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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. PränumerationS-PreiS 22 j Silbergr. THIr.) vierteliährlich, 3 THIr. für daS ganze Jahr, ohne Erhöhung, in alle» Theilen der Preußischen Monarchie. Magazin für die Pränumerationen werten von jeder Buchhandlung (in Berlin bei Veit u. Comv., Jägerstraße Nr. 25), so wie von allen Äönigl. Post.Aemlern, angenommen. Literatur des Auslandes. 35. Berlin, Dienstag den 2l. März 1848. -es Magazins. Äuch wir begrüßen die Stunde, in welcher der deutschen Presse ihre Würde zurückgegeben worden, mit einem freudigen Willkommen! Nicht als ob wir selbst bisher in unserer Wirksamkeit so eingeengt und beschränkt gewesen, daß wir unseren wahren Ge sinnungen nicht hätten Raum geben können; unsere Leser werden uns vielmehr das Zeugniß geben, daß wir, der Ccnsur ungeachtet, uns immer eine unabhängige freie Stellung zu bewahren wußten, uns keinem Gedanken verschlossen, der einen Fortschritt auf dem Ge biete des Geistes bezeichnete. Also nicht unser persönliches Interesse ist eS, was uns das Geschenk der Preßfreiheit in einem so freu digen Lichte erscheinen läßt. Wohl aber mußte eS gerade uns, deren Aufgabe das Studium fremder Literaturen ist, immer ein be schämendes Gefühl seyn, überall unter den freien und civilisirten Völkern Europa's den menschlichen Geist in seiner unmittelbarsten Darlegung: das durch die Presse verbreitete Wort, in seiner vollen Berechtigung anerkannt zu finden, während ihm in Deutschland, dessen tief im Volke wurzelnde Gesittung von keiner eines anderen Landes übertroffen wird, durch die Censur ein Vormund bestellt war, — ein Vormund, wie man ihn in anderen Ländern nur dem Zustande des mangelnden oder unvollständigen Gebrauches der Geisteskräfte setzt. Darum Heil! dreimal Heil! der Stunde, in der der deutschen Presse ihre Würde zurückgegeben worden! Heil den deutschen Regierungen, die in dem vollen Vertrauen zu ihren Völkern die festeste Stütze der deutschen Macht und Einigkeit erblicken, und die nun dem Volke nicht blos die Gelegenheit geben, seine politische Erziehung zu vervollkommnen, seine Ansichten ausznklären uno iei»e wahren materiellen und geistigen Bedürfnisse kennen zu lernen, sondern auch durch Gestattung der Rede- und Preßfreiheit der verstän digen Mehrheit des Landes die Möglichkeit gewähren, sich lauter, zuversichtlich und bestimmt auszusprechen. England. Aus Shelley's Leben. Shelley hat vor kurzem einen neuen Biographen in einem seiner Vcr- wandten, Thomas Medwin, gefunden, dessen Lebensbeschreibung dcS früh verstorbenen Dichters im verflossenen Jahre in zwei Bänden erschienen ist.") DaS Leben Shcllep'S ist, seinen Hauptmomcntcn nach, auch in Deutschland so bekannt, daß wir uns — anstatt einen vollständigen Auszug aus dem Medwinschen Werke zu liefern — damit begnügen zu dürfen glauben, daß wir aus demselben einigt derjenigen Züge hcraushcbcn, die entweder neu oder doch weniger bekannt sind. Herr Medwin beginnt, wie das englische Sitte ist, mit Shelley's Stamm- bäum, welchen er bis auf die Zeiten Richard's II. zurücksührt, um endlich, so methodisch und langsam als möglich, vom Großvater seines Helden auf dessen Vater und von diesem auf den Helden selbst zu kommen. Shelley's Vater wird uns als ein Schüler Chcstcrficld'S und Larochefoucauld'S geschildert, als ein Mann, der alle Bildung in äußere Formen gesetzt und die Moral auf die Konvcnienz gegründet habe. Obgleich er seine Dienstboten fleißig in die Kirche gehen lassen, habe eS ihm selbst doch an aller Religion gefehlt, derge stalt, daß unser Biograph keinen Anstand nimmt, den späteren Skeptizismus des Sohnes, wenn nicht her väterlichen Lehre, doch dem väterlichen Beispiel zuzuschreibcn. Herrn Medwin'S Held war einmal nicht dazn bestimmt, ein Glaubensheld zu werden. Nachdem ihm die Ansangsgründe der lateinischen und griechischen Sprache im älterlichcn Hause beigebracht worden waren, wurde er nach Sion-House, einer PcnfionSanstalt in