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Wöchrnttich »ich»»»! drei Nummern. Prönunttrittivn-Prei- 22z Silbergr. (t Thlr.) vierleljädrlich, z THIr. für LaS ganze Jahr, ohne Erhöhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie. agazin für die Man »ränumeriri auf diese- Literatur- Blatt in Berlin in der Expedition der Mg. Pr. Staat--Zeitung (Friedrichs- Straße Nr. 72); in der Prooinz so wie im AuSIande bei den Wohllödl, Post-Aemtern. Literatur des Auslandes. US. Berlin, Montag den 26- September 1842. Schweiz. Die Gletscher-Erpedition der Herren Agassi; und E. Desor. Bei dem Studium der Gletscher kommt man, wie auch der besondere Theil des Phänomens, das man studirt, beschaffen sepn mag, immer auf eine und dieselbe Frage zurück; nämlich auf die Frage über das Fortrückcn der Gletscher. Es ist bekannt, daß die Meinungen hierüber zu jeder Zeit sehr getheilt gewesen sind. Die meisten Naturforscher haben behauptet und behaupten heutzutage noch mit de Saussure, daß die Gletscher auf ihrer unteren Fläche durch die Wirkung der Erdwärme schmelzen, und daß sie, wenn sie so ihres Zusammen hanges mit dem Boden beraubt find, herabgleitcn und in die unteren Regionen steigen. Selbst Benetz berichtet in seiner merkwürdigen Abhandlung über die Veränderung der Temperatur auf den Alpen einige Thatsachen, welche dieses Herabgleiten zu bestätigen scheinen. Die Herren Charpentier und Agasfiz haben sich ihrerseits dieser Meinung widersetzt und die Behauptung ausgestellt, daß das Fortrllcken der Gletscher vielmehr durch die Ausbreitung des in den Kapilarspalten des Eises täglich infiltrirten Wassers entstehe. Nach Herrn Agasfiz würde ein Herabgleiten unmöglich scpn, weil die Gletscher auf ihrem Grunde gefroren find, und nach einer natürlichen Schlußfolgerung leugnet er die schmelzende Wirkung der Erdwärmc. Diese Behauptung ist in der That die wahrscheinlichste, und viele Naturforscher hatten die Richtigkeit derselben anerkannt; aber es fehlte ihr an direkten Beweisen. Diese Beweise find jetzt gefunden. Herr Agasfiz sagt; wenn die Erdwärme, welche die Gletscher an ihrer Basis angeblich schmilzt, das Herabgleitcn derselben dadurch bestimmt, so muß diese Wirkung in allen Jahreszeiten und unabhängig von den Oscillationen der Temperatur der Atmosphäre stattfinden; und wenn dies der Fall ist, so müssen die Gletscher im ganzen Jahre, sowohl im Sommer als im Winter, Wasser liefern. Schon de Saussure hatte denselben Schluß gemacht; um zur Gewißheit hierüber zu gelangen, begab er sich während des Winters in das Thal Chamouni und beobachtete daselbst den Zustand der Gletscher, und nicht ohne eine geheime Freude sah er ziemlich beträchtliche, wenngleich nicht so reichliche Ströme, als im Sommer sich herabgießen. Nun schien ihm die Frage gelöst zu scpn, und so hat man sie auch bisher betrachtet. Wenn man jedoch bedenkt, daß die Gletscher gewöhnlich auf dem Grunde tiefer Thäler liegen, so ist die Annahme natürlich, daß die Quellen, die in dem Innern des Berges zirkulircn, sich dorthin ergießen müssen. Das Vorhandenseyn des Wassers beweist also nicht ausdrücklich, daß cs durch das Schmelzen des Glet schers entsteht. Wenn hingegen die Wirkung dcr Erdwärme sich im Winter wie im Sommer äußert, so muß sie sich auch auf alle Gletscher erstrecken, und keiner darf trocken sepn. Folglich würde ein einziger, dcr kein Wasser