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No. 10. Sonnabend, den 5. März 1904. VI. Jahrgang. DerJ/andelsgärfner. • -nm puz" Wandels-Zeitung für den deutsehen Gartenbau. -oto"aan- Leipzig, Sudstrasse 33. Verlag von Bernhard Thalacker, Leipzig = Gohlis. Leipzig-Gohhs. Organ des „Gartenbau=Verbandes für das Königreich Sachsen E. G. „Der Handelsgärtner“ kann direkt durch die Post unter No. 3222a der Postzeitungsliste bezogen werden. Der Abonnementspreis beträgt pro Jahr: für Deutschland und Oesterreich^Ungarn Mark 5.—; für das übrige Ausland Mark 8.—. Das Blatt erscheint wöchentlich einmal Sonnabends. — Inserate kosten im „Handelsgärtner“ 30 Pfg. für die fünfgespaltene Petitzeile. Reform-Vorschläge im Verbände der Handelsgärtner. I. Als im vergangenem Jahre, so um die Zeit der Hauptversammlung herum, wo sich im Ver bände immer ein reges Leben entwickelt, die Verbandsgruppe Mittelrhein den damals un erhört erscheinenden Gedanken fasste, eine Reformation im Verbände an Haupt und Gliedern vorzuschlagen, und als in Verbindung damit die Ortsgruppe Dresden das Ziegenbalg’sche Reformprogramm publizierte, da fanden sich sofort eine Reihe eifriger Verbandsmitglieder, welche dieses beispiellose Vorgehen für eine Häresie erklärten. Es fand sich auch mehr als ein Peter Arbuetz im Verbände, der sein Anathema über die Ketzer aussprach, die es gewagt hatten an den Grundfesten des Ver bandes zu rütteln. Und heute? Man traut seinen Augen nicht, wenn man das „Handels blatt“ aufmerksam verfolgt. Ziegenbalg re- di v i v u s in allen Ecken und Enden 1 Reform I Reform! Reform! So rufen sie vom Rhein, von der Elbe, von der Pleisse und von der Spree. Das Wort, dem in Dortmund fast ein verbrecherischer Beigeschmack gegeben wurde, ist heute gang und gebe im offiziellen Organ des Verbandes, und unter dem Titel „Reformpläne und Reorganisation“ wird in Nummer 49 und 50 vorigen Jahrgangs sogar ein Zwiegespräch veröffentlicht, dem der Verbands redakteur besonders nahe zu stehen scheint. So darf denn die Ortsgruppe Mittelrhein und die Ortsgruppe Dresden die Genugtuung hegen, dass die Saat ihrer Reformbewegung im Verbände Boden gefunden hat, und dass es sich nur fragen wird, ob die geeig neten Männer vorhanden sind, diese Saat so zu pflegen, dass sie gedeiht und Früchte bringt. Merkwürdig muss es berühren, wenn man die bis jetzt gegebenen Vorschläge betrachtet, dass eigentlich überall der in Dortmund so miss trauisch angesehene Kandidat der Gruppe Mittelrhein Max Ziegenbalg, Laubegast, hervorguckt. Alle diejenigen, welche im „Handels blatt“ ihre Stimme erschallen lassen, rekapitu lieren mit mehr oder weniger Variationen das Dresdener Programm, ein Beweis, dass der Kern desselben gut war und es zunächst nur durch eine sich besonders verbandstreu ge- berdende Agitation zu Fall gebracht wurde. Der Kardinalpunkt des Ziegenbalgschen Pro gramms war bekanntlich die sofortige Aufgabe des selbständigen Inseratenteiles des Verbands blattes, das der Leitung des Verbandes bereits so viele Kopfschmerzen verursacht hatte. Trotz dem fanden sich in Dortmund verschiedene Mitglieder in dem betreffenden Ausschuss, welche die Pflicht des Verbandes zur Erhaltung dieses Schmerzenskindes mit einen solchem Brustton der Ueberzeugung zu verteidigen wussten, dass man ihnen zunächst Gehör schenkte und die Fortdauer des Inseratenblattes beschloss. Und kaum war dieser Beschluss recht trocken geworden, da wurden schon überall wieder Stimmen laut, welche das Ziegen- balgsche Wort: „Fort mit dem Inseratenblatt“ wiederholten. Und in den Reformvorschlägen von heute bildete das ehrenvolle Leichen begängnis desselben wiederum die Hauptsache. Behauptet doch in No. 49 das „Verbandsblatt“ selbst in jenem oben erwähnten Dialog, dass man sich in Dortmund wohl mehr aus blosser Opposition gegen die Ziegenbalg’sche Reform für das Weiterbestehen des Inseratenblattes ausgesprochen habe. Das ist freilich eine überaus vernichtende Kritik, die damit an jenem Verbandsbeschlusse geübt wird. Und die