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Gartenbauwirtschaft
- Untertitel
- deutscher Erwerbsgarten ; Berliner Gärtner-Börse ; amtl. Zeitung für d. Gartenbau im Reichsnährstand u. Mitteilungsblatt d. Hauptvereinigung d. deutschen Gartenbauwirtschaft
- Verleger
- [Verlag nicht ermittelbar]
- Erscheinungsort
- Berlin
- Bandzählung
- 44.1929
- Erscheinungsdatum
- 1929
- Umfang
- Online-Ressource
- Sprache
- Deutsch
- Signatur
- 2Zf4 (G)
- Vorlage
- Universitätsbibliothek der Technischen Universität Berlin, Deutsche Gartenbaubibliothek
- Digitalisat
- Universitätsbibliothek der Technischen Universität Berlin, Deutsche Gartenbaubibliothek
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id490717721-192900007
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id490717721-19290000
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-490717721-19290000
- Sammlungen
- LDP: Deutsche Gartenbaubibliothek
- Strukturtyp
- Band
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitschrift
Gartenbauwirtschaft
-
Band
Band 44.1929
-
- Ausgabe Nr. 1, 3. Januar 1929 -
- Ausgabe Nr. 2, 10. Januar 1929 -
- Ausgabe Nr. 3, 17. Januar 1929 -
- Ausgabe Nr. 4, 24. Januar 1929 -
- Ausgabe Nr. 5, 31. Januar 1929 -
- Ausgabe Nr. 6, 7. Februar 1929 -
- Ausgabe Nr. 7, 14. Februar 1929 -
- Ausgabe Nr. 8, 21. Februar 1929 -
- Ausgabe Nr. 9, 28. Februar 1929 -
- Ausgabe Nr. 10, 7. März 1929 -
- Ausgabe Nr. 11, 14. März 1929 -
- Ausgabe Nr. 12, 21. März 1929 -
- Ausgabe Nr. 13, 28. März 1929 -
- Ausgabe Nr. 14, 4. April 1929 -
- Ausgabe Nr. 15, 11. April 1929 -
- Ausgabe Nr. 16, 18. April 1929 -
- Ausgabe Nr. 17, 25. April 1929 -
- Ausgabe Nr. 18, 2. Mai 1929 -
- Ausgabe Nr. 19, 9. Mai 1929 -
- Ausgabe Nr. 20, 16. Mai 1929 -
- Ausgabe Nr. 21, 23. Mai 1929 -
- Ausgabe Nr. 22, 30. Mai 1929 -
- Ausgabe Nr. 23, 6. Juni 1929 -
- Ausgabe Nr. 24, 13. Juni 1929 -
- Ausgabe Nr. 25, 20. Juni 1929 -
- Ausgabe Nr. 26, 27. Juni 1929 -
- Ausgabe Nr. 27, 4. Juli 1929 -
- Ausgabe Nr. 28, 11. Juli 1929 -
- Ausgabe Nr. 29, 18. Juli 1929 -
- Ausgabe Nr. 30, 25. Juli 1929 -
- Ausgabe Nr. 31, 1. August 1929 -
- Ausgabe Nr. 32, 8. August 1929 -
- Ausgabe Nr. 33, 15. August 1929 -
- Ausgabe Nr. 34, 22. August 1929 -
- Ausgabe Nr. 35, 29. August 1929 -
- Ausgabe Nr. 36, 5. September 1929 -
- Ausgabe Nr. 37, 12. September 1929 -
- Ausgabe Nr. 38, 19. September 1929 -
- Ausgabe Nr. 39, 26. September 1929 -
- Ausgabe Nr. 40, 3. Oktober 1929 -
- Ausgabe Nr. 41, 10. Oktober 1929 -
- Ausgabe Nr. 42, 17. Oktober 1929 -
- Ausgabe Nr. 43, 24. Oktober 1929 -
- Ausgabe Nr. 44, 31. Oktober 1929 -
- Ausgabe Nr. 45, 7. November 1929 -
- Ausgabe Nr. 46, 14. November 1929 -
- Ausgabe Nr. 47, 21. November 1929 -
- Ausgabe Nr. 48, 28. November 1929 -
- Ausgabe Nr. 49, 5. Dezember 1929 -
- Ausgabe Nr. 50, 12. Dezember 1929 -
- Ausgabe Nr. 51/52, 23. Dezember 1929 -
-
Band
Band 44.1929
-
- Titel
- Gartenbauwirtschaft
