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Wöchentlich »scheinen drei Nummern. Pränumeration« - Preis 22^ Sitdergr. Thlr.) vierteljährlich, 3 Thlr. sür da« ganze Jähr, ohne Erhöhung, in alle» Theilen der Preußischen Monarchie. Magazin für die Man pränumeriri aus diese- Literatur- Blatt in Berlin in der Erpcdition der Allg. Pr. StaatS-Zeitung (FriedrichS- Straße Nr. 72); i» der Provinz so wie im AuSlandc bei den Wohllödl. Poft - Aemtcrn. Literatur des Auslandes. Berlin, Montag den IN. Januar 1843. Sibirien. Der Baikal-See und das Sibirische Tepliy. °) Am 2s. Mai°°) Morgens Li Uhr verließ ich Jrkuzk, welches auf dem Vorsprunge eines Berges ziemlich malerisch liegt, und nahm meinen Weg zum Baikal-See auf der sogenannten See-Straße, welche unweit der Barriere der Stadt, mit dem Terrain gegen den Baikal-See zu, allmälig den, Jrkuzk auf der Südseite umgebenden, Krestowskaja Gora, d. h. Kreuz- Berg, hinansteigt, auf welchem der Friedhof mit seinen drei steinernen Kirchen einen sehr schönen Anblick darbietet. Weiter südlich von diesem Friedhöfe ist die Anhöhe mit niedrigen Birken- und Fichten-Wäldern bedeckt, welche von großem Einfluß auf die Fruchtbar keit und Nässe im Frühjahr und Herbst sind. Mit geringer Mühe würde man jedoch diese Gegend in Felder oder Wiesen verwandeln und dadurch der Stadt den großen Vortheil einer gesunderen und besseren Lage verschaffen könne». Kaum hat man das Weichbild der Stadt überschritten, so tritt man in hügelige, von Gestrüpp und Quellen durchschnittene Felder und Wiesen, während man rechter Hand in der Niederung die von Inseln übcrsäete, klare Angar» erblickt: eine Gegend, die, ihrer reizenden Lage wegen, im Sommer die Haupt-Promenade der Bewohner von Jrkuzk ist. Zehn Werst"") weiter liegt das Dorf Bolschaja Raswodnaja, hart am Ufer der Angara. Hier ist aber auch schon die Gränze des durch die Macht der Industrie in dem guten Boden hcrvorgcbrachten ZaubcrkreiseS. Je weiter man von hier gegen den Baikal vorgeht, desto wilder und unfreundlicher wird die Natur. Der Weg führt durch sumpfiges, zum Anbau nicht geeig netes Terrain, und längs desselben ziehen sich, links der Straße, mit Nadel holz-Waldungen bedeckte Berge, von denen eine Menge von Bächen und Quellen zur Angar-, hcrabfließcn, welche an der Seite der Straße dem Baikal zuströmt, indem ihre blauen Wogen den Fuß der jenseitigen, waldigen, steil zu ihr herabfallenden Berge bespülen, so daß ihr linkes Ufer von Jrkuzk bis zum Baikal-See völlig unbewohnt ist. Zwölf Werst weiter, am Flüßchen Talza, erreicht man eine Glashütte, wo gleichzeitig auch Porzellan- und Fayence-Geschirr, so wie Soldaten. Tuch, letzteres aber nur in sehr geringen Quantitäten, gefertigt wird. Die Proben von dem hier gefertigte» Porzellan waren ausgezeichnet gut; das GlaS dagegen, sowohl das weiße als auch das grüne, nur von mitteler Güte. In jener Gegend aber, wo man Porzellan, Fayence und Glas nur aus der Hauptstadt oder von der Messe zu Makarjev f) beziehen kann, müßte eine Fabrik den Besitzer sehr bald zum reichen Manne machen, sobald er, nach Verhältniß der ihm zu Gebote stehenden Mittel und Kräfte, seine Aufmerk samkeit auf die Vervollkommnung irgend