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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. Pränumeration»,Preil 22) Sildergr. (j Tblr.) vierteljährlich, 3 THIr. für das ganze Jahr, ohne Erhöhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie. Magazin für die Pränumerationen iverden von jeder Buchhandlung (in Berlin bei Veit u. Com»., Zägerffraße Nr. 25), so wie von ollen König!. Post, Armier», angenommen. Literatur des Auslandes. 51. Berlin, Donnerstag den 29. April 1847. England. Die parlamentarische Stenographie in England und in Frankreich") Nachträglich zu den interessanten Mittheilungcn, die der Herr Fürst von LpchnowSki in der Sitzung der Herren-Kurie vom 2N. April über das Ver fahren der Stenographen in den Parlamenten von Großbritanien, Frankreich und Belgien gemacht, bemerken wir noch Folgendes: In England ist die Publikation der Parlaments-Verhandlungen lediglich Sache der ZeitungS-HerauSgeber. Das Parlament selbst beschäftigt keine Stenographen, ja es führt nicht einmal ein vollständiges Protokoll, da in dasselbe weder im Ober- noch im llntcrhause die Reden der Mitglieder aus genommen werden. Was man rbe äaurnsl ök G« Ikou.<>e nennt, enthält blos die Resultate der Debatten, d. h. die Beschlüsse des Hauses, und diese werden von den zunächst vor dem „Sprecher" im Unterhausc oder vor dem „Lordkanzlcr" im Oberhause sitzenden eieren (Secrctairen, welche die Per rücken und die Roben der englischen Advokaten tragen) sogleich in vollstän diger Reinschrift ausgenommen. Die Zeitungs-Redactionen, denen die Veröffentlichung der Parlaments- Verhandlungen überlassen ist, bemühen sich natürlich — da ihre Blätter um so gesuchter und verbreiteter im Lande find, je besser und vollständiger sie jene liefern — recht geschickte Stenographen (8siort->VrKvr) und sogenannte >te- poreer zu gewinnen. Und da die Einen wie die Anderen außerordentlich gut bezahlt werden — in der Regel nicht unter 4W Pfd. (27IM Thaler) jährlich — so findet man darunter oft Männer von ausgezeichnetem Talent und von um fassenden Kenntnissen. Die geschicktesten Männer dieser Art stehen im Dienste der Morgcnblätter Tnnex und lUoi-ning-hstir,»niete, deren jedes täglich min- destens «> —8 Stenographen in beiden Parlamentshäusern beschäftigt, doch werden bei wichtigen Verhandlungen noch mehrere außerordentlich herbeige- zogcn. Zeder dieser Stenographen arbeitet dreiviertel, höchstens eine Stunde lang in der Galerie des Unterhauses °°) oder vor der Barre des Ober hauses °°°), wo er den Inhalt der Verhandlungen, je nachdem fie ihm inter essant erscheinen, mehr oder minder ausführlich aufzeichnet. Nach Verlauf jener Zeit wird er durch einen Kollegen abgelöst, und er verfügt sich dann in das Büreau der Zeitung, um aus seinen Notatcn — unterstützt durch seine Geschäfts-Routine und durch die frischeste Erinnerung an das VorgcfaUcne — einen vollständigen dramatischen Bericht zu liefern, den er gewöhnlich einem Schreiber in die Feder diktirt, nm das Manuskript sofort in die Druckerei zu geben. Wenn die Zeit drängt — namentlich in den Stunden nach Mitter nacht — diktirt der Reporter auch unmittelbar verschiedenen Schriftsetzern, die dann mit Hülse eines durch viele Doppelbuchstaben, Sylbenlettern und ganze Wörter erweiterten Setzkastens die Arbeit um so rascher vollenden. Eine Debatte, die vielleicht um 2 Uhr nach Mitternacht erst geendet hat, ist dann schon am Morgen früh zwischen 7 — 8 Uhr in vielen Tausenden von Abdrücken im Publikum verbreitet. Ja, es sehlt dabei auch nicht an dem gewohnten lesümg srUele, in welchem der gewandte erste Reporter alle Hauptmomente der Debatte zusammengefaßt und beleuchtet hat, welcher Ar tikel oft das Letzte ist, was den Setzern diktirt wird. Manchmal ist die Dis kussion im Parlament noch recht lebhaft im Gange, wenn schon die ersten Reden der Debatte gedruckt vcrtheilt werden. Es geschieht dies durch die Abend-Zeitungen, die natürlich immer nur über den Anfang der Sitzung ') Wir haben bei diesem Aussätze hauplsächüch auch die Nvüzen benutzt, die Fr. Xav. Gnbe!«perger in seinem umsaüenden Werke: „Anieinmg zur bemühen RedezeiMenkumt" über die Gejauchte der StensgrapLie minheiu. Aus der Seile, wo der Sitz Les „Sprechers" ist, der eigentlichen Fremden-Galerie gerade gegenüber, so daß den K-I>orter- allein eben so viel Naum überlasten ist, Ivie den» gejammten übrigen englischen und »»ständischen Publikum, während die schmalen Galerieen an den Langseiten des Hauses den Mitgliedern des Parlament« Vorbehalten bleiben. ---) Nicht« ist der Würde des englischen Parlament« so wenig entsprechend, al« Lie so- genannte Barre des Oberhauses. Zunächst haben die Mitglieder de« Hauses der Gemeinen das Recht, sich an Lieser engen Barre zu drängen und zu stoßeu, während hinter ihnen, auf einem erhöhten dunklen Raume, Las stehende Publikum eingepfercht ist, Las, so oft «ine Abstimmung