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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. Pränumeranon» - Preie 22z Dildergr. sj DKIr.) vierteijödrlich. Z Ldlr. für d»« gan>e Iakr, odne Erdidung, in ullen Ldeilen der Preußischen Monarchie. Magazin für die Pränumerationen werden non seder Buchhandlung (in Berlin hei Veit u. Comp., Jägcrslraiie Nr. 25). so wie von allen König!. Post-Aemicrn, angenommen. Literatur des Auslandes. 111. Berlin, Freitag den 15. September 1843- Galizien. Ausflug eines Deutschen nach Pokucien. Neisesuhrwerk« in Galijien. — Winili und die Jesuiten. — Schwäbische Kolonie. — Ruthenis.be Landschaften. — Leben und Sitten in den Karpaten. — Deutsche Beamte in Galizien. Arbeiten, durch welche ich mich mit meinem neuen Berufe bekannt machte, zum Theil körperliche Verstimmung, hatten mich beinahe den ganzen Winter hindurch im Zimmer sestgehalten, und obwohl seit acht Monaten in Lemberg lebend, hatte ich so von Galizien eigentlich noch nicht das Mindeste kennen gelernt. Freilich hatte ich bei meiner Reise nach Lemberg ungefähr sechzig Meilen des Landes durchmessen, das geschah aber im Eilwagen und auf der Poststraße. Der erstere ließ mir nicht Zeit, um das näher zu betrachten, was mir im Vorüberfluge als sehenSwerth auffiel, wie z. B. die weitläufigen Anlagen des Grasen Potocki bei Lancut, das alte Schloß von Przemysl. Und wo zum Speisen angehalten wurde, da war die Einrichtung der Häuser, das Wesen ihrer Bewohner eben nicht dem Lande angehörig, sondern vom Westen hereingebracht. Ueberhaupt find die besseren Gasthöfe in Galizien meist von Böhmen oder Mährern, die man hier eben so wie die Deutschen inSgesammt 8iwob> nennt, bestellt, und was ein Durchreisender, wie z. B. Herr Kohl, zu erzählen weiß, sind Dinge, die früher schon durch manche fremde Hände gelaufen. Das Fuhrwerk, dessen wir uns bedienten, war eine sogenannte buüks, ein langes Fahrzeug ohne Federn, zur Hälfte mit über Reifen gespanntem Leder überdacht. ES ist dies in Galizien die gewöhnlichste Reise-Gelegenheit, meist von Juden gehalten und ursprünglich wohl nur von ihnen benutzt, wie man denn zu Zeiten der Märkte eine unglaublich« Menge dieser Glaubcns- Genoffen aus Einer solchen buüka sich fortbewegen sieht. In solchen Fällen, wo di« Kuälc« zu Gesellschafts-Fahrten benutzt wird, giebt «S ein« dreifach« Rang-Abstufung der Plätze darauf. Die vornehmsten und theuersten Plätze find die untcrm Dache; billiger find natürlich die unbedeckten, — dann aber find die Aussteigebretter so groß, daß auf jedem derselben ein Mensch Platz zum Stehen findet, und dies ist denn der dritte Platz des Fahrzeuges. Auf diesem Stehplätze kostet dir Reise von Lemberg bis Wien, also I0V Postmeilcn, nicht mehr als I Thlr. 8 Gr. (2 Fl. C. M-). Auch sonst ist diese Art von Fuhrwerk nicht sehr kostspielig, und wi, sehr der erste Anblick abschrecken möge, es ist nicht so schlimm, als man sich's verstellt; und wär' cS noch schlimmer, so muß man fich's gefallen lassen, weil man keine Wahl eines anderen Mieth- Fuhrwerkes hat. — Wer eigene Equipage hat, wählt zu größeren Reisen ein« Neutitschcinka, deren man gedeckte und ungedeckte, zum Theil welche von den elegantesten Formen hat. Auch die Neutitscheinka ist ein langes Fahr zeug, und der Grund, warum man sich solcher langen Wagen bedient, ist, weil man