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Wöchentlich «scheinen trn Nummern. Pränumeration» vie<« 22^ Silbergr. sj Tdlr.) viertcltährlich, Z Tblr. für das ganze Jahr, ohne Erhöhung, in alten Theilen der Preußischen Monarchie. Magazin für die Pränumerationen werden v»n jeder Buchhandlung (in Berlin bei Veit u. Como-, Iagerstraße Nr. 25), so wie von allen König!. Post - Aemtern, angenommen. Literatur des Auslandes. 114. Berlin, Donnerstag den 23. September 1847. Schweden. Ansgarius, ein historisch-religiöses Epos des Nordens.") Unsere Zeit ist keine Sängerzeit. Uebcrall rauschen Maschinen oder klir- ren Waffen oder schallt ein Wcchselgespräch anklagender und vertheidigender Stimmen. Das ist's, was jetzt den Geist der Menschen beschäftigt. Will ein Lied sich auf länger als Minuten Bahn brechen, so muß es von der Feder- kraft irgend einer großen, zweckdienlichen Gelegenheit oder von dem Athem des Zornes oder von der Spannung der Wißbegicrde getragen werden. DaS ist schlimm, aber freilich nöthig — schlimm nämlich, daß cS nöthig ist. Wenn wir aber ganz und gar Ja dazu sagen, so find wir allerdings nicht recht gestimmt, dem Buche entgegen zu gehen, aus welches wir hier die seiner Sprache Kundigen aufmerksam zu machen wünschen; denn es ruft uns in eine zwar damals laute, aber für uns stille, dämmernde Vorzeit; cS führt uns durch ein Leben voll Entsagung und innerer Fülle, voll Einfalt und Glanz; eS enthält sich aller lüsternen oder lästernden Fingerzeige, aller hochweisen, obenherigen und obenhinigen Beziehungen auf die (wie so eben) wortspiclendc, wortkricgende Gegenwart — oder, um den Scherz bei Seite zu lassen, eS ist ein sanftes, freies, unbefangenes, lyrisches Epos. Doch mich dünkt, wir haben wohl im allgemeinen Getümmel der Geister noch hier und da eine friedliche Stunde, solchen friedlichen Tönen zuzuhörcn, die uns nicht in Parteien spalten - viel« leicht um so mehr friedliche Stunden, je mehr wir eben zuhören. Wenigstens gesteht der Berichterstatter, dem vorliegenden Gedichte viele dergleichen zu verdanken. Es entstammt einem Volke, welches von vielen Riffen und Krämpfen, unter denen unser armes, reiches Deutschland zuckt, noch verschont geblieben und doch auch wieder durch nahe Verwandtschaft in Geschlecht und Kirch» im Stande ist, uns näher zu begreifen und zu fühlen, als unsere verschiedenen Nachbarn im Westen. Der Verfasser, Fahlcrantz, Professor in Upsala und durch dichterische und ästhetische Arbeiten seinen Landsleuten wohlbekannt, ist durch seine historische Bildung befähigt, den von ihm gewählten Gegenstand richtig aufzufaffcn; und da an demselben — dem Apostel des Nordens! — sein Vaterland vorzüglich betheiligt ist, so muß er mit besonderer Liebe von jenem liebeglühcndcn Manne fingen. Aber auch abgesehen von der eigenen Schönheit des Gedichtes an fich, hat es für uns durch seinen Inhalt selbst manches Anziehende. AnSgariuS ist «in Deutscher aus der Zeit der deutschen Entwickelung; nicht blos des skandinavischen, sondern auch des westdeutschen Nordens Apostel; nicht blos das Gepräge des mittelalterlichen, sondern insbe sondere des deutschen ChristenthumeS tragend. Mit Theilnahme folgen wir ihm daher von Aachen nach Alt- und Neu-Corvey, nach Mainz, nach SchleS- wig, dann von Schweden zurück nach Hamburg und Bremen, wo er begraben ward. Der Inhalt des Buches ist größtentheilS geschichtlich treu der LcbenSbe- schreibung des Ansgarius durch seinen Schüler und Nachfolger Rimbert ent- lehnt, zum Theil auch der Geschichte des Adam von Bremen. Wo der Dichter einzelne Züge erfand, find fie, wenn auch nicht äußerlich, doch innerlich, wahr- Haft dem Ansgarius angehörend. Der erste Gesang schildert in Hexametern die zukunftdeutende Kindheit Ans- gar's am Hose Karl's des Großen; der zweite, in fünfzeiligcn Trochäen mit über- greifenden End- und Anfangsreimen, das stolz aufwachsende, aber durch eine himmlische Erscheinung seiner Mutter und der heiligen Jungfrau gedcmüthigte Talent des Knaben, der dritte erzählt in Jamben die Weihe des jugendlichen Mönchs, seine schwärmerisch glühenden Misfionspläne an der Hand kaiserlicher Abfichten, und das erschütternde Niederschlagen der zu eigenmächtig lodernden Flammen durch den Donncrschlag: „Kaiser Karl ist todt!" Um eine Anschauung von der Behandlung des