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Wichentlich erschein»« drei Nummern. Pcänum»raüon« - Pr»i« 22) Silbergr. sj Nir.) vietteliädcN«, ! Nlr. für da« ganze Jahr, oLne Erbötzung, in allen Neiien der Preußischen Monarckiie. Magazin für die Pränumerationen werden von jeder Buchhandlung sin Berlin del Veli ». Comp., Jägerkraße Nr. 25), so wie von allen Königl. Poll-Dauern, angenommen. Literatur des Auslandes. »-W' 15. Berlin, Donnerstag den 4. Februar 1847. Frankreich. Royer-Collard. Roper-Collard war eine so bedeutende Persönlichkeit und hat auf die wissenschaftliche und politische Bildung des neueren Frankreichs einen so mäch tigen Einfluß geübt, daß es seinem Nachfolger in der Akademie, Herrn Charles de Remusat, zur herkömmlichen Lobrede auf den Vorgänger sicherlich nicht an Stoff gebrach, um die Aufmerksamkeit seiner Zuhörer zu erregen unv zu fesseln: die Schwierigkeit lag vielmehr gerade im Reichthume des Materials, und es bedurfte eines sehr sicheren Taktes, um eine zweck mäßige Auswahl zu treffen. Der Redner hat die Vielseitigkeit seiner Auf gabe lebhaft gefühlt und dadurch bewiesen, daß er sie vollkommen begriffen, indem er von vorn herein in scharfen Strichen ein Bild des Mannes entwarf, das alle wesentliche Züge vereinigt. „Die Staatsmänner", sagt er, „waren selten Philosophen, die Philosophen sind nicht immßr Weise; weder Philo sophen, noch Staatsmänner, noch Weise find als solche auch Schriftsteller. Royer-Collard war ein Staatsmann, ein Philosoph, ein Schriftsteller, ein Weiser und überdies ein Mann von lebhafter Phantasie, ein kühner und be sonnener Denker, ernst und witzig, unbeugsam und beweglich, ein Charakter, der nur seiner inneren Ueberzeugung gehorchte, und der nicht allein durch die Herrschaft der Vernunft, sondern auch, und zwar in noch höherem Grade, durch die der Tugend die Einheit seines Lebens schuf und bewahrte." Was Herr Rvmusat hier in wenig Worten zusammengefaßt hatte, begründete er durch eine ausführlichere Nachweisung an der Lebensgeschichte des Gefeierten ; unseren Zwecken genügt ein gedrängterer Abriß. Royer. Collard wurde geboren im Jahre I7VZ im Städtchen Sompuis bei Vitry-le-Franzais in der Champagne. Seine Familie bewahrte, wie die Mehrzahl der Bürger jener Stadt, das Andenken und die Ucberlieferungen Pvrt-Royals °) mit frommer Ehrfurcht. Die Bücher und die großen Männer von Port-Royal erregten zuerst seine Bewunderung; man darf sagen, daß sie nicht nur seinem Glauben, sondern auch seinem Denken und selbst in ge wisser Weise seinem Charakter die Richtung gaben. Frühzeitig lernte er ihre UeberzeugungStreue liebgewinnen und jenen festen Widerstand gegen angc- maßte Macht und Ansehen. Daher glich seine spätere Stellung zum König- thume so sehr der ihrigen zum römischen Hofe: eine Opposition, die sich hütet, in Widcrspänftigkeit auszuarten, eine Unabbängigkeit, die feindseliges Auftreten vermeidet, eine Ueberzeugung, die bei allem Gehorsam sich kräftig ausspricht. Royer-Collard wollte in der Monarchie vor 18ZN nicht als Ketzer auftreten, aber doch war er ein Sektirer. Deshalb galt er in den Augen der rechtgläubigen Royalisten für einen Revolutionair, während er den Liberalen nicht weit genug ging. Gerade dieselbe Stellung behauptete Port-Royal zwischen den ultramontancn Katholiken und den Philosophen. Nachdem Royer. Collard seine weitere Vorbildung zu Chaumont und dann zu Saint-Omer fortgesetzt und beendigt hatte, kam er als ParlamentS- Advokat nach Paris. Hier trat er unter Verhältnisse, die ganz geeignet