Volltext Seite (XML)
Wöchentlich erscheinen drei Nummern. Pränumeration« - Preis 22z Silbergr. Thlr.) vierteljährlich, 3 Thlr. für da- ganze Jahr, ohne Erhöhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie. Magazin für die Pränumerationen werden von jeder Buchhandlung (in Berlin bei Veit u. Comp., Jägerstraße Nr. 28), so wie von allen König!. Post-Acmtern, angenommen. Literatur des Auslandes. 110. Berlin, Dienstag den 14. September 1847. Italien. Programm der italiänischen National-Meinung. Vom Marchese d'Azeglio. Der Marchese Massimo d'Azeglio, dessen so wie des Grafen Balbo Schriften über die Hoffnungen und Aussichten Italiens im Sinne der gemä ßigten Partei wir im „Magazin" bereits mehrfach erwähnt haben, hat so eben eine neue sehr wichtige politische Schrift herausgegeben, die wir in die- sen Blättern nicht unbesprochen lassen dürfen. Es führt diese, auS Rom im Juli 1847 datirte und uns von dort zugegangene, in Florenz gedruckte Schrift des in Piemont begüterten und dort sehr angesehenen Marchese den Titel: „Vorschlag zu einem Programme für die italiänische National- Meinung", ") und allem Anscheine nach, kann sie auch als das Programm der sich dieser Nationalmeinung anschließenden Regierungen des Kirchenstaats, Toskana'S und Sardinien's gelten. Wir wollen hier kurz über den Inhalt dieser Schrift referiren, welche nach einigen „einleitenden Gedanken" folgende Ueberschriften enthält. I) „Die Meinungen, die wir aussprechen, beziehen sich lediglich auf die gegenwär tigen Zustände Italiens." 2) „Der gegenwärtige Zustand der italiänischen Staaten, sowohl einzeln als in ihrer Gesammtheit, den auswärtigen Mächten gegenüber betrachtet, ist mit der Würde und den Interessen der Nation in Widerspruch." Z) „Wir sind der Ansicht, daß die erste Bedingung, um die italiänischen Interessen zu fördern, eine innige Vereinigung der Fürsten sep, zu dem Zwecke, sich gegensciseitig die unabhängige Ausübung ihrer Souvcrai. netät zu verbürgen." 4) „Die Einigung der italiänischen Fürsten, befestigt durch allseitige Bestrebungen zu nützlichen Reformen, wird ihnen die Liebe der Völker gewinnen und auf unerschütterlichen Grundlagen ihre Autorität befestigen können." 3) „Damit eine innige Vereinigung der italiänischen Für- sten wirksam sepn und alle ihre guten Früchte tragen könne, ist cs im Interesse der Völker, jedes Motiv zu beseitigen, durch welches sie in den Augen der Fürsten Verdacht erregen, und sich ihnen loyal anzuschließen, um mit ihnen zu- sammen zum Vorthcile der Nation zu wirken." 6) „Damit eine aufrichtige und vertrauensvolle Vereinigung zwischen Fürsten und Fürsten, wie zwischen Fürsten und Völkern, zu Stande komme, muß der italiänische Theil Italiens") baldigst volle Freiheit des Handelns haben und seine Politik, so wie die Hand lungen seiner Regierungen, in der seinen Interessen nützlichsten Weise einrichten, auch muß Italien, so viel es seine gegenwärtigen Zustände nur irgend zulasten, seines Rechtes auf Nationalität uneingeschränkt genießen." 7) „Um eine Vereinigung der Fürsten und Völker und diejenigen Vortheile zu erlangen, die daraus hcrvorgchen, halten wir nur offene und loyale Mittel für nützlich, übereinstimmend mit dem Grundsätze, Kraft in der Wahrheit und Gerechtig keit zu suchen, gestützt auf die Zustimmung der öffentlichen Meinung und auf das richtige Gefühl der Menschen." 8) „Damit die loyalen, vernunftgemäßen und rechtschaffenen Mittel immer mehr Einfluß auf die Menschen gewinnen und ihre wohlthätigen Folgen haben, ist es nothwcndig, das sittliche Gefühl zu kräftigen." 8) „Die Zustimmung der öffentlichen Meinung, wenn das sitt liche Gefühl in ihr vorherrschend, glauben wir erlangen zu können, wenn wir politische Grundsätze an den Tag legen, die auf Gerechtigkeit, auf die Realität unserer gegenwärtigen Zustände und auf die daraus hervorgehende Noth wendigkeit ihrer Anwendung gegründet sind." Man wird bereits aus diesen Ueberschriften die ruhige, gemäßigte und ihres Zweckes sich bewußte Ansicht des Verfassers erkennen ; um jedoch auch einen liefern Blick in seinen Gedankengang thun zu lassen, wollen wir hier die einleitenden Worte der Schrift mittheilen, auf deren weiteren Inhalt zurück zukommen wir uns Vorbehalten : „Das Studium jener moralischen Aufregung, die seit langer Zeit inner- halb der christlichen Civilisation sich bemerklich macht, die in der französischen Revolution sich in einer um so mächtigeren Weise kundgab, als sie von der Erfahrung noch nicht geleitet und geläutert war, und die unter neuen Formen und mit neuer Entwickelung bis auf unsere Zeit sich fortgesetzt, ist für die ge genwärtigen Verhältnisse fruchtbar an großen Lehren und nutzreichen Anwen dungen. Ihre uns bereits zu fern liegenden ursächlichen Momente übergehend, *1 ä uv penxramms per