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von oben herab das größte Mißtrauen gegen die Zeitschrift, weil sie eine nanonale Farbe trug. Dieses Journal läßt sich mit dem Französischen Olobn vergleichen, es verfocht ungefähr dieselben Grundsätze, der Uibliottw» lkulimm gegenüber, welche die klassischen Theorieen in ihrer alterthümlichsten Gestalt vertrat. Die iriblioron» wurde natürlich von oben herab begünstigt. Man sah nie leere Stellen in ihren Spalten, doch gerade die Lücken ihres Gegners schafften diesem den Sieg durch ihre stumme Bcredtsamkcit. Die unterdrückten Zeilen machten mehr Effekt als die stchcngcblicbcncn; die Phantasie des Lesers ging weiter als die Kühnheit des Schriftstellers je gegangen wäre. Zu der selben Zeit fiel Pellico, wenn man Maroncelli glauben darf, auf den guten Gedanken, eine umfassende Geschichte von Italien auf Subscription hcraus- zugeben; man bildete eine Societät zu diesem Zwecke; die Subskribenten strömten zu, und Carlo Botta wurde als der Würdigste aufgefordert, dieses Nationalwerk auszuführen. Mit unter diesen und ähnlichen Unternehmungen, von welchen einige einen bloß mcrkantilischcn Charakter hatten, schrieb Pellico seine zweite Tragödie: Eufemio di Messina. Die Fabel ist die der Judith, mit der Abweichung, daß Eufemio, der Sicilische Holophernes, der Gemahl Ludovica's, seiner Mörderin, ist. Eufemio rief in dem Stücke die Sarazene» in sein Vaterland und ver- flnchte sterbend dieses Verbrechen; die Censur fürchtete, wenn der Schauspieler Sarazenen sage, könne der Zuschauer Ocsterreicher verstehen, die tausend An spielungen auf das Unglück, unter fremder Herrschaft zu stehen, könnten auf Oesterreich gedeutet werden, so erlaubte sie nur den Druck, nicht die Aufführung des Stückes, und in der That ist dasselbe nie dargcftcllt worden. Ungeachtet der Censurschccre hielt sich Pellico'S Journal ein Jahr; die Lücken wurden stets größer, bis cs a» einem schönen Morgen 1820 nicht mehr erschien; sein Leben war kur; doch glänzend; cS starb auf dem Felde ter Ehre. Die Revolution in Neapel brach aus, die in Piemont folgte. Alles er starrte vor Schrecken: man schleuderte zuerst seine Anathcme gegen die Carbo nari. Die Mitarbeiter des knnniliarnre wurden in Menge sestgcnommc»; waren sie Carbonari? Uns steht es nicht zu , eine so delikate Frage zu beant worten, wir haben bloß zu berichten, daß man sie als Carbonari behandelte. Der Graf Perro, Bcrchet, Porchio und einige Andere entkamen; Pellico wurde am 13. Oktober 182«) in Mailand verhaftet. Die Jahre der Gefangenschaft waren für de» Dichter nicht verloren, am 2». Mai 1821 beendigte er seine Jginia d'ASti und im Juni desselben Jahres Ester d'Engaddi, zwei Tragödien, die er nur verstohlen und unter den Stö rungen der widrigsten Art hatte schreiben können, und die, abgesehen von ihrem poetischen Werthe, schon hierdurch von höchstem Interesse sind. Vier poetische Erzählungen entstanden zu derselben Zeit, und Pellico bat die Unter suchungs-Kommission, diese Arbeiten seiner Familie als sein literarisches Testament schicken zu dürfen, ehe er aus Italien fortgcführt werde; dies ge stattete man ihm anfänglich, doch als Pellico sie zur Absendung bereit gemacht hatte, verweigerte man eS, indem man sagte, die Censur zwar sehe Nichts gegen Oesterreich in diesen Gedichten, doch wenn Pellico'S Familie sie ver öffentliche, so könne das Volk am Ende Gefallen an ihnen finden, und es zieme sich nicht, daß die Untcrthanen Jemanden Beifall zollten, den das Gesetz bestrafe. (Schluß folgt.') Frankreich. Ein Afrikanischer Chalif als Verbannter in Frankreich. (Schluß.) Während die Erpeditions-Kolonne in Maila verweilte, käme» mehrere Stämme der Uled Madchp und unterwarfen sich. °) Der General empfing sie unter seinem Zelte, in Gegenwart mehrerer einheimischer