Volltext Seite (XML)
1 17 „Wollen Sie nicht auch ein Goldstück drinnen wagen/' Miß Thoriificld?" fragte Windhain sein ehemaliges Mündel. „Es ist eigcnthiiinlich, daß selbst die reichsten Leute eine Freude daran habe», der Bank etwas abzngewinnen; wir haben noch eine Stunde bis znm Abgang des Zuges." Esther schüttelte den Kopf. „Ich habe so viel Trauriges über das, was da driuueu vorgcht, gelesen," sagte sic, „daß ich es nicht über mich gewinnen kann, die Schwelle jener Stätte zn betreten. Lassen Sic sich indessen nicht stören! Ich gehe in die Lesehalle, dort treffen mich die Herren, sobald Sie von hier anfbrcchcn wollen." Die beiden Amerikaner nahmen dies an und begleiteten die junge Dame in das Lesezimmer; sie ließen sie an einem der Tische Platz nehmen, versorgten sie mit Lesestoff nnd entfernten sich mit der Bemerkung, Esther recht bald abz»- holcn. Beim Betreten der Spielsäle trennte sich Archibald von seinem Onkel, nm an einem der zahlreichen Tische auf gcuc Haud sei» Glück zu wagen. Mr. Windham schritt durch die höchst eleganten Säle; er spähte danach ans, wo es ihm möglich wäre, die bewegliche Maner nm einen der Spieltische zu durchbrechen, und drängte sich, als er den Moment erhaschte, in den Ning. Mit großem Interesse schante er jetzt die beiden Längsseiten des grünen Tisches hinab ans die in habsüchtiger Spannnng erstarrten Gesichter, auf die Felder des Tisches, auf die gehäuften Goldstücke und die Banknoten, während ein Angestellter der Spielbank die Karten vor sich hinwarf, die über all' das, was als Kampfpreis dalag, entscheiden sollten. Es war ein häßliches Bild, das jeden ruhigen Menschen anwidern mußte. Mr. Windham verging jetzt die Lust am Spiel; er beschränkte sich darauf, die Spielenden zu beobachten. Ihm gegenüber saß ein häßlicher Mensch mit borstig anfstchcndcm, kurz geschnittenem schwarzem Haar nnd braunem Gesicht, dessen Züge, durch Gewinnsucht so garstig entstellt, eben ein widerwärtiges stilles Lächeln zeigte», den» seine mageren, krallenartigen Hände rafften habsüchtig zusammen, was der Croupier ihm au Vaukuoteu und Goldrollen zuschob. Er packte alles und schob es auf eiu rotheS Fleckchen im Tuch, während des Angestellten näselnde Stimme den Beginn des nächsten Spiels verkündete. Auch von anderen Seiten wurden zahlreiche Goldstücke und Banknoten ans den Tisch geworfen. Plötzlich machte sich am unteren Theile des Tisches eine Bewegung bemerkbar. Dort hatten sich zwei junge Männer jene», fortdauernd glücklichen Spieler mit dem borstigen Schädel gegenüber in eine Lücke gedrängt. Der eine derselben hatte ein Päckchen »nt Banknoten auf eins der dunklen Felder, auf Schwarz, hiugeworfcu. Mr. Wiudham hatte kaum einen Blick ans den einen Spieler geworfen, als er anch vvr^chrcckc» fast erstarrt war. Es war Emin, den er am Spieltische sah, den jungen leichtfertigen Künstler, in Begleitung eines anderen Herr», während Esther unter demselben Dache im Lesezimmer saß. Neben Herrn von Bestmar stand Baron von Sittmcmu, der ihm ein Päckchen Banknoten nach dem anderen zusteckte und seine Freude au dem unglückliche» Spiel des junge» Maimes zu habe» schien. Jetzt sah Wiudham, wie Emiu abermals ei» Päckchen verloren ging, wie es der Croupier dem Herr» mit de», kurz geschnittenen schwarzen Haar hinschob und wie dieser, triumphireud über seinen Erfolg, ausschautc. Mr. Windham erkannte jetzt in dem vom Glück Begünstigten den Herrn, den er von seinem Zimmer ans im Hotel-Pavillon beobachtet hatte, jene» Varv» mit dem »na»ssprechliche» Name». I» diese»! Moment trat ein sein gekleideter Herr ans Emin zu; er legte seine Hand auf dessen Schulter und sprach eiuige Worte zu ihm. Mr. Wiudham, der Emiu uicht aus deu Augeu gelassen, glaubte zu bemerken, daß der jmigc Mann bei der Ansprache des Herrn erblaßt war; daß er sich darin nicht geirrt, wurde ihm klar, als ein dicht bei ihm steheuder Herr zu seinem Nebenmann mit lauter Stimme sagte: „Was will denn der Polizcilvmmissär hier? Er wird doch hier keine Berhaftung vornehmen wollen?" Schlimmes ahnend, sah der