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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. Pränumeration«-Preis 22z Srlbergr. (1 Thlr.) viertclsöbrlich, 3 Tblr. sür das ganze Jahr, ohne Erhöhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie. Magazin für die Pränumerationen werden von jeder Butbhandlung (in Berlin bei Veit u. Comp., Iägerftraße Nr. 28), so wie von allen Königs. Post-Aemtern, angenommen. Literatur des Auslandes. 1L2. Berlin, Sonnabend den 18. September 1847. Frankreich. Ein Denkmal der Herzogin von Praslin. Ein Denkmal, ein wahrhaftes Ehrendcnkmal, das sie sich selbst gesetzt, sind die Briefe und Tagebücher, welche Fanny Sebastiani, Herzogin v. Praslin, hinterlassen. Zunächst für die Mitglieder der Pairskammcr, die über den Her zog von Praslin zu Gericht fitzen sollten, war eine Sammlung dieser Briese und zerstreuten Blätter, die fich in den Schreibpulten des Herzogs und der Herzogin in Paris, so wie auf ihren Schlössern in Mclun und PraSlin, fanden, als Manuskript gedruckt worden. Aus dieser Sammlung ist Mehreres in die französischen Zeitungen übergegangen, das, so wie alles Uebrige, was aus der Feder der Herzogin geflossen und über ihr unglückseliges häusliches Verhältniß Auskunft giebt, in größeren Kreisen bekannt zu werden verdient, weil dadurch der edeln, vielgeprüften Seele eine öffentliche Genugthuung wird, während das strenge Wort, das der Herzog Pasquier, als Präsident des PairShofes, über die Verruchtheit der Gesinnung wie der Handlungsweise des Mörders ausgesprochen, seine vollständigste Rechtfertigung in diesen Acußcrungen der Gemordeten findet. Die Briefe, die übrigens auch durch Gedanken und Styl so ausgezeichnet find, daß sie, abgesehen von dem tragischen Interesse, welches fie gewähren, als werthvollc Erzeugnisse eines gebildeten Geistes aufbewahrt zu werden ver. dienten, beginnen, so weit fie uns vorlicgen, mit einem Schreiben ohne Datum, das noch an den Marquis v. Praslin adresfirt war, also aus einer Zeit stammt, wo dieser den Titel seines Vaters, welcher am 28. Juni 1841 starb, noch nicht geerbt hatte. Dieses Schreiben ist noch voll der innigsten Zärtlich keit, und dem kalt und unempfindlich gewordenen Gemahl gegenüber klagt sich die allzugewissenhafte Gattin selber an, indem sie ihren kleinen Aufwallungen und ihrer Hinneigung zur Eifersucht die Schuld bcimißt, daß er fich von ihr entfernt habe. Sie beschwört ihn, zu ihr zurückzukehren und ihr gemeinsames häusliches Glück nicht zu zerstören. „Wir find noch sehr jung, Theobald," beginnt fie, „wir wollen uns daher nicht Beide zur Jsolirung verurtheilcn." „Was!" ruft fie aus, „wir lieben uns, wir find Beide reinen Sinnes, und wir sollten dem Geiste wie dem Herzen nach getrennt von einander leben! O, laß doch Dein Herz nicht durch ein wenig Eigenliebe zum Schweigen brin gen-, ich schwöre Dir zu, daß ich nur nach Deiner Zärtlichkeit, Deinem Ver trauen strebe; ich will die liebende, aber passive Hälfte Deines Lebens seyn." .... „Du suchst Zerstreuungen," fährt sie fort, „aber bist Du in der That glücklich? O nein, mein Freund, man ist es nicht mit einem Herzen wie das Deinige und einem Lebe», wie wir es führen Mein Vielgeliebter, wessen klagst Du mich an, wenn es nicht meine Argwöhnungen und meine Aufwal lungen find? Hat aber nicht jedesmal der kleinste Beweis Deiner Zärtlichkeit hingereicht, die