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^ke Gartenbauwirtschaft Nr 4. 24. 1. 1927 nun Ist auch da- vorletzte Glied der langen Kelle vom Stillen Ozean bis zum Mittelmeer aus Rußlands Hoffnungen ausgeschieden. Im Ruhrkonflikt hat das Rcichsarbeitsgericht folgende Ent scheidung gefällt: „Der in der Ttr.itsachc der Parteien ergangene und für verbindlich er klärte Schiedsspruch ist nichtig." Damit haben also die Arbeitgeber Recht bekommen. Wir werden noch ausführlicher darauf zurück- kommen. Matcrialschutz an unsern Gewächshäusern. Kyanisierung, Imprägnierung mit Kupser- lösung und Anstriche verschiedener Art an Holz und Eisen waren bisher die Schutzmittel gegen Fäulnis oder Rost. Für den Holzschutz wird neuerdings die Umhüllung der Holzteile, also der Rahmen- und Sprossenhölzer, mit Kupferblech versucht, das zu erträglichem Preise angeboten wird. Für den Eisenschutz aber beginnt, wenn auch heute noch nicht im Gartenbau praktisch erprobt, der Überzug mit Chrom eine Rolle zu spielen. Chrom hat in dieser Hinsicht große Vorzüge, aber die Technik hat noch nicht alle Mucken der Chro- mierung überwunden. An viel beanspruchten Stellen springt es leicht ab. Das sind Kinder- krankheilen, die überwunden werden müssen, über die hinaus aber dieses Eisenschutzversahren in besonderem Maß unsere Beachtung verdient. Die Gartenbau-Hochschulfrage ist im Rollen und wird nicht zur Ruhe kom men, bis sie erfüllt ist. Man darf nicht die Befürchtung derjenigen teilen, die da unken, es gebe bald vor lauter Geschulten keine Arbeitenden mehr. Als ob geistige Arbeit ein« Sache wäre, die der Gärtner nicht braucht! m Gegenteile, es gibt keinen nennenswerten ortschritt, der nicht zuerst in einem opfe erwachte, bevor er sich in der Praxis auswirkte. Und mit der Durchfurchung des Berufes mit Mitteln der Wissenschaft werden zweifellos so viele neue Möglichkeiten aufge- deckt, daß niemand Ursache haben wird, vom Ueberslüssigsein höherer Berufsbildung zu sprechen. Es ist noch kein Berus durch Ucber- bildung zugrunde gegangen. Aber in allen, die rückstäirdig sind, liegt die geistige Hilf losigkeit deutlich am Tage. So fährt unsre schlichte Mutter Landwirtschaft recht wohl dabei, in den landwirtschaftlichen Hochschulen feste Stützen des betrieblichen wie des gesamt- wirtschaftlichen Fortschrittes zu besitzen. Um wieviel nötiger ist vertiefendes Studium bei einem Berufe von der starken Vielseitigkeit und dem inneren Reichtums, den der Gärtner- berus in allen seinen Zweigen aufweist! V.D. Persönliche Mitteilungen Dir bitten unsere Mitglieder, uns bei der Ausgestaltung dieser Rubrik durch möglichst lchnelle Berichlerstaitung über alle persönlichen Angelegenheiten die für die Allgemeinheit von Interesse sind, unterstützen zu wollen. Es sind verstorben: Gottlieb Andreiscck, Würben, Bez.-Gr. Neiße- Gau. Kurt Tritt el, Domäne Döbbernitz, Bez.-Gr. Frankfurt a. d. O. Heinrich Kehlenbrink, Frankfurt a. b. O-, Bez.- Gr. Frankfurt a. d. O. Fra« Martha Spranger, Manschnow, Bez.-Gr. Cüstrin u. Umg. Gottfried Stolze, Storkow, Bez.-Gr. Stor kow u. Umg. Fran Antonie Bredow, Berlin-Britz, Bez.-Gr. Berlin. Otto Schwarz, Einsiedel, Bez.-Gr. Sächs. Erz gebirge. Ewald Bungardt, Bochum, Bez.^r. Emscher. Am 12. Januar 1929 verstarb unser Kollege und langjähriges Mitglied Heinrich Schadt in Borby-Eckernförde im 63. Lebens jahre. Wir verlieren in ihm einen unserer Besten und Treuesten. Sein Andenken wollen wir in Ehren halten. Er ruhe in Frieden. Bez.