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durch solche Privatarbeiten über seine Kräfte und verrichtet infolgedessen die regulären Ar beiten in der Gärtnerei selbst nur in nicht zufriedenstellender Weise. Gegen § 14 und 15 ist nichts einzuwenden. Sie knüpfen die Ein führung fremder Personen in die Gärtnerei an die Erlaubnis des Prinzipals und verbieten Be schädigungen der aushängenden Arbeitsordnung. Ausstellungen von Belang haben die Gehilfen demnach nur bei § 2, 3, 6 und 7 gemacht, also bei 4 Paragraphen von 15. Warum Albrecht da die Arbeitsordnung im allgemeinen als eine „schlechte“ bezeichnet, ist unver ständlich. Wir haben früher einmal dem „Sächsischen Gartenbauverband“ einen Normal- Dienstvertrag unterbreitet, der in der Haupt sache auch die Vorschriften der Frankfurter Arbeitsordnung enthielt. Dieser Vertrag ist jedoch vom gedachten Verband unseres Wissens nur in Dresden eingeführt worden. Die Leipziger und andere Vereine haben sich ablehnend ver halten. Die Frankfurter Arbeitsordnung wird jetzt überall in Handelsgärtnerkreisen diskutiert und erhält vielleicht allgemeine Geltung. Darum war unser Eingehen auf dieselbe nochmals ge boten. Wir empfehlen dringend die Abänderung des § 8, Abs. 2 in der von uns vorgeschlagenen Weise. Dass im übrigen die Arbeitsordnung eine „Herausforderung der Gehilfen“ sei, ist eine jener Phrasen, die wir von den „Genossen“ gewöhnt sind, aber vom „Allgemeinen Deut schen Gärtner-Verein“ nur ungern hören. Wir nehmen diesen zu ernst, als dass wir solche nichts sagende Schlagworte von dort hören müssten. Wir glauben, dass die Frankfurter Arbeits ordnung im ganzen das Richtige getroffen hat, und es wird uns auch aus verschiedenen Teilen des Reiches mitgeteilt, dass man geneigt sei, dieselbe einzuführen. Deutsche Hagelversicherungsgesellschaft A.-G. für Gärtnereien etc. zu Berlin. Der 56. Geschäftsbericht dieses Institutes für das Jahr 1902 liegt uns vor. Es wird darauf hingewiesen, dass wieder zahlreiche, darunter mehrere schwere Schäden, im. ver flossenen Jahre zu vergüten waren. Im ganzen kamen 6657 Policen mit Mk. 13 341 660 Ver sicherungssumme zum Abschluss, aus denen Mk. 211750 Prämieneinnahmen hervorgingen. Eine Zunahme der Versicherungssumme ist hierbei bei den rein gärtnerischen Abteilungen, wie Gewächse unter Glas, Topfgewächse etc. zu verzeichnen, während die Versicherung von Obst- und Weinernten infolge der sehr geringen Fruchtansätze erheblich zurückgegangen ist. Der Reservefonds beträgt Mk. 493 877, und es konnten trotz der ungünstigen Position für die auf fünf Jahre beigetretenen Mitglieder 12 % der für 1902 berechneten Prämie vorgetragen werden. Im letzten Jahre mussten 655 Hagel schäden vergütet werden, wobei die Regu lierungskosten Mk. 145 320 betrugen. Hieran partizipieren besonders die Orte in der Um gebung von Dresden und Pirna; auch aus Thüringen und dem Rheinland, sowie aus Schlesien wurden besonders zahlreich Unfälle gemeldet. Nach den letztjährigen Ersparnissen, welche eine Zuwendung zum Reservefond von Mk. 7 857 ermöglichte, steigt dieser nunmehr auf Mk. 501 735, so dass nachträgliche Erhe bungen von Seiten der Mitglieder nach' den bisherigen Erfahrungen für die Zukunft voll ständig ausgeschlossen sind. Unsere Leser dürfte es interessieren zu erfahren, dass von der gesamten Versicherungs summe 54 % mit ziemlich 7 Millionen Mark auf Berlin einschliesslich der Provinz Branden burg entfallen; 36 % kommen mit einer Summe von nahezu 5 Millionen Mark auf die General- Agentur von Leipzig und das Königreich Sachsen. Aus dem Sitzungsprotokoll der dies jährigen Generalversammlung ist noch