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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. Oränumeraiiont-Hrei« 22z Tllberge. (j Tdlr.) oierlelnchrNch, Z Lhlr. tue da» ganze Jahr, ohne Erhöhung. in allen Tdeilcn der Preußischen Monarchie. Magazin für die Pränumerationen werden non jeder Buchhandlung (in Berlin del Belt ». E ° m »., Iagerstraße Nr. 28), so wie von allen König!. Post-Aemtern, angenommen. Literatur des Auslandes. -4/ 57. Berlin, Mittwoch den 12. Mai 1847. England. Das beschoßene Parlaments-Mitglied John Willes nnd das Unterhaus im 18. Jahrhundert. Daß das britische Parlament zuweilen mit den Gerichten des Landes hi», sichtlich seiner eigenen Privilegien in Widerspruch sich befindet, ist unter An derem auch aus dem in neuerer Zeit vorgekommencn und in den Zeitungen viel besprochenen Prozesse von Stockdale gegen den Parlaments-Buchdrucker Hansard hinreichend bekannt. Hansard hatte im Auftrage des Unterhauses die an dasselbe abgestattetcn „Berichte der Gefängniß-Inspektoren" gedruckt, in welchen ein von Stockdale hcrausgcgebeneö Buch so angegriffen war, daß Letzterer darin eine Ehrcnkränkung erblickte und nun gegen den Drucker klag bar wurde. Der Lord-Oberlichter Denman gab bei dieser Gelegenheit die Erklärung ab, daß Vie „Privilegien des Hauses" den Parlamcnts-Buchbruckcr keineswcges gegen die Reklamationen der Privaten schützen könnten, und daß selbiger vielmehr, wenn er unter diesem Schutz ein „Libell" gedruckt, dafür aufkommen müsse. Das Unterhaus sah sich hierdurch veranlaßt, ein Comite zur Prüfung der Sache zu ernennen, und dies hatte die Folge, daß das Haus eine Reihe von Resolutionen faßte, worin erklärt wurde, daß cs „zu den verfassungsmäßigen Functionen des Parlaments und insbesondere des Unter hauses, als des repräsentativen Theiles desselben, gehöre", seine Aktenstücke in der Weise zu veröffentlichen, die cs für gut fände, so daß kein Gerichts hof ohne eine Verletzung und Verachtung der Privilegien des Parlaments (» breack uml vomempt ok tbc Privileges ul Uarlmmeut) sich hcrauSnehmcn dürfe, eine Entscheidung zu treffen, die mit diesen Beschlüssen in Wider spruch sey. Aber weder Stockdale noch das englische Gericht ließ sich durch diese Er klärung zurückschrecken. Vielmehr entschied der Hof der Huven'« 8e»cl> aber mals gegen die „Privilegien des Hauses", und das Unterhaus, statt seine Resolutionen sofort in Ausführung zu bringen und den Kläger nebst seincn Rechtsbciständcn — wie dies in früherer Zeit schon zuweilen geschehen — zu bestrafen, begnügte sich, dem Buchdrucker Hansard aufzugeben, sich, falls die Klage gegen ihn fortgesetzt werde, nicht weiter zu stellen und auch keinen Advokaten für sich plaibircn zu lassen. Die Geschworenen im Sheriffs-Ge richtshof erklärten darauf den Verklagten in vonttnoavii»» für straffällig, und er wurde zu einer Geldbuße von NO» Pfd. vcrurthcilt. Dicse Summe ließ das Gericht crekutorisch eintrcibcn, ohne sie indessen dem Kläger auszulicfern, da es sich auf weitere Schritte des Untcrhauscs gefaßt machte. Als dieses darauf im Z. 1840 zusammcntrat, ließ cs sofort den Stockdale, wegen Ver letzung der Resolutionen und Privilegien des Parlamentes, in das Gefängniß des Serjemit-nt-arm« abführcn. Die Sheriffs