Volltext Seite (XML)
Wöchentlich «rschtinen tret Nunimern. Brönumttdlwnö-PiNt 22) Silberg,. (1 Tblr.) vierteljöhrUch, Z Td>r. tu« das ganze Jahr, ahn« Erhöhung, in allen Theilen her Preußischen Monarchie. Magazin für die Pränumerationen werden von jeder Buchhandlung (m Berlin bei Bett u. Comp., Iägerllraße Nr. 25). so wie von allen König!. Post-Aemiern, angenommen. Literatur des Auslandes. 47. Berlin, Dienstag den 20. April 1847. Deutsche Auswanderung. I. Nach Osten oder nach Westen? Vom Kaiser!. Brasil. General-Konsul I. I. Sturz.") Nachdem man in Deutschland endlich dahin gelangt war, einen engen Zusammenhang der deutschen Colonisation mit der Geschichte und den wich tigsten socialen, merkantilischen und staatsökonomischen Interessen des Landes anzuerkennen, mußte folgerecht zunächst die Richtung, welche die Auswan derung künftig zu nehmen habe, ein Gegenstand der Erörterung werden. Mannigfache Meinungen haben Geltung zu erlangen gesucht, und unter diesen hat durch Originalität, indem sie von den vorherrschenden Ansichten durchaus abweicht, und durch den konsequenten Eifer, mit dem sie verbreitet und ver fochten worden ist, das deutsche Publikum die Idee vorzugsweise beschäftigt: „welche die Bewegung der deutschen Auswanderung nach der neuen Welt un- „bcdingt verwirft und dagegen für die Ostküsten des mittelländischen Meeres „entscheidet." Die Wichtigkeit der zur Sprache gebrachten Fragen hat dem Verfasser Anregung gegeben, diese beiden, in der That sehr divergirenden, Zielpunkte in leicht anschaulicher Beleuchtung neben einander zu stellen. Niemand kann die Bedeutung des Orients für die politischen und kom merziellen Beziehungen Deutschlands verkennen; insbesondere wird jeder Ein sichtige die Wichtigkeit der Donau in beiderlei Rücksicht vollständig begreifen. Vieles deutet darauf hin, daß alle die Länder des untergegangenen byzan tinischen Reiches hauptsächlich von Deutschland aus ihre intellektuelle und sociale Wiedergeburt empfangen werden, und cS ist nicht zu bezweifeln, daß dereinst in der europäischen Türkei, sogar in Kleinasien, dem deutschen Fleiße rin weites Feld für Industrie und Agrikultur sich aufthun wird; aber erst dereinst, nachdem die politischen Zustände nach völliger Umgestaltung sich neu konsolidirt haben und jene Länder für den Anbau europäischer Bildung vorbereitet sepn werden. Gegenwärtig aber dort in das chaotische Gewirr, Folge der fortschreiten den Auflösung des osmanischen Staates, deutsches Leben verpflanzen zu wollen, kann nur ein schönes Spiel der Phantasie sepn, welches mit dem Hinblick auf die traurigste prosaische Wirklichkeit entschwinden muß. Aufrechterhaltung, mehr noch, Erhebung der individuellen Menschen würde und edler, mühsam errungener Vorzüge der Gesittung müssen doch un streitig die voranstehende Aufgabe bei jeder Colonisation sepn. Wie kann man also daran denken, in das Gewühl der vielerlei halbbarbarischen Na tionen, welche bunt durch einander das Türkenreich in Europa bewohnen, Deutsche hineinzuwerfen, zumal, da ausgedehnte unbewohnte Räume, in welchen große deutsche Niederlassungen entstehen könnten, gar nicht verfügbar find? Das Schicksal unserer Landsleute, die man deshalb in kleinen Ansiede lungen, vielleicht sogar familienweise umhcrsäen müßte, wäre gewiß. Zer streut unter Völkerschaften, deren einer Theil von jener der ganzen Slawen. Welt eigcnthümlichen unauslöschlichen Antipathie gegen den germanischen Volksstamm erfüllt ist, bei deren anderem Theile der Fanatismus des anderen Glaubens und fanatische Einbildungen von dem Herrscherthum seiner Na tionalität durch alle Klassen der Bevölkerung walten, und in einem Staate, wo es kein Recht, nur Willkür der Gewalthaber giebt, wäre schon die nächste Generation demoralisirt und denationalifirt. Wollte man sogar bis nach Asien sich verirren, um die als Ideal aller dings erhebende, insonderS für den phantasiereichen Verehrer des klassischen Alterthums anziehende Idee: Entwilderung Kleinasiens und Palästina s durch Deutsche, zu verwirklichen, so wäre das eine wahre Hinopserung von Menschenglück für eine Täuschung der Einbildungskraft. Nachdem traurige Vorgänge bereits gezeigt haben, welches Loos Deutschen unter Starosten, Magnaten und Bojaren gefallen ist, so bedarf es nicht noch erst: auch noch die Humanität und die Rechtlichkeit türkischer Paschas zu erproben. Das dem Osmancnreiche, vielleicht sehr nahe, bevorstehende Geschick ist eine unabwendbare historische Nothwendigkeit; der Uebergang in eine neue Ordnung der Dinge wird aber gewaltsam sepn: eine von allen den Gräueln und Schrecken begleitete Umwälzung, welche in Asien geschichtliche Katastrophen von jeher bezeichnet haben, eine Umwälzung, welche das letzte fieberhafte Auflodern des Fanatismus, der Religion und des Nationalstolzes in den Momenten seines Sturzes mit verdoppelten Gräueln bezeichnen wird. — Das Gewissen