zu er wähnen, dass die abgeänderten Satzungen vom Kaiserlichen Versicherungsamt genehmigt worden sind, und den Vorschriften der Gesellschaft nach, nunmehr neben dem Direktorium ein Aufsichtsrat in Tätigkeit tritt. Sechs Mitglieder des bisherigen Vorstandes, die Herren Lim precht, Friebel, Tübbicke, Hasse, Mahnke und Krause schieden nach zum Teil 2 5 jähriger Geschäfts-Tätigkeit aus, und wurde ihnen ein künstlerisch ausgeführtes Erinnerungsdiplom als Zeichen der Anerkennung ihrer langjährigen und uneigennützigen Tätig keit übermittelt. Die deutsche Hagelversicherungsgesellschaft A.-G. für Gärtnereien etc., welche vor 56 Jahren von mehreren Berliner Gärtnern gegründet wurde und auf ein segensreiches Wirken zurückblickt, sollte eine noch weit grössere Unterstützung aus den Kreisen der deutschen Gartenbau treibenden aller Branchen erfahren. Hier sollte endlich die Lässigkeit und Gleichgültigkeit schwinden, denn die geringen Kosten, die jähr lich zu entrichten sind, schützen zahlreiche Existenzen oft vor dem gänzlichen Ruin. Auch sollte niemals vergessen werden, dass eine derartige Institution einem ganzen Berufe zu gute kommt, und ein Versicherter, wenn er selbst vom Unglück verschont bleibt, seinen Berufsgenossen nützt und ihnen hilfreich die Hand bietet, damit die Schäden, welche ihn unverschuldet getroffen haben, gemildert werden. Dieses gärtnerische Unternehmen steht jeden falls an der Spitze, ähnlicher Versicherungen und wird von Jahr zu Jahr nutzbringender wirken können, je mehr es in unseren Fach kreisen Anerkennung und Teilnehmer findet. Der Schutzzoll auf Rosen. Von den deutschen Rosenschulenbesitzern, mit Ausnahme nur weniger, die ihren franzö sischen Geschäftsfreunden gegenüber sich zu der gewohnten deutschen Gefälligkeit und Rück sicht verpflichtet glaubten, ist ein Zoll auch auf diese Produkte angestrebt und erlangt worden. Dieser Zoll wird nun in der letzten Nummer der „Rosenztg.“ als eine Schädigung und Benachteiligung des deutschen Rosen handels geschildert. Dabei wird die Zollplackerei bedauert, die Werterhöhung der deutschsn Rosen gepriesen (ironisch!) und wenige Zeilen weiter unten wird ferner in dem betreffenden Ar tikel gesagt, dass die Einfuhr aus Frankreich, über haupt aus dem Auslande, auf ein Minimum zusammengeschrumpft sei, so dass eine Er schwerung ganz überflüssig wäre. Hierin liegt ein offener Widerspruch! Weiterhin fürchtet der Verfasser, dass der aufblühende deutsche Rosenexport dadurch gefährdet würde, indem das Ausland mit hohen Zöllen antworten werde. Sonderbrerweise sanktioniert die „Rosen zeitung“ diesen Artikel, indem sie bemerkt, dass Oesterreich-Ungarn bereits mit betrübendem Beispiel vorangegangen sei! Diesen Artikel haben einige freisinnige Blätter übernommen, die ihre Glossen dazu machen und deshalb bedürfen diese Ausführ ungen unbedingt einer Richtigstellung. Zu nächst muss darauf hingewiesen werden, dass aus Frankreich und Holland eine grosse Menge niedrig veredelter Rosen, auch Rosa canina und wurzelechte Rosen eingeführt werden, sonst wäre es den zahlreichen deutschen Rosen gärtnern, wobei die angesehensten Firmen von Berlin, Dresden, Steinfurt, Lübeck, auch Trier obenanstehen, sicher nicht eingefallen, einen so hohen Zoll auf Rosen zu verlangen. Das müsste übrigens der Redaktion der „Rosenztg.