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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. Pränumeration--Prci- 22^ Silbergr. Thir.) vierteisähriich, Z Thlr. sür da- ganze Jahr, ahne Erhöhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie. Magazin sür die Man pränumerirt auf diese« Literatur- Blatt in Berlin in der Erpedition der Allg. Pr. StaalS-Zeitung (Friedris--- Straße Nr. 72); in der Provinz so wie im Anslande hei den Wohllödl. Post-Remtern. Literatur des Auslandes. 29. Berlin, Mittwoch den 8. März 1843. Frankreich. Die Organisation der Französischen Presse.") Nie ist so viel geschrieben, gedruckt, gepreßt worden über die Presse, als in neuester Zeit. Unsere Absicht ist es nicht, eine theoretische Abhandlung über die Presse zn schreiben, sondern bloß eine historisch-faktische Uebcrficht der Französischen Presse zu geben, die man in Deutschland für frei hält, und die durch ihre besondere Organisation vielleicht die unfreieste in ganz Europa ist, seitdein die Französische Kammer durch Thiers,» den ehemaligen Jour nalisten, die September-Gesetze votirte. Nur Eine Bemerkung sep mir als maßgebende Theorie erlaubt; sie ist den Memoiren Gisquet's, des ehemaligen Polizei-Präfekten, entnommen. Gisquet behauptet, daß in unruhigen Zeiten eine freie Presse der Regierung mehr nützt, als alle geheime Polizei. „Was wir gewöhnlich", sagt er, „durch eine Masse Spione nicht erfahren konnten, das lasen wir den anderen Morgen in der Tribune, einem republikanischen Blatte, redigirt von Armand Marrast, jetzigem Mit-Redacteur des Kutiunul. Da stand es mit großen Lettern gedruckt, und zuletzt war die Dribune ein unschätzbares Blatt für die Polizei. Wenn wir sie bezahlt hätten, sie würde uns nicht besser haben be dienen können." Wer in Frankreich ein Journal herausgeben will, muß vor Allem 100,000 Francs Caution beim Schatz-Amt depvniren. Dafür erhält er frei lich 3 Prozent jährlicher Zinsen, und wenn die Regierung nachsichtig seyn will, so kann die Summe bis auf LZ,000 Fr. nach und nach zurllckgenommen werden, um die Kosten des Journals zu decken. Dies aber ist bloß Nachsicht. Der Regel nach müssen diese 100,000 Fr. baar liegen bleiben, und so oft das Journal in Strafe verfällt, wie neulich die Varetre <le Dräne«, die 24,000 Fr. zahlen mußte, muß die Summe nachbezahlt werden. Der Gerant, der diese Summe deponirt und für das Blatt verantwortlich ist, darf das Geld nicht von dem Redacteur oder einem Anderen entliehen haben, sondern es muß sein Eigenthum sepn. Diese Klausel ist eben so hart als unmotivirt. Was geht es eigentlich den Schatz an, wer das Geld giebt, wenn er cS nur hat? Doch sein Naisonncment ist folgendes; Der Gerant ist eigentlich nur verantwortlich. Er muß jedes Blatt jeden Tag mit eigener Hand unterschreiben. Diese Unterschrift giebt er aber oft in blsnco, ohne das Journal zu lesen, indem er sich auf die Redaction verläßt. Er thut dies um so leichter, wenn die Caution eigentlich gar nicht sein ist, wenn er sie auch unter seinem Namen nicdergelegt hat. Es bliebe ihm dann nur die Gefängnißstrafe, die die Ncdaction ihm ebenfalls bonifizirt. Das Gericht meint, es wäre nicht genug Verantwortlichkeit für den Geranten, wenn dieser zwar für seine eigene Haut, aber nicht auch für sein eigenes Geld einstände, da heutzutage das Geld mehr werth sep, als eine Menschenhaut. Wegen dieses Umstandes