-Gr. Schleswig-Holstcin-Rord. Wilh. Petersen. Am 12. Januar wurde unser Kollege Paul Weber in Torgau, infolge eines Be- triebsunsalles, nach kurzem Krankenlager in die Ewigkeit heimgerufen. Er war ein eifriger Besucher und Mit arbeiter unserer Bezirksgruppenversammlungen und allen ein guter Freund. Ehre seinem Andenken. Bez -Gr. Torgau und Umgegend * Ein seltenes SrbeitsjubilSm». Obergärtner Otto Frenzel konnte Mitte Ja nuar d. I. sein 60jähriges Arbeits- jubiläum bei der Erfurter Samenzuchlfirma F. C. Heinemann feiern. Der Jubilar ist am 31. Juli 1856 in Marbach bei Erfurt geboren und trat gleich nach seiner Schulentlassung als Gärtnerlchrling beim Großvater der jetzigen In haber, Friedrich Carl Heinemann, in die Lehre. Unter drei Generationen hat er dieser Familie treu gedient und durch seine uncrmüd.ich Schaf- fenskraft, sein Können und seinen Fleiß sich im Laufe der Jahre zum Obergärtner emporge arbeitet. Der „Alte Frenzel", wie er allgemein kurz genannt wird, war von jeher ein echtes Vor bild von Pflichttreue, m.r^ens der Erste und abends der Letzte. Er wußte sich bei seinen zahl reichen Untergebenen stets Achtung und Anerken nung zu verschaffen und leitete die ihm anver trauten Kulturen mit Umsicht und großem Ver ständnis. Eine große Zahl der im Laufe der Jahre von F. C- Heinemann in den Handel gebrachten Neuheiten von Sommerblumen sind Obergärtner Frenzels zielbewußtem Schaffen zu verdanken. Noch heute versieht er seinen Dienst in seltener Frische und Schaffenskraft. Ein schöner Beweis für seine allgemeine Be liebtheit, sind die ihm seitens seiner Chefs, des Kontor- und Arbeitspersonals zuteil gewordenen zahlreichen Ehrungen und Geschenke. Außerdem erhielt der Jubilar ein Anerkennungsschreiben des Reichspräsidenten lowie die Goldene Medaille der Industrie- und Handelskammer. Wilhelm Stoffregen, Dortmund. Vor mir liegt eine Bezirksgruppenaufnahme vom 8. August 1911. 120 deutsche Gärtner — teils mit ihren Frauen — zwanglos ver- einigt, aus den Stufen des Pantheon in Varis, bei Gelegenheit der von dem „Verband der Handelsgärtner Deutschlands" und dem B. d. B. veranstalteten Studienreise nach Paris, Ver sailles, Angers und Orleans vom 5.—14. August. Wie viele von den fröhlich strahlen den Augenpaaren haben sich seitdem für immer geschlossen! Aber andere, — und wenn sie heute auch schon zum Teil zur alten Garde gehören, — freuen sich noch ihres Daseins und denken gewiß gern an die damaligen lehr- und genußreichen Stunden zurück. Wie z. B. der in der Mitte der vordersten Reih« Stehende mit dem Lächeln, als ob er sagen wollte: „Mir kann keener" — Wilhelm Stoffregen aus Dortmund. Und dicht neben ihm die alles überragende hohe, schöne Frauengcstalt, das Elefantenküken aus West- Preußen! Erinnern Sie sich noch, Stoff, „Germania"? — Seit dieser Episode sind bald 18 Jahre — und was für Jahre! — verflossen, und Wilhelm Stossregen gehört jetzt aiuh zur alten Garde. Und wenn er auch schon seit Jahren nicht mehr mit an der Spitze mar schiert und die Trommel schlägt, so hat er, das Ehrenmitglied des jetzigen Landesverban des Westfalen, Lippe und Osnabrück, es doch verdient, daß mau der jetzigen jüngeren Gene