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Wöchentlich «richtin!« drei Nummern. Pränumeration--Preis 22j Silbergr. (j Tblr.) vierteliäkrli», 3 Tblr. für da» ganze Hadr, otzne Erködung, in allen Timten der Preußische» Monarchie. Magazin für die Man pränuimrirt auf diese- Literatur' Blatt in Berlin in der Expedition der LUg. Pr. Staat-- Zeitung (FriedricdS- Slrafie Nr. 72); in der Provinz so wie im Auslande bei den WohUöbl. Post - 'Leunern. Literatur des Auslandes. 140. Berlin, Mittwoch den 23. November 1842. Frankreich. Der Morgen eines Französischen Ministers. Personen. Der Minister. Einer seiner Kollegen. Der General-Seeretair. Der Bürcau-Ches. Ein Deputirler. Ein Prüfest. Herr L. Ein Kanzleidiener. Die Scene ist da- Kabinet de- Ministers. Eine Thür mit zwei Flügeln führt nach dem Vorzimmer und wird nur den Personen geöffnet, die Audienz erhalten. Eine kleine Thür führt nach dem Privatzimmer des Minister- und wird von den Beamten de- Letzteren benutzt. Erste Scene. Der Büreau-Chef; ein Kanzleidiener, einige Bücher ordnend. Büre au-Chef. ES hat acht Uhr geschlagen! Und der Minister hat sein Zimmer noch nicht verlassen. Kanzleidiener. Er ist diese Nacht sehr spät nach Hause gekommen. Auf dem Balle bei dem Englischen Gesandten ist er bis um 2 Uhr heute Mor gen geblieben. Büreau-Chef. Er hat niemals Ruhe-, die Welt, die Politik, die Ver waltung, Alles nimmt ihn zugleich in Anspruch. Zweite Scene. . Dieselben; dcr Minister, durch die Thür scinc- Zimmer- «intrelend. Minister (zum Kanzleidicner). Weisen Sie heute Morgen Jedermann ab; ich bin mit Geschäften überhäuft. ES ist heute kein Audienztag ; ich will allein seyn. (Der Kanzleidiencr zieht sich zurück.) Büreau-Chef. Ich wünschte, Sie hätten einige freie Stunden. Ihr Büreau ist mit Akten angefüllt, die eine schnelle Beseitigung erfordern. Seit acht Tagen haben die Beamten keinen Zutritt bei Ihnen gehabt; sie beklagen sich darüber und bitten unterthänigst nm einige Augenblicke Gehör. Minister. Sie find sehr ungeduldig. Jeder Tag hat seine Arbeit. Fangen wir mit dem Nothwcndigsten an. Was sagen die heutigen Journale? Büreau-Chef. Sie führen fast immer dieselbe Sprache: Beleidigungen gegen das Ministerium in den OppositionSblättern; große Lobeserhebungen in den anderen. 'Minister. Das ist in dcr Ordnung. Was sagt das snunml <1«« vnb-us von meiner gestrigen Rede? Büreau-Chef. Nicht ein Wort. Minister. Dies affektirte Stillschweigen ist einer Jntriguc zuzuschreibcn; ich werde eS schon herausbringen. Sagt man übrigens nichts Besonderes über mein Ministerium? Büreau-Ches. Die greift den General-Secrctair an; das 8ievle vertheidigt ihn eifrig. Minister. Eine schlechte Stütze. Wir werden dadurch genöthigt sepn, ihm einen Nachfolger zu geben und uns mit seiner Partei zu verfeinden; man wird uns deshalb intolerant nennen.... Was giebt cs heute für mich zu thun? In dem Strudel, der mich mit sich sortreißt, find Sie mein Gc- dächtniß; bringen Sic mein Leben in Ordnung. Wenn ich Sic nicht hätte, würde ich unregelmäßig, wie eine schadhafte Uhr, gehen. Büreau-Chef. Heute Vormittag Konferenz mit dem Herrn General- Secretair und mit den Herren Ministcrial-Räthen, wenn cs möglich ist. Minister. Wenn es möglich ist. Ich werde sie alle abseitigen; bis Mittag soll keine einzige Arbeit mehr im Rückstände sepn. Büreau-Chef. Um i Uhr, Konferenz bei dem Könige. Minister. Ich werde zeitig hingchen. S ist immer dcr Erste und hat auf diese Weise geheime Unterredungen. Büreau-Chef. Nachher Sitzung in den beiden Kammern. Im Lurem- bourg (Deputirten-Kammer) Berichterstattung über zwei Petitionen aus Ihrem Departement. Ich habe für Sie Bemerkungen nicdergcschricbcn, die Sie in den Stand setzen werden, über die Angelegenheiten, die sie in Anregung bringen, zu sprechen. Im Palais Bourbon (Pairs-Kammer) Besprechung des Zucker-Gesetzes. Minister. Ich werde in der Pairs-Kammer nicht bleiben; ich will an diesem Gesetze nicht Theil nehmen; cS ist eine kitzliche Sache, und ich habe nicht Lust, meine Wiedererwählung