wurden in neuester Zeit der D«mps und der vourrier äes Dbeütres zu so hohen Strafen vcrurthcilt, daß sie nicht ferner erscheinen konnten. Dies aber ist noch nicht die schwerste Bedingung für die Französische Presse. Da die Regierung 3 Prozent Zinsen für die Caution bezahlt, so findet sich dieses Geld schon. Nun aber kostet jedes Blatt einen Sous Stem pel, so daß ein Blatt, das 1000 Abonnenten hat, jeden Tag vorweg 30 Fr. Stempel bezahlen muß. Das 8i«el«, das 40,000 Abonnenten hat, zahlt täglich 2000 Fr. Stempelgebühr. Nur die Mitarbeiter des Blattes erhalten ein ungestempeltes Eremplar, woraus die Redaction den Stempel Dprenv«, d. h. Korrekturbogen, druckt. Oder sie reißt auch die beiden Blätter durch und schickt sic so ab. Nur so umgeht sie die Stempelstrafe. Die Presse ist in Frankreich einer der einträglichsten Besteuerungs-Gegenstände. Ist sie aber ein einträglicher Artikel für die Regierung, so ist sie es nicht weniger für die Parteien. Die Juli-Revolution wurde im Namen der Presse gemacht. Die Presse aber irrte sich gewaltig an ihrer Macht. Durch ihre innere Organisation ist sie so gesunken, daß sie heute alles Interesse, alle Macht verloren hat. Mit Ausnahme der plml-mx« und der iievue inä«p«n- staute, deren Ursprung wir erzählen werden, und die ihr Entstehen einer Idee und nicht einer Speculation verdanken, giebt es in ganz Frankreich kein wahrhaft unabhängiges Blatt, keines, das des Geschenkes der Preßfreiheit -) Der nachfolgende Artikel gewährt manchen interessanten EinbliS in da- Getriebe der Französischen Presse, doch mögen unsere Deutschen Leser nicht übersehen, daß er, obwohl für unser Blatt geschrieben, von Französischem Standpunkt ansgefaßt ist, der natürlich nicht überall mit unserem eigenen zusammentrifft. D. R. würdig wäre, ja keines, das den Namen eines Journals im edleren Sinne verdiente. So beschränkt die Deutschen Blätter sind, sind sie dennoch in ihrem Ursprung freier, ja sie find ehrlicher, als die presse, das 8>ede, der vonstituliounel oder der Oourrier trsnpms, die alle Morgen denselben lang weiligen Refrain wiederholen und als Zeitung gar keinen Werth haben. In der That, um ein täglich erscheinendes Journal in Frankreich nur 18 Monate zu erhalten, muß man vor Allem ungefähr 230,000 Fr. in der Kaffe haben. Die Post in Frankreich ist zwar für die Journale höchst billig und national; das Blatt kostet einen Centime, auf welche Entfernung es auch adressirt sep, und zwar ohne Unterschied der politischen Farbe. Nebenbei kann man es auch mit den Meffagerieen verschicken, was noch wohlfeiler ist, um so mehr, da man dadurch ost den Stempel umgeht. Jedes Journal aber muß unter einem Kreuzband, auf welchem die Adresse des Abonnenten steht, auf die Post gelangen. Dieser Umstand, so gering er scheint, kostet enormes Geld. Da ist zuerst eine Journal-Znsammenlegerin, la plieus«, die monatlich 00 bis 80 Fr. erhält. Das 8i««l« hat 40 solcher pliouses. Dann sind mehrere Commis nöthig, die bloß jeden Tag die Adressen schreiben. Da man sich auf 14 Tage oder einen Monat abonniren kann, so haben sie zugleich auf die gedruckte Adresse, wo der Namen des Journals steht, zu schreiben, wann das Abonnement aufhört. Die Worte Vorn« »bonnemem timt sind gedruckt, das Datum müssen sie jeden Tag im Buche nacksehen, um es darauf zu setzen. Dies macht wieder eine Menge emplo)-«« nöthig, die gewöhnlich 100 