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Der Handelsgärtner
- Bandzählung
- 5.1903
- Erscheinungsdatum
- 1903
- Sprache
- Deutsch
- Signatur
- 2Zf5
- Vorlage
- Universitätsbibliothek der Technischen Universität Berlin, Deutsche Gartenbaubibliothek
- Digitalisat
- Universitätsbibliothek der Technischen Universität Berlin, Deutsche Gartenbaubibliothek
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1824034628-190300002
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1824034628-19030000
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1824034628-19030000
- Sammlungen
- LDP: Deutsche Gartenbaubibliothek
- Strukturtyp
- Band
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitschrift
Der Handelsgärtner
-
Band
Band 5.1903
-
- Ausgabe No. 1, 3. Januar 1903 1
- Ausgabe No. 2, 10. Januar 1903 1
- Ausgabe No. 3, 17. Januar 1903 1
- Ausgabe No. 4, 24. Januar 1903 1
- Ausgabe No. 5, 31. Januar 1903 1
- Ausgabe No. 6, 7. Februar 1903 1
- Ausgabe No. 7, 14. Februar 1903 1
- Ausgabe No. 8, 21. Februar 1903 1
- Ausgabe No. 9, 28. Februar 1903 1
- Ausgabe No. 10, 7. März 1903 1
- Ausgabe No. 11, 14. März 1903 1
- Ausgabe No. 12, 21. März 1903 1
- Ausgabe No. 13, 28. März 1903 1
- Ausgabe No. 14, 4. April 1903 1
- Ausgabe No. 15, 11. April 1903 1
- Ausgabe No. 16, 18. April 1903 1
- Ausgabe No. 17, 25. April 1903 1
- Ausgabe No. 18, 2. Mai 1903 1
- Ausgabe No. 19, 9. Mai 1903 1
- Ausgabe No. 20, 16. Mai 1903 1
- Ausgabe No. 21, 23. Mai 1903 1
- Ausgabe No. 22, 30. Mai 1903 1
- Ausgabe No. 23, 6. Juni 1903 1
- Ausgabe No. 24, 13. Juni 1903 1
- Ausgabe No. 25, 20. Juni 1903 1
- Ausgabe No. 26, 27. Juni 1903 1
- Ausgabe No. 27, 4. Juli 1903 1
- Ausgabe No. 28, 11. Juli 1903 1
- Ausgabe No. 29, 18. Juli 1903 1
- Ausgabe No. 30, 25. Juli 1903 1
- Ausgabe No. 31, 1. August 1903 1
- Ausgabe No. 32, 8. August 1903 1
- Ausgabe No. 33, 15. August 1903 1
- Ausgabe No. 34, 22. August 1903 1
- Ausgabe No. 35, 29. August 1903 1
- Ausgabe No. 36, 5. September 1903 1
- Ausgabe No. 37, 12. September 1903 1
- Ausgabe No. 38, 19. September 1903 1
- Ausgabe No. 39, 26. September 1903 1
- Ausgabe No. 40, 3. Oktober 1903 1
- Ausgabe No. 41, 10. Oktober 1903 1
- Ausgabe No. 42, 17. Oktober 1903 1
- Ausgabe No. 43, 24. Oktober 1903 1
- Ausgabe No. 44, 31. Oktober 1903 1
- Ausgabe No. 45, 7. November 1903 1
- Ausgabe No. 46, 14. November 1903 1
- Ausgabe No. 47, 21. November 1903 1
- Ausgabe No. 48, 28. November 1903 1
- Ausgabe No. 49, 5. Dezember 1903 1
- Ausgabe No. 50, 12. Dezember 1903 1
- Ausgabe No. 51, 19. Dezember 1903 1
- Ausgabe No. 52, 26. Dezember 1903 1
- Register Register 4
-
Band
Band 5.1903
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- Der Handelsgärtner
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stehende, das Alte gegen das Neue zu schützen. Dieses Verlangen trägt noch keines wegs einen industriefeindlichen Standpunkt in sich, das heute als ein überwundener Standpunkt anzusehen ist. Setzen sich Fa briken in der Nähe von gärtnerischen Kulturen fest, die denselben nicht hinderlich sind, so darf es diesen Fabriken doch nicht freistehen, dass sie hinterher ihrem Betriebe Einrichtungen hinzufügen, die solche verderbliche Einflüsse ausüben, wie es z. B. bei einer Verzinkerei erfahrungsgemäss der Fall ist. Was wir verlangen ist ein ausreichender Schutz gärtnerischer Interessen in dem durch die Gewerbeordnung vorgesehenen Verfahren, dahingehend, dass die Verwaltungsbehörde