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536 enthalten sind und durch deren Berichte bereits veröffentlicht scpn werden, will ich hier nur noch einer Naturerscheinung gedenken, welche uns oftmals aufge- sallen ist und wohl verdient, auch auf anderen Höhcnpunktcn beobachtet zu werden: ich meine die Helle der Nächte hier oben. Bei klarem Mond scheine lesen wir mit Leichtigkeit jeden St. Augustin-Druck, ja, wer recht scharfe Augen hat, entziffert sogar Cicero-Schrift; und selbst bei bezogenem Himmel bleibt die Helle noch so auffallend stark, daß wir zu jeder Stunde der Nacht an unseren Uhren sehen können, wie spät es ist. Noch mehr: Scheint doch sogar, wenn wir von Wolken rings umgeben find, die Helle größer als wenn der Nebel nur ein theilweiscr ist. Vorgestern (26. August) um zehn Uhr Abends z. B. war sie trotz einem derben Regengüsse, welcher den ganzen Gesichtskreis einnahm, so stark, daß wir die Titelwörtcr aller Anzeigen der „Augsburger Allgemeinen", deren Buchstaben nicht unter anderthalb Linien Höhe halten, in unserem Zelte zu entziffern vermochten. Diesen Um stand, wie man anfänglich versucht wird, und wie auch wir, um ihn uns zu erklären, in der ersten Zeit unseres Aufenthalts hier gethan haben, der Umge bung von eitel Schnee und Eis zuzuschreiben, hält nicht lange Stand; denn später haben wir wahrgcnommen, daß während der heiteren Nächte (ohne Mondschein) die Helle weit weniger intensiv ist als während eines Nebels, und sind nun vielmehr geneigt, die Ursache dieser Erscheinung in einem eigen- thiimlichen Woltenlichte zu suchen, aus welches schon wiederholentlich von Naturforschern hingcwiesen worden ist. Seitdem wir den Gletscher bewohne» und von einer Menge Fremden be sucht werben, fangt übrigens der Schrecken, welchen diese Höhen früher ein- flößtcn, allmälig zu verschwinden an: Seit unserer Ersteigung des Schrcckhorn sind die Jungfrau und das Finster-Aarhorn von neuem, jene durch die Herren Studer und Gärki aus Bern, dieser durch Herr» Sulzer aus Basel, erklommen worden. Herr Studer soll auch die Nundficht von der Jungfrau ausgenommen haben, die, nach dem Talente dieses furchtlosen Reisenden (übrigens mit unserem berühmten Erdkundigen nicht zu verwechseln) für alle Freunde der Hoch-Alpen ohne Zweifel von großem Wcrthe sey» wird; so daß hierbei nur das zu bedauern, daß von diesen beiden Ersteigungen die Wissenschaft gar keinen Vortbeil gehabt. Das schöne Wetter, das uns schon förmlich verwöhnt hatte, ließ uns wahr lich nicht ahnen, daß wir nur zu bald gegen den fürchterlichsten in diesen Regionen von uns jemals erlebten Orkan zu kämpfen haben sollten: Mehr als ein Mal drohte er bereits, unser ganzes Gczelt kurz und klein zu reißen; mehr als ei» Mal haben Ströme von Regen unsere Arbeiten gehemmt, und selbst in diesem Augenblicke find wir noch, seit zwei vollen Tagen, in unserer Einsiedelei ein gesperrt. Jndeß, die Sonne scheint den Nebel wieder bewältigen zu wollen, und mit ihr bricht von neuem die Hoffnung durch, daß, wenn der Himmel uns noch etliche schöne Tage sendet, wir auSführen werden, was wir bei unserer Hierherkunft uns vorgenommen. E. de Sor. Arabien. Orientalische Legenden. (Schluß.) Kain und Abel. Die Mutter der Welt hatte im Paradiese Kabpl (Kain) und seine ZwillingSschwester Aklimija geboren. Diese paradiesische Geburt ging ohne Schmerzen von Statten ; aber eS war auch die einzige. Als Adam sah, daß seine Familie anfing zu wachsen, so verheirathete er auf den Befehl Gottes die Söhne mit de» ZwillingSschwestern der anderen Söhne. Er kreuzte so die Verbindungen. Nach diesem Prinzip wollte er