Volltext Seite (XML)
die Idee der Strafe eben so wenig mit Garten-Vergnügungen und gelehrten Studien vereinbaren laßt; es leuchtet aber jedenfalls ein, daß eine zu weit getriebene Nachsicht und Milde den Hauptzweck der Kriminalgcsctze, die Ab- schreckung des Verbrechens, vereiteln muß. In anderen Punkten treten uns in der erwähnten Anstalt so befriedigende Erscheinungen entgegen, wie sie von ihrer Nebenbuhlerin keincSweges dargeboten werden. Das Gefängniß in Phi- ladelphia ist nicht nur kostspieliger in der Anlage, sondern auch weniger pro- duktiv; die Arbeit seiner Bewohner bringt im Durchschnitt kaum vier Dollars monatlich ein, während sie in Charlestown über zehn Dollars, d. h. beinahe so viel, als der Verdienst eines freien Arbeiters beträgt. Man könnte dieses noch allenfalls als Nebensache betrachten; weit bedenklicher sind die Wirkungen, die das pennsylvanische System, nach der Behauptung seiner Gegner, auf die körperliche Gesundheit und das geistige Wohlbefinden der Eingckerkerten her vordringen soll und hie wir hier in ihrem vollen Umfang bestätigt finden. In der Stadt Philadelphia verhält sich die jährliche Zahl der Todesfälle in den Altern von iS—60 Jahren zu der Bevölkerung wie I," zu IVO, im Gcfäng- niß aber wie 2," zu 100; in der Stadt Boston ist die Sterblichkeit 1,-» auf IW, aber im Zuchthause nur I," auf IVO. Dort also befindet sich der Sträf ling gegen die übrige Bevölkerung in bedeutendem Nachtheil, während sein Leben hier gesicherter ist, als das eines freien Bürgers. Was die Anzahl der Geisteskranken betrifft, so find hierüber nur unvollständige Data vorhanden, deren Untersuchung jedoch folgende Ergebnisse liefert: In Philadelphia wur den in den neun Jahren von 1837 bis 1846 (mit Ausnahme von 1842, über welches der Bericht fehlt) im Ganzen IM Fälle von Geisteskrankheit angezeigt, worunter S4 Weiße, d. h. von einer Durchschnittszahl von 226 weißen Gefan» genen verfielen tm genannten Zeitraum nicht weniger als S4 oder etwa sechs Individuen jährlich in Wahnsinn °). In Charlestown beschränkte sich in dieser ganzen Periode die Zahl der Geisteskranken auf zwei! Es stellt sich also ein schlagender Kontrast heraus: in der nach dem pennsylvanischen System ver walteten Anstalt verhielt sich die Zahl der Geisteskranken alljährlich wie 26,-» zu 1000, in derjenigen aber, wo das entgegengesetzte Prinzip befolgt wird, reduzirte diese sich auf das fast unmerkliche Minimum von 0,»» : 1000. Man muß hierbei noch erwägen, daß nach dem Census von 1840 eS im Staate Pennsylvanien verhältnißmäßig weniger Geisteskranke und Blödsinnige gab, als im Staate Massachuffctts. Wenn wir diese Thatsachcn als entscheidend annehmen, so kann unser Urthcil nicht zweifelhaft bleiben. Die Gesellschaft ist zwar befugt, die Ver- letzung ihrer Gesetze zu ahnden, allein cs geht über ihre Vollmacht hinaus, die Strafe des Wahnsinnes über den Schuldigen zu verhängen. Wie groß auch das von ihm begangene Verbrechen seyn mag, so empört sich doch jedes mensch liche Gemüth bei einem solche» Verfahren, und ein Disziplinarsystem, das zu einem so unheilbringenden Resultate führen kann, muß als unzulässig bezeichnet werden. Selbst die Inquisition, die ihre Schlachtopfer zur Folterbank »nd zum Scheiterhaufen verurtheilte, hat die Grausamkeit nie so weit getrieben, sie ihrer Vernunft zu berauben. England. Die englischen Tories über die Februar-Revolution. (Fortsetzung.) Mittwoch, den 23sten, Morgens, gewann der Aufruhr eine noch drohen dere Gestalt; in verschiedenen Theilen der Stadt griff das Volk die Polizei wachen an und suchte die Munizipalgarden zu entwaffnen. Auf mehreren Punkten fielen Schüsse und floß Blut. Bald begann die Nationalgarde — d. h. der schlechtgesinnte Theil derselben, der allein erschiene» war — mit dem Volke zu sraternisircn und stellte sich von neuem an die Spitze der Massen, denen sie so Muth einflößte, während sie die Polizei und die Truppen, die einen Konflikt mit der Nationalgarve