Chefs, unter denen auch Hamlawi sich befand. Nachdem man über die Angelegenheiten des Landes im Allgemeinen geplaudert hatte, fragte Hamlawi, noch Kaffee schlür fend, die Neuangekommenen, wie cS einem seiner Verwandten ginge, der unter ihren (uns scindlichcn) Stamme wohnte. — „Dn weißt recht gut, daß er nicht todt ist", antwortete» die Araber, „da Du ihm erst ganz neuer lich geschrieben hast!" Bei diesen Worten veränderte sich, »ach mehrerer Zeugen Aussage, das Gesicht des Hamlawi. Er wurde blcich, schic» bestürzt und begab sich bald aus dem Zelte des Generals in das scinigc zurück, wohin er die Uled Madhy am Abend zu Gaste bat uns wo er sie freigebig bewirthctc. Man fragte mehrere andere Einwohner von Msila, warum der Scheich der Uled Madhn und der Chalis Abd el-Kaders die Stadt erst am Abcnd vor der Ankunft der Franzosen verlassen hätten. Die Gefragte» antwortete» einstimmig; „Sic würden noch hier seyn, hätte sic nicht Ben cl-Hamlawi von Eurer Ankunft unterrichtet." Trotz dieser schweren Indizien war noch kein Beweis gegen den Chalifen von Fcrdschiwa vorhanden. Als aber die Armee hcimkehrend auf dem Ge biete der Abd el-Nur, in der Nachbarschaft des Gebietes des Bu Akkas, bivouakirte, erschien ein Arabischer Courier von Seiten des Letzteren und stellte dem General einen Brief zu. Es war derjenige Brief, den Hamlawi an de» Chalifen Abd el-Kadcr'S geschrieben haben sollte und dessen der Scheich Bu Akkas, nachdem er ihn mehrere Monate behalten, endlich sich zu entäußern wagte. Die Art, wie er dieses Briefes habhaft wurde, verdient erzählt zu werden; sic bezeichnet den Arabischen Charakter besser als eine ethnographische Abhandlung. ') »Ie<! iß s. o. a. enlil, Kinder. „Vor einiger Zeit" — so erzählte Bu AktaS — „kam ein Bote zu mir; er brachte mir einen Brief von Abd el-Salem, dem Chalifen Abd cl-Kader's. Ich las diesen Brief und schickte ihn sofort dem General, um ihm von meiner Treue einen Beweis zu geben. Derselbe Courier sagte mi» dann: „Ich möchte gern zu meinen Verwandten, den Uled-Si-Hamla, in das Gebiet Hamlawi's mich begeben." — „„Geh"", sagte ich ihm. Er ging; aber vier Tage darauf kam er wieder. — „Woher kommst Du?" sagte ich ihm. — „„Als ob Du eS nicht wüßtest? Ich komme von meinen Verwandten, den Uled-Si-Hamla."" — Diese Antwort und noch mehr die gezwungene Miene des Menschen machten mich nachdenklich. Entweder irre ich mich sehr, dachte ich, oder er muß einen Brief haben. Ich entließ ihn und wünschte ihm glück liche Reise; aber kaum hatte er den Rücken gewendet, als ich ihm vier niemer Diener »achschickte die ihn fcsthalten und visitircn mußte». Sie gehorchten, und bald darauf brachte mir einer von ihnen den Brief des Ben el-Hamlawi. Als ich ihn gelesen hatte, sagte ich zu meinem Diener: Eile dem Boten gleich nach und sorge, daß er heimlich getödtet und eingescharrt werde. Es geschah, wie ich gesagt hatte, und bald überbrachten mir meine vier Diener die abge schnittenen Ohren des Boten, zum Beweise, daß meine Befehle pünktlich auSgc- richtet scyen. Ich wollte den Brief zuerst an den General GalboiS schicken ; aber nach einigem Besinnen fürchtete ich irgend einen schlimmen Streich Ham lawi's und erwartete deshalb eine günstigere Gelegenheit, um diese Probe seiner Verrätherci den Franzosen zu liefern. Der General zeigte dem Angeschulbigtcn das Schreiben und sagte: „Achmed Ben Hamlawi, erkennen Sic dics als das Ihrige?" — „„Ach, Herr, ich bin unschuldig"" — rief der Chalif, auf seine Kniee sinkend — „„und ich bitte Sie uni Am»n (Pardon)."" Diese sonderbare Inkonsequenz eines Mannes, der um Pardon bat, wäh rend er sich für unschuldig erklärte, mußte ihn noch verdächtiger machen. Der Brief war nicht von seiner Hand, aber mit seinem vollkommen kenntlichen Siegel versehen. Er forderte in selbigem Abd el-Salem auf, sich