Lpusa, die ZwillingSschwester Habpls (oder Abels) mit Kabpl und Aklimija mit Habpl vcrheirathen. Aklimija war schöner als Lpusa; und Kabpl wollte als Erstgeborener lind als Sohn des Paradieses freie Wahl haben und behauptete, daß Aklimija seine Frau werden müßte; daraus entstand seine Eifersucht, sein Haß gegen Habpl. Um diesen Zwist zu schlichten, schlug Adam seinen beiden Söhnen vor, Gott ein Opser zu bringen, und sagte, daß derjenige, besten Opfer Gott durch ei» deutliches Zeichen segnen würde, das Recht haben sollte, seine Frau sich selbst zu wählen. Dieser Vorschlag wurde angenommen. Eine lange Feuerkette ohne Rauch und ohne Flamme, die vom Himmel Herabtam, ergriff und ver zehrte die fette Ziege, welche Habpl geopfert hatte. Kabpl hatte seine schönsten Aehren geopfert; aber sie wurden von der himmlischen Flamme nicht angc- rührt. „Ich werde mich zu rächen wissen", sagte Kabpl, wüthend über den ungerechten Vorzug Gottes. Sie gingen von der Opserstätte zurück. Auf dem Wege faßte Kabpl den Plan, seinen Bruder zu ermorden; aber er wußte nicht, wie er es anfangen sollte. Jblps erschien und lehrte es ihm auf folgende Weise: er näherte sich einem Vogel und warf mit einem Steine nach seinem Kopfe. Hierauf trat Kabpl zu seinem Bruder und spaltete ihm mit einem Steine den Schädel. Habpl taumelt, fällt und stirbt- Er war erst zwanzig Jahre alt. So war der erste Tod die Folge eines Mordes. Kabpl, der über sein Verbrechen er schrak, wußte in der Bestürzung nicht, was er mit dem Leichname seines Bruders macken sollte. Er lud ihn auf seinen Rücken und lies mit dieser Last drei Tage lang hin und her, d. h. so lange, bis der Leichnam anfing zu faulen ; der Bauch schwoll, und dies verursachte einen abscheulichen Geruch. Kabpl warf den Körper zur Erde; aber er wagte nicht, ihn zu verlassen; denn er fürchtete, daß er von den wilden Thieren gefressen werden würde. Gott schickte hierauf einen Raben, welcher einen anderen Naben tödtete, dann mit dem Schnabel und mit den Krallen anfing, die Erde aufzuwühlen, ein tiefes Loch machte, den tobten Raben hineinlcgte und ihn mit Erde bedeckte. Kabpl ahmte dem Raben nach und begrub seinen Bruder. Da Adam den Habpl nicht mehr sah, so fragte er, wo er wäre. Keiner konnte ihm Nachricht hierüber geben. Avam blieb sieben Tage lang in Un wissenheit. Jede Nacht sah er Habpl im Traume und hörte ihn ausrufcn: „o mein Vater! o mein Vater!" Und Adam erwachte jedesmal mit Angst und Bestürzung. Da kam der Engel Gabriel, der ihn an den Ort führte, wo Habpl lag. Man gräbt; man findet den blutigen Leichnam mit einer schreck lichen Wunde am Kopse. Adam schreit vor Schmerz laut auf. Kabpl gesteht sein Verbrechen. Von Gewissensbissen gefoltert, entflieht er mit der Aklimija von Akabah in der Nähe von Mekka, dem Orte seines Brudermordes, bis nach Aden in Jemen und verbirgt sich daselbst. Er flehte Gott um Verzeihung an; aber Gott sandte ihm einen Engel, der ihn knebelte, ihm Hände und Füße band, eine Kette um seinen Hals schlang und ihn hierauf von Ort zu Ort über die ganze Erde, im Winter über die Eisberge, und im Sommer über die Krater der feuerspeienden Berge, schleppte; und dies dauerte acht Jahre ununterbrochen fort. Hierauf warf ihn der Engel aus der Luft auf die Erde zurück. Kabpl wurde später mir Stcinwürfen von seinen Kindern getödtet »nd dann in die Hölle gestürzt. Mannigfaltiges. — Deutsche Literatur in Italien. In Mailand erscheint eine „ausgewählte Bibliothek Deutscher Werke in Jtaliänischen Uebcrsctzungen", die jetzt bis zum 2Zsten Bändchen gediehen ist. °) DaS Unternehmen scheint ein sehr gründliches werden zu