Brentford, geschickt, auf welcher Anstalt Herr Medwin, der etwas früher dorthin gekommen war, ihn kenne» lernte. Shelley geriet- hier unter einen Haufen verwilderter Buben, die ihn, je weniger er ihnen glich, um so mehr tprannifirtcn; was Wunder, daß er in Gedanken stets zu Hause und bei seinen Schwestern war, die er zärtlich liebte. Auch von dem Unterrichte in Sion-House weiß Herr Medwin nicht viel Rühmliches zu erzählen. „Unser Lehrer, ein schottischer Doktor der Rechte" — sagt er — „war ein höchst cholerischer, alter Mann, dem eS zwar nicht an guten Eigenschaften mangelte, der aber außerordentlich launisch war. Er war im Griechischen und Lateinischen leidlich bewandert, und Homer sein ekeval ü« K-uaille. Einige Tragödien deö Aeschplus erponirte er auf seine Weise ganz TI>« Ufo ok l-ercx Lxssdv kliellex. 65 Titows» UeS«w. lo 2 vol«. llwoSon, 1847. — Unsere geehric Mitarbeiterin, Frau Louise v. Plönnie«, Hal von diesem Werke, unter den Augen deS Berfaffers, eine deutsche Uedersehung veranstaltet. gut, auch einige des Sophokles und Euripides, wobei er jedoch den Tert stets als unverdorben annahm, so daß er sich von keiner der korrumpirten Stellen aufhalten ließ, sondern, allen Hindernissen trotzend, weiter ging. Bei der Lesung der Geschichtschreiber wußte er sich jeder Digression über Sitten und Gebräuche der Alten, über ihre Geographie u. s. w. zu enthalten. Was seine lateinischen Verse betrifft, so waren sie durchaus original und erinnerten we der an die des Virgil, noch an die des Ovid. Es ist kein Wunder, daß dieser würdige Pädagoge Shelley keine beson- dere Liebe zum Alterthume einflößte, und daß der Letztere in der Kunst, latei nische Verse zu machen, die auf den Lehranstalten der Engländer eine so große Rolle spielen, keinen besonderen Fortschritt machte. Zurückgestoßen von der Pedanterie eines Lehrers, der nichts ahnte von dem Genius, der seinem Zöglinge innewohnte, gemieden von seinen Gefährten, deren Roheit ihn anwidcrtc und die er seinerseits mied, zog der Knabe sich in sich selbst zurück und lebte seinen Träumen. „Er galt" — erzählt Herr Medwin — „unter seinen Schulkame raden für ein eigenes, ungeselliges Wesen; denn wenn wir Anderen an einem Festtage Spiele trieben, wie der enge Hof unseres Gefängnisses sie gestattete, so nahm Shelley niemals daran Theil, sondern schritt — ich sehe ihn noch — an der südlichen Hofmaucr auf und ab, versenkt in Träumereien, in denen vielleicht die chaotischen Elemente zu jenen schönen Welten lagen, die er später aus ihnen schuf. Ich war der Einzige in der Schule, dem er seine Leiden klagen oder mit dem er seine Gedanken auStauschcn konnte, und er war dank bar dafür, daß ich, obwohl einige Jahre älter, mir ihn zum Gefährten aus suchte, denn man weiß, daß eS bei Knaben eine Art von Herablassung ist, wenn sie mit jüngeren umgehen. Wenn wir dann auf seinem Lieblingsplätzchen auf« und niederspaziertcn, schüttete er all' sein Herzeleid in meinen Busen aus und zwar mit Beobachtungen, die weit über sein Alter gingen und die einem Leben vor der Geburt (anre. nstsi gfe) — wie er später ein solches auuahm — an« zugehoren schienen." Einige Jahre später kam Shelley nach Eton, wo damals der PennaliSmuS in voller Blüthe stand. „Der so zart organisirte Knabe, mit dem nervöse», melancholischen Temperament, dessen Genius eine Art von Krankheit war, litt dort", sagt Herr Medwin, „auf jede erdenkliche Weise. Allein wie die Märtyrer, die auf der Folterbank zu lächeln vermochten, suchte er in seinen Gedanken, in dem Himmel seiner Seele, eine Zuflucht, und vielleicht war es dieses innere Leben, das ihn aus jene Mysterien brachte, an denen er späterhin mit so uner schütterlichem Glauben hing." In den Sommer 1809 fällt Shelley's erste Liebe; seine Cousine, Harriet Grove, war eS, die sein Herz gewann. In demselben Jahre auch dichtete er seine erste Novelle „äarwrorri"; einige Kapitel derselben hatte seine Geliebte geschrieben. Auf Jastrozzi folgte nach einer kurzen Pause „St. Jvryn oder