der Lager bei Sctif und Dschcmila zu bemcistern, dann i» Zerdschiwa Posto zu fassen und die Stämme des Landes zn vereinigen. Dabci versprach er ihm unter sehr anti-Französischen Schwuren, daß er mit den Uled Si-Hamla zu ihm stoßen würde, und zwar in einem Augenblick, wo der Feind eS am wenigsten erwartete. ' Von seiner erste» Bestürzung wieder zu sich gekommen, leugnete der Chalif standhaft, der Verfasser dieses Briefes zn sepn. Er erkannte zwar das Siegel als sei» eigenes, erklärte aber, dieses Siegel sey von dem Kjatib (Schreiber) dcs Bu Achmed, seines Schwiegersohns, den er, in Abwesenheit seines eigenen Schreibers, eine andere Depesche habe schreiben lassen, gcmiß- braucht worden. Nach Hamlawi hätte dieser trcnlole Kjatib daö Siegel auf ein Blatt weißes Papier abgcdrückt, dessen man nachher sich bedient hätte, um den falschen Brief abzufaffcn. Damit der Leser dicsc Erklärung recht würdige, setzen wir hinzu, daß Hamlawi und Bu Achmed, obgleich mit einander ver schwägert, unversöhnliche Feinde sind. Kaum befand sich der verhängnißvolle Brief in den Händen des Generals Negrier, als eine andere ähnliche Entdeckung die bereits so kritische Lage des Chalifen noch verschlimmerte. Eine Kreatur des Letzteren, der Scheich Mcssaud el-Scrradz, Kajid der beiden Stämme unweit der Straße von Konstantine nach Sctif, hatte sich den Franzosen unterworfen.") Auf seiner Rückkehr von Msila schickte ihm der General den Secondc-Licutcuant der Spahi's, Abd cl-Al, und lud ihn ein, ins Lager zu kommen und die Theilung der Habe eines Arabischen Mörders zu regeln. El-Serradj weigerte sich; der General schickte Truppen zu seiner Züchtigung; aber schon hatte der widcrspänstige Häuptling mit aller Mann schaft der beide» Stämme die Flucht ergriffe». Nur ein Theil seines Gepäckes blieb zurück, und man fand i» seinem Zelte einen Brief dcs gegen Frankreich sehr feindlich gestimmten Häuptlings der Niga's, in welchem dieser den» Scheich die baldige Ankunst Abd el-Kadcr'S meldete und ihn ersuchte, unverzüglich den Achmed Ben cl-Hamlawi davon in Kcnntniß zu setzcii. Der Letztere hatte also höchst wahrscheinlich Theil an dem Komplotte. Nach Konstantine zurückgekehrt, ließ General Negrier sofort die Unter suchung gegen den Chalifen von Fcrdschiwa cinleitcn. Im Verlaufe dcs Pro zesses kam »och Mehreres an den Tag, was cl-Hamlawi zur Last fiel. So behauptete ei» Zeuge, er habe den Chalifen sehr oft sagen hören: „Es ist kein Uebel denkbar, dessen ihr euch nicht von den Franzosen versehen könntet; sie werden euch sogar euere Wcibcr entführen! Unter der Herrschaft des Bei's wäret ihr viel glücklicher. Bedenket nur, wie thcucr die Lebensmittel sind! So lange der Krieg dauert, wird eS dabei bleiben. Schießet nur auf die Franzose», was ihr schießen könnt, und AllcS wird anders werden." Ein anderes Mal — so erzählt derselbe Zeuge — wendeten sich die Ammer Schcragha an den Chalifen, um das Geld für die Lieferungen an Futter zu bekommen, die sic für Rechnung dcö Staates gemacht. Hamlawi fragte sie: Wo habt ihr euer Heu? — Da liegt cs in Haufen, versetzten sic. — Nun, warum steckt ihr cs nicht in Brand? vcrsctztc er, die Achsel» zuckend. — Die Ammer Scheragha gaben keine Antwort; aber acht Tage später verzehrte die Flamme sämmtliche in der Nähe des Lagers von Moris errichtete Heuschober. Um nun auf dic vornehmste Basis der Anklage, den von Bu Akkas aus- gefangenen Brief, zurückzukommcn, so wurde durch die Untersuchung festgc- ') KPN! (co» führen, regieren) Hai (ich in Verbindung mit dem Arab. Artikel (nlrn^üc) auch bei den Spaniern erhallen, wo es für Lurgvogt und Kerker meister vork.mmt. Ee ist ja »ich! mit l>»lan oder hi»i (Richter) zu verwechsel», welches von Kaun» (beschließen, i»crkenucu> herkommr. Dem Kadhi entspricht im Spanischen der -Uolü- oder Dvrsschulz.