gäbe, hinreichen, die Theorie dcr tellurischen Wärme gewissermaßen umzustürzen. Ferner hat das Glctscherwaffer einen von dem Quellwasser verschiedenen, eigenthümlichen Charakter; cs ist immer mit Erdtheilcn untermiicht, die cs von dem Schlamm- und Sandlagcr, das sich zwischen dem Gletscher und dem Felsen befindet, mit abreißt. Alle diese Eigenthümlichkciten müssen fich auch im Winter wiederfinden, während das Qucllwasser, wenn fich solches daraus ergösse, immer klar und rein bleiben müßte, sobald es fich sein Bett gebildet hätte. Dies find die Schlüsse, welche Herr Agasfiz machte; und um genaue Untersuchungen darüber anzustellen, so beschloß er, eine Winterrcise nach den Gletschern des Bernischen Oberlandes zu unternehmen. Wir theilten unseren Plan im Monat Januar dem Herrn Zpbach mit, der uns jedoch davon abzurathcn suchte; da er aber den festen Entschluß des Herrn Agasfiz bemerkte, so versprach er, mit allen Kräften uns bei dieser Un ternehmung zu unterstützen. Herr Agasfiz schrieb nun im Anfänge des Monats Februar seinen Führern, Jakob Leuthold und I. Währen, daß sie uns erwarten sollten. In diesem Monate ficl dieses Mal so viel Regen, daß wir täglich unsere Hoffnung sich erneuern und wieder verschwinde» sahen. Da zu dieser Zeit die Temperatur, besonders in der Schweiz, sehr unbeständig ist, so verzweifelten wir fast an dcr Ausführung unseres Planes. Endlich ward der Himmel heiter, die Luft war kalt, und der Horizont schien schönes Wetter anzukündigcn. Wir traten daher am 8. März unsere Reise an. In Bern und Thun erschien unser Vorhaben so sonderbar, daß uns Nie mand glauben wollte, als wir sagten, wir hätten die Absicht, den Aargletscher zu besuchen. Obgleich die Ueberfahrt über den Thuner und Brienzer See im Winter sehr langwierig ist, so hofften wir dennoch in zwei Tagen den Grimsel zu erreichen. Das Postschiff, welches im Winter täglich von Thun nach Un terseen geht, war schon abgefahren, als wir in Thun ankamen. Wir mußten also eine Privatbarke miethen, um uns auf die gegenüberliegende Seite des SecS fahren zu lassen. Der See war außerordentlich hell, seine Spiegelfläche vollkommen ruhig; und die Uferberge, die sich in dem Wasser spiegelten, waren eben so unbeweglich, als die Felsenmasscn, deren Bild die Fluchen zurück warfen. Die Temperatur des SeeS war, um I Uhr Nachmittags, -4- 4° des hundcrttheiligcn Thermometers; die Luft hatte -1-8". Man hätte es für wärmer halten können; der Himmel war ganz heiter, und in dcr Atmosphäre herrschte schon jene belebende Frische, die, als Vorbote des Frühlings, die Nerven viel empfänglicher macht. Die berühmte BeatuShöhle, an der wir vor beisegelten, erinnerte uns lebhaft an die reizende Legende, die sich daran knüpft. Wir sahen im Geiste diesen Apostel vor seiner Grotte knieen, für die Bekehrung seiner Mitbürger beten, und es würde uns in unserer damaligen Stimmung nicht schwer geworden scpn, an die wunderbare Geschichte seiner Prophezeiung zu glauben; denn es ist und bleibt wahr, daß Poesie und Glaube Schwestern sind. Nach einer dreistündigen Fahrt landeten wir am Gasthofe zu Neuhaus, wo Alles wie ausgestorben war. Zum Glück trafen wir noch den Boten an, dcr unsere Sachen nach Interlaken transportiren konnte. Der Brienzer See war so schön wie im Sommer. Wir sahen mit Er staunen, daß dcr Schnee auf dem rechten Ufer des Sees größtentheils ver