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Wöchentlich erscheine» drei Nummern. Pränumeration--Preii 22j Silbergr. lj Thir.) vierteljährlich, 3 THIr. snr da» ganze Jähr, ohne Erhöhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie. Magazin für die Pränumerationen werden von jeder Buchhandlung (in Berlin bei Beil u. Eomp., Jägerstraße Nr. 22), so wie von allen Königl. Post-Aemiern, angenommen. Literatur des Auslandes. 4/ 107. Berlin, Mittwoch den 6. September 1843. England. Noch einige Mittbeilungen über das Leben Napvleon's aus St. Helena. Von MrS. Elisa Abell. °) Der Kaiser besaß ein prächtiges Porzellan-Service aus den Fabriken von SevreS: eS war ein Geschenk der Stadl Paris, welche dafür eine enorme Summe bezahlt hatte. Während man eS auspackte, ließ Napoleon uns rufen. Die Bilder waren von den ersten Pariser Künstlern, und jede Assiette kostete fünfundzwanzig Napoleons. Die Gegenstände bezogen sich alle auf die Feld. Züge des Kaisers oder auf einen Vorfall aus seiner Fugend. Meist waren eS Schlachten, wo die merkwürdigsten Momente deS Kampfes mit großer Treue wiedergegeben waren, oder eS waren Bilder von den Gegenden und Orten, an welche sich die Siege und Triumphe Bonaparte s anknüpften. Ein Gc. mälde machte einen tiefen Eindruck auf mich: eS war Napoleon aus der Brücke von Arcole, als schwacher junger Mann dargestellt, allein unter Todten und Sterbenden und seine Gefährten aufforderuv, ihm zu folgen. Der Kaiser schien sich über mein Staunen zu sreuen, und die Hand auf die Hüfte legend, sagte er lachend: „Ich war damals etwas dünner als jetzt." Unter Anderem bemerkte ich auch die Schlacht bei Leipzig. Man muß sich über die Wahl des Gegenstandes zu einem solchen Geschenk wundern, da diese Schlacht für eine der unglücklichsten Niederlagen angesehen wird. Wahrscheinlich.waren die guten Bürger von Paris zur Zeit, als dieses Geschenk dem Kaiser angeboten wurde, hiervon nicht so gut unterrichtet, als jetzt. Der Aegpptische Feldzug bildete ebenfalls einen Stoff dieser Gemälde, und auf einigen derselben bemerkte ich auch Störche. Da ich gehört, daß dieser Vogel von den Aegpptern angebetet würde, so fragte ich den Kaiser, ob dem so sey? Er lächelte über meine Frage und erzählte viel von seinen Aben teuern in Aegypten, indem er mir ricth, nie dahin zu gehen, wenn ich nicht eine Augcnkrankheit bekommen und das Gesicht verlieren wollte. Ich hatte auch gehört, daß er in Aegppten sich zum Islam bekannt habe, und ich wagte eS, ihn darüber zur Rede zu stellen. „Warum sind Sie Türke geworden?" fragte ick. — „Was kümmert das Sic?" antwortete er lachend. „Kämpfen ist die Religion des Soldaten, die ich nie verleugnet habe: die andere ist für die Frauen und Priester. UebrigcnS nehme ich immer die Religion des Landes an, in welchem ich mich befinde." In der Folge kamen Jtaliänische Geistliche nach St. Helena, welche in den Dienst des Kaisers traten. Unter den Bedienten, die der Kaiser in Briars hatte, war eine sehr drollige Person, eine Art Leporello, welcher die Functionen eines Lampeu- Anzünders ausübte und eine Menge Spielsachen auzufertigcn verstand. Na poleon ließ ihn oft holen, um meinen Bruder durch seine Poffen zu belustigen. Zuweilen machte er Ballons und ließ sie unter dem Jubclruf der ganzen Ge sellschaft aufsteigen. Einmal spannte er vier Mäuse an einen kleinen Wagen, war aber nicht im Stande, sie von der Stelle zu bringen. Meine Brüder baten nun den Kaiser, ihm zu Helsen. Napoleon befahl ihm, daß er den Schwanz der beiden ersten kneife: ihre Bewegung würde dann die beiden anderen milziehen. Der Nath wurde befolgt, und sogleich gingen die Thier« chcn -u unserer großen Freude im Galopp von dannen. Der Kaiser nahm au dem Spaß oben so viel Antheil als ein Anderer, und besonders ergötzte ihn die außerordentliche Freude meiner Brüder. Napoleon hatte den geschicktesten Confituricr von der Welt in seinem Dienst. Täglich schmückte Herr Piron die Kaiserliche Tafel mit kuriosen Paste- tengebäudcn von höchst komplizirter und zuweilen sehr eleganter Arbeit. ES waren immer neue Triumphbogen, Paläste von gesponnenem Zucker, Schlösser, die für die Königin der Feen gebaut schienen nach den Zeichnungen ihrer luftigen Majestät. Napoleon schickte uns oft die reizendsten von diesen Archi tektur-Näschereien, und zuweilen verband er noch damit freundliche Worte, um sie noch süßer zu machen. — Am NeujahrStage wurden der Sohn des General Bertrand und der der Frau von Montholon zu uns gesandt, UNI uns eine Auswahl von Bonbons anzubietcn, und Napoleon sagte uns bei dieser Gelegenheit, er habe seine Liebesgötter abgeschickt, um die Grazien zu be grüßen. Die Bonbons lagen in Krpstallkörbcn, die mit Atlas-Servietten bedeckt waren und auf Assietten von Sevres-Porzellan standen. Ich habe noch andere kleine