selbst die geeigneten Sachverständigen ernennt und im Termin zur Verhandlung zuzieht, und dass es nicht mehr gestattet wird, gefahr bringende Aenderungen vor dem definitiven Austrag der Sache in Angriff zu nehmen. Die Unfallversicherung in Blumenhandlungen (Binderei-Fabriken). Je mehr die staatliche Unfallversicherung erweitert wird, desto besser ist es, denn das soziale Interesse erheischt ja, dass möglichst allen, bei denen die Gefahr eines Unfalles nicht in weitem Felde liegt, die Wohltat der staat lichen Unterstützung im Falle der Erwerbs losigkeit zu gute kommt. Das Reichsversicherungsamt ist denn auch erfreulicherweise in der Ausdehnung des Ge setzes auf die verschiedenartigsten Berufe nicht engherzig gewesen, wenn es wirklich einem Zweifel unterliegen konnte, ob der betreffende Beruf unter die versicherungspflichtigen zu zählen wäre oder nicht. Jetzt hat das Reichsversicherungsamt, wie wir im „Hamburger Korrespondent“ lesen, in einer Entscheidung angenommen, dass auch Blumenhandlungen mit Binderei, in denen natür liche Blumen und Blätter zu Kränzen und Sträussen verarbeitet werden, unfallversiche rungspflichtig sind, weil das Binden der Blumen zu Sträussen und Kränzen als eine gewerbs mässige Be- und Verarbeitung von Gegen ständen im Sinne des § 2, Abs. 3 des Ge werbeunfallversicherungsgesetzes zu gelten hat. Diese Entscheidung ist neu und wird in den beteiligten Kreisen überraschen. Aber sie ist, wie wir gleich sehen werden, durchaus ge rechtfertigt. Man hat nämlich angenommen, dass Binde reien grösseren Umfanges als „Fabriken“ an zusehen seien, nicht im Sinne der Gewerbe ordnung, wohl aber im Sinne des Unfallver sicherungsgesetzes. Wir haben schon in unseren Artikeln über die „Frankfurter Arbeitsordnung“ darauf hingewiesen, dass die Definitionen des Reichsversicherungsamtes für die Auslegung der Gewerbeordnung nach wiederholt ergangenen Reichsgerichtsentscheidungen nicht als mass gebend anzusehen sind, sondern lediglich, aus schliesslich für die Frage, ob ein versiche rungspflichtiger Betrieb vorliegt oder nicht, von Bedeutung sein können. Darum handelt es sich aber in dem betreffenden Fall, wo die Versicherungspflicht der Bindereien zum Antrag gebracht wurde. Auch in den Entscheidungen des Reichsversicherungsamtes ist uns bislang kein Fall bekannt geworden, wo man Binde reien für versicherungspflichtige Betriebe ge halten hätte. Der Absatz 3 des § 2 des Unfallversiche rungsgesetzes, auf den die Entscheidung ge gründet ist, besagt: „Im übrigen gelten als Fabriken im Sinne dieses Gesetzes insbesondere diejenigen Betriebe, in welchen die Bearbeitung oder Verarbeitung von Gegenständen gewerbs mässig ausgeführt wird u n d zu diesem Zwecke mindestens zehn Arbeiter regelmässig be schäftigt werden, sowie Betriebe, in welchen Explosivstoffe oder explodierende Gegenstände gewerbsmässig erzeugt werden“. In Absatz 4 wird demnach hinzugefügt: „Welche Betriebe ausserdem als Fabriken im Sinne dieses Gesetzes anzusehen sind, bestimmt das Reichsversicherungsamt“. Die in § 2, Abs. 3 gegebene Begriffsbestimmung für die Fabriken ist so weitgehend, dass, auf sie gestützt, zahl reiche Berufe in den Kreis der Versicherungs pflicht einbezogen werden können, an die man vordem dabei gar nicht gedacht hat. Wir haben durch die Entscheidung des Reichsver sicherungsamtes nun sogenannte Binderei- fabriken erhalten. Welche Blumenhandlungen sind nun ver sicherungspflichtige Betriebe? Zunächst nur diejenigen, welche