zu vermeiden suchten, hinderte, cinzu- schreiten. Ja, mehrere ihrer Bataillons begannen zu berathschlagen und sen- deten Deputationen ab, andere gar drohten, gegen die Tuileriecn zu marschiren und vom Könige die Entlassung der Minister zu fordern. Gegen 2 Uhr sendete der König nach Herrn Guizot, der sich in der Kam mer befand. Der König soll ihn, als er sich einfand, gefragt haben, ob er glaube, daß sich bas Ministerium bei der herrschenden Aufregung und bei der Mißstimmung der Naiionalgarde halten könne? Der Minister soll darauf erwiedert haben, daß eine solche Frage sich von selbst beantworte, und daß es klar sey, daß, wenn der König an der Stabilität und Wirksamkeit des Ministe riums zweifele, Niemand anders demselben sein Vertrauen schenken werde. Als der König nunmehr zu erkennen gab, daß er beabsichtige, den Grafen Mol« zu sich zu bescheiden, äußerte Herr Guizot, vaß Graf Mole zwar ein Staatsmann von vieler Gewandtheit sey, und daß es ihm bei seinen vielen politischen Verbindungen wohl gelingen möge, ein Kabinet zu bilden; es sey jedoch nicht ein Augenblick zu verlieren. Herr Guizot fügte Hinz», daß er, wiewohl nicht mehr Minister, doch bereit sey, uü interim zu handeln und unter seiner Verantwortlichkeit alle Anordnungen, die sich als nothwendig erweisen würden, zu treffen. Jedenfalls, schloß er, sey eine ministerielle Krisis eine neue Gefahr in einer ohnehin bedenklichen Lage, der man um jeden Preis so bald als möglich ein Ende machen müsse. Wir wissen nicht, ob es bei dieser ') Unter den schwarzen Sträflingen ist da- Verhältnis nach größer; sie werden aber in dieser Darstellung nicht berechtigt, weil e« sich hier hauptsächlich um di- Vergleichung der beiden Systeme handelt und in dem Zuchthanse zu Cyarlc-low» entweder gar keine oder doch eine sehr geringe Zahl Neger vorgesunden wurden. oder bei einer späteren Unterredung, die am Abend stattfand, geschah, daß Herr Guizot dem Könige den dringenden Nath gab, dem Marschall Bugeaud das Oberkommando in Paris zu erthcilen. Diese erste Unterredung aber, von der wir so eben berichtet, endigte um 3 Uhr Nachmittags, um welche Zeit Herr Guizot sich auf den Befehl des Königs in die Kammer begab, um derselben auzukündigen, daß Graf Mole mit Bildung eines neuen Ministeriums beauf tragt sey. Allein die Ankündigung einer Aenderung des Kabincts beschwich tigte kcinesweges die Aufregung; sic wurde im Gegentheil, wie sich das voraussehen ließ, als ein Beweis der Schwäche des Königs betrachtet. Mittlerweile schlug sich auf verschiedenen Punkten der Stadt das Volk mit der Munizipalgarde herum, die, so tapfer sic sich vertheidigte, größtentheils entwaffnet ward. Ein ernsthafterer Konflikt fand um 10 Uhr Abends vor dem Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten statt, vor welchem, um es zu beschützen, eine Abtheilung Truppen aufgestellt war. Eine wüthende VolkS- maffe hatte sich daselbst angchäuft, aus der plötzlich ein oder zwei Schüsse — wie die Volkspartei behauptete, waren ein paar Gewehre zufällig losgegangen — auf die Truppen fielen. Das Pferd des kommandirenden Offiziers wurde der- wundet, ein Soldat getödtct. Die Truppen, aufgebracht bereits durch Verhöhnungen, gaben, als sie ihren Befehlshaber und ihren Kameraden fallen sahen, eine volle Salve, die 20-30 Personen niederstrcckte. Es war ein unglücklicher Zufall, daß eine solche an sich bcklagenswcrthe Scene gerade vor dem Ministerium des Auswärtigen statthaben mußte. Aus der Art jedoch, wie dieser Vorfall sofort benutzt wurde, ergicbt sich, daß das Volk Führer hatte und wer diese Führer waren. Das Interesse der Journalisten, die Auf regung, die sie verursachen halsen, nicht schwinden zu lassen, und die Furcht, die sie hegen mußten, daß dieses durch die Ernennung des Grafen Mole dennoch geschehen möge, bezeichnet sie in Verbindung mit den späteren Vorgängen als diese Führer. Nachdem der Reviewer seine Vermuthung, die eigentlichen Leiter der Vc« wcgung seyen die