Geschenke vom Kaiser bekommen, aber das einzige Andenken, ') Dgt. Nr. SI de« Magazin?. das mir von ihm geblieben, ist eine Schnur von seinen Haaren, die man sür Kindcrhaare halten könnte: so sein und seidenartig sind sie. Napoleon liebte eS sehr, den Damen kleine Geschenke zu machen, und er zeigte sich im Allgemeinen sehr leutselig und aufmerksam gegen sie. Er schien mir immer sich in Gesellschaft von Damen zu gefallen, und seine Unterhaltung war das Ideal des Plauderns und höchst mtereffant. Vielleicht war er etwas zu sebr geneigt, direkte Komplimente zu machen, aber dieser kleine Fehler war bei einem Manne von seinem Range wohl verzeihlich. Er sagte uns eines Tages, er hätte von der Schönheit und Anmutb der Tochter deS Gouverneurs viel gehört, uuv fragte mich, welches nach meiner Meinung die schönste Person von St. Helena srvt Ich antwortete, daß mir Madame Bertrand alle Frauen, die ich je gesehen, zu überstrahlen schiene. Mein Vater war von idrem majestätischen Anblick am Bord deS „Northumber land" überrascht worden, und mir schienen, so wie sie sich zeigte, alle andere Gestalten neben der ihrigen unbedeutend zu werden. Doch waren ibre Züge nicht regelmäßig, und man konnte nicht sagen, daß sie absolut schön sey, aber ibre Physiognomie war äußerst intelligent und ibre Haltung die einer Königin. Die Frauen von Montholon und Bertrand, so wie die anderen Personen aus dem Gefolge des Kaisers, besuchten ibn ost in BriarS und brachten den Tag bei ihm zu. Es war rührend, dic Unterwürfigkeit und Ehrfurcht zu sehen, die ihm alle diese Besucher erwiesen. Für sie hatte er nicht ansgehört, der große Kaiser zu seyn. Jeder merkte auf seine geringsten Blicke und beeiferic sich, seinen Wünschen zuvorzukommen, als säße er noch auf dem Thron Karl s des Großen. Einmal zeigte ihm Madame Bertrand ein Miniatur-Portrait der Kaiserin Josephine. Napoleon betrachtete es lange schweigend mit der tiefsten Rührung. Endlich ries er, er habe nie ein treueres Bild von JosephincnS Zügen gesehen, und er fügte hinzu, er wünsche das Portrait zu behaltcn, das ihn auch bis zu seinem Tode nicht mehr verließ. Oft hielt er lange seine Blicke auf meine Mutter gerichtet und entschuldigte sich, indem er sagte, sie rufe ihm ganz das Bild Joscphinens zurück. Er schien das Andenken dieser armen Fürstin anzubctcn und ward nie müde, sich über die Sanftmuth ihres Charakters und die Anmuth ihrer Bewegungen zu verbreiten. Er sagte, sie sey das weiblichste Weib gewesen, das er je ge sehen. Dann sprach er mit viel Liebe von der Kaiserin Marie Louise, die er uns als ein liebenswürdiges Wesen und eine treue Gattin schilderte. „Wenn man es ihr erlaubt hätte", sagte er, „so würde sie mir hierher gefolgt seyn." Diesen Abend zog sich der Kaiser früh zurück. Er hatte Nachmittags einen Besuch empfangen, und seitdem schien er traurig und niedergeschlagen. Der Anblick der Bilder Josephiuens und Marie Louisens hatte seine düstere Stim mung vermehrt. Die Person, die er empfangen, war ein Polnischer Offizier, ein Graf Poniatowski, ehemaliger Offizier in der großen Armee, der an demselben Morgen gelandet war, nachdem er mit großer Mühe die Erlaubniß erhalten, seinem Herrn ins Eril zu folgen und seinen Felsen und seinen Geier mit ihm zu theilen. Gewiß hatte diese Zusammenkunft schmerzliche Erinne rungen in dem Kaiser geweckt. Napoleon sprach zuweilen einige Worte Englisch, aber eS war das selt samste Englisch, das inan hören konnte. Er hatte sich eine übertriebene Vor stellung von der Weinliebc der Engländer gemacht, und so oft wir Fremde bei Tische gehabt hatten, fragte er mich, wie viel Flaschen mein Vater ge leert habe. Dann zählte er lachcnd an den Fingern, oft bis fünf. Eines Tages sagte er mir, um mich zu ärgern, daß die Englischen Damen viel Branntwein und Geni-vre tränken: dann fügte er Englisch hinzu: „Von Imke veree moxb «Ireensi, Dlees. 8oinetmmes brainlee, zeen." (Sie trinken gern sehr viel, Miß, zuweilen Branntwein, Gem-vre.) Obwohl ich große Mühe hatte, nicht über seine Aussprache zu lachen, so war ich doch über seine Be schuldigung sehr empört und versicherte ihm, daß die Englischen Damen den größten Abscheu gegen spirituöse Getränke hätten, und daß sie sogar diese Delikatesse bis zur Ziererei trieben. Mein Eifer schien ihn zu amüsiren, und er sprach von einer gewissen Mistreß B-, die ihn einmal im Zustand der Trunkenheit besucht habe. ES war sonderbar genug, daß unter der kleinen Anzahl Englischer Damen, die ihm je vorgestcllt worden, sich eine gesunden haben sollte, welche dieser schlechten Gewohnheit ergeben war. Doch gestand er zuletzt lachend, daß er diese Beschuldigung nur erhoben, um mich böse zu machen: aber als ich mich zurückzog, sagte er gleichwohl aufs neue: „Von laisie dreenlc, Oli-s Lersee, äreenk, üreentc." (Schluß folgt.)