zu kompromittiren. Büreau-Chef. Sie könnten sich in einem Kollegium wählen lassen, wo die Runkelrübe die Majorität hat. Sie könnten es wie jener Deputirte machen, der, indem er einen anderen Bezirk zu verwalten übernahm, auch eine andere Meinung annahm. Minister. Das Beste ist, ich bleibe dort ganz weg. Meine Abwesen heit wird dem Gesetze keinen Schaden thun. Büreau-Ches. Heute Abend Empfang bei den Ministern deS linken Ufers. Minister. Das nenne ich einen arbeitsvollcn Tag. Aber wir wollen uns mit unseren Angelegenheiten beschäftigen; die Zeit vergeht.... Waren Sic gestern Abend in der Oper? War ein großes Publikum da? Büreau-Chef. Das ganze Haus war voll. Minister. Ich mußte den ganzen Abend laufen, erst ins Schloß, dann zum Grafen von zur Englischen Gesandtschaft.... Was sagte man im Foyer? Büreau-Chef. Ich habe viele Sticheleien gegen das Kabinet gehört. Ein Sturm ist im Anzuge; mehrere Deputirte, die sonst Ihre Freunde waren, führten keine gute Sprache. Minister. Reine Grimasse. Wir werden sie bei der Abstimmung schon wieder auf unsere Seite bringen. Büreau-Chef. Vielleicht. Minister. Aber was haben Sie gehört? Büreau-Chef. R sagte, daß die Minister unzugänglich sepen, seitdem sic auf die Majorität sicher rechnen können. Minister. Eine herrliche Majorität! Sie hängt von der Laune des Einen, dem Eigensinne des Anderen, dem Ehrgeize Aller ab. Ich bin nicht bei dem Leichenbegängniß seiner Frau gewesen. Er ist reizbar und macht sich wich tig; man bringe ihm meine Karte. Dann bieten Sic ihm eine meiner Logen an; er wird kein so betrübter Witwer seyn, daß er nicht verstehen sollte, Vor theil davon zu ziehen. Bureau-Chef. L... beschwert sich über die nach Gunst vertheiltcn Aemtcr. Das Ministerium, sagte er, beobachtet keine Ordnung bei der Amts- Beförderung; der Nepotismus mache täglich erschreckende Fortschritte. Minister. Er ist unzufrieden damit, daß man seinem Sohne nur eine Unter-Präfektur gegeben hat. Wollte cr etwa zwei haben? Man wird etwas für ihn thun müssen; cr steht mit dem Sournnl üvj> Drbsks in Verbindung, und seine Unzufriedenheit erklärt mir.... Büreau-Chef. B ist an mir vorübergegangen, ohne mich zu grüßen; man hätte glauben sollen, er sep ein Mitglied des vorigen Mini steriums. Minister. Das hatte ich wohl vorausgesehen. Man hat ihn zum Kon zert dcr Königin nicht cingeladcn; er hält sich für beleidigt. Ich werde mit seiner Frau sprechen; sie macht mit ihm, was sie will. Man kennt den Vor- thcil noch nicht genug, den man in politischen Angelegenheiten von den Frauen ziehen kann. Wehe dem, der sie gegen sich hat! — Welches Elend! Mitten unter den NegierungSsorgcn muß man seine Zuflucht zu solchen Kleinigkeiten nehmen. So geht oft eine Majorität verloren! ES bedarf nur zwanzig bis dreißig Fälle der Abtrünnigkeit, die oft durch die unvorhergesehensten und sonderbarsten Ursachen entstanden ist. WaS die Einen anbelangt, so haben wir nicht alle ihre Wünsche befriedigt oder ihrem Stolze nicht genug ge schmeichelt. Andere haben Alles erhalten, was sie zu bitten gewagt; aber das Maß ist voll; sie wollen neue Minister, die ihrer unersättlichen Begierden noch nicht überdrüssig sind. Büreau-Chef. Statt dessen hat mich ein Oppositions-Mitglied mit Höflichkeit fast erdrückt. Minister. Das ist ein unerwartetes Glück! Wertstes? Büreau-Chef. Rathen Sie! Minister. Ich könnte ungefähr Drei nennen. Büreau-Chef. G .... ist es. Minister. Das dachte ich. Seine Wünsche find sehr bescheiden. Bei dem Minister des Innern bestand cr gestern darauf, daß man jene tragische Schauspielerin, welche wir neulich haben spielen sehen, wieder anstelle. Büreau-Chef. Ah! sollte vielleicht... .? Minister. Pfui! ein Chef-Präsident! Uebrigens ist sie so häßlich. ES geschieht im Interesse der Kunst. Büreau-Chef. Das ist etwas Anderes. Minister. Wenn die Politik die Coulisscn in Besitz nimmt, wo soll das Vergnügen seinen Sitz aufschlagen? Doch da sich G.... nun einmal mit den tragischen Schauspielerinnen beschäftigt, so werde ich ihn bei dcr Kommission