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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. PrönumcrMions' Preis 22j Silöergr. tj Tblr.) vierteliährlich, z Thll. für d.is ganz« Iadr, ohne Erhödnng. in allen Tbcilk» der Preußischen Monarchie. Magazin für die Man pränumerirt auf dieses Literatur' Blatt in Berlin in der Erpeditian der AUg. Pr. StaalS.Aeimng sFriedrichs- Straße Nr. 72); in der Provinz so wie im Anslande bei den Wohllödl, Post > Aemtern. Literatur des Auslandes. 31. Berlin, Freitag den 28. April 1843. Frankreich. Die letzten Stunden und der Tod. Von H. Lauvergne. Wir haben in Nr 4L des „Magazins" einige vorläufige Notizen über das neue Werk des Verfassers der „^ory^rs 8onx le rapporr pb)8iolnßigue, lnnrul et intelleetuel" gegeben und dort versprochen, ans dasselbe ausführ licher zurückzukommen. Wir theilcn daher aus diesem Buche, von welchem auch bereits in Leipzig eine Deutsche Uebersepung erschienen °), einige Auszüge mit, und zwar zunächst über den Einfluß der Religionen auf die letzten Stun den, wobei der Verfasser besonders ausführlich bei dem Muhammcdanismus verweilt, welchen er Gelegenheit gehabt, sowohl in der Türkei als in Algier zn beobachten. Es darf hierbei, wie bei allen folgenden Mittheilungcn, nicht aus dem Auge verloren werden, daß der Verfasser hauptsächlich für seine Lands leute geschrieben, bei denen das religiöse Element so sehr in den Hintergrund getreten, daß er selbst die Bekenner des Islams ihnen in gewisser Beziehung als sittlich höher gestellt bezeichnen zu dürfen glaubt. Nachstehendes ist aus dem zweiten Kapitel seines BucheS: „Welches auch das Wesen der Religion sey, zu der man sich bekennt, so ist so viel gewiß, daß die Geistesbildung, die nicht bis zu den göttlichen Dingen vordringt, nicht in Vergleich kommen kann mit der, welche, von dem großen Werke der Schöpfung erfüllt, sich aus den Flügeln der Anschauung bis zu der Idee ihres Schöpfers erhebt. Nicht auf gleiche Weise tritt der Tod die Menschen an, und so ist das Sterben ein Vorgang, der auch manchmal sehr rasch vorübereilen kann. Es wäre sehr gut, wenn Jeder sich aus seinen letzten Tag vorbcreiten könnte, wenn ein und dasselbe Ende uns träfe, wenn eine ganz gleiche Krankheit uns alle hinrafftc, und wenn das Unmögliche »uv Unergründliche eine wirkliche und bestimmte Geltung hätten dann aber hätte die Natur, so beweglich iu ihrer Unwandclbarkeit, von allen Gesetzen ihres Laufs und ihres Ziels ab weichen müssen. Wohl ist der Mensch das Meisterstück der Schöpfung; aber er lebt auch in ihr und ist, wie alle Wesen, aus denen sic besteht, ihren Gesetzen unterworfen. Das Alles weiß er, ohne dadurch besser zu werden: nichts überrascht ihn als der Tod, und wie selten fällt cs ihm ein, sein Ge wissen über das Geheim« iß des Grabes zu befragen! Der Wege, die aus dem Leben führen, giebt es unzählige, vcrhängniß- volle und mannigfaltige. Der Tod ist je nach den Meinungen, die sich durch Ueberlieserungcn unter den Völkern fortpflanzen, ein Wort von vielfacher Bedeutung; es kann eine gewichtige und erhabene, gehciinnißvolle und trau rige, oder auch vollkommen gleichgültige Vorstellung ausdrückcn. Religion, Sitten, Erziehung, äußere Verhältnisse und Krankheiten verändern und ent stellen die Idee, die man sich von dem Tode macht, in allen fünf Welttheilen. Wie verschieden