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208 zubrachte, und die neue Familie wuchs und gedieh wie die andere. Im Jahr 1749 bestand die Bevölkerung im Ganzen aus achtzehntausend Seelen." So war das Volk beschaffen, über dessen Schicksal die Provinzial-Regie rung des britischen Nord-Amerika zu verfügen hatte. Der Krieg mit Frank- reich war ausgebrochen, der General Braddock hatte in den Urwäldern Penn- sylvaniens eine totale Niederlage erlitten, die Indianer halten die Partei der Franzosen ergriffen und die englischen Gränzkolonieen schienen ernstlich bedroht. Man fürchtete, daß die Acadier sich ihren kanadischen Stammverwandten an- schlicßen und mit tbnen vereint die britischen Niederlassungen überfallen wür den, und beschloß daber, sse unschädlich zu machen. Die ganze Bevölkerung von Acadien sollte aus ihren Wohnsitzen vertrieben und nach den anderen Provin zen übergefiedelt werden. Es war der Gouverneur Lawrence von Massachus- settS, der den Plan dazu erdacht hatte, und die Ausführung wurde der ncu- engländischen Miliz übertragen, die das Land noch immer besetzt hielt. Man wollte die Bewohner der verschiedenen Distrikte an einem bestimmten Tage zu- sammenrufen, ihnen den Befehl des Gouverneurs vorlesen, sie dann zu Gefan genen erklären und auf die bereitliegenden Transportschiffe bringen. Der Oberst Winslow, in dessen Briefen man einige merkwürdige Details über diese Begebenheit findet, marschirte mit einer Truppen-Abtheilung nach Grand-Pro, an der Bucht von Minas, wo er um die Mitte August eintraf. Da die Acrndtc noch nicht beendigt war, so mußte er die Ausführung der ihm zugcgangencn Instructionen eine Zeitlang verschieben; am 2. September jedoch erließ er eine Proclamation, in der er alle erwachsenen Männer des Bezirks, so wie alle Knaben über zehn Jahre, aufforderte, sich am Sten desselben Mo. nats um lk Uhr Nachmittags in der Kirche von Grand-Pr« cinzusindeu, indem er ihnen wichtige Nachrichten mitzuthcilen habe. Es erschienen auch wirklich 418 Mann; sie wurden sogleich von Bewaffneten umringt, und durch eine An rede, die ihnen Winslow hielt, erfuhren sie das ihnen bevorstehende Loos: Ihre sämmtlichcn liegenden Güter wären zu Gunsten der Krone konfiszirt, sie selbst wären seine Gefangenen und würden mit ihren Weibern und Kindern aus der Provinz entfernt werden. Ehe aber die Transportschiffe erschienen, an denen cs noch fehlte, batten sie mit den härtesten Entbehrungen zu kämpfen, da man täglich nur zwanzig Personen auf einmal erlaubte, nach ihren Wohnun gen zurückzukehrcn und sich Mundvorrath zu holen. Am Iv. September sollte endlich die Einschiffung vor sich gehen. Man hielt es für rathsam, die jünge ren Männer zuerst an Bord zu schaffen; hundertcinundscchzig wurden zu die sem Zwecke ausgewählt, und als sic erklärten, sich nicht von ihren Familien trennen zu wollen, erhielten die Soldaten Befehl, sie mit dem Bajonnett auf die Schiffe zu treiben. Der Gewalt weichend, näherten sie sich mit langsamen und zögernden Schritten dem Ufer, weinend, betend und geistliche Lieder sin gend; längs dem Wege lagen Schaarcn von Weibern und Kindern auf den Knieen und begrüßten die Scheidenden mit Thränen und Segenswünschen. Dann wurde auch ein Theil der älteren Leute unter ähnlichen Trauerbczeugungen cingeschifft, bis die im Hasen befindlichen fünf Transportschiffe mit diesen Un glücklichen beladen waren. Die übrigen Einwohner des Bezirks mußten die An kunft anderer Fahrzeuge abwartcn und wurden bis dahin in Gewahrsam gehal ten, so daß es acht bis neun Wochen dauerte, ehe die Einschiffung