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No. 3. Sonnabend, den 16. Januar 1904. VI. Jahrgang. v Xmann pilz," Kandels-Zeitung für den deutschen Gartenbau, de"öttorshalacker, Leipzig, Südstrasse 33. Verlag von Bernhard Thalacker, Leipzig = Gohlis. Leipzig-Gohlis. Organ des „Gartenbau=Verbandes für das Königreich Sachsen E. G.“ „Der Handelsgärtner“ kann direkt durch die Post unter No. 3222a der Postzeitungsliste bezogen werden. Der Abonnementspreis beträgt pro Jahr: für Deutschland und Oesterreich^Ungarn Mark 5.—; für das übrige Ausland Mark 8.—. Das Blatt erscheint -wöchentlich einmal Sonnabends. — Inserate kosten im „Handelspartner“ 30 Pfg. für die fünfgespaltene Petitzeile. &zve* - Der deutsche Gartenbauhandel und seine gegenwärtige Lage. II. In der Baumschulenbranche liegen die Verhältnisse ähnlich wie in den Grosskultur- Geschäften in Topfpflanzen — auf der einen Seite rege Nachfrage in den meisten Artikeln und dabei vielfach Mangel an erster Qualität — andererseits Ueberproduktion in ge ringerer Wahl und daher ein aussergewöhn licher Preisdruck. Wenn nun auch die Mög lichkeit vorliegt, mit geringeren Mitteln als zur Einrichtung einer modernen Handelsgärtnerei nötig sind, eine Baumschule zu gründen, so verfügt der junge Geschäftsmann gerade bei der letzteren Branche in den ersten beiden Jahren über keine nennenswerte Einnahme. Er muss im Gegenteil im zweiten und dritten Jahre noch bedeutende Gelder in den Betrieb hineinstecken, und kann höchstens durch den Zwischenhandel sich eine kleine Einnahme verschaffen. Dadurch ist der Anfänger schlecht bestellt, und die Hunderte von kleinen Baum schulen, die in den letzten Jahren in Deutsch land entstanden sind, üben einen naturgemäss grossen Preisdruck aus. Sie verfügen über schwächere junge Bestände, müssen diese zum Teil für jeden Preis losschlagen, sind mangel haft eingeführt und die Folge davon ist die so oft erwähnte Ueberproduktion in zweiter und dritter Stärke. Für die Baumschulenbranche war im allge meinen die Herbstwitterung äusserst günstig, die fertige Ware konnte in den Einschlag ge bracht und empfindliche Sorten konnten ge schützt werden, nachdem das frostfreie Wetter die sorgfältige Effektuierung der Herbst - Auf träge ermöglichte. Zufriedenstellend war das Geschäft in hochstämmigen Rosen, in niedrig veredelten fehlte es sehr an erster Qualität auch wirkliche Primaware von Sämhngsstämmen wird von Jahr zu Jahr ein kostbarerer Artikel. Die Obstbaumschulen sind ebenfalls zufrieden; allmählich wird die Aufmerksamkeit von den Aepfeln etwas ab und auch wieder den Birnen und dem Steinobst zugewendet. Der Einfluss ist ohne Zweifel auf die günstigen Ernten in Kirschen und Pflaumen und den Ausfall an Kernobst, vor allem Aepfeln, zurückzuführen. Wir können nur nochmals an dieser Stelle den jenigen Baumschulenbesitzern, welche über grosse Bestände von fertigen Steinobstbäumen ver fügen, anraten, unsere Handelsnotizen über die hohen Preise und die glänzenden Ernten der Steinfruchtarten in die Lokalpresse jener Gegenden zu lanzieren. Dadurch wird am einfachsten für das Arpflanzen von Stein obst — hierbei vorausgesetzt dass der Bo den sich hierzu eignet — aufgemuntert. Jeder kann auch im kleinen hierbei seine Interessen fördern, und sein Scherflein zur Entlastung der Bestände an Steinobst beitragen. Die Folge des in Mitteldeutschland so trockenen Sommers hat sich in vieler Be ziehung darin gezeigt, dass Obstwildlinge in besserer Qualität sehr knapp sind. Eine Ueber produktion aber ist in Ziersträuchern eingetreten; nier machte sich die Depression der Industrie und des Handels fühlbar. Die Landschaftsgärtner konnten bei der vom Publikum geübten grossen Sparsamkeit nicht genug unterbringen; die kleine Ware, der früher in so Unmassen an gebauten billigen Sorten wird stärker und überständig. Wenn auch die Landschaftsgärt- nerei wieder inzwischen mehr zu tun hat, so dürfte es doch notwendig sein, dass