Gegenstandes zu geben, lassen wir hier einen vollständigeren Auszug aus dem vierten Gesänge folgen. Noch wallet Nacht im Krankcnsaal de« Klosters, Wiewohl herein durch jener Thüre Scheiben lD>e zum Allan sich den Erstand'nen öffnet, Den Fluß zu schau'n und Himmelölust zu athmen) Der Morgen zweifelnd blickt, der lies verhüllte In Wolkenfinsterniß, die hier und da Sin Blitzstrahl jäh zerreißt, die Nacht verdoppelnd. .) ^uexariue, hilckor ur tzf»rck.»po,t«Iu« jjf, i sjorton »ltuger (Anögariuö, Bilder au« dem Leben de« Apostel« de« Norden«; in vierzehn Gesängen.) Bon C. E- Fahk- erantz. Upsala, Iß«. Auf Donnerschlägen stiegt de« Sturme« Heulen. Ein Schirm verbirgt dem matten Schein der Lampe Da« niedre Lager, draus Ansgarius ruhet, Umhüllt vom dunkeln BenediktuSmantel. Zu Füßen wackcn stumm ein Mönch, ein Knab«; Der Eine ist RadbertU«, und der Jüng're, Gekleidet in Novizemracht, de« Kranke» Geliebter Schulgesährt', mit Namen Fulbert, Gleichaltrig, doch noch nicht geweiht im Klöster. Man hört die Frühmctte des Pfingstsonntages. Ansgarius schläft. Die bei den Pfleger flüstern über die Wechsel, welche die vier Monate seit Ludwig deS Frommen Regierungsantritt (Karl starb den 28. Januar 814) auch über das Kloster brachten; wie Adalhard in Ungnade fiel, der jüngere Adalhard sein Nachfolger wurde, der tapfere Graf Wala, Karl Martells Enkel, als armer Mönch fich aufnehmen ließ u. dgl. m. „Doch", fährt Fulbert fort, „Doch w«lch ein Schlaf ist da«! Di« Hand erkaltet!" Erschrocken flüstert so er zu RadbertU«; „Weh, nicht den Pul« mehr suhl' ich, nicht den Herzschlag, Ich höre keinen Athem — o, mein Vater, Reich' her die Lampe!" — — Nicht bedurft' e« ihrer, Denn weilend überzog der Blitz ein Antlitz, Deß Färb' und Ausdruck trog de« Tode» Stempel. In sprachlos bitter'm Weh sinkt Fulbert nieder; Nur mirzuflerden flehet sein Gebet. tAch bald ward offenbar, daß ihm Erhörung Unwiderruflich droben war gewährt!) Radbertu«, besten Herz die Todeszeichen Für einen Augenblick zermalmend treffen. Erhebet bald sich Loch in Kraft deS Glauben«: „Ich sah wohl andrer Zeichen heil'ge Bürgschaft, Die sich'rec ist, als dieser TodeSschein. Das Rei», da« selber Lu, v Herr, mit Gnaden Und Wundern hier gepflanzct und g-heget: Nicht wirst Du in der Blüthezeit es brechen, Bevor Lein Segen ihm zu Früchten reiste!" Doch nicht gewaffnet, aller Furcht zu trotzen. Hinaus er tritt aus den Allan im Sturm; Und gegen seine Brustwehr hingelebnt Ergießt er in'S Gebet die Zuversicht, Wie Iacob ringend mit Lem Herrn und nicht Ibn lastend, ehe er gesegnet ward. Und sich, e« war, al» hätte der Gebet«sieg Gegolten der Natur auch, oder diese Beseht, da» Wvdlgesallen zu verkünden, DaS droben sich dem brünst'gen Opfer neigte. Denn in dem Maaße, wie de« Beten« Friede Die Ungeduld und Zweifeln« Brandung stillte, Verstummen draußen auch der Windsbraut Stimmen. Ein Blick voll Liebe, auS dem ew'gen Auge Der Gnade strahlend, schwebt herab mit Lächeln Im jungen Liebeiblicke der Natur, Da Ostens Borhang riß und sich die Sonne Vervielsacht schaute in Samara'» Wellen, Die schimmernd sern im blauen Ost verschwanden. Der Haine und der Felder Blumenwelten Zur Sonne schlugen ihre Augen aus. Von HimmelStropsen glänzend übersprengt, Erweckt von, Klanggeschwirr der Vogelschaar. Und hoch in der Kastanie, deren Krone Den Beter de« AltaneS ring« umwölbte, Vicltausend Bienen stimmte» an den Hhmnu«, Der bald durchklungen ward und überschwellt Von Thurme« Glocken und Gesang; denn mächtig Und hundertflinunig ström« e« au« den Fenstern Der Kirche, die sich ob dem Wipfel öffnen, DaS tiefe Vorn, kannte kpiritus — So tief, als mäße e« die ganze Kluft, Die zwischen Welt, de« Geiste« Gotte« leer, Und Seine« mächi'gen Wesen« Reich sich dehnet; So bittend, daß die Seele seinen Bahnen Durch Welten solgen muß zum Vaterherzen; Und so voll Zuversicht, al« schmelzte schon Erhörung dem Gesang die Antwort ein. De« Festgesühle« heil'ge Ueberfluchung, 2» Lied und Lust und Licht und Farben strahlend, Umschließ« den Flehenden mit jenem Frieden, In welchem da» Gebet nun selbst »erlöscht Und kein Bedingen mehr dem Himmel stellt; Die Hoffnung stirbt — denn Alle« ist Besitz! — Der Furcht, dem Kummer bleichen ihre Farben; Der Lod, da« Leid in jeglicher Gestalt, Kurz Alle« — nur »ich« Sünde k — strahlt harmonisch