ration in einem kurzen Abriß das mitteilt, was er im Berufs- und nicht zuletzt im Ver bandsleben geleistet hat. Am 20. Juni 1856 in Lippstadt geboren, trat Stossregen 1871 in den Gärtner- berus ein. Nach beendeter Lehrzeit ging er zur weiteren Ausbildung an das damals noch von dem alten Lucas geleitete Pomologische Institut in Reutlingen, die Bildungsstätte so manches jungen Gärtners der damaligen Zeit. Nach weiterer Beschäftigung in Hamburg, Duisburg, Linz und nach Ausführung ver schiedener Anlagen in Werdohl und Dort mund, machte er sich schon 1877 in Dort- münd selbständig. Aus kleinen Anfängen und in harter Arbeit ging es Schritt für Schritt vorwärts; das Unternehmen wuchs und ge wann von Jahr zu Jahr an Ausdehnung, ständige Besuche im Ausland« führten zu einem immer steigendem Import, namentlich belgische Pflanzen, so daß die Finna bald Wilhelm Stossr.g.n. zu den bedeutendsten Unternehmungen, beson ders im Westen Deutschlands zählte. Sie be findet sich noch heute aus hoher Stufe. Im Vcrbandsleben betätigte sich Stoff- regen schon in frühen Jahren. Wenige Jahre nach der 1883 erfolgten Gründung des „Verbandes der Handelsgärtner" wurde er dessen Mitglied und beteiligte sich regel mäßig an den Jahresversammlungen. Seine erfolgreiche Tätigkeit begann aber erst mit der 1894 ins Leben gerufenen ersten Verbands De- zirksgruppe seines großen Bezirks, der Be- gung kam, sprach er jiddisch mit ihr, wie keine Mutter daheim in dem kleinen Nest im Osten mit ihm geredet hatte, wenn ihn etwas quälte. Und er meinte, keine Sprache der Welt könne mehr trösten und mehr Liebes sagen als die der Heimat und der Kindheit. Und Sonja verstand ihn. „ES ist etwas in mir, Sin, das quälen muß." „Dann muß es wohl so sein," erwiderte er stoisch. „Aber sage mir, liebst du den Jungen?" „Nein." „Also will ich dir sagen, was es ist: Du haßt den andern" Sie antwortete nicht. Im Kanal kam das Schiff in schwere Nebel, die Sirenen riefen unaufhörlich in die gelbgraue Wand hinein, irgendwoher tönte es wider. Segel kutter und Trawler tauchten gespenstisch auf, Schiffsglocken läuteten, dann nahm der Nebel sie wieder, ließ sie wachsen, riesengroß werden, und zersetzte sie wie das Schiff des Seegespenstes, des Holländer?. Eintönig hallten die Rufe des Wachmannes, der frierend ganz vorn an der Svitze stand und seine Augen in die Unsichtigkeit bohrte. Oft genug war Geisenheim hier entlang- gesahren, der heimischen Jade entgegen. Er kannte jedes Signal: das war das Feuerschiff von Terschelling, das unsichtbar läutete, und das sie im Nebel fast streiften, jetzt zogen sie an den Inseln entlang. Ein dicker Dampfer irgendwie, irgendwo. Seit zwölf Stunden hatte der Kapi tän die Brücke mcht verlaßen, er lag mehr als er stand an der Schanze, die müden Augen mußten offen bleiben. Ein Schiff und Hunderte Von Menschen waren ihm anvertraut. „Borkum meldet klare Sicht", sagte er. „Borkum!" Geisenheim wiederholte daS ^Wort. Borkum war das erste deutsche Feuer, MMorkum war Heimat. Deutschland. Und er ^dachte daran, daß Tausende ausziehen, die nicht wiederkehren, dachte an die Nächte im Urwald, an den Camp und an dis trostlose Arbeitsuche in Buenos Aires. Er hielt Abrechnung mit