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Wöchentlich erscheine» drei Nummern. Pränumeration« - Preil 22j Sildergr. (j THIr.) vierteliährlich, Z Tblr. sür tal ganze Jahr, ohne Erhöhung, in allen Theilen »er Preußischen Monarchie. Magazin sür die Man prämimerin auf diese» LitcranN- Blatt in Berlin in der Erpedition der Mg. Pr. Staats >Zeitung sZriedrichS- Straße Nr. 72); in der Provinz so wie im Auslände bei den Wohllödl. Post Aemtern. Literatur des Auslandes. 77. Berlin, Mittwoch den 28. Juni 1843. Türkei. Ein Amerikaner in Konstantinopel. Freudig folgte ich dem Ruse der Kanone auf das Verdeck der Amerika- nischen Fregatte „die Vereinigten Staaten", Capitain Patterson, und Kon stantinopel lag weit hin vor mir auSgebrcitct. So erzählt der Amerikaner Paul Nathanael Willis, ein geschätzter Schriftsteller und Dichter, in seinen Skizzen. Die erste Schaluppe, welche das Schiff verließ, brachte mich nach Tophana, dem Landungsplätze des Quartiers der Franken zu Stambul. Rechts eine Reihe Kaffeehäuser, niedrig gebaut, von einem Gitter ein geschloffen und von prächtigen Platanen beschattet; vor mir ein Platz, in besten Mitte sich ein schöner Persischer Springbrunnen erhebt, groß wie eine Kirche, mit Lapis Lazuli und Vergoldungen bedeckt und mit zahlreichen In schriften in Türkischer Sprache geziert; links eine Moschee, halb versteckt in einem Cypressenwäldchen; auf dem Platze etwa hundert bärtige, ernste Männer in weiten Beinkleidern, und etwa doppelt so viel knurrende, struppige und halbverhungerte Wolfshunde, das waren die ersten Gegenstände, welche sich meinen Augen darboten. Ich hatte mir sagen lassen, daß in Konstantinopel die Hunde die Christen erkennen und instinktmäßig einen Nationalhaß gegen sie hegen. Nach meiner eigenen Erfahrung möchte ich's fast glauben. Einer von jenen Bestien, welche mir, so wie ich nur den Fuß ans Land setzte, nahe genug folgte, um mich in die Fersen beißen zu können, mochte cs gelungen scpn, ihren Brüdern die Ankunft eines Ungläubigen zu verkündigen, denn in einem Augenblicke kamen Hunde hcrbeigerannt von allen Schmutzhaufen, aus allen Löchern, aus allen Winkeln, ich glaube aus der Erde heraus. Schon sing ich ernstlich an, be sorgt zu werden, mitten unter diesen wüthenden Hunden mit blitzenden Augen und hcrauShängender Zunge, als ein alter Türke, der unter einer Halle des Springbrunnens Sorbet verkaufte, sich meiner erbarmte und durch zwei oder drei wohlgezielte Steine und durch ein besonderes Geschrei, was ich später vergebens nachzuahmcn versucht habe, meine Verfolger zerstreute, welche sich heulend entfernten. Aus Dankbarkeit versuchte ich ein Glas des Getränkes, welches der gute Orientale feilbot, und setzte meinen Weg in der mir ange gebenen Richtung fort. Aber der erste Empfang auf dem Ottomanischcn Boden hatte meine Phantaficcn bedeutend herabgcstimmt, und bei jedem Schritte sah ich mich um, ob mich etwa die Legion Hunde wieder weiter be gleiten wolle. Ich stieg enge Gaffen auf und ab Mischen schlecht gebauten und übel angestrichcnen Häusern, nach der Hauptstraße von Pera, wo die Christen und die christlichen Gesandten wohnen. Dort fand ich den Secretair der Amerikanischen Gesandtschaft, welcher mir das freundliche Anerbieten machte, mich auf meinen Wanderungen