in den gewöhnlichen Wirthshäusern kein Bettzeug »erfindet, sondern dasselbe mit sich führen muß, also eines geräumigen Wagens bedarf. Der erste und für lange Zeit letzte bedeutendere Punkt unserer Reise war Winiki, «ine Meile von Lemberg, ungemein hübsch zum Theil längs der Straße auf der Anhöhe, zum Theil in einem anfangs engen, dann weit sich ausbreitende» Thale gelegen. Damals kannte ich die Reize Winiki'S meist nur vom Hörensagen, später aber, wo eö das häufige Ziel meiner Spazier- gänge wurde, sah ich ei», warum dies Dorf der Sommer-Aufenthalt der Lemberger höheren Beamten-Klasse sey. Mitten in den weiten Ebenen und den öden Sandhügeln der Lemb«rger Gegend liegt das Thal von Winiki wie eine Oase in der Wüste, wie ein Traum, der dem aus dem Westen Eingc- wandert«n in seine Verbannung gefolgt ist und ihm die Gegenden seiner Kind heit zurückruft. Denn Heimweh haben sie Alle, di« um einer schnelleren An stellung willen ihr Vaterland gegen Galizien vertauschten, und es ist rührend, wie manchmal in der trockensten Aktenseclc der lebendige Strom der Erinne rung hervorbricht und unermüdet sich über das Detail des westlichen Lebens verbreitet. Winiki ist «in« Kameral-Herrschaft und hat eine der größten Aerarial- Tabackfabriken der Monarchie. Eigentlich aber wird Winiki bloß von der A. K- Kammer verwaltet, und di« Einkünfte der Herrschaft gehören dem Lem berger Konvikte, in welchem Jesuiten die Erziehung adeliger Knaben und Jünglinge besorgen. Die Anzahl der Jesuiten in Galizien ist dem Publikum unbekannt; ihre Haupt-Anstalt ist in Tarnopol, sonst haben sie das Konvikt in Lemberg, das Gymnasium in Neu-Sandec, ein Kollegium in Przemysl und mehrere Missionen. Sie werden von der Negierung und von dem La- teinischrn Erzbischof« auf all« möglich« Weise unterstützt und gewinnen da durch täglich mehr Einfluß im öffentlichen Leben, aber auch nur dadurch; deiM unter der Beamten - Klaffe oder den sogenannten Deutschen sind es nur verdorbene Subjekte, welche sich mit ihnen einlaffen, um durch sie eine Eprri«re zu machen. Und unter den Polen haben sie nur bei den Frauen, und zw« bei jenen den meisten Anklang, welche einen milden Beichtvater häufig brauchen. Die Männer find größtcntheilS aufgeklärt nach Voltairischer Weise, und daß bei der Jugend, vorzüglich der studirenden, keine bessere Lehre Raum gewinnt, davon ist eben das Daseyn der Jesuiten die Ursache. Denn nie läßt sich der einmal erwachte Geist der Forschung zurückdrängen, und die Reaction wird immer nur so viel bewirken, daß sie gerade das aufrecht er- hält, was sie verschwinden machen will. Und so wäre auch in Galizien längst die seichte Aufklärern, die materialistische Weltanschauung, verschwunden, sie wäre in einem höheren, reineren Prinzipe aufgegangen, sähe sie nicht das wirksam neben sich, was sie ursprünglich ins Leben ries und durch sein Bestehen im Leben erhält. Die Begünstigungen, welche den Jesuiten neben Geld-Zuflüssen von Wr Regierung zu Theil werden, find sehr bedeutend. So dürfen sie auf ihren Lehr-Anstalten sich der eigenen Lehrbücher bedienen, ohne ww^alle andere Professoren an die von der Regierung vorgeschriebcnen gebunden zu seyn. Zu Professoren werden sie nicht wie alle Andere nach einem vorhergcgan- genen Konkurse, sondern unmittelbar durch ihre Ordens-Vorsteher ernannt. Auf ihren Lehr-Anstalten werden auch jene Studirenden ausgenommen, die in «wem Semester wegen schlechten Fortganges von den Kaiserlichen ausge schlossen wurden, und weil sie nach Belieben ganz- oder halbjährige Prüfungen halten können, geschieht es sehr häufig, daß ein solches i>ia»va>.