eines beliebigen Erwerbszweiges richtete. Schon um 3 Uhr Morgens kam ich nach der Simowje Nikölskoje, einem elenden Dörfchen am Ufer der Angar», in welchem die für die Reisenden er baute hölzerne Kirche ganz verfalle» war. Hier ist auch ein kleiner Hafen oder Anlege-Platz, wo die den Baikal befahrenden Fahrzeuge, zum Ueber- wintern oder Ausbesserungen wegen, anhalten. Fünf Werst weiter gelangt .man zu der Simowje-j-f) xistwimtschnoje, welche auf dem schmalen, steinigen Ufer des Baikal, an hohen, mit Lärchenbaum-Waldungen bedeckten Bergen liegt und aus einem Militair-Etappen-Hause, einem Posthause und zehn kleinen Wohnhäusern besteht. Die Lokalität gestattet jedoch den Einwohnern hier weder Ackerbau noch Viehzucht-, selbst Gemüsegärten haben dieselben nicht, sondern ernähren sich nur von Fischerei, Jagd und Thicrfang. Zwischen Nikölskoje und Listwinstschnoje tritt die Angar» aus ihrem ') Di« hier vorliegende» Minhnünißeu n»d den, Tagebuch deS berühmten Russische» Sinologen, Pater H»a>i»th: über die Reise, welche derselbe vor einige» Jahre» durch Sibirien machte, entlehnt »nd durch einige neuere Nachricht, jene Gegenden noch »ervollftändigt worden. "1 DaS Jahr der Reise ist nicht angegeben, scheint aber i» die Zeit von isau — Ibto S» satten. '") > Werst 3»S»' Preu«. — 3WN' Englisch- > geograph. Meile — 6,,.. Werst. I» Makarjew, einer kleine» Stadt an der Wolga, wurde srühcr die seht nach Nishmi Novgorod verlegte große Meße abgehallcn. -j-j") loimoerj» beißt in Sibirien „ein W intcrhauS" oder „eine ei n sa mc Pü tte" (von kima, der Winter), welche an unbewohnten Orten, zu zeitweisem Aufenthalt während des Winters, erbat» wkb. Heutzutage nennt man aber auch ganze, an dergleichen Orten zu gleichen Zwesten erbaute Törser „Simowjen". großen Becken, dem Baikal, indem sie über die steinigen Höhen bedeutender Klippen und Felsen hcrabstürzt, welche die auf beiden Ufern einander gegen überliegenden Berge mit einander verbinden. Die Mündung der Angara hat hier eine Breite von ungefähr 2 Werst oder 1000 Sashen °) oder 2800 Schritt, das Fahrwasser hat jedoch nur 10 Sashen oder 28 Schritt Breite, bei einer hinreichenden Tiefe für die größten Schiffe. Die größte Felsklippc liegt 20 Sashen oder LV Schritt vom rechten Ufer entfernt und wird „das Ufer- Thor" genannt. In der Mitte des Wasserfalles ragt nämlich eine spitze hohe Granit-Masse, „Kcbsmimxkü Kämen" (d. h. der Schamanen-Stein ") genannt, in einer Höhe von 12' und einem Umfange von 42' über der Ober fläche des Wassers hervor, welche die See-Möwen, als Spuren ihres Aufenthalts auf derselben, förmlich weiß übertüncht, die Mongolen aber als den heiligen Ort zur Verehrung deS Schutzgcistcs dieser Gegend erwählt haben. Bei ihrem Austritt aus dem Baikal hat die Angar» eine so heftige Strömung, daß sic noch bis auf 30 Werst von der Ausmündung nie zufriert. Der allgemeinen Angabe nach soll aber dcrWasscrspiegel des Baikal 69 Sashen, d. h- Z92' höher als das Niveau der Angar» bei Jrkuzk liegen, was aus dem Terrain auch leicht zu ersehen ist, und nicht ohne Grund befürchtet man daher, die Stadt könne mit der Zeit ein Opfer des Baikal werden, sobald ein starkes Erdbeben einmal die