verbietet, daran zu denken, Menschen seines Volkes in ") Dorgetragcn in der letzten Sitzung dir Berliner geographischen Gesellschaft. ein Land zu führen, wo Verderben ihrer im Hintergründe wartet. Zu dem Allen kommt die gewisse Voraussicht, daß der Norden Alles anwenden wird, das Emporkommen deutschen Volkes und deutscher Interessen im Orient zu verhindern; ja daß selbst von anderer Seite her Mißliebigkeit sichtbar werden wird. In Syrien würde außerdem der gegenseitig sich neutralifirende Einfluß zweier großer Fremdmächte später einen zerstörenden Einfluß auf deutsche Niederlassungen ausüben, die sich nicht auf eigene von der deutschen Nation ausgegangene und von dieser mit Nachdruck aufrecht erhaltene Garantier« stützten. Bei gegenwärtiger Lage der Dinge also wird eine deutsche Colonisation im Orient nimmermehr gedeihen. Hieraus folgt, daß Deutschland die aus Beziehungen mit dem Orient entspringenden merkantilischen Vortheile, wor auf es den gerechtesten Anspruch hqt, nur dadurch erlangen kann, daß,die deutschen Mächte mit aller Energie den Einfluß geltend machen, den sie wirk lich alsdann zu üben vermögen, wenn sie mit klarem Verständnisse eines großen Zweckes in Einigkeit und gegenseitigem Vertrauen handeln. Bis jetzt ist leider das politische Gewicht Deutschlands im Orient noch nicht einmal schwer genug gewesen, um die Donaumündung völlig dem Handel zu öffnen und das absichtlich herbeigeführte Versanden des Fahrwassers derselben zu verhindern. Wenden wir das Auge ab von jene» für deutsche Ansiedelung unwirth- baren Regionen; der Schauplatz, auf dem der erwachende deutsche Unter- nehmungSgeist seine Kräfte entfalten soll, ist und bleibt Amerika. Dort allein können das Wohl der Individuen und vaterländische Interessen gleich mäßig befördert werden. Wie ganz andere, reiche und große Elemente für die Colonisation stellen sich hier dem Blicke dar! — Civilisirte Völker mit europäischer Kultur, meistens germanischer Abkunft; aller Nationen staatliches und sociales Leben aus der Wurzel des Germancnthums hcrvorgewachsen; bestehende wichtige Handelsverbindungen mit Deutschland; wohlgeordnete Regierungen, frei sinnige Staatsverfaffungen, mit einem Worte: alle Hülfsmittel europäischer Civilisation find die Fundamente, auf denen wahres Menschcnglück unbehin- dert und dauerhaft aufgcbaut werden kann. Mit diesen unschätzbaren moralischen Gütern vereinigen sich alle Bedin gungen zum materiellen Gedeihen der Ansiedler. Die vornehmste unerläßliche Grundlage hierzu: klimatisch und durch Fruchtbarkeit von der Natur geseg neter Boden, ist im reichsten Maße vorhanden; ein anderes, für eine nationale Colonisation sehr wesentliches Desiderat: umfangreicher leerer Raum zur Aufnahme einer zahlreichen stammverwandten Bevölkerung, findet in weitester Ausdehnung Befriedigung; und das dritte nothwendige Erforderniß zur vollen Blüthe eines Landes: umfassende innere Wasser-Communication, ist Amerika nicht minder verliehen, und zwar in großartigster Bedeutung. Dieser über aus wichtige Gegenstand erheischt eine nähere Betrachtung. Schiffbare Ströme find die Pulsadern der Länder. Die großen Ströme Amerika's, welche unendliche Linien durchschneiden und mit dem Netze ihrer Nebenflüsse ungeheure Ländereien einschließen und zu einem Gebiete frucht bringender Lebensbewegung gestalten, gewähren diesem Welttheile in An- sehung der Colonisation den unbedingt überwiegenden Vorrang vor allen anderen zur Colonisation geeigneten Regionen auf der Erde. Ein immenses Resultat liegt vor Augen. Die großen weitverzweigten Stromspsteme Nord- Amerika's sind es, welche dort in kurzem Zeiträume wunderähnlich die Entwickelung einer Fülle von Kraft und Leben vermittelt haben. Zwei der vier großen Stromsysteme, die Amerika besitzt, sind an ihren Uferländern schon ziemlich dicht besetzt, der Landwcrth hat sich daselbst schon beinahe auf den europäischen Fuß gestellt, nur ferne Hinterländer sind noch frisch anzubaucu und zu Werth zu bringen, der in langer Frist jedoch de» vierten Theil des Werthes der Uferländer kaum erreichen dürfte, indem für jetzt die produktenreichen, aber menschenarmen Binnenländer noch auf den Ex port in die Küstengegenden und in das Ausland angewiesen sind und der Landtransport den Produktenwerth bis auf die Hälfte absorbirt. Der Bodcn- werth in diesen Gegenven wird erst dann namhaft sich erhöhen, sobald ver dichtete Bevölkerung die innere Consumtion steigert. „Ueber tausend „Millionen Thaler Werth in Land find seit dreißig Jahren am Lorenz- „ Strome und am Ohio und Missouri, durch die Verpflanzung von kaum vier „Millionen Menschen auf jene Länder und die Vermehrung dieser Bevölkerung „aus sich selbst, geschaffen worden." Welche großartige einfache Alchimie, die aus dem Ueberschuffe der Menschheit — denn der Auswandernde wird in dem Heimatlande ja nicht vermißt, er war ihm entbehrlich, öfters eine Last sogar