diese Idee aber auch aufgefaßt werden mag, so führt sie zu rück auf zweierlei Glauben, entweder an die Unsterblichkeit der Seele, oder an die absolute Vernichtung. Wenn man alle lebende Geschlechter zusammcnriefe, um von ihnen zu hören, ob sic an Vernichtung oder an ein Leben nach den, Tode glauben, so würden ncunzehn Zwanzigtheile von denen, die des Nachdenkens fähig sind, selbst die mit einer niederen Seele begabten, sich in der Todesstunde für den Sieg der erhabenen Lehre von einer anderen Welt auSsprechen. Empfindet doch der arme Wilde unter seiner Hütte das Wehen deö großen Geistes, der ihn besucht; und in seiner Todesstunde erzählt er seinen Freunden von den neuen Freuden seines künftigen Lebens, von seinen alten Aeltern, die er Wiedersehen wird, und daß er morgen im Stande sepn wird, Allen, die er auf der Erde zurückläßt, in ihren Träumen zu erscheinen. Der große Geist, der während seines ToveSkampfs zu ihm trat und durch seinen Mund die Unsterblichkeit der Seele verkündigt, ist bei einem Bewohner Oceanicns eben so merkwürdig, wic die begeisterten Gesänge eines Mönchs, der in seinem Kloster j,„ Gerüche der Heiligkeit stirbt. Zu allen Zeiten ist aber auch oic Offenbarung wenigstens ihrem Wesen nach die nämliche gewesen, mag man sic nun auf den einsamen Inseln der Südsce vorfindcn, obcr die heiligen Bücher und religiösen Uebcrlicferungen der ältesten Völker der Erde befragen, die Bücher des Hindus oder die Hieroglpphen der Todtcnstadt in Theben, ober die Bücher der Griechischen Philosophen und unserer christlichen Lehrer. ') Die letzten Stunden und der Tod in aUen Klonen der Gesellschaft, onS den Ge sichlspunkten der Humanität, der Phnßologie und der Religion betrachtet von K. Louvcrgne, Lberorji der Marine :e. r Bde. Durch alle Klaffen der Gesellschaft finden wir die Offenbarung wieder. Der Starke und der Schwache, der Arme und der Reiche, der König und der Hirt haben ihre Augenblicke der Ekstase, sey es während des Lebens oder auf dem Sterbebette. Ueberall wurde durch das, was man Kultus und Religion nennt, ein und derselbe Gedanke in die Menschheit eingesührt, verbreitet und zum Gcmeingute gemacht. Vor allem Daseyn einer Menschheit waren die Uridecn Gott und Seele vorhanden, und sie mußten wohl von der Sprache der Menschen erfaßt und ausgcdrückt werden, als diese in der Reihe der ge schaffenen Wesen auftratcn, um einen Theil des großen Ganzen auszumachen. Erst zuletzt, erst nach allen anderen Geschöpfen kam der Mensch aus die glän zende Erde, um sic in ihrer Pracht zu bewundern und ihren Urheber zu er kennen. Wie aber nicht Alles, was lebt, zum Fortlcbcn bestimmt ist, so ist auch nicht das Gehirn eines jeden Menschen darauf eingerichtet, Gott aus der nämlichen Stufe der Erkcnntniß aufzufasscn. Wäre dies, so gäbe cs keinen Zweifel mchr in der Welt ; wer mag es wagen, den Aufgang der Sonne in der Nacht zu verlangen? er kann nur erwartet werden! Hätten alle Menschen eine Seele wie die des Sokrates, so gäbe eS nicht einen, der nicht irgend ein mal in seinem Leben einen Augenblick gehabt hätte, wo er mit dem Himmel verkehrte. Indessen ohne ein Sokrates zu sey», kann man die Gabe des Glaubens besitzen, man kann das für wahr halten, was cinc höhere Seele geschaut hat. Und dem sind fast alle Menschen unterworfen, sie können sich dem Glauben an das nicht entziehen, wovon