schwunden war, während die Anhöhen noch weiß waren. Der Rasen hatte schon einen srühlingSartigen Anstrich, und die Bäume schienen Knospen treiben zu wollen. Dieser Kontrast fiel uns um so mehr auf, da wir nicht denken konnten, daß der Frühling in einem am Fuße der Gletscher gelegenen Thale so weit vorgerückt wäre. Später erfuhren wir, daß die mittlere Temperatur in Brienz wirklich höher ist, als in Bern. Der Gicßbach, der im Sommer so wasserreich ist und dessen Geplätscher so weit tönt, war jetzt ganz stumm; wir erkannten seine Stelle nur an einigen Eisschollen, welche wie große Orgelpfeifen von dem Felsen in den See herabrolltcn. Dagegen entdeckten wir auf dem rechten Ufer des Sees, nicht weit von Brienz, eine große Kas kade, die aus einer Höhe von ungefähr lOO Fuß yerabstürzte. Wenn ich mich nicht irre, so führt sie den Ramen Brienzer Bach. Dieser Wasserfall dauert so lange, als es Schnee auf dc» Brienzer Bergen gicbt, d. h. gewöhnlich bis zum Monat Mai; sodann hört man auf dem linken Ufer das Geräusch des Gießbachcs, des OldschibacheS, des Olmcrbaches u. a., so daß jeder Monat seine besonderen Wasserfälle hat. Von Brienz reisten wir noch denselben Abend nach Meyringen, wo wir um 8 Uhr bei unserem Freunde, dem Herrn Zybach, ankamcn, den wir schon im Bette fanden. Wir trafen »och alle Anstalten zur Abreise auf den folgen den Tag, und Herr Zybach versprach uns, bis an das Hospiz uns zu be gleiten. Früh uni 6 Uhr gingen wir in Begleitung der bciven Diener des Herrn Zybach, die unser Gepäck und unserere Lebensmittel trugen, nach dem Grimsel. Wir maßen unter der Brücke von Mcyrinaen die Temperatur und fanden 2j" nach Celsius. Das Wasser des Flusses war etwas trüb, aber nicht so milchfarbig wie im Sommer. Zu Im Grund und in dem kleinen Dorfe Boden bei Guttannen holten wir unsere Führer I. Währen und Jakob Leuthold ab. Dcr Vater des Letzteren prophezeite uns kein günstiges Wetter. Bis hierher war der Weg gut gewesen, und der Schnee war nicht zu dicht, so daß wir ohne viele Mühe reisen konnten. Nur einige von den Lawinen verschüttete Stellen machten uns Schwierigkeiten. Der Schnee der Lawinen besteht aus ungeheuren Schneebällen und ist nicht sehr fest. Man erkennt schon von fern diesen Schnee an seiner schmutzigen Farbe, die von den Erdtheilcn hcrkommt, die von dcr Lawine mit fortgcrissen werden. Es giebt gewisse Stellen, die, nach ihrer größeren oder kleineren Abschüssigkeit, mehr oder weniger zur Bildung von Lawinen beitragen. Auf der linken Seite des ThaleS, zwischen dem Ur weid und dem Dörfchen Im-Boden, trafen wir die größten Lawinen an. An dieser Stelle ist eine merkwürdige Vertiefung, eine Art Kreis, der fast senkrechte Wände hat, von denen im Sommer zahl reiche Ströme herabfließen. Dieser Ort wird alle Jahre von großen Schnce- masscn verschüttet. Wir wünschten hierüber um so mehr Gewißheit zu haben, als wir uns oft im Sommer gefragt hatten, welcher Ursache gewisse lange Dämme zuzuschreiben wären, die den alten Moränen oder Rändern glichen, deren Physiognomie uns jedoch verdächtig zu sepn schien. Wir zweifelten jetzt nicht mehr, daß diese Dämme durch die Lawinen entständen und durch die Gewässer gebildet würden, die fich in fie ergießen. — Die Größe der Lawinen ist sehr verschieden -, wir trafen einige, IW Fuß breit und Zl> Fuß dick, die im Fallen große und starke Tannen entwurzelt hatten.