von London wurden demnächst aufgesordcrt, jene Summe herauszugeben, und, als sie sich weigerten, eben- falls eingesperrt und erst wieder entlassen, nachdem sie, aus Anweisung der Husen«-Umtob, das Geld an Stockdale selbst übergeben. Dieser, obwohl im Gefängniß, ließ sich dadurch nicht zurückhalten, durch seinen Anwalt einen neuen Prozeß gegen Hansard zu eröffnen, worauf dieser Anwalt ebenfalls, und zwar im Newgate-Gefängniß, eingesperrt wurde. Endlich, als auch diese Maßregeln alle nichts halsen und die Gerichte fortfuhren, die Sache zu betreiben, als ob weder ein „Privilegium" noch eine „Resolution" des Unter hauses vorhanden wäre, sah das letztere sich genöthigt, dem Einwand nach- zugcben, daß die bisherige Gesetzgebung in diesem Punkte mangelhaft sep. ES wurde daher eine förmliche Bill cingebracht, durch welche verordnet wird, daß kein Gerichtshof Klagen gegen Druckschriften annchmcn dürfe, sobald nachgewiesen sep, daß dicse Schriften untcr Autorisation eines der beiden Parlamentshäuscr gedruckt worden. Diese Bill ging zuerst im Unter- und dann im Oberhause durch, worauf sie die königliche Genehmigung erhielt. Nun erst wußten die englischen Gerichte entschieden, wonach sic sich zu richten hätten, doch konnte das neue Gesetz natürlich auf den älteren Fall keine An wendung finden, und dieser mußte zwischen den Parteien Stockdale und Han sard auf gütlichem Wege geschlichtet werden. Inzwischen ist hierdurch die Frage über die „Privilegien des Hauses" doch nur insofern erledigt, als dabei die vom Parlament ausgehenden Druck- schriftcn bctheiligt sind. Zn jeder anderen Beziehung ist die Frage noch immer so unentschieden, als sie war, und Fälle, wie sic früher vorgekommcn, in welchen die Entscheidungen der Gerichtshöfe mit diesen Privilegien geradezu in Widerspruch waren, werden sich wahrscheinlich noch oft wiederholen. Einer der merkwürdigsten Fälle dieser Art war der in dcr Ueberschrist dieses Artikel» erwähnte von John Wilkes, den wir hier nach dem zweiten Bande von Thomas Kcightlcy's „Geschichte von England" mittheilcn °), wobei indessen nicht unbemerkt bleiben darf, daß dies die Erzählung cincü Tory ist, der das Portrait von Wilkes mit den Farbcn seiner Partei gemalt und ihm natürlich nicht sehr geschmeichelt hat: „Als das Ministerium Grcnville's (I7N3) gcbildct war, eröffnete die Presse ein über die Maßen heftiges Feuer dagegen. Die gefährlichste Batterie war eine Zeitschrift untcr dem Titel: „dcr Nord-Vritc", rcdigirt von John Wilkes, Parlaments-Mitglied für Aylesbury, einem Manne von bedeutendem Talent, jedoch ausschweifendem Charakter und zerrütteten Vermögens-Umständen. Er war, wie beinahe alle (?) Demagogen, höchst aristokratischer (?) Gesinnung; da ihm jedoch ein einträglicher Posten verweigert worden war, trieb er da» Handwerk eines Patrioten und begann eine Reihe Angriffe auf die Personen und Maßregeln der Minister; diese nahmen darauf keine Rücksicht, bis er in Nummer XI.V. seiner Zeitung die Thronrede angriff (IS. April l7i>3), indem er den König beschuldete, offenbare Lügen geäußert zu haben. Es wurde vom StaatS-Sckrctariat ein allgemeiner Berhaftöbrics gegen den Verfasser, Drucker und Herausgeber des „Nvrd-Britcn" erlassen, mit der Aufforderung, sich ihrer