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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. Pränumeration--Preis 22) Sitdergr. (j Ldlr.) viert,tiädrtich, Z TK6. für das ganze Jahr, ohne Erhöhung, in alten Theiten der Preußischen Monarchie. Magazin für die Man pränumerirt aus dieses Literatur- Blatt in Berlin in der Expedition der Mg. Pr. StaatS-Zeitung (Jriedrichs- Stra-e Nr. 72); in der Provinz so wie im AuSlande bei den Wohllöbl. Pos^Aemtern. Litcrntur dcs Auslandes. 136 Berlin, Montag den 14. November 1842. Rußland. Peter der Große und Leibnitz. Als im Jahre I7N Peter der Große nach Torgau kam, um seinen Sohn, den unglücklichen Alcrci, mit der Prinzessin Charlotte Christine Sophie von Braunschweig zu vermählen, traf Leibnitz mit dem Zaren zusammen. Der Ruf des großen Polyhistors war auch bereits zu dem nordischen Fürsten ge drungen, der wie seine Nachfolger besonders gern Deutsche Kräfte hcrbeizog und benützte, um sein großes Werk der Regeneration zu vollbringen. Leibnitz ward von ihm beauftragt, Vorschläge zu machen hinsichtlich der Justiz- und Laudcsverwaltung im Russischen Reiche. Wie richtig Leibnitz diese Aufgabe erkannt hat, geht daraus hervor, daß er später (im Jahre 1716 aus Pyrmont, wo er wieder mit Peter dem Großen zusammentraf) schreibt, er sey auf eine Gerichts-Ordnung bedacht, „so das Mittel halte zwischen denen Europäischen verderblichen langen Prozessen und der Asiatischen übereilten richterlichen Willkür, denn gemeiniglich sind bei den christlichen Völkern in Europa mit deren Studien zugleich die langwierigen Prozesse eingerissen, denen billig im Russischen Reich vorzukommen." Der Monarch ernannte ihn zum Geheimen Justizrath und hat die Bestallung, die ihm diesen Titel und ein Gchalr von tausend Joachimsthalcrn zusichcrt, in Karlsbad am I. November 1712 voll zogen, doch waren ihm hierauf bis zum Juni 1716 (also kurz vor Leibnitzens Tod) nur SOO Dukaten ausbczahlt worden. Im Jahre I7II war Leibnitz von Kaiser Karl VI. zum Kaiserliche» Reichs-Hofrath ernannt und zum Baron erhoben. Bald darauf begab er sich nach Wien, wo wir ihn schon am 4. Januar 1713 finden. Diese Data entnehmen wir dem kürzlich erschienenen neuen Bande von Prof. Dr. I. E. Erdmann's (in Halle) Geschichte der neueren Philosophie, der auch den besonderen Titel hat: „Leibnitz und die Entwickelung des Idealismus vor Kant" und eine überaus interessante, wiewohl streng wissen schaftliche Darstellung der geistigen Bewegung des 17ten und listen Jahrhun derts enthält. Herr Erdmann, der verdiente Herausgeber der gesammelten Werke von Leibnitz, giebt über jenes Verhältniß Pcter's des Großen zu dem großen Deutschen Polyhistor die ersten Notizen nach einer Mitthcilung des Russischen Staatsraths von Turgenjew, welcher Letztere die darauf Bezug habenden Aktenstücke in dem Kaiserlichen Staats-Archiv von Moskau ein gesehen. Da nun diese Aktenstücke kürzlich in dem Kn.