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248 deutsches Herzogthum regierte, galt damals für eine gleichgültige Sache, denn die Krone Norwegen und Schweden, die Krone Dänemark hatte doch immer die Herrschaft, und das war die Hauptsache. Man verstand kaum einmal die, wie cS heißen würde, feine Distinction. Jetzt aber stehen die Sachen ganz anders. Jetzt ist die Zeit der Volks» souverainctät, nicht der Kronensouvcrainetät. Eine Vereinigung zwischen Schleswig und Deutschland würde nicht blos eine einfache Allianz zwischen seinem König-Herzog und dem deutschen Bunde sepn, sondern eine Einverleibung Schleswigs in die große deutsche Staatseinheit und der un widerrufliche Verlust des Landes für Dänemark. Eine Einverleibung von ganz Dänemark in den deutschen Bund würde eine Vernichtung des dänischen Na mens seyn. Denn hieße auch der König ferner als Bundesfürst König von Dänemark, so wäre doch das Land nur ein Theil von Deutschland, und würde Deutschland wirklich, woran man jetzt arbeitet, ein einziger Staat, so würde Dänemark ganz darin aufgehen und sogar seinen Namen verlieren. Es ist eine der vielen unmoralischen Seiten bei dem schleswig-holsteinischen Aufstande, daß die Leiter desselben, während sie fortdauernd eine lopale Gesin nung gegen den König-Herzog an den Tag legen und ihr Untcrthanenverhält- niß gegen ihn nicht für aufgehoben erkläre», die Begriffe des Volkes verwir ren und nach Grundsätzen jener dunkelsten Periode der absolutistisch-dynastischen Zeit handeln. Sie wissen doch allzu gut, daß heutzutage nicht mehr von der Macht eines Königs, außer als Repräsentant und Beschützer der Nationalität und Souverainctät seine» Volks, die Rede seyn kann. Sie wissen recht gut, daß der König von Dänemark Schleswig nicht ausgeben kann, ohne sein Volk zu verrathen, was seine Vorgänger zum Theil wirklich gethan haben. Sie müssen sich also bewußt seyn, nach Grundsätzen zu handeln, welche ter ver schwundenen Unterdrückungöpcriode angehörcn. Und cS hat ihnen deshalb auch keine Ueberwindung gekostet, die nämlichen Micthlinge des Despotismus j!), welche in Berlin mit herzlicher Freude (?) die Straßen mit den Leichen der Frciheitsverthcidiger bcvccklen, als HülfStruppen anzunehmen. Man sagt im Allgemeinen von schleswig-holsteinischer Seite, daß man die StaatSgränzeu nicht mehr nach bestaubten Dokumenten und Traktaten, son dern nach dem bestehenden NationalitätS-Vcrhältniß ordnen werde. Indessen sind es gerade die Schleswig-Holsteiner, welche unaufhörlich den Vertrag von I4S0 im Munde führen, den Vertrag oder die Capitulation, worin Christian 1., selbst ein Deutscher, ohne sein Volk zu fragen, nur durch eine Verpflichtung gegen die holsteinische Ritterschaft und die holsteinischen Prälaten, Schleswig, jenes uralte dänische Land, mit Holstein vereinigte. Diesen Vertrag, der nach allen gereinigten staatsrechtlichen Begriffen eine Null ist, führen die Schles wig-Holsteiner immerfort im Munde, während sich die Dänen nur auf die Ge schichte berufen, welche zeigt, daß Schleswig seit undenklichen Zeiten dänisch und schon ein Theil von Dänemark war, als ein Gesammt-Deutschland noch nicht eristirte. Deutsche Schriftsteller berichten selbst umständlich von dem Frieden im Jahr 8II, worin Karl der Große die Eider für die Gränzc zwischen Dänemark und Deutschland erkannte. Allein wir räume» recht gern ein, daß solche Traktate und ältere historische Verhältnisse vor den wirklich bestehenden weichen müssen. Wir erkennen an, daß der südliche Theil Schleswigs jetzt durch Jahrhunderte lange Einwirkun gen und Rcgierungsmißgriffe deutsch geworden ist, und daß Dänemark auf die Länge keine Freude noch Erleichterung daran wird haben können, diesen deutschen Theil Schleswigs gegen seinen Willen zu behalten, selbst wenn ihn, die Unterwerfung desselben gelingen sollte. Aber dies berechtigt doch nicht Holstein, zu den Waffen zu greifen, um sich denselben anzueignen. Es berech tigt noch weniger Holstein, den Krieg zu beginnen, um