einen wie die anderen zu unterdrücken? O, gieb Deiner Aufgeregtheit, Deiner Empfindlichkeit nicht nach, sey nicht unerbittlich. Mein Herz bricht sonst, Theobald! Mitleid, ja Mitleid mit der, die Dich liebt! Mein Freund, mein Vielgeliebter, o wenn Du wüßtest, mit welcher Lust ich heute Abend Deinem Vater zuhörte, als er Dir Lobsprüche ertheilte, als er sein Erstaunen über das aussprach, was Du Alles kannst, wenn Du nur willst. Ja, ich war glücklich und stolz, aber ich — ich war nicht erstaunt dar über, denn ich weiß cS ja seit langer Zeit, wie groß Dein Werth ist. Deine Frau ist zu stolz auf Deine Erfolge, zu glücklich darüber, als daß fie nicht ver dienen sollte, auch Deinen Kummer und Deine Sorge zu thcilen.... Hast Du mich jemals, zu irgend einer Zeit, einem Vergnügen den Vorzug geben sehen, wenn ich das Glück haben konnte, Dir nahe zu seyn? Und gleichwohl bist Du im Grunde vielleicht eifersüchtiger als ich. Gott weiß, wie weit Dein Argwohn in dieser Beziehung geht, denn ich kann mir sonst nicht denken, wel chem Motive ich Deinen geheimen Kummer zuschreiben soll Das Leben ist so kurz, mein Vielgeliebter, und es ist schon so lange her, daß wir uneins, getrennt find. Bald werde ich es nicht mehr wagen, Avancen zu machen, die stets zurückgewiesen werden, wie meine Liebkosungen; in Deinem Charakter liegt cs ja nicht, den ersten Schritt zu thun, und so wird unser jetziges Vcr- hältniß zur Gewohnheit werden. Deine Frau wird Dich zu sehr fürchten, um noch einen Versuch zu machen, und so wird das Leben hingehcn: Du wirst nicht glücklich seyn, und Deine Frau wird vor Gram sterben. O, kehre zurück, zurück zu ihr!" Dieser erste Brief scheint uns um mehrere Jahre älter, als die in der Sammlung folgenden, welche mit dem Iah« 1840 beginnen; dafür spricht nicht allein die Bemerkung: „wir find noch sehr jung" °) sondern auch die darin herrschende Liebesgluth, die noch nicht durch die traurigen Erfahrungen der nächsten Jahre abgekühlt war. Der zweite, vom 21. März 1840, ist schon voller Resignation, und wenn auch hin und wieder noch Hoffnungsstrahlen durchblicken, thut fich doch der Zweifel, das Glück der Häuslichkeit jemals wie der -ergestcllt zu sehen, schon in tiefen Schmerzenslauten kund. „So lange ich," schreibt fie ihrem Gatten, „noch die Hoffnung einer Wiederannäherung, einer Aussöhnung hegte — und ich hatte deren noch vor kurzem sehr viele — schwebte ich beständig zwischen Freude und Furcht, was mich zuweilen zu lau- nenhaftcn und bitteren Aeußerungen trieb, jetzt aber, wo das Opfer vollendet ist, können Sie ruhig seyn. Unseren Kindern, den Leuten, der Familie und der Welt gegenüber soll Nichts Sie verklagen, daß Sie mein Glück vernichtet haben.... Wir find getrennt, und obwohl es bereits drei Jahre her find, daß wir so leben, als ob wir cs wären, so blieb doch die Hoffnung; der ge strige Tag hat auch diese getödtet." ES folgen nun eine Reihe von Blättern aus einem kleinen, eingebundenen und mit einem Schlosse versehenen Buche, auf dessen erster Seite die Worte standen: „An meinen Gatten, den Herzog v. Praslin. (Für ihn allein.)" Zweimal, schreibt fie, habe fie die bereits mit ihrem Kummer bedeckt gewesenen Blätter ausgeriffcn und verbrannt, weil doch immer wieder ein Augenblick der Hoffnung zurückkehrte und fie dann keinen Zeugen ihrer Verlassenheit und ihres Schmerzes mehr haben wollte. Aber