sic eine dunkle Ahnung in sich tragen. Man bemerke wohl, daß die wirklichen Atheisten weder höhere noch mittel mäßige Seelen sind; sie haben nur eine unvollkommene Gehirn-Organisation, sie find Sklaven oder Opfer der Leidenschaften, der Begierden und der Laster, die sie von der Beschäftigung mit himmlischen Dingen abbringen und aus ihnen das machen, was man aus dem Gesichtspunkte einfacher Natur-Betrach tungen einen Menschen mit intellektuellem Instinkt nennen kann. Der Mensch ist weiter nichts als eine letzte Wiederholung der höheren Thicre, nur verwickelter zusammengesetzt aus ihren gleichförmigen Functionen, und wie sie zwar die Welt durch die verschiedenen Sinne ausnehmend, jedoch mit dem wesentlichen Unterschiede, daß er über seine Thätigkeitcn Nachdenken und daraus seine absolute Abhängigkeit von einer höchsten Ursache ableitcn kann. Dieser letztere Umstand allein begründet für die große Mehrzahl die göttliche Natur unseres Geschlechts. Nicht überall stellt sich freilich diese Ver wandtschaft heraus, cs giebt entschiedene Verneinungen derselben, die, physisch betrachtet, Menschen sind wie andere: sic sind cs in den Augen der Natur, von den Sittenwesen aber schließen wir sie aus. Sie haben eine Seele erhal ten, deren Fähigkeiten nicht weiter gehen, als bis zu einem rohen Begreifen materieller Thatsachcn, cS ist ein Instinkt, der einen menschlichen Organismus regiert. Giebt es nun einen Unterschied zwischen diesen und den anderen von edlerem Schlage, so wird ihn die Phrenologie allein erläutern können. Uebri- gens machen sich jene in der Masse der Menschen, unter welche sie das Schick sal geworfen hat, dem aufmerksamen Beobachter selbst bemerklich: für das Leben in der Gesellschaft und für die Pflichten, welche cs aufcrlegt, sind sic theilnahmlos, unentschlossen, störrig und unter keine Regel zu bringen. Blöd sinnige oder Wilde zu scyn, das ist ihr Loos: ein sanftes oder ein keinerlei Behandlung zugängliches Gemüth, das ist ihre Natur. Wenn es sich aber um die göttliche Natur des Menschen und um die Ge heimnisse des Grabes handelt, so muß man nicht bei den Alltäglichen des Ge schlechts nach der himmlischen Flamme der Offenbarung fragen. Fällt es doch Niemanden ein, den Hottentotten, oder den Europäer, der ihm gleicht, mit jenen umfassenden und hervorragenden Geistern zu vergleichen, deren Auge über diese Welt hinausschauete, und die uns von dort die Kunde von Gott und der Unsterblichkeit der Scclc mitbrachten. Seit Anbeginn der Welt ist Religion nichts Anderes gewesen, als die Verherrlichung dieser geoffenbarten Grundwahrheiten, die Allen, welche sie zu erkennen vermögen, zur Anbetung dargcboten werden. Was aber die Gelehrten, die Weisen und der Eigennutz daraus abzulciten und zu folgern gewußt haben, das bildet die verschiedenen Religionen und Sekten. Die Häupter der Nationen und die Diener des Kultus haben sich der Wissenschaft von Gott bemächtigt, haben Schulen eröffnet und die Menge darin unterrichtet, wic sic dieselbe verstanden, immer mit dem Zwecke, diese Menge dem gesellschaftlichen Verbände zu unterwerfen, sie zu einer gemein samen Weise des Lebens und des Sterbens zn vereinigen. So ist also den Religionen der Unterricht in der Wissenschaft von Gott und in der vom Leben übertragen, sie berücksichtigen in ihren Gebräuchen Seele und Leib, namentlich