den dänischen Theil zu erobern, welcher sich so bestimmt für Dänemark erklärt hat. ES berechtigt am allerwenigsten Deutschland, gegen Dänemark Krieg zu führen, um Jütland zu erobern oder die ganze dänische Nationalität zu vernichten. Ein solcher Krieg ist ein Eroberungskrieg, welcher den gehässigen Kriegen Ludwig's XI V. und den um die Zerstückelung Polens geführten an die Seite gestellt werden muß. Ohnehin ist cS selbst im deutschen Theil Schleswigs nicht die Masse des Volkes, sondern nur die Beamten, der Adel, überhaupt die höheren Klaffen, welche sich erklärt haben. Man frage das Volk selbst, wenn alle fremden Truppeumasseu entfernt und die Beamten verhindert sind, auf dasselbe einzu- wirkcn; dann wird man das wahre Verhältniß in Erfahrung bringen, und man thcile alsdann Schleswig, je nachdem die Kommunen wünsche», deutsch oder dänisch zu seyn. Der dänische König hat überdies Schleswig Alles, was cS biüigcrweise verlangen kann, nämlich seine besondere Verwaltung, aiigebote». Aber die deutschen Truppen lassen sich kaum durch Dänemarks eigene Kräfte entfernen, es sep denn, daß Deutschland plötzlich von anderen Seiten bekriegt werden sollte, und dazu ist wenigstens im Augenblick keine Aussicht. Die Deutschen haben ibre Absicht ausgesprochen. Sie wollen Seehäfen haben, um eine Flotte zu bekommen, aber mit den jütischen Häfen kann ihnen nichts gedient seyn, sie wollen deshalb ganz Dänemark haben.') Wunderlich genug, daß sie nicht auch Holland, das uralte deutsche Land, und die Mündungen des „ächt deutschen" Rheinstromes fordern, von welchem sie so pathetisch singen: „Sie sollen ihn nicht haben", ohne einmal seinen wichtigsten Theil zu besitzen. Aber die Sache ist die, daß sie Holland nicht anzugreife» wagen, wogegen sie Dänemark für eine leichtere Beute halten. Wo soll aber da die Gränze seyn? Ist Dänemark gcrmanifirt, so kann eS 'I Es scheint dies eine ßr- Idee des „Morgendlad" jtt snm, welcher allerdings durch gesunde Vernunft nicht veizukcminm seyn wird. D. R. nicht fehlen, daß sich auch deutsche Elemente mehr und mehr in Norwegen und Schweden geltend machen. Im Grunde ist der Anfang dazu schon gemacht, denn die schwedischen und norwegischen Städte enthalten nicht wenige deutsche Elemente, und da wir eine genaue Verbindung mit Dänemark nicht missen können, würben diese, wofern Dänemark deutsch wäre, mehr um sich greifen. Wenn da z. B. Schonen gcrmanifirt wäre, so würden eines schönen Tages die Deutschen, mit den eigenthümlichcn neuen Begriffen, welche sie über die Gränzverhältniffe aufstellen, sagen: „Schonen ist deutsch; kommt, laßt uns unseren deutschen Brüdern in Schonen beistchen und ihnen das schwedische Joch abschütteln helfen, denn wir brauchen ja ohnehin beide Seiten des Sunds, sonst find wir nicht die Herren der Ostsee. Und danach würden sie finden, daß sie auch die Herren von beiden Seiten des Skager Rack (der Meerenge zwischen Norwegen und Jütland) seyn müßten. Und was würde zuletzt das Ende seyn? ES liegt also in Schwedens und Norwegens höchstem Interesse, den Ueber- griffen Deutschlands entgcgenzutrcten. Die Nationalität ist nicht länger eine Chimäre, sie ist etwas Reelles, ein Lebenselcment. Wir erkennen gern, und mit Stolz, unsere nationale Verwandtschaft mit Deutschland, wir fühlen cS, daß der Norden und Deutschland sich eng an einander schließen müssen, aber dieses Aneinanderschließen-kann nur auf gegenseitiges Vertrauen beruhen, und ein solches UebergriffS-Verlangen, wie eS Deutschland verräth, muß Miß trauen erwecken. Es muß gebrochen werden, um die Brüderschaft nach dem Kampfe desto fester zu knüpfen. Norwegen und Schweden können nicht ruhig zusehen, baß das dritte Glied in der nordischen Nationalität vernichtet werde. Da also die übrigen Mächte ihre Hand von Dänemark abzichen, dürfen Norwegen und Schweden nicht anstehen, HülfStruppen zu senden. Unter solchen Umständen müssen alle kleinlichen Berechnungen Wegfällen. Zwar haben wir Norweger nicht viel zu bieten, abcr was wir