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WöcktnUich erscheinen drei Nummern. Pränumeration«-Preii 22 j Sildergr. (j Wr.) vierMjShriich, 3' Tblr. für da« ganze Jahr, ohne Erhitzung, in allen Theilen der Preußische» Monarchie. für die Pränumerationen werden von jeder Buchhandlung (in Berlin bei Veit u. Comp., Iägerstraße Nr. 2S), so wie von allen König!. Pvst-Aemiern, angenommen. Literatur des Auslandes. .>1?' 62. Berlin, Donnerstag den 25. Mai 1848. K. E. Oelsncr's politische Denkwürdigkeiten. Die Zeit des Büchcrkaufens, so versichern jetzt manche unserer unterneh mendsten Buchhändler sogar, sep vorüber; höchstens seyen eS pikante Broschü ren über Tagesfragcn oder das politische Geklatsch, das in unseren großen Städten an allen Ecken feilgeboten wird, was jetzt noch auf Absatz rechnen könne. Wir find nicht dieser Meinung. Wir glauben überhaupt nicht, wie so viele Schwarzsichtige, an einen neuen KataklysmuS, an ein Wiedereinbrechcn der Barbarei, gleich derjenigen, die einst Griechenlands und Roms Kultur- Aussaat zerstörte. Gerade die Presse, von der Manche jetzt besorgen, daß fie den Sieg der Materie über den Geist und der Barbarei über die Kultur her beiführen werde, ist unser Präservativ. Nur in solchen Zeiten, in denen nicht die Völker überhaupt, sondern lediglich einige Auserwählte den Einflüssen des Geistes zugänglich waren, konnte dieser von der Materie überwunden werden. Also, Ihr Herren Verleger, wenn es nur die rechten Bücher find, und zwar sowohl politische, als geschichtliche und wissenschaftliche überhaupt — aber Wissenschaftlich nicht bloS für die Studirstubc, sondern auch für das Leben — so sendet sie getrost auf den deutschen Markt, sie werden schon ihre Käufer fin den. Hier ist z. B. ein solches Buch, das Herr Franz Schlodtmann in Bremen den Muth gehabt hat, in dieser Zeit des Mangels an Geld und an Sinn für ernste Studien zu verlegen, und das vielleicht mehr, gewiß aber mit größerer Genugthuung gelesen werden wird, als die begehrteste unserer politischen Zei tungen. DaS Buch heißt: „Politische Denkwürdigkeiten aus Oelsner's Schrif- ten",°) rührt also von einem Manne her, der bereits seit zwanzig Jahren tobt ist, greift jedoch in die Ereignisse der neuesten Zeit ein, deren politische Gestal- lungen in Deunwiand und insbesondere tn Preußen der Verfasser »nt staats männischem Blicke vorhergesehcn, und weil dieser Blick unseren heutigen Poli tikern leider nur zu häufig ganz abgcht, darum wird man das, was Oelsner über die Verwandlung des deutschen Staatcnbundes in einen Bundesstaat und über Preußens künftige Stellung in dem letzteren sagt, gewiß mit viel größe rem Interesse lesen, als alle Erpectorationen unserer zahlreichen Staatsverbes serer, die siebzehn Vertrauensmänner nicht ausgenommen. „Oelsner °°) ist", wie Varnhagen von Ense von ihm sagt, „als Schrift steller, was man in der Literatur so nennt, nur spärlich aufgetreten. Sein Ruhm als solcher gründet sich vorzüglich nur auf die sehr zufällig entstandene, aber meisterhaft in französischer Sprache verfaßte und von dem National-In stitut gekrönte Preisschrift über Muhammed. Er hatte keine äußerlichen An triebe, wenn er schrieb; er wollte weder Geld noch Ruhm. Seine meisten Ar beiten lieferte er, weil fie eine Befriedigung für ihn selbst waren, weil er seiner Neigung, seiner Liebhaberei folgte, und hierin gerade war er eine durchaus vornehme