den Dingen und mit sich. Die Argentinier und Brasilianer an Bord, die Internationalen, verstanden es nicht. Für sie war Europa ein Ziel aus Monate, das Ge schäftsabschlüße oder Vergnügungen versprach, Deutschland war ein vager Begriff, aus dem sie sich nicht viel machten. Aber die Deutschen kehr ten heim, manche von ihnen nach kürzerer Fahrt, manche nach Jahren und manche nach einem langen Menschenleben, das sie jung Hinaus getrieben hatte, und das sie alt heimkehren ließ. Und für all die geschah nun das Wunder, das nur die See kennt: wie eine Kulisse hob sich der Nebel, violett und blau und grün lag der blanke Hans in der Abendsonne, Fischdampfer auf seinem Rücken und den Riesen, der nun der Heimat mit rasenden Maschinen entgegenjagte. In den Abend hinein aber grüßte blinkend und rufend das Feuer von Borkum. Am anderen Morgen liefen sic schon die Elbe hinauf, aus Nebel und Qualm tauchte das arbei tende Hamburg auf, die Werften, die Docks. Menschen, die kaum je miteinander geredet hatten, wurden gesprächig, suchten andere, denen ie erklären konnten. Die Worte mußten heraus, eder sprach und kaum einer hörte, Mondänes iel ab. Blankenese mit seinen Kapitänshäuschen zog vorbei. Oevelgönne der Altonaer Fischmarkt, der Bismarck, der Michal — Bis zum letzten Augenblick hatte Geisenheim an Deck gestanden, Hamburg grüßte in seiner traditionellen Art mu Sprühregen und Wind, aber keinen trieb es hinunter. Hundert Augen- paare suchten an den Ufern, folgten den bunten Hochbahnen, Fahrzeiten wurden besprochen Ver bindungen. Berlin, Köln, Frankfurt und Mün chen wurden Begriffe. Langsam und majestätisch zog der Ueberseer hinauf, bunte Flaggen an allen Masten. Und mährend die Schlepper ihm an den Pier halfen, legte Geisenheim seine Sachen in der Kabine bereit. Deren Tür plötzlich aufflog. „Guten Tag, Brü derchen!" Lachend, mit warmen Augen, stand Hilde vor ihm. „Hab' ich das nicht fein ge macht? Gestern dein Telegramm, das dich in Berlin anmeldete, in Berlin, nach so langen Jahren. Das gabs nicht. Also, auf nach Ham burg! Und nun bin ich da." Er konnte nicht reden, er mußte sie nur an- sehen, die kleine Hilde, die fast noch ein Kind gewesen war, als er sortging. Und die nun als fertiger Mensch vor ihm stand. Als ein Mensch mit guten Augen, mit einem weichen und trotz dem energischen Gesicht. Und es schien ihm, daß Worte zuerst zwecklos seien. Noch waren ihre beiden Kreise einander zu fremd, mußten erst ineinandergleiten, verschmelzen. Gemeinsames mußte aus Vergangenheit und Gegenwart erwachsen. Sie verstand ihn zuerst nicht, verstand nicht, daß ihre Erwartungen verschieden waren, denn sie suchte mir den Bruder, und er suchte sie und alles, was einmal gewesen war. Er suchte die Heimat in ihr. Und langsam kam die Verständigung. Sie hängte sich an seinen Arm und zog ihn mit sich fort. „Weißt du, Fritz, erst wenn wir vom Schiff herunter sind, erst wenn du an Land bist, habe ich dich ganz." Sie hielt ihm den Mund zu, als er etwas sagen wollte. „Es ist alles überlegt und besprochen. Carla Sendler hat's nicht anders getan, ich mußte ihren Wagen neh men, in dem fahren wir nach Berlin, und da bleibst du — bis morgen. Längex hält es mein Brüderchen