haben, ist doch besser als Nichts. Wir haben namentlich eine gute Artillerie,, welche den Dänen fehlt. Wir haben Schiffe und Matrosen. Sobald erst Norwegen und Schweden ihr Gewicht in Lie Wagschale legen, werden die Deutschen nothwendig zum Weichen gezwungen seyn. ES würde überdies, selbst in ökonomischer Hinsicht, vom höchsten Interesse für uns seyn, entweder den Streit möglichst bald bei gelegt zu sehen, oder entgegengesetzten Falls am Kriege Theil zu nehmen, um von seinen Vortheilen Nutzen zu ziehen. Die unabwendbare Blokade Ham burgs und der übrigen deutschen Städte müssen auf unseren Handel lähmend einwirken. Wenn wir aber selbst am Kriege Theil nehmen, wenn wir reiche Hamburger, Bremer, preußische Schiffe aufbringen können, so kommt doch Bewegung in den Handel und Geld ins Land. °) Und wenn cs dcm vereinig ten dänisch-norwcgisch-schwedischcn Heere gelingen sollte, die Deutschen zurück zutreiben und von Hamburg, vielleicht auch von anderen deutschen Städten Contributionen zu erpressen, so würde» Vic Kriegskostcn bald ersetzt werden können und die Deutschen würden außerdem hinsichtlich der Eroberungslust, wenigstens fürs erste, geheilt werden. Desto eher würden auch die dänischen Ackcrwirthe zu Egge und Pflug zurückkchrcn können und uns Korn schaffen, statt daß sie sich von den Deutschen todtschlagcn lassen, während das Land un angebaut liegt und wir noch Noth leiden werden. Niemand wird uns hindern, Dänemark beizustchcn. England und Rußland werden eS mit Freuden sehen. Sie werden cs uns kaum verweigern, Prisen sogar in englische ,und russische Häfcn aufzubringen. Endlich drängen sich unsere Krieger nach Uebung. Der Frieden wird täglich bedroht. Kaum unsere ältesten Offiziere haben Pulver gerochen. Hier wäre eine gute Gelegenheit, den Unseren eine angemessene Uebung zu verschaffen, während man zugleich für den Ruhm und de» Vortheil der Nation sorgte. Auch brennen unsere Krieger vor Verlangen, am Kampfe Theil zu nehmen." °°) Mannigfaltiges. — Die geographische Gesellschaft in London. Im Londoner ^tl>en»«ui» vom I». Mai erhebt sich ein gewaltiger Sturm gegen die Direk. toren der «»><>> 6eugliip>>,e»I Lucies. Es zeigt sich nämlich, trotz der sehr hohen Beiträge der zahlreichen Mitglieder, ein bedeutendes Defizit in der Kaffe der Gesellschaft, das durch freiwillige Unterzeichnungen gedeckt wer den soll. In dcm gedachten Artikel wird nun gefragt, was denn die Gesell schaft seit ihrem achtzehnjährigen Bestehen eigentlich geleistet, um eine so außer ordentliche Berücksichtigung in Anspruch nehmen zu können? Der einzige ge lehrte Reisende, der sich unter ihren Auspizien Verdienste um die Erdkunde erworben, sey Sir Robert Schomburgk; dieser aber habe die Geldmittel zu seiner Reise nicht von der geographischen Gesellschaft, sondern von der Re- gierung erhalten. Gänzlich verfehlt seycn dagegen die beiden anderen Erpe- ditione» gewesen, welche die Gesellschaft nach den Gebirgen von Kurdistan und nach Süd-Afrika unterstützte. Große Summe» seycn rein für ostensible, äußerliche Zwecke vergeudet worden, während die Zeitschrift der Gesellschaft zu einer völlig werthlosen Erscheinung herabgesunken sey- Die Philippica, welche ganz unerwähnt läßt, daß die Gesellschaft durch die Auszeichnung, die sie geo graphischen Gelehrten durch Zuerkennung ihrer goldenen Medaille gewährt, aller dings ein positives Verdienst um die Aufmunterung der Wissenschaft sich er wirbt, schließt mit der Aufforderung, daß die bisherigen Direktoren der Ge» sellschaft das seit deren Gründung bekleidete Amt endlich niedcrlegen möchten. ') In einer TagS daraus stattzcfundcnen Versammlung in der Börse von Christiania ist dieses Motiv al» ungehörig jurü-tgcwicscn morden. D. Ucbers. --) Wenn wir die waüercn Normannen nicht von Alters her als lavserc Leine kennten, wir würden sie nach einer solchen Poltrvnneri« sür daS Kcgentheil halten müssen. D. 9i. HerauSgegeben und rcdigirt von I. Lehma«u. Im Verlage von Veit «tz Comp. Gedruckt bei A. W. Hay«,