in Berlin bei Veit u. Eomp., ILgerjlraße Nr. 28), so wie von allen König!. Post-Aennern, angenommen. Literatur des Auslandes. 113. Berlin, Mittwoch den 20. September 1843 Rußland. Astrachan und seine Umgegend. I. Zur Geschichte Astrachans, nach Russischen Quellen. ES giebt in Rußland wenige Städte, die ein so wechselvollcS Schicksal erfahren hätten, wie Astrachan. Wie viele Völker sind an ihm vorübergegan- gen! Wie viele Herrscher hat cS in seinen Mauern empfangen! Es trägt in seinem Sande noch die Spuren der Fußstapfen Atlila'S und Tamerlan'S. Sich einer scchShundertjährigen Cristen; rühmend, erscheint es als ein wahrer Aristokrat unter den Nussischln Städten- Seiner Lage nach ist es das Tata rische Alexandrien. Und doch stellt seine Geschichte nichts als eine Kette von Unglücksfällen dar. Beim Einfall der Mongolen gehörte Astrachan zu den ersten Opfern ihrer Wildheit und blieb in den Händen der Chane bis zur Negierung des Zaren Johann Wasiljewitsch, der es im Jahre IS87 eroberte und mit Rußland vereinigte. Unter Russischer Herrschaft wurde Astrachan regel mäßig befestigt-, man erbaute einen Kreml und errichtete eine Eparchie, deren Erzhirten sich mehrentheils durch ihre Tugenden auSzeichneten. Unglücklicherweise gaben ihnen die stürmischen Zeiten dazu Anlaß, die mit dem Erscheinen des falschen Demetrius über Astrachan wie über ganz Rußland einbrachen. Innere Unruhen und die Anschläge des Kosaken-Hetman'S Sarutzkij drohten der Stadt mit großer Gefahr, die nur durch die Festigkeit deS Gouverneurs Golowin und des Klerus abgcwendet wurde. Der Bürgerkrieg hörte aus, aber Astra chan genoß noch immer keiner Ruh«. Ein plötzlicher Uebersall der Tataren hätte es beinahe der Moskowitischen Herrschaft entrissen: es gelang dem Fürsten ProsorowSkij, sich, nach großem Verlust, darin zu behaupten, aber bald unterlag er nebst seinem Bruder, seinen Kindern und anderen Beamten im Kampfe mit dem Aufrührer Stenka Nasin, der die Stadt gänz lich ausplünderte. Der Erzbischof Joseph erlitt dabei den Märtorertod: die Gefährten Stenka's, die in Astrachan zurückgeblieben waren, konnten die Vorwürfe des heiligen Mannes nicht ertragen und beraubten ibn deS Lebens. Noch hatten sich die Räuber nicht entfernt, als ein neues Unglück heranzog , das Erdbeben, welches im Jahre IMM mehr als hundert Persische und Tür kische Städte verheerte, erschütterte auch Astrachan bis zu seinen Grundfesten. Nach einer langwierigen Belagerung glückte eS endlich dem Bojaren MiloS- lawskij, die Rebellen zu vertreiben und eine kurze Ruhe herzustellcn, die in dessen bald durch die Pest unterbrochen wurde. Sie kostete IS,AM Menschen das Leben. Wenige Jahre später (1708) brach der Aufruhr der Strjelzen aus, die sich Astrachans bemächtigten und zu einer so drohenden Macht anwuchsen, daß man ein zahlreiches Truppen-Corps unter dem Feldmarschall Schcremetjew gegen sie aussenden mußte. Scheremetjew unterwarf sie, nicht aber ohne starken Verlust zu erleiden. Kaum fing die Stadt an, sich wieder zu erholen, als eine furchtbare Feuersbrunst im Jahre 170S gegen VNO Häuser zerstörte und selbst den Kreml beschädigte. Endlich erschien Peter der Große in Astra chan und setzte, wie cs schien, durch seine bloße Gegenwart diesen unaufhör lichen Unglücksfällen ein Ziel. Bon nun an erhielt es eine wichtige politische Bedeutung und eine bürgerliche Verwaltung; cs wurde der Sammelplatz der Truppen und der Mittelpunkt, von wo aus die Kriegs-Operationen im Persischen Feldzug betrieben wurden. So nahm Astrachan allmälig an Reichthum und Größe zu, während sich mehrere neue Industrie-Zweige ent wickelten. Die Eroberung von Derbcnd, Baku, Reicht und anderer Seehäfen durch Peter den Großen, die Errichtung eines eigenen Kosaken-Corps und andere Anordnungen verschafften der Stadt einen ansgcbreiteten Handel und sicherten sie vor feindlichen Einfällen. Mit dem Tode des Kaisers gcriethen aber seine Pläne in Vergessenheit, die von ihm ergriffenen und schon in voller Wirksamkeit befindlichen Maßregeln hatten keinen Fortgang, und die eroberten Länder wurden wieder an Persien abgetreten. Astrachan gerieth in Verfall. Die Annäherung Pugatschcv'S setzte die Einwohner von neuem in Schrecken und drohet« ihnen mit einer Wiederholung ihrer früheren Drangsale — nur die Geistesgegenwart des Erzbischofs Methodius rettete die Stadt. Unter der Regierung Katharina's erhielt Astrachan eine neue Stadt.Ordnung und wurde ganz umgebaut, aber im Jahre 180« wurde eS noch einmal von der Pest heimgesucht, und in der neuesten Zeit richtete die Cholera bedeu tende Verheerungen dort an. UebrigenS trugen das veränderliche Klima, der größtcnthcilS aus Salzmorästen bestehende Boden