ja doch nicht aus. Morgen abend habe ich für dich im Schlafwagen ein Abteil bestellt, ich habe auch mit Proseßor Udenhof ge sprochen und eine Einladung bekommen. In vierzehn Tagen wird das Luftschiff getauft." „Wer ist Carla Sendler?" fragte er. „Davon später!" Sie standen in einem Strom von Menschen auf der Brücke, und immer wieder drückte ihr Arm den seinen. „Nun bin ich nicht mehr so allein, Fritz." Und dann leise: „Ich bin ost sehr allein gewesen." „Liebes, kleines Mädel!" „Das hat kein Mensch zu mir gesagt, seit —" sie schluckte. Der, der es zu ihr gesagt hatte, lebte ja nicht mehr. „Tut's noch weh, Hilde?" Sie senkte den Kopf. „Ich gehöre wohl zu den Menschen, die mit der Alltäglichkeit fertig werden, aber mit den Innerlichkeiten nicht." Sie gab ruhig und sachlich dem Chauffeur ihre An weisungen, saß wartend neben ihm, bis die Koffer aufgcladen waren, und redete gleichgültige Dinge, bis der Wagen die Stadt verlaßen hatte und aus der Chaussee Laüinjqgt, „Du hattest früher keine Freundinnen, die Automobile besaßen." „Carla Sendler ist nicht meine Freundin, sie kommt zu mir und nimmt Unterricht in der Photographie. Aber eS ist wohl etwas anderes, das sie zu mir treibt und auch ich habe sonst noch keine Schülerinnen angenommen. Wir sind ganz verschiedene Menschen. Du wirst sie heute sehen." Carla hatte sich nicht abweisen laßen. „Ich will euch nicht länger stören, aber sehen muß ich dein Brüderchen doch." Aus Carlas Wunsch sagten sie du zueinander. „Es nimmt Hemmun gen, und gerade, weil wir so verschieben sind, sollten wir Hemmungen fallenloßen", war ihre Begründung gewesen. „Aber du sollst nur auf eine Stunde kom- men", entschied Hilde. „Und merk' dir's, keinen Flirt, dafür ist er mir zu gut" Die hob pathetisch die Hand. „Soll ich schwören?" „Bersprich's lieber!" „Meisterin, manchmal bist du ein Kind, du weißt nicht, welcher Reiz im Verbotenen liegt." Hilde mochte mit solchen Dingen nicht spie len. „ES ist mir Ernst, Carla, du solltest das achten." „Carla Sendler ist Berlinerin", erklärte sie dem Bruder. „Was willst du damit sagen? „Nichts gegen die Menschen, die in Berlin arbeiten, die da leben und die dort geboren sind. Auf die meisten paßt daS Wort nicht. Aber wir haben ein neues Geschlecht bekommen, das, ja, so möchte ich sagen, das mit umgekehrtem Vor zeichen lebt. Eine Oberschicht, die ihren Reich tum entweder überhaupt nicht oder zu leicht erworben hat, die zu energielos ist, um etwas fest anzufaßen, zu dekadent, um sich für etwas einzusetzen, zu lau, um jemals ganz warm oder ganz kalt sein zu können. Zu den Menschen ge hört sie." „Und warum gehört sie zu dir?" „Weil noch etwas ist, das sich dagegen wehrt, weil ich sie immer noch nicht ganz begriffen habe." „Früher erkannten wir an oder lehnten ab, Hilde", erwiderte er ruhig. „Wir Menschen von heute müßen alles be greifen", sagte sie. Es war Abend, als der Wagen vor Hildes Haus am Kurfürstendamm hielt. „Du sollst bei mir eßen", bestimmte sie. „Die Nacht wohnst du in einem der Hotels am Zoo." Sie gab dem Chauffeur die Adresse, damit er das Gepäck ab- licfern konnte. Dann saßen sie oben und erzählten, und immer mehr näherten sich ihre Kreise. Sie ließ ihn