waren, seinen auf das Hohe gerichteten Sinn noch mehr zu erheben und die Grundsätze eines von Natur so überlegten Charakters zum Abschlusse zu brin gen. Es war die Zeit, wo Frankreich, des Despotismus müde, mit edlem -) Port-Roval bei Cbämp« war ein alte« Cisierflenser-Nonnenkloster bei Versailles, ba« schon zu Ansange bei ssebzebnien Iahrhnndcn« durch ein Filial in einer Dorstadt von Pari«, Port-Roval de Pari» genannt, in engere B'iiidnng zu den Pariser Ideologen gelangte. Um dieselbe Zeil Halle Corneliu« Jansen, Professor der Theologie zu Löwen, den Streit über die Gnadenwahl ausgenommen und im Sinne de« heil. Augustinus sdaß der Mensch, von Natur böse, nur durch Gotlet Gnade da« Gute wollen und thun könne, boß einige von Gott zur Besserung und Seligkeit, andere zum ewigen Verderben von vorn verein bestimmt sevenj lebhaft verthkidigt. Ihm gegenüber standen mit milderer Auffassung die Jesuiten, die Franziskaner und der Papst; doch sand er in dem heftig entbrennenden Streite Mitkämpfer an vorzüglichen französischen Theologen. Auch die Nonnen von Port-Roval bekannten sich zu seiner Ansicht, geleitet von seinem Freunde, dem Abte von St. Cyran, Jean de Vergier du havranne, und befestigten in sich denselben um so mehr, a>« bedeutende Theologen und Gelehrte, die beredtesten Vertheidigcr des Jansenismus, Nieole , Perrault, Pascal, die Brüder Arnault und Lemaitre, sich in dec Nähe de« Kloster« in einem eigenen Gebäude, leS Grange« genannt, ansiedelten und neben ihren Schrillen in neu gegründeter Schule Lurch strenge Zucht und verbesserten Unterricht kräftig wirkten. Der Rus dieser Gelehrsamkeit und Frömmigkeit verschaffte dem Kloster und der Kolonie von Port-Ronal, trog dem verdammenden Papste, allge meine Achtung und gewaltigen Zulauf. Erst Ludwig'« XIV. letzte jesuitisch» Beichtväter konnten diesen Heerd de« JansenXmu« überwältigen. Da« Kloster ward >70!» durch die Polizei aukg,Loben, di» Nonnen zerstreut und die Gebäude niedergerissen. Vertrauen und unbegränzten Hoffnungen der Freiheit zueilte. Royer-Collard konnte dem Kampfe nicht fremd bleiben; er trat mit gegen die Privilegien in die Schranken. Aber es kamen die Tage, welche das mit Jubel begrüßte Beginnen verunstalteten. Auch sie waren für ihn nicht verloren. Er hatte das Große der Freiheit und der bürgerlichen Gleichheit kennen gelernt, er erfuhr nun, was eine Freiheit ohne Beaufsichtigung und eine Macht ohne Gegengewicht ist. Von dieser Zeit her schreibt sich der Kampf dieser in der Mäßigung so festen Seele gegen alle Uebergriffe, welchen Ursprungs sie auch sepen. Er wartete nicht auf das Jahr I79Z, um mit Entschiedenheit gegen die Tprannei der Klubs und gegen die Pöbelherrschaft Einspruch zu erheben, und als er seine letzten Hoffnungen aus eine weise Freiheit und ein geachtetes Königthum schwinden sah, entfernte er sich von Paris. In seinem Geburts orte suchte er über den Studien die Erinnerungen an das geschehene Uebel zu vergessen und durch nachdenkende Ueberlegung die trostreiche Ueberzeugung zu erlangen, daß alle Uebertreibungen nur kurze Dauer haben. Der Wende, punkt trat ein, und Roper-Collard kehrte 1797 als Deputirter seines Depar- lemcnts in den Ratb der Fünfhundert nach Paris zurück, wo er für die Zu- rückrufung der Deportirten und gegen den Priestereid sprach und allen ge mäßigten Maßregeln sich anschloß. Zu jener Zeit begann er, angeregt durch die rasche Hinfälligkeit aller nach einander getroffenen Einrichtungen, über- zeugt, daß die Regierung eines beharrlichen Elementes bedarf, welches