durch die alte Stadt zu begleiten. Kiosk i>c» Sullä»». Wir gingen also zusammen an das Ufer zurück und stiegen in einen Kalk, d. h. in einen Kahn von der Größe einer Nußschale, um über den Arm des Bosporus zu fahren, welcher die Siebenhügelstadt durchschncidet. Man setzte uns ans Land zwischen dem grünen Kiosk des Sultans und dem Serail. Der LegationS-Secretair kannte glücklicherweise das Volk, welches ich be suchen wollte, sehr wohl und sprach seine Sprache vortrefflich. Ein Kervas, bewaffnet und mit rothen Beinkleidern angethan, stand vor dem Eingänge des Kiosk. Gewonnen durch einige überredende Worte meines Begleiters, nahm er langsam die Pseise aus dem Munde und gab einem Knaben ein Zeichen, unS das Innere des luftigen Gebäudes zu zeigen. Aus diesem Kiosk betrachtete sonst der Sultan Mahmud an gewissen Tage» das herrliche Pano rama seines Bosporus. Es ist ein kreisförmiges Gemach, geschmückt mit einem Throne von massivem Silber, welcher in cine doppelte Reihe von Marmorsäulen eingelassen und mit einem prächtigen Himmel bedeckt ist. Dieser Kiosk schwebt so zu sagen über dem Wasser. Wenn der Sultan dort die frische Luft gcnoß, so war Niemanden verboten, sich zu nähern. Der ärmste Bettler durfte im Vorübergehcn das Antlitz des Bruders der Sonne eben so gut betrachten wie die Größten des Reiches. Die großen Vorhänge, welche das ganze Gebäude verhüllen, sind nicht wieder ausgezogen worden, seit die sterblichen Reste Mahmud s II. in der Moschee des Sultans Achmet ruhen. Jahrmarkt. Darauf gelangten wir auf den großen Platz der Sultanin Valide, der an diesem Tage gerade von einem Jahrmärkte besetzt war. Die verschiedenen Quartiere der Hauptstadt haben diesen Markt umwechsclnd. In der Türkei unterscheidet sich jedes Volk — denn die Türkei ist nicht sowohl eine Nation, als cine Vereinigung von Völkern — nicht nur durch seine Tracht, sondern auch durch den besonderen Jndustriczweig, welchen cS pflegt. Rechts von dem Eingangsthore lagerte unter einer großen Platane eine Gruppe Georgier, deren dunkclrosenrothcr Teint sagte, daß ihre Schwestern halbe Huris seyn müßten. Auf dem Kopse trugen sie eine hohe Mütze von schwarzem, kräuS- lichem Lammfell; die engen Schultern waren in ein knapp anliegendes, mit seidenen Knöpfen reichlich verziertes Jäckchen eingesperrt, und die Taille um schloß ein langer rothscidencr Gürtel, dessen Frangen ihnen bis auf die Knöchel fielen, während sie mit übergeschlagenen Beinen sitzend auf Käufer warteten. Dieser Theil der Bevölkerung beschäftigt sich vorzüglich mit Kurz- waarcnhandel, wozu aber auch Lurus-Artikel gehören, seidene Strumpfbänder, eleganter Kopfputz und selbst reiche Kaschmir-ShawlS, welche um die Geor gischen Mützen gewunden werden. Neben den Georgiern theilte ein ernster und phlegmatischer Muselmann, unbeweglichen Angesichts, die Süßigkeiten der Türkischen Speisekammer an zahlreiche Liebhaber aus. Der gute Muselmann schnitt und bezuckcrte die Backwaaren, welche wir uns ausgesucht hatten, ohne uns auch nur anzu- sehcn. Mit einem Sorbet, den wir von einem anderen eben so ernsten Muselmann nahmen, hatten wir cine sehr komfortable Collation, welche uns fünfundzwanzig Französische Centimen (2 Sgr.) kostete. Einige Schritte weiter fiel mir das Acnßerc von zwei Männern auf, die