Schriftsteller des und der kvtormv gewesen, durch eine einer gleichzeitigen Broschüre entnommene Erzählung des in Rede stehen- den Vorfalls, die wir jedoch hier übergehen müssen, näher zu begründen ge- sucht hat, fährt er fort: ' Die Katastrophe wurde alsbald zu einer jener theatralischen Schaustellun gen benutzt, in welchen die französischen Revolutionaire so große Meister find. Es wurde eine Art offenen Wagens hcrbeigeschafft, in dem man vier oder fünf der entseelten Körper in Parade, bei Fackelschein und unter Absingung dcS clmnc <Ie8 I»orr8 durch die Stadt zog. Dieser Zug ging unter Umständen vor sich, von denen einige bcmerkenswerth sind. Er begab sich zuerst zum Büreau des wntionsl, der sich selbst rühmt, das Hauptquartier der Revolution ge wesen zu seyn. Dort befand sich zufällig Herr Garnier. Pages, gegen wärtig Mitglied ver provisorischen Regierung, sammt Herrn Marrast, der ebenfalls Mitglied der provisorischen Regierung ist. Als der Zug erschien, hielt Herr Garnier. Pagi-S eine feurige Anrede an das Volk, worin er demsel. den Rache zuficherte. Vom ßkstionsl zog man weiter zum Büreau der Ue- korme, wo Herr Flocon, ebenfalls Mitglied der provisorischen Regierung, eine kraftvolle Ansprache an die Volksmassen hielt und ihnen Gerechtigkeit ver- sprach. Von dort ging eS zum Bastilleplatze, und hier, am Fuße der Juli säule, ließ man die Leichen, die nunmehr ihre Dienste geleistet hatten, blS zum nächsten Tage unbegraben liegen. Es gebricht uns zu sehr an Raum, um uns ans das Detail des weiteren Kampfes einlaffen zu können, der übrigens kcinesweges so unbefleckt von Aus. schwcifungen des Volks blieb, als man vorgegeben hat. Wir haben vielmehr durch Augenzeugen erfahren, daß mehr als Eine Scene der Grausamkeit statt- hattc, über welche die Zeitungen jedoch schweigen. Verhältnißmäßig allerdings hielt sich die Revolution in den Schranken der Mäßigung (oomparsliveh orstorl> rinl), sie zeigte sich gemäßigter als die Juli-Revolution, die ihrerseits nicht die Schreckenssccncn vom August und September 1702 aufzuweisen hatte. Es mochte diese Mäßigung bei den Februar-Ereignissen ihren Grund wohl hauptsächlich darin haben, daß beinahe gar kein Widerstand zu überwinden war, denn nur die Munizipalgarde kämpfte, während die Nationalgarde im Gegentheil den Aufrührern ihren Schutz verlieh. Wir wenden uns nunmehr wieder zu den Tuileriecn, um zu sehen, was daselbst Mittwochs Nachmittag geschah. Der König, wie wir erzählten, hatte nach dem Grafen Mole geschickt, und dieser den Austrag, ein neues Kabinet zu bilden, angenommen. Der Abend wurde von ihm dazu benutzt, sich dieses Ge schäftes zu entledigen; seine Bemühungen scheiterten jedoch, und etwa um Mitternacht gab er die Vollmacht, die er nur mit Widerstreben angenommen, zurück. Donnerstag, Morgens, um ein Uhr ungefähr, ließ hierauf der König Herrn Guizot abermals rufen und theilte chm seine Absicht mit, Herrn Thiers mit der Bildung eines Ministeriums zu beauftragen. Auch hatte er sich endlich entschlossen, dem Marschall Bugeaud das Ober-Kommando über die Truppen anzuvertrauen, welches der Letztere auch annahm. Um 3 Uhr Morgens war die Anstellung des Marschalls im Uunicour gedruckt, und Bugeaud wegen eines OperationSplancS bereits mit sich einig. Diesem eben so kühnen als einfachen Plane nach wollte er sogleich und noch während der Nacht mit überwältigenden Infanterie - und Artillerie-Massen die Barrikaden stürmen und noch vor An bruch des Morgens die Stadt von ihnen säubern. Wir wissen nicht, ob dieser Plan eine große Wahrscheinlichkeit des Gelingens für sich hatte; wir zweifeln vielmehr daran, wenn wir der Erfahrungen der Jahre 1830 und 1832 ge- denken; wie dem aber auch sey, der Marschall war bereit, Hand ans Werk zu legen, und die Truppen, die dazu nöthig waren, standen zu seiner Verfügung da. Kaum hatte Bugeaud sein Kommando übernommen und sich entfernt, um seinen Plan auSzuführen, als Herr Thiers erschien; die einzige Bedingung, die