^kij IVm-MüIe ver öffentlicht worden, so theilen wir hier zur Charakteristik des vielumfaffenden Gelehrten und Staatsmannes, der damals schon, was in der neueren Zeit erst auf Alexander von Humboldt's Betrieb ausgeführt wurde, Beobachtungen der Dcclination der Magnetnadel im großen Russischen Reiche «»gestellt zu haben wünschte, zwei Briefe mit, die er an Peter den Großen richtete. Wir ersehen hieraus, daß Leibnitz nicht bloß Pläne zur Errichtung von Akadcmicen und zur Verbreitung der Wissenschaft, sondern auch politische Verfassungen und Verwaltungs-Systeme auszuarbeiten verstand. Der wahrhafte Mann der Wissenschaft soll in der That auch immer ein Mann des Staates und des Lebens seyn. I. Allcrdurchlauchtigstcr und Großmächtigster Czaar. Allergnädigster Herr. Nachdem E. Czaarische Majestät mich in der Bestallung genommen und mit dero großmüthigen Gnaden-Jahre zu Ende vorigen Jahres von sich ge lassen, habe ich mich an dem Hofe des Römischen Kaisers aufgchalten, und vermuthe, das Erempel Ew. Majestät werde nicht wenig dazu geholfen haben, daß auch Seine Römisch Kaiserliche Majestät mir viele Gnade er. wiesen, mich außer den ordentlichen Audienzen oft vor sich gelassen, auch mit Vergnügen dasjenige angehört, was ich mit Dankbarkeit und Wahrheit von Ew. Majestät gemeldet. ES wird auch Ew. Mt. Botschafter und Gehcimder Staats-Nath Herr von Matveof, dem ich zu Zeiten aufgewartet, und dem mein Zutritt bei dem hiesigen Wmsterio bekannt, mir die Zeigniö meiner Treue und Eifers gegeben haben. Ew. Groß-Czaarische Majt. haben von mir in Gnaden zu verlangen ge schienen, daß sowohl zu Erläuterung u. Fortsetzung guter Gesetze in Dero großem Reich, als auch zu mehrerem Plan der Künste und Wissenschaften Daselbst, ich das meinige beitragen möchte. Soviel die Gesetze betrifft, so erinnere ich mich, daß der Groß-Kanzler Herr Graf Golowskin davon gegen mich Erwähnung gethan; vernehme auch, daß hernach Ew. Majt. selbst in hoher Person, gegen den Kaiserlichen Geheimde Rath und Abgesandten Herrn Grafen von Schönborn, von diesem Ihrem Absehn mit mir, etwas gemeldet. Ich habe auch nicht ermangelt, darauf zu gedenken, und die weisen Gesetze, so dero Herr Vater der Groß-Czaar Alexius Glorwürdigsten Andenkens mit großem Bedacht nach damaliger Gelegenheit der Sachen gegeben, mir einigermaßen bekannt zu machen, und ein oder anderes zu bemerken, welches nach jetzigen, mehr glücklichen Zustand dahin es Ew. Mjt. gebracht, denen beizufügen seyn möchte, zumahl da Ew. Mjt. in Dero mächtigem Reich ein so großes Lickt angezündct, und die Menschen zu bessern Sitten und mehrer Sanftmuth zu leiten sich angelegen seyn lassen. Worin die Auferziehung der Jugend zu Gottesfurcht, Tugend und Wissenschaft den besten Grund legen kann. Soviel auch die Wissenschaft betrifft, habe bei Ew. Groß-Czaarischen Mt. ich nicht allein ein und anderes bereits Münd- und schriftlich vorgeschlagcn, und sonderlich angerathcn, daß die Abweichung der Magnet-Nadel an ver schiedenen Orten Deroweiten Lande beobacht, auch untersucht werden möchte, ob .4«is und .4mexma durch das Meer geschieden, auch daher zu trachten, wie Ew. Mt. Lande zwischen Europa und vbma eine mehrere Verwechselung und Gemeinschaft nicht nur der Waaren, sondern auch der Kundschaften und Künste, machen möchte. Auch habe ich erwehnt wie der Uralten Christlichen Kirche und heiligen Väter Hlonumente, Schrift, und koneetion Mehr und Mehr aus dem Staube und der Vergessenheit herfür zu suchen, und zu Nutz zu bringen, zumal alle 0 8)noüi, so bei den Russen gelten, auch in ganz Europa angenommen, bis auf Ooncilium ^icaemnn «ecumtum exctumve, welches von varolo Vlagno, so damahls gelebt, verworfen worden. Ich habe wohlmeinentlich vorgeschlagen, die in Sr. Mjt. Landen und an Dero Gränzen übliche viele, großenthcils bisher unbekannte und unansgcübte Sprachen, schriftbar zu machen, mit Dirrimi»rii.