“ wohl bekannt sein. Ausserdem richtet sich die Regierung, wie die ganze Entwicklungs phase der Zollbestrebungen erwiesen hat, nicht nach der Notwendigkeit, sondern lediglich nach der politischen Seite und hat nur deshalb einen ausschliesslich Holland und Frankreich treffenden Rosenzoll acceptiert: Luxemburg, welches uns die meisten Rosen schickt, gehört ja bekanntlich unserem Zollverband an! Wenn aber in dem betreffenden Artikel gesagt wird, dass unser gärtnerischer Export nach dem Aus lande infolge unseres Zolles unterbunden wer den könnte, so teilen wir diese Auffassung nach den bisherigen Erfahrungen nicht. Haben nicht Russland, Norwegen, Schweden, Däne mark, Oesterreich und Amerika schon längst, durch teilweise sehr hohe Zölle unseren gärt nerischen Handel zurückzudrängen versucht, ehe wir einen Schutzzoll anstrebten? Es würde sehr naiv sein zu glauben, ohne unsere Schutz zollbestrebungen hätte Oesterreich keinen Schutz zoll verlangt oder Russland hielte mit den an gestrebten Zöllen aus freundlicher Rücksicht nahme für die deutsche Zollfreiheit zurück. Niemals würde dies der Fall sein und wenn die Verträge mit dem Ausland abgeschlossen sind, dann werden alle die Schutzzollgegner sehen, wohin sie ihre Bescheidenheit ge führt hat. — Wir hätten dem Artikel in der Rosenzeitung keinen solchen Wert beigelegt, wenn nicht, wie schon oben gesagt, Tage blätter, wie die Ostseezeitung, Volkszeitung etc. denselben freundlichst zur Propaganda über nommen hätte. Dadurch wird den deutschen Gärtnern ein schlechter Dienst erwiesen! Auch heute vertreten wir noch die Ansicht, dass die Zölle auf Baumschulartikel weniger dringend notwendig waren und wir zunächst einen Schutzzoll auf Schnittblumen und Früh gemüse erhalten mussten. Man wird aber aus den Zollverhandlungen der Regierung deutlich ersehen haben, dass jeder Zoll, der Italien oder Oesterreich treffen könnte, ängstlich vermieden wurde, dagegen wenn Holland und Frankreich in Frage kamen, schien die Besteuerung der Regierung annehmbar. Das beweist der Zoll auf Baumschulartikel, Topfpflanzen, Gemüse, Wirtschaftsobst etc. Wir sind aber der An sicht, dass wir uns von der Auslandsliebedienerei nach berühmtem Muster endlich frei machen und nicht immer wieder in unseren alten Fehler verfallen sollten, denn das Ausland weiss seine Interessen besser zu wahren, indem es unsere Einfuhr zurückzudrängen sucht. Wenn wir in unserer Gutmütigkeit die fremden Erzeugnisse, vor allem Schnittblumen und Frühgemüse zoll frei hereinlassen, so schädigen Wir unsere eigenen Interessen in einer unverantwortlichen Weise und verkennen unsere höchste Pflicht: Den Schutz unserer nationalen Arbeit! Rundschau. Handel und Verkehr. — Einfuhr von Sämereien über Ant werpen. Im Jahre 1902 sind, abgesehen von Getreide und Oelsämereien, 142 861 t Säme reien über Antwerpen in Handel gebracht worden. — Aussenhandel der Schweiz 1902. Die Schweiz, die mit ihrem Zolltarif doch noch nicht ganz ins reine gekommen zu sein scheint, führte im verflossenen Jahre an frischen Ge müsen für 4 356 000 Francs ein und für nur 102 000 Fr. aus. Beim frischen Obst war da gegen umgekehrt die Ausfuhr grösser. Es wurden für 6 688 000 Fr. exportiert, während nur für 2 688 000 Fr. zur Einfuhr gelangte. Die schweizerische Handelsstatistik befasst sich übrigens nur mit Waren, deren Ein- oder Aus fuhr den Wert von 3 Millionen Franken über steigt. — Schwedens Ausfuhr an frischen Früchten und Beeren belief sich 1902 auf 5297 t, gegen 3197 t im Vorjahre. — Die „Güterkarten“, welche am 1. April statt der Frachtbriefe eingeführt werden sollen, sollen den Eil- und Frachtstücken an Stelle des Frachtbriefes beigegeben werden. Die Verwendung der Karten ist im einzelnen folgende: die neue Eisenbahngüterkarte wird ebenso wie bisher der Frachtbrief, vom Ver sender ausgefüllt. Sie enthält zugleich das Benachrichtigungsschreiben, das auf der Em pfangsstation dem Empfänger zugestellt wird. Das