mit einer Binderei vereinigt sind. Das sind aber die meisten, ja, es wird wohl überhaupt keine Blumenhandlung geben, in welcher nicht auch das Blumenbinden betrie ben würde. Aber auch nur dann ist eine solche Blumenhandlung mit Binderei ein versiche rungspflichtiger Betrieb, wenn in ihr mindestens 10 Arbeiter oder Arbeiterinnen regelmässig beschäftigt werden. Die kleinen und mittleren Blumenhandlungen, in denen zwei bis vier Binderinnen beschäftigt werden, stehen ausser halb des Rahmens der versicherungspflichtigen Betriebe, da sie nicht als „Fabriken“ nach dem Gesetz angesehen werden können. Nur Binderei- Grossbetriebe gelten technisch als „Fabriken“, nur auf sie erleidet das Unfallversicherungs gesetz demnach Anwendung. Eine schwierige Frage musste es sein, welcher Berufsgenossenschaft nun die Gross bindereien zuerteilt werden sollten? Aber wo ein Wille ist, da ist auch ein Weg! Die Frage der berufsgenossenschaftlichen Zugehörigkeit ist dahin entschieden worden, dass der unfall versicherungspflichtige Betrieb, da er der den Holzberufsgenossenschaften zugeteilten Industrie der Flechterei von Holz, Bast und Binsen am nächsten (?) steht, der Holzberufsgenossenschaft zuzuweisen sei. In dem fraglichen Gross betriebe, der Anlass zur Entscheidung der Frage gegeben hat, wurden 15 Mädchen als Binderinnen, drei Hausknechte und zwei Kutscher beschäftigt. In diesem Betriebe wird demnach auch die Flechterei von Naturerzeugnissen in grossem Masstabe in Frage gekommen sein. Einwand frei ist aber die Zuteilung zur Holzberufs genossenschaft keineswegs. Denn, was am meisten gerade für Unfälle in Bindereien in Frage kommt, ist das Verarbeiten von Draht, das Binden mit Drahtstiften. Wir erinnern daran, dass gerade Vergiftungen durch Rost in Bindereien mehrfach vorgekommen sind, weil bei den Arbeiten mit rostigem Draht Blutvergiftungen entstanden. Die betreffenden Binderinnen hatten nur unscheinbare, unbeachtete Verletzungen an der Hand gehabt, in welche sich der Rost ge setzt hatte. Die Metallberufsgenossenhaft läge also bereits ebenso nahe. Indessen wollen wir mit dem Reichsversicherungsamt darüber nicht rechten. Bedauerlich ist uns bei der ganzen Sache nur das eine, dass nämlich die Binderinnen nicht gleichmässig der Wohltat der Versicherung teilhaftig werden können. Die Binderinnen in mittleren und kleineren Blumenhandlungen sind in Bezug auf Unfälle in Zukunft wesentlich schlechter gestellt als ihre Kolleginnen in den „Binderei-Fabriken.“ Es gibt künftig eben zwei Klassen von Binderinnen. Zur ersten Klasse gehören die versicherten, zur zweiten die nichtversicherten. Das lässt sich aber nach dem Gesetz nicht ändern. Soweit ein nicht fabrikmässiger Betrieb vorliegt, kann bei einem sich ereignenden Unfall die betreffende Binderin nur die Krankenkasse während der vorge schriebenen Zeit in Anspruch nehmen, während sie für etwas verminderte oder aufgehobene Erwerbsfähigkeit, nach Ablauf der Kranken unterstützung, keinerlei Ansprücke stellen kann, während die Binderin im Grossbetriebe ihre Unfallrente erhält. Rundschau. Handel und Verkehr. — Das Meistgewicht für Pakete beträgt nach § 2 der auf Grund des Gesetzes über das Postwesen vom 28. Oktober 1871 erlassenen Postordnung vom 20. März 1900 bekanntlich 50 kg. Es dürfte von Interesse sein, von fachmännischer Seite zu hören, dass ausnahmsweise auch Pakete von mehr als 50 kg Gewicht zur Beförderung zugelassen werden können, sofern sie nach ihrer Beschaffenheit