vollendet ward. In mehreren Distrikten leisteten die so unvermuthet Ucbcrfallenen Wider stand, und um ihren Gehorsam zu erzwingen, schritt man zu den grausamste» Maßregeln. Ihre Häuser und Kirchen wurden der Erde gleich gemacht, ihre Scheunen verbrannt und ihre Felder verwüstet. Viele flohen in die Wälder, wo sic sich den Indianern anschloffen, einige entkamen nach Kanada, und nicht wenige starben vor Mangel und Elend. Die gemischte Bevölkerung des Ge bietes MadawaSka, zwischen Neu-Schottland und Maine, besteht aus Nach kömmlingen acadischer Flüchtlinge und indianischer Stämme. Die aus ihrer friedlichen Heimat entführten Acadier wurden nach den bri tischen Äolonieen an der Seeküste gebracht und unter die Staaten Massachus- setts, New-Aork, Marpland, Carolina und Georgien verthcilt. In der Eile und Verwirrung, womit dieses vor sich ging, konnte man es nicht verhindern, daß Familien von einander getrennt und an verschiedenen Punkten gelandet wur den. ES traf sich auf diese Weise, daß Mitglieder einer Familie, die sich nach cnt- scrntcn Gegenden versetzt sahen, ihr ganzes Leben in fruchtlosen Versuchen zudrach- ten, sich wieder zusammcnzufinden. Die grausamsten Leiden mußten allein aus diesem Umstande entsrringen, der sich zu den früheren SchreckenSscenen gesellte, um eines der traurigsten Biwer in der Geschichte der Menschheit hcrvorzubrin- gen. Ein friedliches, frommes und glückliches Völkchen, von einfachen Sitten und im Wohlstände, ja, im Nederfluffe lebend, wird plötzlich von seinen Wohn stätten gerissen, seine Besitzungen werden cingezogen, seine Dorfschastcn ge plündert, seinc Kirchen entweiht und verbrannt; Alt und Jung werden an Bord von Fahrzeugen gebracht, die von allem Röthigen entblößt und kaum mit Lebensmitteln versehen find; der Gatte wird von seinem Weibe, der Vater von seinen Kindern getrennt und unter den Stürmen eines nordischen Herbstes, beim Anbruch des Winters, nach entlegenen Regionen geschleppt, um den Rest ihres kummervollen Lebens unter einem Volke zu verbringen, das sich zu einem anderen Glauben bekennt, eine andere Sprache redet, und dem die un glücklichen Fremdlinge aus religiöser wie aus nationaler Antipathie verhaßt find. Das beklagcnSwerthe Geschick der Acadier ist von dem auch in Deutschland und namentlich den Lesern des Magazins nicht unbekannten amerikanischen Dichter Longfellow zur Grundlage eines cpisch-lprischcn Gedichts erwählt worden, dessen Titel wir oben angeführt haben und dem die dorrst .4mm-iom> tievierv einen langen höchst anerkennenden Artikel widmet- Die Heldin, Evangeline, ist die Tochter eines Bewohners von Grand-Pro, und die Ver lobung derselben mit ihrem Geliebten, dem jungen Gabriel, Sohn des Schmie des Bafil, findet in dem Augenblicke statt, als Winslow mit seinen Schergen die friedliche Gemeinde überfällt. Mit der Zerstörung des Dorfes und der Einschiffung der unglücklichen Gefangenen schließt der erste Theil des Gedichts. Der zweite spielt in den Kolonieen, wohin man die Acadier verwiesen hat; die Liebenden find getrennt worden, manch' trübes Jahr ist vergangen und Evan geline, von unbestimmten Gerüchten über den Aufenthalt ihres Verlobten ge leitet, folgt ihm über die Gebirgskette des Allegbany den Ohio »nd Mississippi hinab nach Louisiana, damals noch eine französische Besitzung. Hier findet fie Basil, der, von einer Gesellschaft seiner acadischen Landsleute umgeben, den Ackerbau betreibt; Gabriel aber, mit gebrochenem Herzen und ohne Hoffnung, die Geliebte wiedcrzuschen, hat sich den indianischcn Jägern im Ozark-Gebirge angeschloffcn. Auch