und ihrer Papiere zu bemächtigen und letztere dcm Staats-Secretair ein- zuschickcn. Wilkes wurde demgemäß verhaftet und in den Towcr gesetzt. Als er sich nun an den Civil-Gerichtshof um ein HabcaS-Corpus wandte, wurde er vorgeführt und auf Entscheidung des Lord-Obcrrichtcrü Pratt, daß sein „Privilegium als Parlaments-Mitglied", welches nur durch Hochverrat-, erschwertes Verbrechen oder Verletzung der öffentlichen Sicherheit verwirkt werden könne, verletzt worden sey, frei gelassen. Dcr Gcneralsachwalter leitete sodann gegen ihn den Prozeß wegen Pasquills ein, und Wilkes, der Abgott des Pöbels, ließ kein Mittel unversucht, die Verfolgung gegen sich an- zureizcn. Die Minister, statt die Sache den Gerichtshöfen zu überlassen, brachten unpassender Weise den Fall vor das Haus dcr Gemeinen, von denen Nummer Xl.V. des „Nord-Britcn" für ein lügenhaftes, anstößiges und aufrührerisches Pasquill gegen den König und beide Häuser erklärt und der Beschluß gefaßt wurde, es durch Henkershand verbrennen zu lassen. Zugleich hatte Wilkes auf einer Presse in seinem Hause ein Gedicht mit dem Titel „Versuch über das Weib"°)" gedruckt, worin Gottlosigkeit mit Unzüchtigkeit um die Oberhand stritten, und hatte Anmerkungen dazu unter dcm Namen des Bischofs Warburton gemacht. Es wurde nun im Obcrhause beschlossen, Seine Majestät zu ersuchen, daß Dieselbe eine gerichtliche Untersuchung gegen Herrn Wilkes wegen Verletzung dcö Privilegiums und wegen Gotteslästerung ver fügen möge. Ungeschickter Weise wurde zum Antragsteller Lord Sandwich erlescn, ein Mann, dessen eigener Privat-Charaktcr Alles, nur nicht makel- los war. „Hierauf wurde die Frage hinsichtlich des Privilegiums dcr Par laments-Mitglieder im Unterhausc ausgenommen und, der Beredtsam- keit Pittt's wie der Entscheidung des Civil-Gerichtshofes zum Trotz, mit großer Stimmenmehrheit entschieden, daß das Privilegium des Parlaments keine Geltung zu Gunsten der Verfasser und Verleger aufrührerischer Schmäh schriften habe. Das Haus der Lords kam nach langer Debatte zu gleichem Beschluß. „ES entstand ein Auflaus, als man den Versuch machte, den „Nord- Briten" zu verbrennen, und als mehrere dcr Personen, »velche verhaftet worden waren, mit Entschädigungsklagen gegen die Gerichts-Vollzieher auftraten, entschied das Geschworenengericht zu Gunsten dcr Kläger; WilkeS selbst brachte eine solche Klage gegen die beiden StaatS-Secretaire und den Unter-Secretair Herrn Wood ein, und der Letztere wurde verurtheilt, ihm tausend Pfund Sterling Entschädigung und die Kosten des Prozesses zu bezahlen. Bei dieser Gelegenheit erklärte der Oberlichter Pratt den Berhaftsbefehl für gesetzwidrig, und eine gleichlautende Entscheidung Lord Mansfields erledigte vollends die Frage. „Wilkes wurde gleichwohl aus dcm Unterhause gestoßen, ihm der Prozeß wegen Herausgabe der Nummer Xl-V. und des Gedichtes „über das Weib" ') Vgl. Nr. »!> de« Magazin« von r. I. — Die bei A. B. Laeiß in Hamburg er schienene Uebersetzung ist von Herrn F. K. F. Demmler veranstaltet, läßt jedoch beson der« im zweiten Bande, wat die Glätte de« Autdruck« und die Berstandlichkeit betrifft. Manche« zu wünschen übrig. ") Oll vornan, eine Parodi« auf den Titel eine« bekannten Gedichtet von Pop« „L,,azt ou man".