und nach den vorhandenen Postbeförderungs mitteln fortgeschafft werden können und wenn sich absehen lässt, dass ihre Handhabung unter wegs keine besonderen Schwierigkeiten ver ursachen wird. — Es muss immer wieder vor dem österreichischen Taler gewarnt werden, der leider noch ungeheuer viel im Umlauf ist, obwohl er keine Gültigkeit im Geld verkehr mehr hat. Die Reichs- und Landeskassen zer schlagen derartige Geldstücke oder schneiden sie ein und geben sie dann dem Besitzer zurück. Der Silberwert ist 2/3 weniger als der Nenn wert. Man achte also bei Talern jetzt genau auf das Gepräge. Rechtspflege. — Die Grabpflege der Kirchenge meinden. Die Frage, ob man in der Grab pflege seitens der Kirchengemeinden einen Gewerbebetrieb zu erblicken hat, ist jetzt vor dem zweiten Senat des preussischen Ober verwaltungsgerichtes entschieden worden. Die Dreifaltigkeitskirche in Berlin besorgt die Grab pflege und Anlagen auf dem ihr gehörigen Friedhof selbst und war mit ihrem Einkommen aus der Grabpflege zur Gemeindeeinkommen- steuer veranlagt worden und hatte dagegen Klage erhoben. Der Bezirksausschuss sah in dem Bepflanzen mit Epheu und Blumen, im Berasen u. s. w. einen Gewerbebetrieb, während das Oberverwaltungsgericht im vorliegenden Falle einen Gewerbebetrieb nicht annahm, da die Kirchengemeinde nur für einen würdigen Zustand der Gräber gegen Entgelt Sorge tragen, keinesfalls aber ein Gewerbe betreiben wolle. Wenn der genannte Zweck überschritten werde sei es etwas anderes, dann z. B., wenn die Gemeinde Pflanzen, Blumen, Bäume u. s. w. anschaffte, um sie an die Grabbesitzer weiter zu veräussern u. s. w. Ein solcher Fall liege jedoch nicht vor. — Aufhebung des Lehrvertrages. Der Vater eines Lehrlings klagte gegen einen Gärtnereibesitzer in Naumburg wegen Auf hebung des Lehrvertrages. Er machte geltend, sein Sohn könne nichts beim Beklagten lernen, da er viel abwesend sei und sich nicht um die Gärtnerei bekümmere. Es seien drei Lehr linge vorhanden, was zuviel sei. Auch müsste des Sonntags gearbeitet werden und der Lehr ling besuche nicht einmal eine Fachschule. Der Gärtnereibesitzer erwiderte, dass über den Besuch einer Fachschule nichts vereinbart sei, Sonntags werde nur das Notwendigste ge arbeitet und die Ausbildung der Lehrlinge werde durchaus nicht vernachlässigt. Das Ge werbegericht wies die Klage ab. Ein Gärtner könne sehr wohl allein drei Lehrlinge halten und ordnungsgemäss ausbilden. Eine Fach schule besuchen zu lassen, sei nicht Vorschrift. Auch zu den notwendigsten Sonntagsarbeiten dürfe der Lehrling herangezogen werden, wenn ihm nur der Kirchenbesuch nicht unmöglich gemacht werde. Der Vater des Lehrlings hat Berufung an das Landgericht eingelegt. — Entlassung wegen Urlaubsüber- schreitung. Eine Verkäuferin in einem Blumenladen wurde sofort entlassen, weil sie ihren Urlaub um zwei Tage überschritten hatte, obwohl ihr der Geschäftsherr ausdrücklich ge sagt hatte, dass sie länger nicht abwesend sein dürfe. Sie gab an, dass sie krank gewesen sei. Der Geschäftsinhaber seinerseits musste zugestehen, dass er einen positiven Schaden nicht gehabt habe. Der Prinzipal wurde zur Zahlung des Gehaltes verurteilt. Wenn die Verkäuferin es auch unterlassen habe, sich ordnungsgemäss krank zu melden, so verdiene dies doch höchstens eine strenge Rüge, nicht aber sei die sofortige Entlassung deshalb ge rechtfertigt. Als ein Verlassen des Dienstes während einer erheblichen Zeit könne aber das Ausbleiben deshalb nicht angesehen werden, weil die Verkäuferin durch Krankheit an der rechtzeitigen Wiederaufnahme des Dienstes ver hindert worden sei. — Der Inhaber eines Blumenladens wurde verklagt, weil passende Sitzgelegen heiten in seiner Blumenhandlung für die Ver käuferinnen fehlten. Solche Sitzgelegenheiten sollen nach § 139h der Gew.