jeder Baumschulenbesitzer die Vermehrung hierin einschränkt. Erfreulicher Weise finden Frucht sträucher mehr Beachtung, und werden in all den kleinen Gärtchen, die zur Erholung dienen, in entsprechender Weise angepflanzt, so dass gute Ware meist im Herbst schon geräumt werden konnte. Im übrigen wird für den eigentlichen Massenverbrauch der Baumschulartikel das Früh jahr ausschlaggebend sein. Haben wir von Mitte Februar an frostfreie, nicht zu nasse Witterung, so muss das auf den Konsum von höchst günstigem Einfluss sein, und auch die geringere Qualität kann zum Teil untergebracht werden. Sonst drücken der Situation in der Baum schulerbranche folgende Worte eines unserer Mitarbeiter den Stempel auf: „Der schlimmste Feind ist das billigste Massenangebot von Schundware 1“ Die Landschaftsgärtnerei haben wir schon bei der Baumschulenbranche berührt, und können zunächst feststellen, dass auch hier eine Wendung zum Besseren eingetreten ist. Allerdings sind die Aussichten keine rosigen, denn die Löhne steigen, die Konkurrenz der sogenannten Pfuscher macht sich immer breiter und im Herbst und Frühjahr beginnt eine ordentliche Jagd auf die Gartenbesitzer. Was sich da alles Landschaftsgärtner nennt, und zur Pflege der Gärten anbietet, muss uns geradezu mit Graus erfüllen. Wenn derartige Kollegen immer wegen „Verstümmlung der Gärten“ zur Rechenschaft gezogen würden, und den angerichteten Schaden bezahlen oder abarbeiten sollten, dann würden wir sicher be sondere Arbeitskolonien errichten müssen. Man stellt tatsächtich an die Gutmütigkeit des Publikums in dieser Hinsicht die höchsten An sprüche 1 Als ein bedenkliches Zeichen muss auch der Umstand angesehen werden, dass fast jeder Gartenkünstler seinen Berufsgenossen von oben herab ansieht, und die Ueberzeugung hat, dass alle anderen sehr wenig können, höchst mangelhafte Anlagen ausführen usw. Und gerade die jüngere Generation sieht die alten, sich allerdings nur Landschaftsgärtner nennenden Praktiker gern von oben herab an, obgleich diese alten, einfachen Herren nicht nur über ausgezeichnete Erfahrungen, sondern oft vorzügliche dendrologische Kenntnisse ver fügen. Es wäre gewiss auch hier oft ange bracht, dass die Praxis über die Kunst zur Wahrnehmung ihrer Berufsinteressen gestellt würde. So lange sich aber die besseren Landschaftsgärtner nicht zusammenfinden, in jeder grösseren und mittleren Stadt sich ver einigen, und auf diese Weise rücksichtslos gegen die Stümper vorgehen, so lange kann keine Besserung eintreten. Auch hier macht nur Einigkeit stark! Man muss nur berück sichtigen, dass diese Pfuscher meist zu dem selben Tagelohn arbeiten, welchen ein Land schaftsgärtner für seine Angestellten berechnen muss, wenn er seine Spesen, die Kranken kassen, die Werkzeugabnutzungen etc. in Betracht zieht. Noch gefährlicher aber wird die Konkurrenz dieser Sorte Landschafter, wenn sie sich an Kostenanschläge heranwagt, und durch sinnlose Berechnungen das Publikum irre führt. Jeder Gärtner weiss ja, dass der Archi tekt für sei Haus gern die Mittel bewilligt er hält, während für die Gartenanlage dann wenig übrig bleibt. Gerade diese Anlagen der Spekulanten bieten den Pfuschern eine günstige Gelegenheit ihre Schundware unter zubringen , und die Anpflanzungen in der liederlichsten Weise vorzunehmen. Man muss nur solche Ausführungen ansehen, dann fühlt man, wie traurig es oftmals mit diesem Zweig der Gärtnerei bestellt ist. Ob es dem Zusammenschluss der selbständigen Land schaftsgärtner Hamburgs möglich sein wird, diesen Uebelstand zu bekämpfen, und ähnlichen Be strebungen in anderen Städten in Zukunft eher gelingen wird, auf diesem Gebiet einmal gründ lich aufzuräumen? Wir wollen es wünschen. Man möge aber nicht versäumen, auch das Publikum aufzuklären, und dessen Unterstützung zur Bekämpfung dieser misslichen Verhältnisse in Anspruch nehmen. Die Aussichten für die Landschaftsgärtnerei sind ja wieder günstiger, denn die