Steinklippen an der Mündung der Angar» zertrüm mern sollte. Der Baikal liegt, von Gebirgen umgeben, 481' über dem Spiegel der Angar» bei Jrkuzk und fast 1800' über dem Meere, ist also einer der höchsten Alp?n-Seen der Erde. Baikal oder Mongolisch Bäigal ist der Eigenname, welchen die ursprüng lichen Bewohner der Umgegend des Sees demselben gegeben haben die Chi nesen aber haben, ihrer Geschichte zufolge, »och im Jahre 119 vor Christi Geburt den Baikal von dem Borgolsschen Gebirge aus gesehen und daher wahrscheinlich diesen See, in Hinsicht seiner Lage, in Bezug aus ihr Vaterland (sb»i", d. h. „Nord-Meer", genannt. Die Bewohner des östlichen Sibi riens nennen nämlich den Baikal seines Umfanges wegen „Meer", obgleich derselbe auch nicht eine der dem Meere eigenthümlichen Eigenschaften hat: denn das Wasser des Baikal ist ganz rein, hell und sehr kalt, hat weder Fluth und Ebbe, noch auf irgend einer Seite Strömung. Die einzigen Gegenstände, welche der Baikal mit dem Meere gemein hat, sind Seehunde, hier „bierp" genannt, und Seeschwämme, welche man in Jrkuzk „Meer-Schwämmchen" nannte. Letztere wachsen besonders auf Steinen, 3 oder 4 Sashen unter dem Wasserspiegel, und werden bei stürmischen: Wetter an das Ufer getrieben. Der Baikal hat, den in den Jahren 1782—1806 zur Wintcrzeit an- gestellten geometrischen Messungen zufolge, von der Mündung der oberen Angar» bis Kultök oder Kultschukskoje eine Länge von 585 Werst, d. h. 844 geogr. Meilen. Seine größte Breite von der Mündung des Bolschji Ongören (d. i. der Große Ongören) bis zur Mündung des Bagrösin beträgt gegen loo Werst, d. h. 144 Meile, seine geringste Breite von der Mündung der Selönga bis zur Mündung der Malaja Buguldcicha (d. h. Kleine Bugul- dcicha) nur circa 30 Werst oder 4j Meile, sein Umfang aber 1865 Werst oder 268- Meilen. Doch sind seine Ufer noch so wenig angebaut, daß auf der fast 2000 Werst oder 288 geogr. Meilen Ausdehnung derselben sich nur wenige elende Dörfchen befinden. Passek in seinen „Skizzen von Rußland" sagt zwar im 2ten Theile S. 22: „Der Baikal-See — durch einen Erdfall entstanden — ist ungefähr 50 Werste, d. h. 74 Meile, breit und über 7oo Werst, d. h. ioo Meilen, lang. Sein Wasser ist schmackhaft und so klar, daß man auf dem Grunde, einige hun dert S»shen tief, die Trümmer von Wälvcrn ficht, welche vielleicht schon einige Jahrtausende vor unserer Zeit gewachsen und untcrgegangcn sind. Der See hat, ungeachtet seines reine» Wassers, Fluth und Ebbe und ist von Seehunden und Seefischen belebt." Ferner heißt es in demselben Werke unter dem Arti kel: „Reise von Jrkuzk nach Kiachta", in Bezug aus den Baikal: „Die ihn umgebenden Berge find mit ewigem Schnee bedeckt, zwischen denen der Baikal wie ein ungeheurer Krater daliegt, der eine Ausdehnung von 1000 Werst Länge (statt 700, wie früher gesagt wurde) uud von 40 bis 150 Werst Breite (statt 50) hat." Der erstere dieser beiden Artikel enthält demnach einige, jedoch noch zu entschuldigende Fehler, der letztere ist dagegen voller unverzeihlicher Verstöße gegen die Wahrheit. -) l Sashen -- V 8" 2'", io Saskön — s" Prenß. Duodez. M. ") Sclmman heißt ein Priester uud Zauberer bei den Sibirischen Nationen.