-Ordn., in Ver bindung mit der Bekanntmachung des Bundes rates vom 28. November 1900 hinreichend in den offenen Verkaufsstellen vorhanden sein. Die Strafkammer in Essen erkannte auf Frei sprechung, da im Nebenraum nachweislich Sessel bereit gestanden hätten, und der Prinzipal die weiblichen Angestellten wiederholt darauf auf merksam gemacht habe. Es sei nachzuweisen, dass die Angestellten für die Zeit der Ruhe genügend Sitzgelegenheit hatten, denn sie hätten sich ja für die Zeit der Ruhe mit wenig Mühe die Sessel aus dem Nebenraume herbeiholen können. Die Verordnung des Bundesrates wolle auch nichts weiter, als dass Gelegenheit vor handen sei, sich in Ruhepausen während der Geschäftszeit irgendwo niedersetzen zu können. Dass die Sitzgelegenheit auch direkt im Laden selbst gegeben sein müsse, sei nicht vorge schrieben. beisammen, — das Telegraphenamt ist weit, — ach bitte, Friedelchen, Sie können gewiss was auswendig. Ach, so angesungen werden, ist ein Gefühl, das ans Ueberürdische streift. Auch ich“ — hier drohte die in Jugenderinnerungen schwelgende Dame Rührung zu übermannen, — „auch ich habe diese Seligkeiten durchgekostet. Es mögen nun fünf undzwanzig Jahre her sein“ — („Allmächtiger Gott!“ stoss seufzte Herr Schmederer dazwischen,) „als ich, ich war damals in Königsberg engagiert, mit Gedichten förmlich bombardiert wurde“. Der Komiker konnte sich boshafter Weise die Bemer kung: „Man sieht ja noch jetzt die blauen Flecken!“ nicht verkneifen. Fräulein Bachei aber tat, als habe sie nichts gehört und fuhr entrückt fort: „Damals, Kinder, spielt’ ich noch jugend liche Liebhaberin und Backfische, müsst ihr wissen. Die Grille der Bürch-Pfeiffer und Kleists Käthchen von Heilbronn bedeuteten die Gipfel meiner damaligen Triumphe. Ach, wie so anders waren damals die Leute, die ins Theater kamen; nicht so kritisch zersetzt und voreingenommen, gewissermassen noch unverdorben und noch fähig, eine klassische Komödie zu geniessen I Aber heute — I Ich könnte ein Buch schreiben, Kinder, wenn ich wollte!“ „Sie werden doch nicht wollen?!“ ächzte der Komiker ganz entsetzt. „Nur keine Bange, alter Freund! Es würde auch zuviel Herzblut kosten und mich zuviel aufregen! Lesen Sie lieber“, wandte sie sich an Margot Friedel, die inzwischen stark mit dem Stehkragen-Mann kokettiert hatte, „lesen Sie lieber so ein Gedicht vor, sonst muss man annehmen, dass man uns etwas vorgeflunkert hat“. Fräulein Bachei zwinkerte listig ihrem Nachbar, Herrn Schmederer, zu, der seinerseits dem Wein tapfer zusprach und müde mit dem kahlen Haupte nickte. Margot erkannte das peinliche der Situation, mochte aber in verletzter Eigenliebe den eben empfangenen Hieb nicht auf sich sitzen lassen. So machte sie denn gute Miene zum bösen Spiel und entnahm ihrem Pompadour-Täschchen ein Kuvert, dessen Inhalt sie mit ihren zierlichen Fingern, wie um die Anwesenden auf eine extra harte Probe zu stellen, bedächtig entfaltete. Hierauf räusperte sie sich ein ganz klein wenig und begann mit gedämpfter, fast flüsternder Stimme zu lesen: Im alten Herzen altes Weh Und Narben, kaum vergangen, So fand’ ich Dich. — Mit einem Mal Erglühten Deine Wangen. Und als der schöne Brand verloht, Da dacht’ ich bang und wieder kühn: Ist’s unsrer Liebe Morgenrot? Ist’s unsrer Liebe Abendglühn? Hier hielt die Leserin plötzlich inne, wie als ob es sie gereut hätte, überhaupt mit dem Interpretieren der Verse an gefangen zu haben. „Nun, — und weiter?