zunächst versuchsweise eingeführte, ver einfachte Abfertigungsverfahren erstreckt sich nur auf Eil- und Frachtstückgüter und schliesst weder Vorausbezahlung der Frachten, noch deren Ueberweisung, noch Nachnahmebelastung aus. Die Fracht kann sowohl auf der Ver sand- wie auch auf der Empfangsstation ent richtet werden. Auf der Versandstation kann die Zahlung entweder in bar oder durch auf die Eisenbahngüterkarten zu klebende Marken erfolgen. Auf der Empfangsstation müssen die Frachten u. s. w. in bar erlegt werden. Die Eisenbahnmarken, welche den Postmarken ähn lich sind, und in verschiedenen Werten bis zu 10 Mark aufliegen, werden ebenso wie die Güterkarten, letztere vorläufig kostenlos, bei den genannten Abfertigungssteilen ausgegeben. In der Frachtberechnung tritt eine Aenderung nicht ein. Man kann also durch Aufkleben der Marken die Fracht selbst erlegen, und der Aufenthalt an den Schaltern wird sich wesent lich abkürzen. Auf den Versandstationen werden Berechnungen der Frachtsätze nach den ein zelnen Stationen von 10 zu 10 Kilogramm zum Aushang gebracht werden. — Der Vorstand der land- und forstwirtschaftlichen Unfall-Berufsge nossenschaft für das Königreich Sach sen hat die durch das Kgl. Landesversiche rungsamt bestätigten neuen Satzungen publiziert. Nach § 11 derselben besteht der Genossen- schaftsvorstand aus 11 Mitgliedern, und zwar sind darin je zwei Landwirte und ein Gärtner aus jeder Kreishauptmannschaft vertreten. Rechtspflege. — Zeitversäumnis beim Stelle suchen. Der Arbeitgeber ist bekanntlich durch das Bürgerliche Gesetzbuch verpflichtet worden, seinen Angestellten, sobald ihnen gekündigt worden ist, oder sie selbst gekündigt haben, „Ach der!“ klang es nicht eben kollegial zurück, — „weiss der Kuckuk, wo der Konfusionär stecken mag. Auf den können Sie sich überhaupt nicht verlassen, er ist überall und nirgends, das heisst gewöhnlich in der Kneipe“. Heinz stutzte. Man konnte ihm seine Enttäuschung vom Gesicht lesen. Der andere bemerkte es, fuhr aber trotzdem unbeirrt fort, dem Weltumsegler eins am Zeuge zu flicken. „Ja, wenn’s mit dem grossen Maul allein gemacht wäre, dann freilich wär’ unser Petrenz ein ganz patenter Kerl. Er kommt sich, trotzdem er leider Gottes kein Sitzleder, keine Ausdauer hat, in unserer Lohnbewegung so gewissermassen als „Macher von det Janze“ vor. Sie verstehen, — der Wille wär’ da, aber das Fleisch ist bei ihm verteufelt schwach. Bei uns heisst’s aber jetzt mehr denn je, mit allen beiden Händen feste zugreifen, sonst kriegen wir die Karre nicht hoch. Petrenz mag im Bearbeiten einzelner aus den unteren Schichten, wo ein bisschen Renommisterei zuweilen mitunter laufen muss, • um die zu fangenden Seelen warm zu erhalten, ganz am Platze sein, wo es sich aber um einheitlich-organisa torische Vorarbeit handelt, da versagt er wie eine alte Reiterpistole“. Heinz wollte seinem Bedauern über das eben Ver nommene Ausdruck geben, als ein älterer Herr aus dem Nebenzimmer trat, und mit den Worten: „Herr Romberg, wenn ich bitten darf“, Heinz aufforderte, ihm zu folgen. Im nächsten Augenblick stand der erste Obergärtner der Domgärtnerei einer der einflussreichsten, redegewaltigsten und desshalb populärsten Persönlichkeiten des Streikkomitees gegenüber. Mit einer für einen aus dem Arbeiterstand hervorge gangenen Mann vornehm zu nennenden, eleganten Handbe wegung lud der Gewaltige, dessen stahlgraue Augen durch dringend auf dem jungen Gärtner ruhten, Heinz ein, Platz zu nehmen. Hierauf begann er, dann und wann seinen schon ziemlich stark angegrauten Knebelbart streichend, dem neuen Zuzügler aus der Provinz sein Programm in