wollen, denn man hat mit dem Anfang der neuere» Deutschen Literatur angefangcn, nämlich mit Gcßncr's Werken und mit Klopstock'S Messias. Ersterer ist nicht bloß (von Herrn Luigi Ferreri) in poetische Prosa, nach Art des Originales, übertragen, sondern zum Theil auch (von Herr» Felice Bisazza) in Verse und Reime gebracht, was dein Deutschen Florian ein ganz neues Ansehen giebt. Geßner und -Uopstock reiht sich Zimmermann'S Buch „über die Einsamkeit", „Miß Sara Sampson" von Lessing und AehnlicheS an, was den Beweis liefert, daß der Heraus geber, Herr Silvestri, eben nicht der Geschickteste ist, uni eine Deutsche „Uibliotevll scolts" zusmnmcnzustellen. Inzwischen befindet sich unter den 23 Bänden auch schon Goctbc'S „Faust", der hier zum erstenmale in einem Jtaliänischen Gewände (von Herrn Givvita Scalvini) erscheint. ES mag in Italien nicht leicht seyn, gute Uebersetzcr aus dem Deutschen zu finden. Pro- .fessor Ferdinando Mcncghezzi spricht sich darüber in der Kivis»» Lnropoa fol gendermaßen aus: „Die Kenntnis; der Deutschen Literatur, obwohl jetzt mehr unter uns verbreitet, als vor fünfzig Jahren, hat doch noch nicht diejenige Ausbreitung in Italien erlangt, die ihr zu wünschen wäre. Zum Theil liegt dies daran, daß sich die Jtaliäncr an jene Verschiedenheit des Geschmackes und der Empfindungen, welche die Deutschen charaktcrisirt, noch nicht haben ge wöhnen können, zum Theil aber auch wohl an dem Umstande, daß die Franzö sische Literatur einen allzu mächtigen, alles Andere verdrängenden Einfluß auf unsere Halbinsel auSubt. Lehrend cs der Uebersetzcr aus dem Französischen unzählige giebt, finden sich nur selten solche, die mit Geschicklichkeit aus dem Deutschen zu übertragen verstehen. Und finden sie sich auch, so geben sie sich doch nicht leicht dazu her, Arbeiten für 6 Lire (1 Thlr. 10 Sgr.) den Bogen zu liefern, wie eS jene Myriaden Französischer Uebersetzcr thun, die freilich — damit wir der Wahrheit ihr Recht widerfahren lassen — eben so übersetzen, wie sie bezahlt werden. Das Studium der Deutschen Sprache ist allerdings lang und schwierig. Ja, obwohl wir alle Tage mit Deutschen Zusammentreffen und uns unter der Herrschaft eines Deutschen Fürsten befinden, ist die Zahl der jenigen unter uns, die Deutsch lernen, doch nur sehr gering, und noch viel geringer die derjenigen, die cs gut lehren. Es ist in der That auffallend, daß die Franzosen, die doch mit den Deutschen gar nicht in so naher Berührung leben wie wir, doch in der Erlernung der Deutschen Sprache viel größere Fortschritte gemacht haben. Fast sämmtlichc klassische Werke der Deutschen Literatur find bereits ins Französische übersetzt"), und wenn Italien sie zum Theil kennt, so hat cs dies vielleicht mehr den Franzosen zu verdanken, als der Kcnntniß des Originales. °°°) Aber cs thut noth, es zu sagen: die Jtaliäncr haben sich seit langer Zeit der Faulheit hingegcbcn; sie, die einst überall die ersten waren, find jetzt in vielen Dingen die letzten; eö sind dies bittere, aber nur allzuwahre Worte!" ') Nihliobaca -»aolta lU aporo boümtolw volxarieritbe. hliiana, per Oiovanai 8ilre«trt. "> Die Sache ist nicht so arg, wie der Jtaliännche Proseffor annimmt; sowohl das Deutschlcrnen al- die Benutzung der Deutschen Literatur müßte in Frankreich noch manchen Fortschritt machen, um solche Lobeserhebungen zu verdienen. '") Auch ein großer Tbcil von den SS Bändchen Ler 8ihI>at-°L eoelta hat wohl seine Wanderung au« Deutschland »ach Italien erst durch Frankreich gemacht. HcranSgcgcbkn von brr Erpedition der Allg. Preuß. Staats-Zeitung. Ncdigirt von I. Lehmann. Erdrückt bei A. Tt>. Hayn.