eintritt, wie eine Heerde Sckafe hiuauSgelrieben wird, um dann wieder «den so unordentlich hineinzustürzen. Es gehört ein sehr gute« Auge und ein noch besserer Dhr dazu, »in von diesem dunklen Raum au« Lie Herren Peer», die drüben ost in aller ihrer liebenswürdigen Ungenirtheit guer über die Bänke gelagert sind, zu sehen oder, wenn ste, den Hut abnehmend, sich erheben und zu sprechen aufangen, auch zu verstehen. Hoffentlich wird in dem seiner Vollendung entgegengehenden netten Parlamenlshause auch die äußere Ordnung eine würdigere senn. fürerst berichten können, während fie es sich, was die Fortsetzung und den Schluß betrifft, bequem macken und diese meistens nach den ausführlichen Be richten der Morgenblätter zusammenstellen. Es ist ein alter parlamentarischer Gebrauch, von dem, was die Zeitun gen über die Redner und aus deren Reden bringen, keinerlei Notiz zu nehmen, ja fie gewissermaßen zu ignoriren. Bon solchen Berichtigungen, wie fie unsere Zeitungen zuweilen in einem sehr absprcchendcn Ton enthalten, kann daher in England nie die Rede seyn. Nur wenn sich einmal ein Zei tungsschreiber oder sonst Jemand eine Verletzung der Privilegien des Hauses (» dreaob ok rke Privileges ok cl>e House) zu Schulden kommen läßt, dann wird er vor die Barre desselben geladen und nach Befinden eingcspcrrt oder sonst in Strafe genommen. Man macht den englischen Blättern meistens den Vorwurf, daß fie nur die Reden der Männer ihrer Partei gut und vollstän dig wicdergeben, während sic die ihrer politischen Gegner gewöhnlich abkürzcn und verstümmeln. Da jede Partei jedoch ihr Hauptorgan hat, so pflegt sich dies natürlich im Ganzen auszuglcichen. Auch setzen die Rimes und die Uorninx-Obroniele einen gewissen Stolz darein, die Reden ihrer politischen Gegner ebenfalls ausführlich, wenngleich nie so vollständig als die ihrer Freunde, mitzutheilen. In Frankreich hat die Stenographie seit dem Ansange dieses Jahr hunderts eine außerordentliche Ausbildung erlangt. Diese Kunst wird dort nicht blos zur Aufzeichnung der Reden in den beiden Kammern, so wie der öffentlichen Gerichts-Verhandlungen, sondern auch in den Ministerien viel fach benutzt, indem die Büreau-Chefs mit Hülse von Stenographen das Drei- und Vierfache der Gegenstände erledigen, die sie sonst zu diktire» oder selbst niederzuschreiben pflegten. Es fehlt daher auch niemals an geschickten Stenographen in Paris, wo sie übrigens wie in England sehr gut bezahlt werden, so daß fie ost bei anhaltender Beschäftigung eine jährliche Einnahme von IOME FrS. haben. In jeder der beide» Kammern ist den Zeitungs-Stenographen eine be sondere Tribüne eingeräumt, in welcher der beste, der Rednerbühne am nächsten gelegene Platz für den Berichterstatter des Dlonueur bestimmt ist, welcher letztere bakanntlich die Reden so vollständig als möglich liefert, während sie in allen anderen Blättern mehr oder weniger abgekürzt erscheinen und darin auch, wie in den englischen Zeitungen, mit Rückficht auf die Partei, welcher das Blatt dient, hervorgehobcn werden oder nicht. Die Stenographen des !Ao- nicenr lösen sich in sehr kurzen Zwischenräumen ab und liefern ihre Arbeiten, nachdem fie fie dcchiffrirt, an den Hauptredactcur, der die Revision besorgt, sofern nicht einzelne Mitglieder der Kammer es vorziehen, sich die Korrektur persönlich auszubitten ober diese wenigstens durch Mitthcilung von Notatcn zu erleichtern. Da übrigens in den französischen Kammern gestattet und all gemein üblich ist, die größeren Vorträge abzulcscn — was in England nie geschieht, wo die Parlamcntsredncr höchstens einen Papicrstrcifen, auf welchem fie Zahlen und anderes statistische Material verzeichnet haben, hin und wieder zur Hand nehmen — so haben die Berichterstatter oft den Vortheil, das Manu- skript selbst benutzen oder wenigstens mit ihren Auszeichnungen vergleichen zu können. Daß die Eitelkeit der Redner in den meisten Fällen dafür sorgt, sich so vollständig und so genau als möglich gedruckt zu sehen, versteht sich von selbst. Die Stenographen des lAomleur beziehen ein nach dem Grade ihrer Be fähigung sich steigerndes, bestimmtes Jahrgehalt, obwohl die Kammern in der Regel höchstens sechs Monate beisammen zu scpn pflegen. Nach Prorogirung derselben werden jedoch die Stenographen des »oniteur anderweitig in den BüreauS der Ministerien beschäftigt. Nächst diesen Berichterstattern sind die des ckournal «les kkekm-» die am besten besoldeten französischen Stenographen. Die politische Beredtsamkeit in England. I. Als Einleitung. (Schluß.) Was für ein versuchungsvolles Feld eröffnet dieser Zustand der Dinge politischen Rednern! Die Keime großer Ereignisse, die ersten Antriebe zu Veränderungen haben ihren Ursprung ohne Zweifel im Studierzimmer, im Geiste tiesdenkender und erfahrungsreicher Männer, die vielleicht nicht un mittelbar in den Kampf verwickelt find. Aber das Volk ist der große Hebel,