Bautätigkeit scheint sich lebhafter zu entfalten. Ausserdem werden von den Ver waltungen der Grosstädte die Bestrebungen unter stützt, welche für Familienhäuser und villenartige Mietshäuser Komplexe vorsehen; dadurch profi tiert aber zunächst die Landschaftsgärtnerei. Auf der anderen Seite aber zeigt sich sowohl in Hamburg wie Berlin eine gewisse Partei und hegt Streikgedanken, die man aber bei den leeren Kassen in diesem Jahre noch nicht wird durchführen können. Wenn wir Arbeit kennen lernen und schätzen wollen, dann müssen wir zu unseren Gemüse gärtnern hinausgehen. Ihnen ist wohl die grösste Mühe und Last bei einem sehr kargen Brot beschieden. Was muss im Frühling, Sommer und Herbst geschaffen und gehütet werden, wenn ein Gemüsegärtner aus seiner oft kleinen Scholle das tägliche Brot für sich und die Seinen erzielen will? Man übersieht so leicht diese oft bescheidenen Leute, und trotz dem kommen sie bei ihrem endlosen Fleiss und einfachen Lebenswandel fast stets vorwärts. Un zählige, jetzt angesehene gärtnerische Firmen werden uns bestätigen müssen, dass der Grund stein zu dem Geschäft von dem Grossvater oder Urgrossvater durch Gemüsebau in sehr kleinem Masstabe gelegt wurde. Diese Männer stehen auch mit in unserer Reihe, sie sind auch deutsche Gärtner, die einen Kampf aufnehmen müssen gegen die von auswärts kommenden Erzeugnisse. Vergeblich verlangen sie für ihre Erstlingsprodukte einige Pfennige mehr, die sie früher hatten und so nötig brauchen, um ihre steigenden Löhne, ihren teuren Dünger und ihre höheren Steuern zahlen zu können. Wer mit uns denkt und fühlt, whd es begreiflich finden, dass wir auch diese Schwächeren schützen wollen, denen es meist an Gelegen heit und Worten fehlt, sich Geltung zu ver- Des Vaters Vermächtnis. Aus dem Leben einer Gärtnerstochter. Erzählung von A. Burg. (2. Fortsetzung). Nachdruck untersagt. Koening, dessen Reichtum die Frucht eisernen Fleisses war, konnte ein spöttisches Auflachen nicht unterdrücken. „Lieber Freund, was wollen Sie noch? Sie haben sich ja den Doktortitel errungen, wenn ich nicht irre, fehlt es Ihnen auch nicht an Mitteln, also kann es Ihnen wohl nicht viel Schweiss kosten, mit Ihrem Leben was anzufangen.“ Kenzius runzelte die Stirn. Er fühlte aus der Rede des Bankiers heraus die Verachtung, die der Arbeitgewohnte dem Flaneur entgegenbringt und der Gedanke, diese Ver achtung vielleicht zu verdienen, trieb ihm plötzlich das Blut ins Gesicht. Koening merkte es. Er klopfte ihm freundschaftlich auf die Schulter und sagte: „Ich weiss Ihren einen Rat, bleiben Sie hier und voll enden Sie hier in dieser Stille und Ruhe das sprachwissen schaftliche Werk, von dem Sie mir jüngst erzählten. Das Zimmer, das Sie jetzt bewohnen, steht Ihnen zur Verfügung. Sie wissen, wir haben immer Gäste und je mehr wir haben, desto lieber ist es uns.“ „O, Sie sind sehr liebenswürdig, zu liebenswürdig. Wie sollte ich wohl Ihre Gastfreundschaft auf so large Zeit an nehmen können. Aber Ihren Rat werde ich beherzigen; ich werde mein Werk hier in aller Ruhe vollenden, vielleicht ge lingt es mir auch, einen Platz als Privatdozent an der Univer sität zu bekommen.“ „Das wäre wohl möglich — ja, das ist eine gute Idee!“ sagte Koening, „und wegen der Wohnung — überlegen Sie sich’s; jedenfalls sind Sie uns ein sehr geschätzter Gast und wir würden uns herzlich freuen, Sie bei uns zu behalten. Aber ich verstehe auch ganz gut, dass es Ihnen auf die Dauer nicht angenehm sein könnte, ein Gast zu sein. Wir werden Sie auch sonst oft bei uns sehn, hoff’ ich.