UopWIone nsrjonnle ttnNunL IN .Pseuimo kleine, k»>ee l-einmwivr, 1847. "j De- Anödrult „itäliänischer Theil Italien-wirb in der vorliegenden Dänin immer im Ejegenkhe zum „vgereitdihhen Theil« Italien«" aehrauän. wird es genügend seyn, wenn wir hier einen Blick auf die Epoche seit jener Revolution bis auf unsere Zeit werfen. „Dieser Zeitraum von ungefähr sechzig Jahren zerfällt in zwei Stadien, welche durchaus verschiedene Charaktere und Formen darbieten. „Das erste Stadium, um das Jahr l7S3 beginnend und bis zum Jahre 1815 dauernd, zeigt uns die Idee vorherrschend von dem durch die Gewalt unterstützten Recht: hier war es also die materielle Gewalt, welcher ge huldigt wurde. „Das zweite Stadium dagegen zeigt uns die Idee vorherrschend von dem durch die Vernunft unterstützten Recht: hier ist eS also die moralische Gewalt, welcher gehuldigt wird. „In Italien, mit welchem wir uns hier nur zu beschäftigen denken, er scheinen die Uebergänge der öffentlichen Meinung von der Huldigung der ma teriellen zu der der moralischen Gewalt deutlich ausgedrückt in den Begeben heiten der letzten 32 Jahre, in der beständigen Abnahme der Anwendung gewaltsamer und in der fortdauernden Zunahme der Anwendung rationeller Mittel. „Die seit 1815 bis jetzt gemachten Versuche, die politische Freiheit oder die nationale Unabhängigkeit zu fördern, haben, je näher sie den Epochen der Re publik und Napoleons waren, einen um so größeren Hang gezeigt, der mate riellen Gewalt zu vertrauen; je weiter entfernt sie dagegen von jenen Epochen sind, um so mehr haben sie diesem Hange entsagt, und um so stärker wurde ihr Vertrauen zu der Macht des Sittlichen. „Die Revolutionen in Neapel und Turin von 1820—21 waren die bedeu tenderen , die heftigeren, die am meisten durch verborgene Mittel und geheime Gesellschaften vorbereiteten, welche letzteren ebenfalls eine Folge des Ver trauens in die materielle Gewalt find, der die Schwachen lediglich durch List und Heimlichkeit entgegentreten zu können glauben, vermittelst deren sie ihrer- seitS in den Besitz jener Gewalt zu kommen hofften. „Die Bewegungen im Jahre 1831, von viel geringerem Umsang, blieben auch auf einen kürzeren Zeitraum beschränkt, weil das Vertrauen zu gewalt- samen Mitteln sich vermindert hatte. Die Urheber jenes Aufstandes ergingen sich in Publicationen und Manifesten, wodurch sie eben zeigten, daß sie der moralischen Macht ein viel größeres Gewicht beilegten, als cs 1820 geschehen war, und daß sie es damals schon herausfllhltcn, wie in Zukunft alle wirkliche und nachhaltige Gewalt in jener Macht sich konzcntriren würde. „Dieses Gefühl, das sich in den folgenden zwölf Jahren noch mehr ent wickelte, machte, daß der Aufstand in Bologna, 1843, noch bedeutungsloser war und der von Rimini, 1845, ganz spurlos vorüberging. „Die geheimen Gesellschaften und die Tendenz, im Stillen und Berbor- genen zu wirken, welche, wie wir bereits gesagt, Folge und Ausdruck des Kultus der materiellen Gewalt find, sind mit diesem selbst nach und nach ver schwunden. „Eine nothwendige Folge des neuen Vertrauens in die moralische Macht mußte seyn, daß man von der einen Seite geeignete Mittel suchte, um aus die öffentliche Meinung einzuwirken, von welcher jene Macht zum großen Theil ausgeht; von der anderen Seite jedoch allen gewaltsamen oder geheimen und darum auf die öffentliche Meinung unwirksamen Maßregeln, die nur der ma teriellen Gewalt den Weg bahnen, entsagte. „Dies war genau der Gang der Dinge. „Viele Jtaliäner sehen ein, daß, mn von der öffentliche» Meinung die größtmögliche Stütze zu erlangen, die Annahme von Grundsätzen notwendig sey, welche so wenige Interessen, als nur irgend möglich, verletzen, d. h. also gemäßigte Grundsätze, und daß man zugleich diesen Grundsätzen alle mögliche Oeffentlichkeit verleihen müsse. „Dieser als richtig erkannte Weg wurde zuerst von den verschiedenen Fractionen der liberalen Partei eingeschlagen; nach und nach wurde er als dann, wenn auch nicht eingeschlagen, doch gebilligt von jenen Männern selbst, die durch ihre gesellschaftliche Stellung, durch Standesrückfichten, durch ein Gefühl des Widerstrebens gegen die liberalen Ideen — einer Folge der revo- lutionairen Exzesse — sich politischen Neuerungen immer abgeneigt gezeigt hat ten. Ein großer Theil der Geistlichkeit, sehr viele Regierungsbeamte näherten sich den mit Mäßigung ausgedrückten und einer größeren Zahl von Interessen annehmlich gemachten liberalen Meinungen. Einige italiänische Fürsten gaben zu erkennen, daß sie ihnen nicht entgegen seyen. Die Erhebung Pius des Neunten und das weise, edelmüthige Programm seiner künftigen Verwaltung, das in dem Amnestie-Dekrete enthalten war, bekehrte dann zur gemäßigten Fortschritts-Ansicht auch noch jene ansehnliche Fraetion, welche jede Idee so-