“ klangen ihr die Stimmen der Tischgesellschaft entgegen. „Nein, Kinder, — verschont mich und euch“, lächelte Margot. Es geht nicht. Die Sache ist zu persönlich, — ich dachte nicht —“ „So lesen Sie ein anderes Lied vor!“ reklamierte die komische Alte fast vorwurfsvollen Tones. „Damit Sie wenigstens sehen, dass der junge Mann nicht, wie Sie vielleicht glauben, ganz ohne lyrische Begabung ist, will ich Ihnen ein paar Strophen vortragen, die ganz unper sönlich, dafür aber höchst zeitgemäss sind. Da das Gedicht wirklich eine Talentgabe vorstellt, habe ich es mir seinerzeit gleich zu eigen gemacht, so dass ich es Ihnen aus dem Ge dächtnis memorieren kann. Der Titel lautet ,April’. „Das ist allerdings sehr zeitgemäss, weil wir bald den letzten April haben“, liess sich Herr Schmederer vernehmen. „Pst! Ruhe!“ kam es, von einer gebieterischen Hand bewegung begleitet, von den Lippen des Fräulein Bachei. „Also: April“. Margot Friedel setzte eine sehr ernste Miene auf, mit der ihr Stumpfnäschen erheblich kontrastierte, dann begann sie, diesmal mit gehobenerem Tone und mit innerer Anteilnahme folgende Strophen vorzutragen: April, das ist die schlimme Zeit, Da hält der Schnitter sich bereit, Er naht im Frühlingsbrausen Und sprengt landauf, landab im Nu; Der Kranke drückt die Augen zu, Hört er die Sichel sausen. Auf seinen Spuren, die sich ziehn Durch Berg und Tal, die Veilchen blühn; Maiglöcklein kommt ins Läuten. Was anders mag Maiglöckleins Pracht (Sie blüht und stiibt vom Tag zur Nacht) Als frühen Tod bedeuten? April, das ist die schlimme Zeit, Da glänzt Natur, vom Schnee befreit, In jungfräulichem Prangen. Es schaut das Herz verwundert drein Und lässt vom Frühlingssonnenschein Im goldnen Netz sich fangen. Die Winde brausen tatenstark, Den Tannen rütteln sie am Mark, Lust fliegt mit Leid von dannen. Wo junge Liebe spriesst empor, Da weht ein Stücklein Trauerflor, Drauf Silbertränen rannen. „Sehr hübsch, — sehr hübsch das mit dem Trauerflor!“ machte, in Gedanken versunken, der alte Schauspieler. „Pst! pst!“ raunte ihm seine Nachbarin zu, über die unzeitgemässe Unterbrechung höchlich entrüstet. Fräulein Friedel liess sich durch diese Zwischenrufe nicht aus der Fassung bringen, sondern brachte das Poem mit gesteigertem Ausdruck durch folgende Strophe zum guten Abschluss: April, das ist die schlimme Zeit! Drum, Menschenherz, halt’ dich bereit: Noch gehts um ein Verlieren! Kommt erst der Mai im Siegeslauf, Hält ihn kein Sturm, kein Wetter auf. Dann magst du jubilieren! Man wollte sich eben in den bei solchen Anlässen üblichen und nichtssagenden Komplimenten ergehen, zu denen Herr von Reizenstein die Würze zu liefern nicht übel aufgelegt schien, als Fritz Liermann mit vor Wut und Scham ver steinertem Antlitz auf der Türschwelle erschien. Er hatte die Situation sofort erfasst und argwöhnte, dass man seine Abwesenheit dazu benutzt hatte, sich über ihn lustig zu machen. Die schwüle Stimmung hätte sich wohl bald verflüchtet, wenn Reizenstein einer Aufklärung des Fräulein Friedel, zu der sie sich eben anschickte, nicht in brutaler Weise zuvor gekommen wäre.
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