«, und wenigst Anfangs mit kleinen Vocabularü« zu versehen, und die zehen Gebothe Gottes, das Gebet des Herrn, oder Vater Unser, und das ^po«tuli«cl>e 8imb<stum des Christlichen Glaubens, samt andern Datecketischen Stücken nach und nach versetzen zu lassen, ut omni« linxua laustet Dominum. Es würde auch den Ruhm Sr. Majestät, die so viele Völker behcrschct und zu verbessern sucht, und die Er- kenntniß des Ursprungs der Nationen, so aus dem Ew. Mjt. unterworfenen 8c;>tkien in andere Länder kommen, aus Vergleichung der Sprachen, beför dern, hauptsächlich aber dazu dienen, damit das Christenthum bei denen Völkern, die solche Sprachen brauchen, sortgepflanzt werden möge; deswegen ich auch an den Hochwürdigsten Metropoliten, Verweser des Patriarchats unter Sr. Mjt. ein Schreiben abgehcn lassen. Und weil Ew. Mt. sehr geneigt seyn, Leute von Kunst, Wissenschaft und Erfahrung an sich zu ziehen, so habe ich auf Begehren Dero erste» Herrn Leib-Üleüiei Herrn Arcsktn, einem berühmten Hleüico und vortrefflichen Natur kundigen zu Zürich in der Schweitz die Stelle eines Leibmeüici bei Ew. Mt. an des Schl. Donetti statt, angctragen, dieser auch mit seinem Bruder, einem vortrefflichen kkixico und Vlsrliematico gegen billige canstirioni« zu kommen sich crbothen; wobei nicht allein Ew. Mt. Person mit einem belobten Manne an dcs Herrn Donetti Stelle versehen, sondern auch solche Leute angestellt würden, die Ew. M- löblichen Zweck zu Beförderung der Wissenschaften in Dero Landen überaus dienlich seyn könnten; also daß ich fast Niemand besser dazu vorzuschlagen wüßte. Es würde auch solches dienen, mehr andere von gründlicher Wissenschaft anzulocken. Allein obgleich ich an den Herrn AreSkin und andere Vornehme Personen an Ew. Mt. Hofe deswegen geschrieben, auch bei Ew. Mt. selbst deswegen allcruntcrthänigstcn Bericht abgcstattet, habe ich doch keine Antwort erhalten, welches aber Ew. Mt. großen Reisen und Feld zügen zuschreibe. Deren so glücklicher Ausgang mir anjctzo Gelegenheit zu einer herzlichen Glückwünschung gicbet, und Hoffnung macht, E. Mt. werden nunmehr freier bedacht seyn können, auch die Friedens-Künste blühend zu machen. Demnach stelle Ew. Mt. Hohem Gutfindcu anheim, ob Sie jemand bei Dero Hof oder auch Ihren Herrn Botschafter allhicr, allcrgnädigst austragen möchten, mich in dergleichen mit einer Antwort zu versehen, damit ich meinen Eifer zu Dienst Ew. Majestät mit mehrerem Nachdruck zeigen könne. Stelle auch nicht weniger anheim, was Gestalt Ew. Mt. die mir durch ein Diploms allergnädigst verwilligte jährliche Besoldung von Tausend 8pecio«-Thalern mir ferner auszahlen lassen wollen, und verbleibe lebenszeit Ew. Groß-Czaarischen Majestät alleruntcrthänigster Knecht B. W. v. Leibnitz. Wien den 26 Oktober 1713. (Schluß folgt.)