ihre Arbeit kennen, und in der Schwester erkannte er die andere Zeit, di? das junge Mäd chen auf eigene Füße stellt, die manche roman tische Weichheit raubt und die andere, beßere Werte dafür gibt. Die aber in der Umstellung hohe Anforderungen an den Charakter stellt, denn noch sind die Grenzen verwischt, und nicht alles ist das, was es scheint. Aber etwas war da, das ihn abhielt, heute schon von Luisa zu sprechen. Dreimal hatte er an sie einen telegraphischen Gruß geschickt, und dreimal Antwort aus Buenos Aires bekommen. Telegrammworte, die nur nüchterne Grüße ent- hselten, und die in verstümmeltem Deutsch au- kamcn. Woher sollte der Radiobeamte auch deutsche Worte kennen? Noch war ihre Bindung nur ihr und sein Geheimnis, an dem nicht einmal die Schwester teilhaben durfte. Spät am Abend klingelte es, und Carla Sendler kam. „Ich war zu neugierig, Herr Geisenheim." Ihre offene Art entwaffnete leinen Wider« stand. „Hilde sprach mir von Ihnen." „Hat sie?" Carlo drohte mit dem Finger, „Dann sicher nichts Gunes." Kokettiere nicht!" Hilde ärgerte sich. Aber Carla umarmte sie stürmisch. „So ist sie immer, sie ist die einzige, die einem dis Wahrheit sagt. Manchmal lst's ja unbequem, meistens aber originell." Ein Vergleich drängte sich in ihm auf, die kleine Frau mit den eckigen Zügen und dem klotzigen Gesicht war wie Sonja wie die über alles hinwcggleilende Consuelo Manzoni. Was hatte doch Hilde gesagt? Energielos, dekadent und lau. Nun gefiel sie ihm wieder gar nicht. Seit Udenhof ihn vor eine große Aufgabe gestellt hatte, war zuviel Positives in ihm lebendig ge worden, als daß er diese absterbende Art be greifen konnte. Carla sprach wieder einmal von Jobst Hall baum. „Morgen reiten wir miteinander, ich habe zwei Pferde gekauft." Und zu Geisenheim: „Sie sind sicher viel geritten?" Der lachte. „Mein Beruf hat mich mehr mit Pferdestärken in anderer Form in Verbindung gebracht." „Und als — wie sagt man doch drüben — als tzaziendcro?" „Ich war Kolonist." „Die Feinheiten verstehe ich nicht." „Ich war nicht Gutsbesitzer, sondern Klein bauer, Urwaldkolonist, dazu noch einer ohne Er folg. Mit Pferden ist man da nie in Verbindung gekommen." „Ist eS dir nicht gut gegangen drüben?" warf die Schwester ein. „Warum hast du nie davon geschrieben?" „Weil die meisten von uns zu stolz sind, um denen in der alten Heimat den Kopf mit ihren Sorgen warm zu machen. Nein, gut gegangen ist es mir nicht." „Und Udenhof?" „Udenhof hat mich zufällig gefunden. Wäre er nicht gekommen, ich wäre jetzt Peon oder Chauffeur." „Was ist ein Peon?" wollte Carla wißen. „Ein Taglöhner." „Ich habe noch nie darüber nachgedacht, daß das Leben so schwer sein kann," sagt Carla leise. Und dann energisch: „Aber nun will ich gehen." „Ich schäme mich ein bißchen", flüsterte sie der Freundin im Flur ins Ohr. „Weil man so gedankenlos und äußerlich ist." Hilde gab ihr aus freien Stücken einen Kuß, den ersten, seit sie sich kannten. „Gute Nacht, Carla." „Ob ich morgen nicht mit Jöbstchen reite?" überlegte sie. „Reite ruhig!" „Meinst du?" Eine Wolke von Parfüm blieb hinter ihr und eine eigenartige Stimmung. (Fortsetzung solgt.)
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