Amerikaner, wie der Kommissär Emin hinansbegleitete, während dessen Freimd, der ihn mit Geld versehen, ihnen nnenischlosseu langsam nachschritt. „Ich mnß sehen, was hier vorgcht," sagte sich Mr. Windham. Mit aller Gewalt durchbrach er die Masse», die »m de» Tisch her»msta»dcu, uud stürzte i» de» Corridor, i» welche» der Beamte mit seinem Gefangenen eingcbvgen war. (Fortsetzung folgt.) Deutsch oder Englisch? Original-Novelle. tNachdruck verboten.; ^I^aS alle Grnscnschloß, der Stammsitz derer von Hvhcnscls, blickte, von schattigen Wäldern umgeben, von stolzer Höhe herab auf gesegnete Fluren imd friedliche Dörfchen. An einem heiteren warmen Morgen des Monats April sahen in eineiu mit altmodischer Pracht anSgestattcten Zimmer des Schlosses der jetzige Gutsherr, letzter Sprosse seines uralten Adcis- geschlechtcs, Graf Erich von Hohenfels nebst Gemahlin, einer gcbornen Lady Eldenbrvvk, beim Frühstück. Durch die geöffnete Altanthüre strömte die warme Frtthlingslnft herein und die goldenen Sonnenstrahlen belenchteten das fein gemalte Porzellan nnd das massive Silber des Frühstückstisches. Zwei bereits lccrgetrnnkcne Kaffeetassen bewiesen, dah noch andere Personen am Frühstück lheil- gcnvmmen. Das waren Eleonore, das reizende Töchterchen des gräflichen Paares, nnd deren Gvnvcrnante, Miß Wilson, eine magere sleise Engländerin, deren ganzes Wesen an die Regelmäßigkeit eines Uhrwerkes erinnerte, was ihr von Gras Erich den Spitznamen „Der Perpendikel" eintrng. Eleonorens lebhaftes Naturell erlaubte ihr uicht, lauge auf dem nämlichen Fleck sitzen zn bleiben, nnd dann wnhte sie auch, daß in dieser FrühstückSstnnde die Eltern alle ihre häuslichen Angelegenheiten beriethen, wobei sie gewöhnlich sehr überflüssig war. ' Deßhalb war Eleonore schon lange in den Garten hinabyccilt, wo es jetzt so herrlich war, denn die Bäume standen bereits in voller Blüthe und in den zierlich angelegten Beeten prangten schon allerlei Kinder des Frühlings. Während Eleonore in den thanfcnchten Gartenwegen umher- streifte, unbekümmert nm ihre leichten Schuhe und Helle Morgen toilette, nnd Miß Wilsons Ermahnungen, sich nicht zn erkälten, vollständig unbeachtet ließ, waren die Aerathungen der beiden Ehe gatten nm Frühstückstische in vollem Gange. Der anfwarteude Diener hatte das Zimmer verlassen und mau war also ganz un gestört. „Ellinvr" — Ivie das junge Mädchen cvnseguent von ihrer engli schen Mutter genannt wurde — „Elliuvr ist jetzt sicbcnzehn Jahre alt", hatte die Gräfin nach bedeutungsvollem Räuspern das Ge spräch begonnen. „Unbestreitbare Thatsnchc," antwortete Graf Erich lakonisch, indem ein leichtes Lächeln seine Lippen umspielte. „Wir haben ja vor acht Tagen Eleonorens Geburtstag gefeiert." -Graf Hohenfels wußte schon, auf welches Ziel seine Gattin mit vollen Segeln znsteuerle. Mpladh, wie die etwas schmeichlerische Kammerzofe ihre Herrin zu neunen Pflegte, wünschte nämlich lebhaft, daß Ellinor ihr Debüt in der großen Welt bei ihren englischen Verwandten in London machen sollte. Die Gräfin hatte schon öfter diesen Wnnsch leise angedentet, aber Graf Erich verstand nicht, oder wollte nicht verstehen. Graf Erich war deutsch gesinnt vom Scheitel bis zur Sohle. Sein Töchterchen sollte in einer deutschen Residenz nnd nach guter deutscher Sitte unter Aufsicht vvu Bater uud Mutter zum ersten Mal deu Bnllsanl betreten. Dafür wollte Graf Erich gerne Opfer an Geld nnd Begnemlichkeit bringen. In eben denn Maße, als der Graf ein Deutscher, war seine Gattin Engländerin. Hätten sich die beiden Gatten uicht so herzlich geliebt, so wäre die verschiedene Nationalität der Störenfried ihrer glücklichen Ehe geworden. Der Gras hatte seine Fran in dem reizend gelegenen Bad Kissingen kennen gelernt, woselbst sie mit ihrer Mntter einige Sommermonate zubrachte. Der Zufall, dieser mächtigste aller Heirathsstifter, hatte die Beiden znsammengesührt, nnd zwar hatte er sich diesmal eines etwas unangenehmen Mittels bedient, nämlich einer verschütteten Sauce. Graf Erich hatte das Ungeschick, bei Tisch an den Kellner anznstvßcu