dorthin folgt ihm Evangeline, von seinem Vater begleitet; in der spanischen Niederlassung AdapeS erfährt fie, daß Gabriel fich erst den Tag zuvor in die Prairieen des Westens begeben habe — sie eilt ihm nach, aber stets ist ihr Gabriel voraus, bis ihre vergeblichen Nachforschungen an den Scen des St. Lorenz ihr Ziel finden. Gabriel ist und bleibt verschwunden. Nach jahrelangem Suchen kehrt Evangeline zuletzt nach Philadelphia zurück, wo sie in den Orden der barmherzigen Schwestern tritt, nm den Neberrcst ihrer Tage dem Wohle ihrer Mitmenschen zu opfern. Als eine epidemische Krank heit in der Stadt auSbricht, wartet sic Tag und Nacht in den Hospitälern — und so geschieht cs, daß man ihr einen Sterbenden bringt, einen alten Mann, mit dünnen grauen Haaren aus der Scheitel, in welchem sie den Geliebten ihrer Jugend erkennt. Sein trübes Auge vermag nicht mehr ihre Züge zu unterscheiden, aber er vernimmt noch einmal die wohlbekannte Stimme, flüstert noch einmal den tbeurcu Rainen nnv baucht in ihren Armen sein Leben auö. Das Gedicht ist in Hcrametern geschrieben, welches Versmaß der Ver fasser mit vieler Geschicklichkeit behandelt. Wir müssen jedoch gestehen, daß es uns eine Form scheint, die sich mit dem Geiste der englischen Sprache nicht ganz verträgt, und selbst daS unleugbare Talent Longfellow'S hat dic Schwie rigkeiten nur tbeilweisc überwinden können, die ihm das Idiom rntgegenstellt. Als Probe mögen folgende, höchst graphische, Zeilen dienen; sie enthalten eine Schilderung des sogenannten indianischcn Sommers, einer Jahreszeit, die man bei uns auch wohl den „Alten-Weiber-Sommer" zu nennen pflegt; Mannigfaltiges. — Englische Denkschrift über Schleswig - Holstein. In der vorigen Woche ist in London unter dem Titel; „Denkschrift über dic constitu- tionellcn Rechte der Herzogthümcr Schleswig und Holstein" eine Broschüre in englischer Sprache auSgegcben worden, dic sehr viel dazu beigctragcn, die öf fentliche Meinung in England, welche von dänischer Seite überaus irregeleitet war, über den Stand der Fragc aufzuklären. °) Die Schrift, vom preußischen Gesandten, Herrn Bunsen, dcm Minister der auswärtigen Angelegenheiten, Lord Palmerston, überreicht, und außerdem allen Parlaments-Mitgliedern zu gesandt, ist vom 8. April 1848 datirt. Hinzugcfügt ist eine Nachschrift vom IS. April über die neueren Verhandlungen des deutschen Bundes, so wie cine Abhandlung des Herrn v. Gruner über die dänische Frage und endlich eine Uebersctzung sämmtlicher offiziellen Aktenstücke. Als Herausgeber ist Herr Otto v. Wenckstern genannt. Es heißt in der Denkschrift unter Anderem; „Die beidenHerzogthümcr sind seit undenklicherZeit, alsThcilc einer und dersel ben Familie, miteinander vereinigt und haben seit Jahren, mitten unter dem Wechsel von Fürsten und fürstlichen Familien, ihre constitutioncllc Un abhängigkeit behauptet, und zwar sowohl gegen dic stets erneuerten An griffe der Dänen, als gegen dic Versuche der herrschenden Dpnastic, diese Län der auf gleiche Weise wie daS Königreich Dänemark zu beschränken, welches Letztere immer cinc sehr eingeengte politische Freiheit hatte und seit die einzige vollkommen absolute Monarchie in Europa war." X Memoir nu tl,o konktitotlonol os Nu: No-IU-8 of o»U Hol- «item. L-vmInn, 1848. Wegen des allgemeinen Stillstandes der Berliner Pressen hat die ses Blatt nicht schon in voriger Woche erscheinen können, doch soll auch in diesem Jahre dic richtige Anzahl (Mt») Nummern geliefert werden. Hcrausgcgcbkn unv rcdigirt von I. Veh mann. Im Verlage von Veit »i.- bomp. Gcdruckt bci A. M. Hayn.