vor der Bude eines Juden um ctwaS handelten; mein Begleiter bezeichnete sie mir als Indische Fakirs. Er redete sic Arabisch an, und während der Unterhaltung, die einige Minuten dauerte, konnte ich diese religiösen Fanatiker, von denen ich so viel gehört hatte, nach Bequemlichkeit betrachten. Sie Warrn klein, aber wohl proportionirt und hatten eben so feine als angenehme Formen. Ihre Gesichtszüge waren regelmäßig und rein, aber zart wie die eines Kindes von zehn oder zwölf Jahren. Sie hatten fcuchte und glänzende Augen, olivcn- braunc Gesichtsfarbe und glänzend schwarze, außerorventlich feine Haare. Der merkwürdigste Zug ihrer Physiognomie, welcher mir später der unter- scheidende Charakter ihres StammcS zu seyn schien, find die Lippen von cincm matten Schwarz, welche wie todt aussehen, als wenn das Blut stehen geG blieben und unter der Haut vertrocknet wäre. Ihre niedrige Klcidung hat gleichwohl etwas Malerisches. Ein künstlich nm die Taille geschlungener Gürtel hält ein Beinkleid fest, welches oben breit wie das der Türken, unten schmäler wird, zuletzt am Beine anliegt und einen kleinen Fuß sehen läßt, der wie verdorrt scheint. Ein Mantel mit einer Kapuze, mit bizarren Zeichnungen bedeckt, hängt über ihre Schultern, und eine hohe, spitze, mit Lammfell besetzte Mütze verbirgt die Stirn fast ganz. Endlich tragen sie eine blcchenc Almoscn- tasche, welche durch einen ledernen Riemen an den Gürtel befestigt und groß genug ist, um selbst Lebensmittel hincinzustcckcn. Sic waren bettelnd von Ostindien bis nach Europa gewandert. Wir gaben ihnen einige Geldstücke, welche sie ohne Ucbcrraschung und ohne Freude annahmen; sie kreuzten ihre Arme über die Brust, gaben uns einen Indischen Segen und setzten ihren Handel mit dem Juden fort. Die Räume zwischen den Buden waren von Türkischen Frauen angesüllt, welche die Mehrzahl der Käufer zu bilden schienen. Der Anblick dieser Frauen, deren schwarze Augen durch die Falten des Aashmaek blitzn,, macht auf den Fremden einen merkwürdigen Eindruck. Der sonderbare Ton der Stimme, welcher durch mehrere Muffelinlagcn dringt, die sich so cng an den Mund legen, daß man die Gestalt der Lippen unterscheidet, erinncrte mich an unsere Maskenbälle, denn gerade so sprechen die Damen, wenn eine Maske ihre Stimme dämpft. Ein Mehlsack mit einem Paar gelben Pantoffeln am unteren Ende gicbt eine ungefähre Anschauung von der Gestalt cincr Türkischen Dame. Ihre übermäßig dicken Hände, deren Nägel mit Henna gefärbt sind, und ihre prächtigen Augen sind Alles, was man sehen kann; und das ist wahrhaftig nicht genug. Aber man muß gestehen, dem Glanze und dem Ausdrucke der Augen Türkischer Frauen läßt sich nicht» vergleichen, und cs ist cine ganz eigenthümliche Empfindung, wenn fie Jemanden fest anblickcn, ohne selbst ihre seidenen Wimpern zu bewegen. In ihre weiten Schleier gehüllt, schcincn die Türkischen Frauen nicht einmal zu ahnen, daß man sie bcmcrkcn könne, und wenn sie Jemanden so scheinbar herausfordernd offen ins Gesicht sehen, so sucht man unwillkürlich den Mund, als müsse er den besonderen Grund jener Aufmerksamkeit, deren Gegenstand man ist, verrathen. Die Juden, welche man in der ganzen Welt hcrauskennt, zeichnen sich in Konstantinopel noch viel mehr aus. Sie müssen eine besondere Kleidung