nun habe ihr der Gatte auch die Kinder wcggenommen: dies könne fie fich nicht durch seine Gleichgültigkeit, ja nicht einmal durch seinen Haß, sondern nur durch seine Verachtung er klären, und dieser wolle fie durch Niederschreiben ihrer Gedanken entgegentreten. „Meine Kinder!", ruft fie, „kannst Du glauben, daß ich fie verderben werde? Du weißt ja, daß mein Herz und mein Leben rein find, und Du weißt ja, daß cs wenige Mütter giebt, die, welche Schuld auch auf ihnen lasten möge, eines solchen Verbrechens fähig wären!" Sie ruft ihm die Erinnerung an den im vorigen Jahre erfolgten Tod seines Vaters zurück, bei welcher Gelegenheit er ei nen Augenblick zurBefinnung zurückgekehrt zu seyn scheint, indem er es aussprach, ein neues Leben beginnen zu wollen, aber die Freude war von kurzer Dauer: bald fiel er in den alten Stumpffinn wieder zurück, in welchem er die große Seele dieser Frau entweder nicht zu würdigen vermochte oder auch aus Furcht, vor ihr „in seines Nichts durchbohrendem Gefühle" zu erscheinen, nicht wür digen wollte. Die arme Frau täuschte sich immer von neuem, denn sie täuschte sich gern, mit der Hoffnung, daß er sie im Herzen doch noch liebe und sein Ge fühl nur zu unterdrücken suche. Erst als er anfing, seine sinnlichen Zerstreuun- gen nicht mehr blos außer dem Hause zu suchen, sondern auch mit der Gou- vernante der eigenen Kinder in ein unsittliches Verhältniß zu treten, da gingen ihr die Augen völlig auf, und fie erkannte den geist- und herzlosen, nur von der Sinncnlust noch in Bewegung gehaltenen Menschen in ihm. „Wie er doch verändert ist!" heißt eS in einem ihrer Tagebuchblättcr. „Immer ist er trau- rig, mürrisch, unzufrieden mit aller Welt, mißtrauisch gegen Jedermann und über die geringfügigsten Dinge ärgerlich. Man ficht, hier rächt fich das Ge wissen. Ich, die ihn so sehr geliebt, ich vermag ihn kaum noch zu erkennen; es kömmt mir oft vor, als wäre es nicht mehr derselbe Mensch. Das ist die Frucht des Mangels an religiösen Grundsätzen und fittlichen Ideen, das die Frucht des Müßigganges und der Trägheit. Er war zu etwas Besserem be- stimmt: denn der Keim des Guten lag in ihm; aber wenn es in unserer Jugend versäumt wird, in uns einen weiten und tiefen Blick für die Dinge, den EnthufiaSmuS für das Große, auSzubildcn, dann vcgetiren wir im Leben fort, bis die aller Spannkraft entbehrenden Geisteskräfte erloschen und die Ma terie allein an ihre Stelle getreten ist." Zum crstenmale erwähnt fie der Dlle. Deluzy in einem vom 24. Januar 1842 datirtcn Blatte. „Du hast mir meine Kinder entrissen", schreibt fie, „um fie einer leichtfertigen Person anzuvcrtrauen, die Du kaum kanntest; Du hast ihr die Erfüllung aller meiner Pflichten, alle meine Freuden, alle meine Autorität überlassen. Sie hat das Recht, über mein theuerstcS Befitz- thum, über meine Kinder, zu verfügen; fie ist meines Gatten Gefähr tin, die das Recht fich erworben, z» jeder Stunde, unter allen Um ständen in dasjenige Zimmer einzutreten, in welches ich, Deine Frau, die Mutter Deiner Kinder, nicht mehr das Recht habe, zu kommen, selbst wenn Du krank bist." — Unterm 23. April 1842 schreibt fie, Dlle. Deluzy habe die edle Dreistigkeit gehabt, ihr zu. sagen: „Ich bedaure, gnädige Frau, daß eS mir nicht möglich ist, als Vermittlerin zwischen Ihnen und Herrn v. Präs- ') Di« Herzogin war im Jahre U>07, er im Jahre IM geboren.