Fr. monatlich erhalten. Dazu kömmt, daß immer am 5ten jedes Monats ausbezahlt wird, sowohl Drucker, Setzer als Schriftsteller. Es muß daher beständig Geld da sepn; denn die Kunst, ein Journal zu redigiren, ohne Honorar zu bezahlen, haben die Franzosen noch nicht gelernt, obschon sie seit einigen Jahren auch hierin Fort schritte machen. Entweder trifft es sich, daß ein Mann, der eins Idee vertreten will, das Geld hergiebt, oder das Journal wird auf Actien gegründet. Im letzteren Falle wird außer den politischen und literarischen Nedactcurs noch ein AuffichtSrath niedergesetzt, der in letzter Instanz urtheilt; ferner ein Lese- Comit«, ein Kassier, ein bureau ü'snnoncer rc. Das Lokal besteht gewöhnlich aus 4 bis 5 Zimmer». Da ist erstens ein Lesezimmer für die Mitarbeiter, wo alle Journale gelesen werden; zweitens ein Arbeitszimmer für die subalter nen Beamten; drittens ein Sprechzimmer sür den Redacteur (jeder Haupt- Redacteur hat sein besonderes Zimmercken); viertens das Versammlungs zimmer des Lese-Comitö's, und fünftens endlich das buresu ü'annoncor. Nebenbei ist noch ein Zimmer sür den Portier und die Auslaufburschen nöthig. Die Miethekostcn dieses Lokals belaufen sich gewöhnlich auf einige tausend Francs. Das schönste Lokal hat die Phalanx« in der rne üu Dom-non. Sie zahlt 0000 Fr. Miethe jährlich, giebt aber jeden Mittwoch eine Soirec, wo alle ihre Mitarbeiter und ihre Freunde bei einem — Glase Zuckerwaffer über Philosophie und Politik diskutiren. Oft läßt sie auch klassische Quartette von ihren musikalischen Freunden ausführen. Sobald aber ein Journal auf Actien besteht, ist der Redacteur nicht mehr selbständig. Der Zweck des Journals ist dann nicht mehr, die Wahrheit oder ein Prinzip zu vertreten, sondern Geld zu verdienen und viele Abonnenten zu erhalten; denn die Actionaire sind nicht eben politische Charaktere, sondern bloße Spekulanten. Das Journal hat alsdann von vorn herein keinen be stimmten Zweck. Es soll Opposition machen, aber diese Opposition ist rein persönlicher Art; sie stellt sich unter die Auspizien eines Oppositions-Mitgliedes der Kammer und muß ihm Alles opfern, sep cs auch Wahrheit und Recht- Es ist dann bloß eine Jntrigue. Noch mehr: statt unparteiisch zu sepn und den Abonnenten aufzuklären oder zu leiten, ist das Journal rein der Sklave seiner Abonnenten und wird gewöhnlich bald zu einer Mühle, die alle Morgen dasselbe herplappert. Was noch schlimmer ist, ist der Umstand, daß die Redak toren und Mitarbeiter gewöhnlich eine Koteric bilden, eine Kapelle, wie sic sagen, worein kein Ungeweihter dringt. ES erfolgt hieraus, daß die poli tischen Redactcure meistcntheils die mittelmäßigsten Schriftsteller sind, und daß man oft meint, eine Feder habe alle Premiers Paris °) in sämmtlichen Jour nalen geschrieben. Mit dem Feuilleton ist es noch schlechter bestellt. Es ist eine merkwürdige Erscheinung in der Französischen Journalistik, daß die Direktoren der Feuilletons am wenigsten literarische Bildung haben, ja daß die Meisten gar keine Literaten sind. Diese Leute schließen gewöhnlich mit einigen bekannten Romanciers, die einen Namen haben, Kontrakte ab. Von diesen bekommen sic so und so viel Novellen und Romane geliefert, die sie nicht zu lesen brauchen, und somit hat der Direktor nichts zu thun, als alle ') So heißen bekanntlich die da- Datum Pari- tragenden, leitenden Artikel der Zeitungen.