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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. Pränumerations-Preis 22z Silbergr. (j Tdir.) viernljäkrlich, z Tdlr. sür da« ganze Jahr, ohne Erhöhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie. Magazi n für die Man »ränumerirt aus diese» Liierasur- Blatl in Berlin in der Expedition der ANg. Pr. StaalS-Zeitung (FriedrichS- Straße Nr. 72); in der Provinz so wie im Auslande bei den WsIMdl. Post - AmUern. Literatur des Auslandes. 139 Berlin, Montag den 21. November 1842. Italien. Neuere Jtaliänische Dichter. II. Silvio Pellico.') Silvio Pellico verdankt einem großen Unglück große Berühmtheit. Der Spielberg war das Gerüst, auf welches er trat, um von ganz Europa ange schaut, bewundert, beklagt und verehrt zu werden. Dem Märtyrer ist der Ruhm zu Theil geworden, den der Poet wohl nie erreicht hätte. Wir be-< schäftigen uns hier einige Augenblicke mit dein Poeten und suchen uns durch das gerechte Bedauern, das wir für den Märtyrer fühlen, nicht bestechen zu lassen. Silvio Pellico ist 1789 zu Saluzzo in Piemont geboren. Er stammt aus einer angesehenen Bürgerfamilie; sein Vater Onorato war bei der Post angestellt und etablirte später eine Seiden-Manufaktur, mit welcher er jedoch kein Glück machte. Man sagt, daß er den streng monarchischen Ideen anhing, die damals durch die Französische Revolution stark erschüttert wurden, und daß er ihnen große Opser brachte. Wie fast alle Männer, die sich durch ihre geistige Entwickelung über ihre Zeitgenossen erhoben haben, besaß Pellico eine ausgezeichnete Mutter. Sic war eine Savoyardin, aus Chambery gebürtig, und liebte den Knaben, der zugleich mit einer Schwester zur Welt kam und seine ersten Jahre in ununterbrochener Kränklichkeit hinbrachte, aufs zärtlichste. Von einem Priester empfing Silvio den ersten Unterricht; dies hinderte ihn nicht, früh von einer leidenschaftlichen Liebe zum Theater erfüllt zu werden. Er trat in kleinen Stücken auf, die tu seiner Familie dargestellt wurden und seinen Vater zum Verfasser hatten; als ihm aber Cesarotti's Uebersetzung des Ossian in die Hände fiel, konnte er der Lust nicht widerstehen, selbst eine Calcdonische Tragödie zu schreiben, die er jedoch so klug gewesen ist, unter seinen Schulheften begraben liegen zu lassen. Silvio war zehn Jahr alt, als sein Vater sich in Turin etablirte. Die dramatischen Aufführungen im älterlichen Hause währten fort, und Silvio soll hier für eine junge Actrice erglüht scyn, die ihm der Tod bald entriß. Carlottina starb mit vierzehn Jahren. Turin war damals Republik, und Onorato Pellico besuchte, ungeachtet seiner monarchischen Grundsätze, die Volks-Versammlungen regelmäßig und nahm den Knaben gewöhnlich in dieselben mit; dieser emxsing, trotz seiner großen Jugend, hier starke und bleibende Eindrücke, welche die ersten Keime der Freiheit in seine Seele legten, aus denen ihm später so bittere Früchte erwachsen sollten. Bisher hatte Silvio seiner Schwächlichkeit wegen sehr zurückgezogen gelebt, jetzt begab er sich zu einem Verwandten seiner Mutter, einem Herrn von Rubod zu Lyon. Hier kam er viel in Gesellschaft und suchte sie; er beschäftigte sich eifrig mit dem Studium der Französischen Literatur und kommt später in seinen Gedichten oft auf die glücklichen Tage am Ufer der Rhone zurück. Zwar beklagt er die irreligiösen Lehren, die sich in Frank reich rings um ihn ausbreiteten, die verderblichen Bücher, die er dort ge lesen, und den Hochmuth, der bereits auch sein Herz ergriffen habe; doch diese mystische Richtung ergriff sein Gemüth erst, als jede andere Begeisterung in ihm verkühlt war, und auch diesen Klagen fügt er die Freude darüber hinzu, daß er in Frankreich den Katholizismus habe wieder auflcben sehen, und daß ihm dies ein beseligendes Licht in der Nacht seiner irregeleiteten Ver nunft geworden sey. Vier Jahre befand sich Pellico in Lyon und lebte den heitersten Ver gnügungen, als er sich plötzlich umwandclte. Er wurde düster, träumerisch; seine Augen wandten sich nach den Alpen; er hatte das Heimweh. Foöcolo'S Gräber, die eben erschienen waren, machten den Eindruck auf ihn, welchen die Schweizer in der Fremde durch das Alphorn zu erleiden pflegen, und so empfing Italien den Dichter plötzlich wieder, der auf dem Wege zu seyn schien, ihm immer mehr entfremdet zu werden. Dje Familie Pellico war nach Mailand übcrgesiedelt, woselbst Onorato beim Kriegs-Ministerium angestellt war. Silvio wurde bei seiner Ankunft in Mailand zum Professor der Französischen Sprache am KriegS-Waisenhause ernannt und gab sich von jetzt an ungestört seinen poetischen Neigungen hin. Engen Beauharnais war Vice-König von Italien; Mailand, seine Haupt stadt, war das Athen der Halbinsel; Monti und Foscolo stritten um die literarische Hegemonie. Der junge Pellico segelte eine Zeitlang zwischen diesen beiden Celebritäten hin, doch fühlte er sich zu Foscolo mehr hingezogen, Dgl. den Artikel über Monti in