Verbandsleitung selbst muss sich der Wahr heit dieses Vorwurfes in ihres Herzens Grunde bewusst gewesen sein 1 Denn ohne irgend welche neuen Beschlüsse abzuwarten, wurde dem Inseratenteil die Totenglocke geläutet. Er hat bestanden! Anstatt seiner ist der frühere Inseratenanhang zum „Handelsblatt“ wieder hergestellt worden und man munkelt davon, dass es im Verbände Optimisten gäbe, welche behaupten, dass der Verband nun grosse Er sparnisse mache und zum mindesten das „Handelsblatt“ sich selbst tragen werde. Tat sächlich sind, wie uns mitgeteilt wird, in einigen Ortsgruppen solche kühne Gedanken aufgetaucht. Wir wünschen, dass es so sein möge, aber wir zweifeln daran; es dürfte Leute im Verbände geben, die mit uns zweifeln. Woher käme es sonst, dass man auch für das Handelsblatt in seiner neuen Form eine ganze Reihe von allo pathischen und homöopathischen Rezepten bereit hält I So will die Ortsgruppe Hessen den redaktionellen Inhalt auf das notwendigste ein schränken und nur ein einfaches Mitteilungs blatt herausgeben. Und Model-Mittelhufen spricht in No. 6 des Handelsblattes unverhohlen Je Ansicht aus, dass, wenn das Verbandsblatt in seiner jetzigen Form nicht gewinnbringend sei, man es mit einer passenden Zeitschrift verschmelzen müsse. Das ist glatt dasselbe, was Ziegenbalg-Laubegast in seinem Re formprogramm zum Ausdruck gebracht hatte end was damals ein so schaudervolles Ent setzen hervorrief, aber trotzdem nahezu ein Drittel der abgegebenen Stimmen auf sich ver einigte. Man hängt eben an dem Ziegenbalg schen Reformgedanken fest; alles Sträuben bringt keine Befreiung. Das hätte man allerdings be reits in Dortmund einsehen sollen, denn es war damals schon Zeit und Gelegenheit geboten über das Ziegenbalgsche Programm zu ver handeln, ohne dass man dasselbe etwa hätte en bloc gutheissen müssen. Ein Teil der Reformatoren will das „Handels blatt“ allerdings auch im grossen Stil ausgebaut wissen. Merkwürdiger Weise aber treten die jenigen, welche diesen Wunsch äussern nicht immer auch zugleich für die notwendige Er höhung des Verbandsbeitrages ein. Die Erhöhung des Verbandsbeitrages spielt selbstverständlich in den Reformplänen eine nicht geringe Rolle. Dabei stellt sich heraus, dass die Bewegung für eine Herabsetzung des Beitrages nicht zu unterschätzen ist. So er klärt der bekannte Unbekannte in dem Artikel „Reformpläne und Reorganisation“ ausdrücklich: „Der Verbandsbeitrag muss nicht, wie in den letzten Jahren beantragt worden ist erhöht, sondern er muss erniedrigt werden, und zwar vorläufig von 8 auf 6 Mark“. Ja die Verbands- gruppe Hessen und Hessen-Nassau will sogar mit 5 Mark die ganzen Verwaltungs unkosten bestreiten. Das ist nach unserm Dafürhalten der wundeste Punkt der ganzen neueren Reformbestrebung. Ziegenbalg hatte erklärt mit dem gegenwärtigen Beitrag bei einer wesentlichen Vereinfachung des Verwaltungs apparates durchkommen zu können. Seine Nachfolger treten mit denselben Anforderungen, wie er an den Verband heran und verlangen, dass er sich zu einer wirtschaftlichen Macht gestalten soll. Aber sie wollen dafür nichts geben, nein, im Gegenteil, sie wollen die Ver bandseinkünfte noch kürzen. Das ist aber nach unserm Dafürhalten im höchsten Grade kurz sichtig gehandelt. Eine gesunde Reform des Verbandes unter Beibehaltung der jetzigen Ein richtung, „Handelsblatt“ mit Inseratenanhang, Redaktions- und Verwaltungsbureau, Wander versammlungen u. s. w. liesse sich nur dann durchführen, wenn dem Verbände grössere Mittel zur Verfügung gestellt werden. Will dieser eine Rolle im sozialen Leben spielen und an den grossen wirtschaftlichen Fragen teilnehmen, welche unsere Nationen der Gegenwart be wegen, so darf er auch nicht ohne die dazu unbedingt erforderlichen Mittel sein. Ohne finanziellen Rückhalt wird die Verbandsleitung niemals im stände sein, die Interessen der deutschen Gärtner in der intensiven Weise zu verfolgen, wie sie es gewiss tun müsste. Unter den Reformvorschlägen befinden sich zudem noch einzelne, die von durchaus