“ Er dachte an seine zweite Tochter Eva, die sechzehn jährige, die ein kleines Faible für den Doktor hatte, — wer weiss, vielleicht in zwei Jahren. Kenzius aber dachte an die Gärtnerei draussen vor der Stadt, und dass er dann wohl noch mehr Gelegenheit finden würde, das schöne, herbe Mädchen zu sehn. Dabei wurde es ihm warm ums Herz — ob sie wohl auch seiner gedachte ? IV. In der nächsten Zeit geschah etwas Seltnes, Obergärtner Welser bekam einen Brief. Froh nahm er ihn in Empfang und es erhellten sich seine Züge, kannte er doch die kräftigen Züge, welche die Adresse geschrieben. Er steckte die Gartenschere, mit der er eben hantiert hatte, in den breiten Ledergürtel, der sich um seine Hüften schlang, suchte nach seinem Taschenmesser und begann um ständlich das blaue Kuvert zu öffnen. Es waren nur wenige Zeilen, die der Brief enthielt, aber der Alte las sie immer und immer wieder und sein starkes Herz wollte fast zu zittern anfangen. Margarete, die unermüdlich im Garten tätig war, wo immer eine für sie passende Arbeit sich zeigte, kam eben mit einem Armkorb voll Blumen, die sie für Geburtstags- sträuschen geschnitten hatte, daher. Sie sah Welser in seine Lektüre vertieft und suchte in seiner Miene zu lesen, ob die Nachricht, die er erhalten, eine gute, oder das Gegenteil sei. Er blickte auf, als sie sich näherte und strich sich rasch mit der Hand über die Augen, während sein bärtiges Gesicht von einem Schmunzeln überzogen wurde. „Eine freudige Nachricht, Fräulein Winternitz, eine frohe Botschaft habe ich erhalten“, sagte er wie als Antwort auf ihre unausgesprochene Frage. „Mein Sohn, der Dietrich will heimkehren nach Deutschland und sich auf deutschem Boden fortan sein Brot suchen. Hat sich auch lang genug in der Fremde rumgetrieben, der Junge. Zehn Jahre lang, in England und Frankreich — zehn lange Jahre.“ Die Rührung wollte den sonst so charakterstarken Mann übermannen. Margarete reichte ihm die Hand. Mit dem Ausdruck aufrichtigster Freude sagte sie: „Das ist recht, Herr Welser, das freut mich wirklich herzlich, dass Sie den Sohn endlich wieder haben sollen.“ Sie erinnerte sich wohl noch des schlank aufgeschossenen jungen Mannes, als es ihn vor mehr als 12 Jahren, den Wanderstab in die Hand und den Tornister auf dem Rücken hinaus in die Welt trieb. Margarete war damals Zeuge ge wesen, als Welser seinen Sohn, nachdem er von ihrem Vater und Tante Verena Abschied genommen hatte, hinaus geleitete die Strasse entlang bis an die Grenze des Wir.ternitz’schen Besitztumes. Es blieb ihr unvergessen, als der ernste Mann damals seinen Sohn umarmte und wortlos an sich heranzog, während ihm heisse Tränen über die Wangen liefen. Das war das erste und einzige Mal, dass sie ihren alten Welser hatte so weich gestimmt gesehen, und in ihr kindliches Ge müt prägte sich diese Erinnerung unvergesslich ein. Sie sah im Geiste, wie damals der Sohn dem Vater die Hand gab und ihm wohl in wenigen gestammelten Worten, die von seinen Lippen kamen, versprach, auf dem rechten Wege zu bleiben, und dereinst so tugendhaft und wahr zurückzukehren, wie er hinaus ins Leben trat. Dietrich hatte sicherlich Wort gehalten. Schon aus seinen herzlichen Briefen spiegelte es sich wieder, dass aus dem charakterfesten Knaben ein ernster Mann geworden war, dass ihn Sturm und Drang in seinen Jünglingsjahren wohl bilden und klären, aber nicht auf Abwege bringen konnten. So fühlte Margarete mit ihrem alten Freunde das Glück des Vaters, und vor ihren Augen zeigte sich auf einmal ein Weg, wie sie ihrem treuen Mitarbeiter seine langjährige, un ermüdliche Pflichttreue ausgleichen konnte. Des alten Welser Gedanken mochten wohl auch zurück wandern, und manche Erinnerungen an vergangene Zeiten taten sich vor ihm auf. Dietrich hatte bei seinen einfachen Eltern eine strenge, aber gute Erziehung genossen. Er besuchte die Realschule, die beste Bildungsstätte seiner Heimatstadt, und zeichnete sich durch grossen Fleiss als einer der besten Schüler aus. Auch später während seiner Lehrjahre, die er in der Winternitz’schen Gärtnerei unter der gewissenhaften Leitung seines Vaters durchmachte, zeigte er sich als ernst, strebsam und verlässlich; ein jeder hatte ihn gern und schätzte ihn. Er besuchte nebenbei die Handelsschule und absolvierte nach 2 jähriger Lehrzeit den 1 jährigen Kursus einer Garten bauschule.