nur durch die Vergangenheit geschaffen werden kann, und noch an dem schönen Traume von 1789 hängend, daß man der alten königlichen Linie den Ge danken der Freiheit einpflanzen könne, die Lehre von der Legitimität aufzu- stellen. Der 18. Fructidor überraschte ihn mitten unter seinen royalistischen Hoffnungen und traf ihn sogar persönlich, indem er seine Wahl annullirte, doch konnte er seine politischen Ueberzeugungen nicht erschüttern. Für die Mehrzahl war die Legitimität damals eine ritterliche Leidenschaft, eine Sache der Phantasie und des Herzens; für Herrn von Tallcyrand war sie 1815 beim Wiener Kongresse ein diplomatisches HülfSmittcl; er brauchte sic, um die verbündeten Könige zu bewegen, in ihrem Triumphe nicht die Besiegung Frankreichs zu erblicken, was sie berechtigt haben würde, dasselbe als erobertes Land zu behandeln, sondern die bloße Herstellung eines allen Monarchieen ge meinschaftlichen und sie alle gleichmäßig angehenden PrinzipeS, das durch die Revolution erschüttert worden wäre: für Royer-Collard war sie eine Philo- sophiswe Thesis, eine geschichtliche Wahrheit, rin sociales Dogma. Er war Legitimist nach eigenthümlicher Weise und höherer Auffassung. Während des Kaiserreiches hielt sich Rover-Collard zurückgezogen, er ver abscheute die Gewalt aus Herzensgründe, mochte sie sich Volksberrschast, Tprannei eines Einzige», Despotismus von Körperschaften oder Regiment des Schwertes nennen. Ueberzeugt von der Nutzlosigkeit vorzeitiger Bemühungen, blieb er auch jeder Beziehung zur royalistischen Partei fern und begnügte sich, gegen die Gewalt zu protestiren, indem er ihr seinen Beistand versagte. Desto emsiger suchte er die Wahrheit und das Recht im Reiche des Gedankens zu ergreifen. Aber auch dieses stand damals in Frankreich unter der Bot mäßigkeit eines unbeschränkten Herrschers; Condillac regierte es noch ohne Widerspruch und genoß das Ansehen eines unfehlbaren Orakels. Auch Nover- Collard beugte sich anfangs unter sein Joch. Da fiel ihm ein schon I7K8 übersetztes, aber unbeachtet gebliebenes Werk des Schotten Thomas Reid in die Hände, welches ihm die Augen öffnete und die Veranlassung für ihn wurde, die französische Philosophie auf neue Bahnen zu lenken. Im Jahre 1811 als Professor der Philosophie an die k'acult« sie»! I.ettre^ berufen , begann er seine Vorlesungen vor drei Zuhörern in sehr bescheidener Weise mit einer für ein französisches Publikum ziemlich trockenen Untersuchung, indem er die LicblingSfrage des schottischen Philosophen aufstcllte: ob die ge sunde Vernunft das Daseyn der äußeren Welt beweisen könne-' Durch ibre Beantwortung, an welche sich eine prüfende Untersuchung der Condillacschen Lehre von selbst anknüpftc, erschütterte er das Gebäude der sensualistischen Philosophie von Grund aus, so daß es einstürzte und sein Erbauer fast in Verachtung gericth. Doch erkannte er seine Gränzen und zog seinen Horizont nicht weiter, als bis wohin er ihn völlig beherrschen konnte; die Fortsetzung des begonnenen Werkes durste er ruhig den von ihm angeregten jüngeren Kräften überlassen. Neue philosophische Wahrheiten hat Royer-Collard nicht entdeckt. Seine Ideen, sein Gang, seine Beweisgründe, seine psychologischen Ansichten sind ganz dieselben, die man bei Reid findet; auch seine Gelehrsamkeit war nicht bedeutend; als er die Geschichte der Philosophie zu lehren begann, kannte er Plato, Leibnitz und selbst die älteren französischen Philosophen, als Male branche und Descartes, fast nur so weit als Reid fie angeführt hat. Dennoch