weit- tragender Bedeutung sind und dem Verbände soziale Aufgaben stellen, an die seine Leiter bis heute noch nicht gedacht haben. Wir meinen damit die Vorschläge, welche Hermann, Hermsdorf, in No. 6 des „Handelsblattes“ veröffentlicht. Da soll der Verband Vergünstig ungen bei Lebens-, Unfall-, Feuer- und Hagel versicherungen herbeiführen. Oder er soll auch eine eigene Witwen- und Waisenkasse ins Leben rufen. Wir gestehen ohne weiteres, dass eine solche Einrichtung dem Verbände ein grosses Ansehen zu geben vermöchte. Wir halten den Gedanken auch für lebensfähig, aber um ihn zu verwirklichen, würden doch erst bedeutende Opfer gebracht werden müssen, ehe eine solche Kasse so begründet werden könnte, dass sie den heutigen gesetzlichen Anforde rungen genügt. Wenn der Vorschlag gemacht wird, die Hauptversammlungen nur alle drei Jahre ab zuhalten, um dadurch ungefähr 8000 Mark zu sparen, so halten wir das für keine glückliche Idee, da einesteils das Verbandsleben bei so grossen Zwischenräumen leicht verflacht werden könnte, andernteils aber auch nichts erspart würde, wenn in den Zwischenjahren, wie Kohlmann-Zossen will, noch extra Wander versammlungen abgehalten werden sollen, um Propaganda zu machen. Auch zu diesen Wanderversammlungen müssten doch, wenn sie ihren Zweck erreichen sollen, der Vorstand und schliesslich auch Delegierte der einzelnen Gruppen abgeordnet werden; Kosten, die vielleicht dem Verbände als solche erspart blieben, würden den Gruppen aufgehalst. Damit aber werden wieder diese schwerlich ihr Einverständnis er klären. Und wenn, wie es auch in Vorschlag Des Vaters Vermächtnis. Aus dem Leben einer Gärtnerstochter. Erzählung von A. Burg. (9. Fortsetzung). Nachdruck untersagt. Als Margarete ins Haus zurückkehrte, traf sie dort Dr. Kenzius, der im Wohnzimmer mit Erwin studierte. Seit jenem Abend, wo er mehr, als er gewollt, seine Gefühle ver raten hatte, war er schon mehrmals wiedergekommen. Mar garete war ihm mit völliger, wenn auch schwer erkämpfter Unbefangenheit begegnet. Seine Stimmungswage hob und senkte sich in beständigem Wechsel. Einmal war er voll stolzer Zuversicht und glaubte des Mädchens Liebe erwerben zu können. Und wenn sie ihn erst wirklich liebte, würde sie da nicht alles hingeben, um sein eigen zu sein? Es galt bloss, abzuwarten, um sie zu kämpfen. Und Ausdauer und Kampf war sie wohl wert. Aber dann wieder am nächsten Tag sah er sich am Ende aller Hoffnung, sein Ziel schien ihm unerreichbar, sein Leben öde und zwecklos. Trotzdem fuhr er fort, Erwin mit warmem Interesse zu unterrichten und neben den Leiden, die ihm seine Liebe bereitete, blühte als freundliche Blume die Freude an der geistigen Entwicklung des Jungen, für den er nach und nach etwas wie eine väter liche Zuneigung empfand. Das gab ihm wenigstens vor sich selber ein Recht im Hause Winternitz zu erscheinen, sich in den Augenblicken der Entmutigung wenigstens am Anblick des geliebten Mäd chens erquicken zu können, oder aber, wenn die Hoffnung Raum fasst, mit allen Mitteln heimlicher Liebe um sie zu werben. Für das Mädchen selbst bildeten die Stunden des Zusammenseins mit dem Doktor ein vom Schleier der Weh mut verhülltes Glück. Sie versuchte es, den selbstquäleri schen Fragen, die ihr Herz oft ungestüm an sie stellte, aus zuweichen und nur der Gegenwart zu leben. Heute war sie stiller und in sich gekehrter, als sonst. Die eben erlebte kleine Szene wirkte nachträglich noch recht schmerzlich auf sie ein. Kenzius sah sie oft forschend an und konnte sich’s endlich nicht versagen, die Frage an sie zu stellen: „Warum sind Sie gar so schweigsam heute, Fräulein Winternitz?“ „Ich habe ganz unerwartet vor einer Stunde Aerger ge habt,“ erwiderte sie aufrichtig, „das beschäftigt mich noch.“ „Wer bringt es in aller Welt denn fertig, Ihnen Aergernis zu bereiten?