Nr. N» d«S Magazin». und Foscolo wurde sein Freund. Von der Begeisterung für Monti kam er vorzüglich zurück, als er dessen Libslpone, eine Art von Kraüu« ast ksr- NS88UW, sah, dessen er sich bei der Abfassung seiner Gedichte bediente und in dem er Gedanken und Verse aus Dichtern aller Länder und Zeiten zusammen getragen hatte. Foscolo war im Leben unzugänglich und schreckte durch seine Schroffheit alle Freunde zurück; doch Pellico versichert, ihn stets sehr liebe» voll und herzlich gesunden zu haben, und er bewunderte ihn seines festen und unabhängigen Charakters wegen. Foscolo und Pellico hatten eine Art von literarischem Bunde geschloffen; sie theiltcn sich in das Jtaliänische Mittelalter, um cs zu reproduziren. Foscolo beabsichtigte dies in einer Reihe von Tragödien zu thun, mit denen er in seiner Uicciarüa den Anfang machte; Pellico in einer Reihe gereimter Erzählungen, von denen wir mehrere unter dem Namen „vsnricke" besitzen. Bei dieser Verbindung mit dem Verfasser der Gräber entsagte Pellico seiner poetischen Individualität nicht. Er hatte bald nach seiner Rückkehr nach Italien eine Tragödie Laodamia geschrieben, und bei der Aufführung der selben wurde er von einer kaum zwölfjährigen Schauspielerin, welche später die große Marchionni wurde, so ergriffen, daß er für sie alsbald seine zweite Tragödie Francesca da Rimini schrieb. Er trug das kaum beendete Stück zu Foscolo; dieser tadelte ihn streng: „Laß Francesca in der Hölle", sagte er, „und wirf Dein Trauerspiel ins Feuer; die Geister Dante's beschwört man heute nicht herauf, die Welt fürchtet sich vor ihnen. Dies ist ein voll kommener Mißgriff." Den Tag darauf brachte er seinem Freunde die Laodamia; diese lobte er ihm sehr. Pellico baute jedoch auf diese Richter sprüche nicht; die Laodamia warf er ins Feuer, die FranceSca wurde zwei oder drei Jahre später (>8l9) zu Mailand von der Marchionni dargestcllt; sie wurde mit Begeisterung ausgenommen und gründete Pellico's Ruhm. Silvio hatte außer Foscolo, an dem er nach seiner Rückkehr aus dem Gefängnisse nur beklagte, daß er die Bedeutung des Katholizismus nicht er kenne, noch einen zweite» Freund, mit dem er eben so eng verbunden war und den er öfter in seinen Gedichten erwähnt. Dies war der berühmte Volta, der, obgleich ein Kind des achtzehnten Jahrhunderts und Physiker, nach des Dichters Versicherung ein eifriger Katholik war. Volta war sonst in Allem der vollkommene Gegensatz von Foscolo; er predigte seinem jungen Freunde täglich von christlicher Demuth und von der Gnade des Erlösers. Dieser Pellico, der jetzt die höchste Sanftmuth und Entsagung ist, hat einst seine stürmischen Tage gehabt: in diesen zeigte er, wie er selbst gesteht, einen be sonderen'Hang zur Satire, gegen den Volta ankämpfte, indem er sagte, daß Alles, was der Satiriker gewinne, der Dichter unwiderbringlich ver liere. Unter dem Einfluß des Alten schrieb Pellis eine poetische Erzählung, .^rolüo e Olai-a. in der ein Mädchen dem Mörder ihres Bruders verzeiht und auch den Vater bewegt, ihm im Namen Jesu zu verzeihen. Der Dichter hatte später selbst ein großes Unrecht zu verzeihen, doch dies erlebte Volta nicht; als er starb (1826), war Pellico noch im Kerker. Während dessen war die Oesterreichische Herrschaft auf die Napoleonische gefolgt; Silvio's Familie war nach Turin zurückgekehrt, er allein blieb in Mailand als Erzieher der Kinder des Grasen Pcrro. Dies war die glücklichste Zeit seines Lebens. Der Graf liebte ihn wie einen Bruder, einen Sohn, und sein Haus war der Vereinigungsort aller Lombardischen Celebritäten, so wie auch alle Fremde, die durch Mailand kamen, eine gast freundliche Aufnahme in ihm fanden. Hier lernte Pellico Frau von Stael und A. W. von Schlegel, Davis, Brougham, Hobhouse, Thorwaldsen und vorzüglich Byron kennen, „dieses großartige Genie", wie er sagt, „welches die Tugend und das Laster, die Wahrheit und den Jrrthum gleich zu ver göttern wußte und doch innerlich von glühendem Durste nach Wahrheit und Tugend gequält wurde" (voi Oovcii üegli Domini csp. IV). Es ist bekannt, daß Pellico Byron's Manfred übersetzt hat und Byron Pellico's FranceSca. Pellico konnte keine schönere Umgebung wünschen; Italien selbst war auf diesem Kongresse der Wissenschaften und Künste sehr würdig vertreten. Ro« magnosi, Gioja, Manzoni, Bcrchet, Grossi brachten ihre Gaben zu demselben, und Staatsmänner wie Goufalonieri bereiteten bessere Tage hier vor oder träumten sie doch. Die Vereinigung so vieler ausgezeichneten Geister ries in Pellico den Gedanken eines Journals hervor, das die Kräfte der Künstler und Denker Italiens in sich verbinden sollte. So entstand der koncilistore. Es versteht sich von selbst, daß der Charakter dieses Journals ein rein literarischer war; die Censur vertrug auch nicht den Schatten einer politischen Idee; cs war schon viel, daß man ästhetische Artikel die Censur passiren ließ, in denen von der Freiheit des menschlichen Geistes die Rede war. Man zeigte