Natur, ein wahrer Freiherr, der, wenn Gesinnung und Lust ihn nicht für die Welt anrcgtcn, sich ruhig hielt und gleichsam auf seinen Gütern lebte. Seine Schrcibthätigkeit war dabei ungeheuer, aber seine Aufsätze blieben theils anonpm, theils gingen fie unter fremden Namen. In des Grafen von Saint- Simon Schriften find ganze Stücke von ihm. Manches verschenkte er als Keim, anderes als reife Frucht, so die politischen Aphorismen, welche unter 0e. Schlottmann's Namen erschienen find." — ES läßt sich denken, daß ein Schrift steller, der so wenig Autoren-Eitclkeit besaß, Vieles ganz und gar nicht publi- zirtc, und so ist denn auch seinem Sohne einer der reichsten literarischen Nach lässe zu Theil geworden. Es besteht derselbe aus Korrespondenzen und diese erläuternden Anmerkungen und Anekdoten, aus geschichtlichen Werken und aus Schriften politischen Inhalts. Besonders sind die Letzteren als eine wahre Fundgrube der Geschichte unserer Zeit seit der ersten französischen Revolution bis zum J.I828 zu betrachten. Unter Anderem befindet sich darunter eine eben so anziehende als ausführliche „Geschichte der politischen Mißgriffe (auf den Kongressen) zu Wien und Aachen", von der nur zu bedauern ist, daß sie der Herausgeber nicht schon dem vorliegenden Bande einverleibt hat, da bei der Neugestaltung Deutschlands eine genaue Kenntniß jener Mißgriffe, an welchen es übrigens auch heutzutage nicht fehlt, wahrhaft belehrend sepn würde. Der vorliegende Band wird mit einer Abhandlung über Friedrich den Großen und seinen Einfluß, über sein Jahrhundert und die französische Revo lution eröffnet. Mit wenigen, aber treffenden Grundzügen wird darin die Zeit gezeichnet, in welcher alle Ideen, alle Prinzipien wurzeln, welche die Gegen wart bewegen und in zwei große Lager theilen. In organischem Zusammen, hange mit dieser ersten Abhandlung befindet sich der darauf folgende (im Jahre ') HerauSg-geben von vr. G. OelSner-Mo nmerqu«, dem Sohn« d«s Verfasser«, ") Web, 176« zu Goldberg in Schlesien, gest, UM jn Pari«. I8l7 geschriebene) „Rückblick auf die französische Revolution", der mit folgen den beachtenswerthcn Bemerkungen beginnt: „Nach vierzig (jetzt siebzig) Jahren noch ist das Resultat der nordamcri- schenRevolution in den Händen Derer, die den Freistaat gründeten. Sie wurde mit geringen Mitteln begonnen und vollführt. Der französischen Revolution standen unermeßliche Kräfte zu Gebot und ein Glück ohne Beispiel. Auch ent wickelte sic sich im Verhältniß der Umstände, die fie begünstigten, mit einer Ge walt, der nichts widerstehen konnte. Aber von dem Sitze der Macht wurden nach der Reihe die Verwegenen geschleudert, welche die Revolution lenkten und zu lenken vermeinten, indeß der Wagen selbst weiter rollte, bis er gerade end lich auf die Station zurückzukommen schien, von der er auSgefahrcn war. Man nenne ein Beispiel schimpflicheren Mangels fester Haltung, als hier die Fran zosen aufstcllen, im Ganzen und im Einzelnen; denn hätten nicht im Einzelnen Gewissenlosigkeit und wortbrüchiger Leichtsinn vorgearbeitet, nimmermehr wäre die Masse so beweglich, so leichtsinnig erfunden worden, sich umsatteln und nach jedem willkürlichen Ziele leiten zu lassen. Doch nicht Wankelmüthigkeit allein, sondern auch Anmaßlichkeit machte Frankreich zum Spotte der Welt. Diese Anmaßlichkcit — recht eigentlicher GcburtSmakel der französischen Geister — wurde, als sie sich