<> sujer von den nachsichtigen patres im zweiten Semester für den ganzen Jahrgang und Fortgang die besten Klaffen erhält, nachdem früher die K. K. Universität ent- schieden hatte, daß ihm alle nöthigen Vorkcuntnisse zum Studiren mangeln. Liö Gehässigkeiten und Aufregungen, die daraus hervorgehcn, die Herab setzung der Universität, wären wohl um so weniger zu überseht», als in Galizien Alles, wodurch das Ansehen der Beamten verringert wird, sogleich in eine Geringschätzung der Regierung umschlägt. Auch in anderen Gebieten wäre wohl die Wirksamkeit der Jesuiten mehr zu beachten: nämlich ihre Ein griffe in den Wirkungskreis der Griechisch-unirten Kirche, wo sie unentgeltlich trauen, taufen, begraben, dadurch den Popen in seinen Einkünften schmälern und ihn, der ohnehin mit Familie ein überaus schmales Einkommen hat, sehnsüchtig auf das im nahen Rußland Borgehende Hinblicken machen. Wie wenig überhaupt die Jesuiten ihren Zweck, die Polen mit der Oesterrcichischen Regierung und ihren Ansichten zu einigen, erfüllen, davon lieferte das Tarnopoler Konvikt im Jahre I8»l den besten Beweis, dessen Zöglinge größtcntheilS in den Reihen des Polnischen Revolutions-Heeres dienten. Doch wie weit bin ich von dem freundlichen Winiki abgekommcn, — nun, oft ist eia Name hinlänglich, um ganze Vorstellungsreihen hcrvorzurufcn. Wir fuhren durch die Schwäbische Kolonie, deren nette Häuser und Gärten und sauberen Bewohner uns in der angenehmen Stimmung festhielten, in die uns das Panorama der Winiker Gegend versetzt hatte. Diese Schwäbischen Dörfer (ungefähr hundert in ganz Galizien) sollten nach dem Willen ihres Gründers Joseph's kl. Kultur-Mittelpunkte werden. Dazu find aber die Schwaben ein viel zu spröder, schwer sich amalgamirender Stamm, und mitten unter Polnischen oder Nuthcnischen Bewohnern haben fie sich ihre Eigenthümlichkeit bewahrt, ohne auch nur das Mindeste an ihre Slawischen Nachbarn mitzutheilen. So bemerkt man auch in dem anderen Theile Winiki'S, dem sogenannten Polnischen, besser Nuthcnischen Dorfe, durchaus keinen Einfluß der Deutschen Nachbarschaft. Die Hütten, aus Weidcnzwcigcn zwischen Pfählen zaunartig geflochten, mit Erdaufwürfen rings herum, sind so, daß sie vor dreitausend Jahren nicht schlechter seyn tonnten, und auch die Wagen mögen ein Ucberkommniß der zu Herodot'S Zeiten hier hausenden Budiner seyn. Mittags hielten wir in einem einsamen WirthShause, an dem Punkte, wo die nach Brzezany führende Hauptstraße sich von unserem gegen Halicz füb- renden Komerzialwege scheidet. Was mir sogleich auffiel, war der herab, gelassene Mauthbaum, was ich dann weiter immer wieder fand und was mehr als viel Anderes von dem herrschenden gegenseitigen Mißtrauen sprach. Unser EinkehrhauS war nun das erste auf Polnische Art eingerichtete Gast haus, das ich näher betrachten konnte. Das EinfahrtSthor führt in einen weiten Schoppen, zu dessen beiden Seiten die Krippen für die Pferde sind, in dessen Mitte di« Wagen stehen bleiben. Aus diesem Schoppen gebt man neben der stet« räuchrigen Küche vorbei in die Hauptstube, die fürs nieder«