und die heftigen Winde zur Verbreitung epidemischer Krankheiten bei. Hitze und Kälte erreichen oft 30 Grad Reaumur, und das Barometer ist starken und plötzlichen Schwan kungen unterworfen. Jetzt ist Astrachan kaum wieder zu erkennen — so sehr hat es sich verbessert und verschönert. ES stellt daS verschiedenartigste Gemisch von Völkern dar und kann sich mit Recht den Europäischen Basar nennen. Man trifft dort Tataren, Nogajer, Kalmyken, Bucharen, Perser, Indier und Europäer. Im Jahre 1838 crstrcckte sich die in Astrachan ansäßige Bevölkerung auf 40,000 Köpfe; man zählte bereits 10 öffentliche Lehranstalten und sechs wohlthätige Institute, so wie 4«, Fabriken, und die Stadt-Revcnüen beliefen sich aus 400,000 Rubel. Seehunde, Fische und Obst sind die drei vorzüglichsten Pro- dukte und die unversiegbaren Quellen des Astrachanischcn Handels. Das Revier der Emba, welches nur einen Theil des dortigen Fischfang-Systems bildet und Jedem zur Benutzung freistcht, lieferte in den letzten 10 Jahren über fünf Millionen Fische") verschiedener Art und gegen 300,ooo Pud Kaviar, und in fünf Jahren wenigstens 300,AM Scehundc. Außerdem wer den noch große Strecken von Privatpersonen gepachtet; unter anderen bezahlt der Kaufmann Golikov der Krone jährlich 601,80» Rubel, und sein reiner Verdienst wird auf 1,300,000 Rnbcl angeschlagen. Der Handel mit dem Orient ist weniger bedeutend, als man nach der vortheilhaften Lage vermuthen sollte, und auch der Gartenbau befindet sich in einem nicht sehr blühenden Zustande. Letzterer hat soinen Anfang einem gefangenen Oesterrcischen Mönche zu verdanken, der sich unter der Negierung des Zaren Michael Fcodorowitsch (INI3-48) in Astrachan niedcrließ. Aus Langeweile beschäftigte cr sich mit dem Gartenbau, verschrieb Weinreben aus Persien und zog den ersten Astrachaner Wein. Die Regierung unterstützte seine Versuche. Peter der Große widmete dicscm Industriezweige besondere Aufmerksamkeit, stellte zuerst einen Franzosen, dann den Ungar Parobitsch an die Spitze desselben, und der Gartenbau blühte eine Zeitlang an den Ufern der Wolga, gerieth aber bald ins Stocken. Unter der Verwaltung Parobitsch's zählte man einundzwanzig Weinberge. Als die Krongärten später in Privathände übergingen, hob sich der Betrieb wieder; im I l8O3 bestanden schon 124 Wein- und Obstgärten, die sich jetzt indessen bis auf 80 wieder vermindert haben. Ihr Verfall ist durch die vielen ansteckenden Krankheiten, vorzüglich aber durch die Cholera veranlaßt worden. Mit dein Aushörcn dieser Geißel ist endlich für Astrachan eine neue Epoche cingetreten, die, aller Wahrscheinlichkeit nach, sowohl auf den Gartenbau als auf den Persischen Handel den günstigsten Einfluß haben wird. England. Die politischen Theorieen des I7ten Jahrhunderts- Thomas HobbeS und Jakob Harrington. (Fortsetzung.) Wollte man HobbeS nach seinen Schriften bcurtheilen, so ist man fast geneigt, ihn für einen Misanthropen zu halten, der sich von dem Umgänge der Welt darum fern hielt, um ihre guten Eigenschaften nicht kennen zu lernen und sie nur von ihrer schlechten Seite darzustellcn. Und doch war Hobbcs nichts weniger als dieses. Aubrey, sein Zeitgenosse und Biograph, malt ihn als einen liebenswürdigen, geistreichen und der Sarkastik sich etwas hinneigenben Mann. DaS Band der Freundschaft war ihm heilig. Der Graf von Devonshire, sein Schüler, trug ihm eine innige und lebenslängliche Freundschaft nach. In den Stürmen seines Lebens fand HobbeS bei ihm immer ein Asyl gegen Verfolgung und Anfein dung; auch beschloß er I67ll auf seines Freundes Gut sein Leben, in dem hohen Alter von neunzig Jahren. Er starb einen ruhigen und friedlichen Tod, obgleich seine Biographen ihn deS Atheismus beschuldigten und behaupteten, daß er seine Rolle bis zum Ende seines Lebens nicht mit gleicher Festigkeit ge spielt habe. HobbeS' Leben ist gleichsam gctheilt zwischen Frankreich und Eng land. In Paris verfaßte er daS beste seiner Werke, nämlich ü« <>vo (über ve» Bürger), worin er gegen den Katholizismus kämpft; im „Leviathan" zeigt er sich noch bitterer gegen denselben. Hierdurch brachte cr natürlich dic Fran zösische Geistlichkeit gegen sich auf, die er auf ihrem eigentlichen Grund und Boden angriff. Sie gab sich daher alle Mühe, HobbeS ans Frankreich zu vertreiben, so daß er bald einen doppelten Ostrazismus, nämlich von Seiten Englands und Frankreichs, hätte erleiden müssen, wenn ihm nicht dic Güter seines Zöglings mehrere Jahre lang einen Schlupfwinkel dargcbotcn hätten. Dieses herum.irrcndc, verfolgte Leben erklärt seine Gesinnung, mit der er die ') Roch« Fisch«, Mmmg« wvruntcr bi« Rügen den Ttör und den Hausen nebst deren Abarten verstehen.