“ Er sah das unmutige Zucken ihrer Lippen. Er wusste ja so gut, dass sie nichts leiden mochte, was nur im Ent ferntesten einer Schmeichelei ähnlich sah, dennoch konnte er solche Worte oft nicht zurückhalten, war doch seine ganze Seele voll zärtlicher Bewunderung für sie. — August bekam noch am selben Tag seine Kündigung. Er stand Margareten gegenüber in ihrem Arbeitszimmer, trotzig den Kopf zurückwerfend, als sie ihm sagte: „Nachdem, wie Sie sich heute benommen, kann ich Sie nicht länger behalten; ein Mensch, der sich so weit ver gessen kann, ist in meinem Geschäft unbrauchbar.“ „Dann lassen Sie mich gleich gehn, der Monat ist ohne dies um und brauchen tun Sie mich ja doch nicht mehr.“ Um seinen Mund legte sich abermals der hässliche Zug. Margarete ging schweigend zu ihrem Pult, nahm den Gehalt heraus und überreichte ihm das Geld. „Ich hoffe, dass Sie bald eine Stellung finden werden, wo es Ihnen besser behagen wird.“ Der Gehilfe wurde jetzt, da er die Stätte langjähriger Tätigkeit plötzlich verlassen sollte, doch von einer Art Rührung übermannt. Er wollte etwas sagen, eine Entschuldigung vor bringen, dann aber stieg in ihm wieder der Trotz auf und er ging mit kurzem Abschiedsgruss hinaus. XIII. Nachdem der unhöfliche Gehilfe die Gärtnerei verlassen hatte, verliefen einige Wochen ohne Missklang. Der Monat August setzte mit Regen ein und brachte auch in der Folge nur unbeständiges Wetter. Dietrich, der sich nicht mehr be ständig den feindseligen Blicken seines Neiders gegenübersah, der ihn so oft durch Interesselosigkeit die Lust an seiner Tätigkeit genommen hatte, und dem auch seit jenem Tage die freundlichen Worte der jungen Prinzipalin nachklangen, kam nun mit doppeltem Eifer seinen Pflichten nach und lebte sich immer mehr in dem neuen Arbeitsfelde ein. Seine be scheiden vorgebrachten Ratschläge für Verbesserungen, die er auf seine im In- und Auslande gemachten Erfahrungen stützte, wurden oft befolgt, was ihn mit heimlicher Befriedigung er füllte. Wo er auch bis jetzt noch gewesen war und wie sehr seine jedesmaligen Prinzipale ihn auch geschätzt hatten, dort war er eben doch nur Angestellter gewesen, der nie nach eigener Idee etwas unternehmen durfte. Margarete aber und sein Vater liessen ihm in vielen Dingen vollständig freie Hand. Margarete war überzeugt, dass Vater Welser genau das Tun seines Sohnes verfolgte und keinen Fehlgriff, kein unvorsichtiges Experimentieren ungerügt lassen würde. So fühlte sich Dietrich oft wie auf eigenem Boden und die Lobsprüche, die er gelegentlich über die Leistungen der Firma Winternitz hörte, empfand er wie eine ihm persönlich gespendete Anerkennung. Seine Worte, dass Margarete sich für ihr Besitztum nicht genugsam interessiere, bat er ihr oft im stillen ab. Es war im Gegenteil, als ob das junge Mädchen mehr als je mit Leib und Seele aufgehe in den Angelegenheiten des grossen Geschäfts. Jede kleinste Neue rung verfolgte sie mit Spannung, besprach sie aufs angelegent lichste mit dem alten Welser oder seinem Sohn. Und es war schön, mit ihr zu sprechen, denn sie liess sich überzeugen, wo sie im Irrtum war, bestand nicht eigensinnig auf ihrer persönlichen Ansicht zum Nachteil des Geschäfts, sondern hatte vor allem den Vorteil desselben im Auge. Und wie oft • griffen ihre Hände selber mit zu, wie unermüdlich war sie in ihrem Kontor oder im Garten tätig, um den Verkauf zu leiten, Auskunft zu erteilen, überhaupt nach dem Rechten zu sehen. Kein Fleck im ganzen Gebiet, das ihre Augen nicht fast täglich mit prüfendem Blick überflogen hätte. Und wenn sie rastlos tätig den ganzen Tag gewesen war, dann konnte sie abends noch stundenlang Tante Verena vorlesen aus der Zeitung oder einem ernsten Buche, oder sich von Erwin, der nie mehr, die Arme um sie schlingend, bat: „Tante Lete, hilf mir!“ erzählen lassen, was er heute in der Schule durchgenommen hatte. Oft strich sie dem .Jungen zärtlich übers Haar, blickte ihm in die leuchtenden Augen und sagte leise: „Nun brauchst du mich gar nicht mehr, mein Junge!“ Dann aber legte er den Kopf zärtlich an ihre Schulter und einmal erwiderte er in zutraulicher Weise: „Zu Grammatikregeln und Rechenaufgaben brauch’ ich dich nicht mehr, aber zum Liebhaben Tante Lete.“