auf einen der Ucbung fremden Gegenstand, die Revolution, wandte, in ihren Mißgriffen durch die Unerfahrenheit verstärkt. Jn der Un erfahrenheit jedoch sind die Franzosen nicht ohne UnglückSgefährtcn und können mit der Zeit deren noch mehr bekommen. Bis zur zweiten Vertreibung der Stuarts ging es den Engländern um kein Haar besser als den Franzosen, und allenthalben, wo gleiches Beginnen in gleichem Umfange un ternommen wird, dürfte der Erfolg der nämliche sepn, wie da- mals in England und Frankreich. Ein wesentlicher Grund des Miß lingens liegt in der Sache, die allzu viel Zwecke auf Einmal umfaßt. Wirsehen, daß diejenigen Revolutionen, welche, ebenmäßig fortlau. send, ihr vorgestecktes Ziel erreichten, wie die Eidgenossenschaft in Vertreibung Oesterrdichs, Schweden in Vertreibung der Dänen, Holland und Portugal in Abwälzung des spanischen Jochs, Nord-Amerika die englische Herrschaft ab- schüttelnd, sich um einen faktisch sicheren Punkt schlugen ; dahingegen die luthe- rische Reformation, das englische lange Parlament und die konstituirendc Ver sammlung Frankreichs allgemeine Grundsätze zu behaupten suchten. Deutsch land ist glücklich zu preisen, daß es keine verwickelte, metapolitische Aufgabe zu lösen, sondern nichts als die reine, einfache und klare Thatsache ständischer Verfassungen zu bewerkstelligen hat." Wir wollen von den nachfolgenden Aufsätzen (über daS Direktorium, Bonaparte, den deutschen Bund, das preußische Kabinct, die Restauration, die politische Sittlichkeit des Jahrhunderts rc.), unter denen besonders die „Völker- rechtlichen Erschaue" und die „Probleme" reiches Material zur Lösung der Zeitsragcn darbieten, einen hier mitthcilen, der den Standpunkt des Verfassers und seines BucheS vollkommen zur Anschauung bringen wird: Der deutsche Bund. „Stellen wir den Bundestag als eine Versammlung auf, deren Beschlüsse mit der Kraft eines Gesetzes auf die öffentliche Meinung wirken ; was wird erfolgen, wenn die Beschlüsse dieser Amphyktioncn mit dem Willen der mäch tigen oder mächtigeren Minderheit in Widerspruch gcrathen? „Zu der Zeit wie Deutschland, an zweitausend unmittelbare Vasallen um- fassend, sich der vollstreckenden Gewalt eines Oberhauptes erfreute, gab der starke Herzog von Burgund dem Reiche viel zu schaffen. Gegenwärtig sieht man im Bezirke des deutschen Sprachgebiets mehr als einen Selbstherrscher, dem Herzog von Burgund in Mitteln überlegen und dabei an den Begriff unumschränkter Macht gewöhnt. Wer überzeugt uns von der Bereitwilligkeit dieser Gewaltigen, sich dem Urtheilsspruche besoldeter unebenbürtiger Schiedsrichter, ihrer Beamten, ihrer Diener zu unterwerfen? „Ein Bundesstaat, mit Elementen, wie die gegebenen, läßt sich in kein haltbares Ganze zusammen richten, ohne Zumuthung; denn wir kennen nur ein einziges Beispiel in der Weltgeschichte, daß sich ein Gott freiwillig hingab, um ans Kreuz geschlagen zu werden. „Es beuge jedoch, was nichts denkbar ist, Baden sich und Würtemberg und Bayern mit Hannover, Sachsen und den Niederlanden unter den Spruch des Vereins. „Jn welche gegenseitige Beziehung schieben wir Preußen und Oesterreich? Keiner von allen über diese Frage gefaselten Bescheiden hält Stich. „So lange beide Mächte in gutem Vernehmen stehen, ist das künftige Duumvirat, zu dem man fie vermählen will, überflüssig, thöricht, unnütz -, und entzweien fie fich, — so verraucht das Hirngespinnst.