markanten Zügen zu ent wickeln und Heinz auf die seiner an der heutigen Abend versammlung wartende, oratorische Arbeit vorzubereiten. Heinz war ein dankbarer und gelehriger Zuhörer. Sein Herz hämmerte lebhaft, als er hier von seinem Gegenüber in schlichtem, folgerichtigen, mit humoristischen Pointen gewürztem Piauderton alles das zusammenhängend vorbringen hörte, was in den letzten Monaten sein Innerstes bewegt hatte. Zu weilen hätte er aufspringen und dem trefflichen Alten, der in allem, was er sagte, jenen Standpunkt einnahm, den er an seinem Vater leider vermissen musste, die gebräunte Hand schütteln mögen. Aber er wagte es nicht, seinen Mentor zu unterbrechen und liess statt der Lippen seine Blicke reden, die dem vor ihm sitzenden Menschenkenner mehr sagten, als er ahnen konnte. Achtzehntes Kapitel. Mitternacht war längst vorüber, als Heinz nach der über alle Erwartungen stürmisch abgelaufenen Gehilfen-Versammlung, in welcher auch er nach bestem Wissen und Gewissen ein Wört- lein mitgesprochen, sich in seinem Zimmer mit vor Aufregung glühenden Wangen hinsetzte, um seiner Braut noch unter dem frischen Eindruck des eben Erlebten einen ausführlichen Brief zu schreiben. Das erhebende Glücksgefühl, mit seiner Jungfernrede keinen schlechten Erfolg gehabt zu haben, hätte ihn doch nicht so bald Ruhe finden lassen. Er musste sich jemand mitteilen, und wer wäre ihm nach seinem Zerwürfnis mit dem Vater näher gestanden als seine zukünftige Lebens gefährtin. So schrieb er denn: Herzliebste Hilde! Es ist an der Zeit, dass ich Dir, die Du wohl schon über mein bisheriges Stillschweigen schmollst, von meiner Expedition nach Hamburg endlich etwas berichte. Und zwar mehr als auf eine Ansichtskarte geht, damit ich recht bald mit einem langen Briefchen von Dir erfreut werde. Wenn man sich wie Dein Ausreisser, auf den Kriegsschauplatz begeben hat, muss man beim Eintauchen der Feder auch von kriege rischen Taten und mitgemachten Schlachten zu erzählen wissen. Eine solche Hauptschlacht hat eben stattgefunden, und ich bin, obschon ich auch im Redefeuer gestanden, wie Du siehst, mit heiler Haut davongekommen. Du kannst Dir von dem Trubel, der in dem bis auf das letzte Plätzchen gefüllten Saale herrschte, keine Vorstellung machen. Die Temperatur übertraf diejenige in unseren Warm häusern, so dass einem sich ganz besonders ins Zeug legenden Dauerredner der Schweiss buchstäblich auf der Stirne perlte. Der ereignisreiche Abend, der, um Deine Neugier nicht lange im ungewissen zu lassen, in der Streikproklamation gipfelte, wurde mit einem Chorgesang der Sängerabteilung des Zentralvereins eröffnet, was sich recht feierlich machte und den wackeren Sängern brausenden Beifall eintrug. Mit den nun folgenden Einzelheiten und mit Namen von Rednern, die Dir nicht mal von Hörensagen bekannt sein dürften, will ich Dich verschonen, nur soviel sei Dir anvertraut, dass ich gewünscht hätte, Du und mein Vater wären mit anwesend gewesen. Mein lieber Schatz hätte nämlich bei dieser Gelegenheit etwas erlebt, was er mir wohl nicht würde zugetraut haben: eine kleine Rede von seinem Heinz, und der Vater, — nun, der hätte sich von einer ganzen Anzahl gewandter und über zeugender Redner Dinge sagen lassen müssen, die ihm die Augen über die soziale Lage der Gärtnerei endlich geöffnet haben würden Manchmal freilich wurde auch mit grobem Geschütz und dann meist übers Ziel hinaus geschossen, aber im grossen und ganzen lief die Sache doch in normalen Grenzen ab. Geh begreife die hiesigen Prinzipale nicht; wenn sie sich auch nicht mit allen Forderungen der Gehilfen einverstanden erklären konnten, was ich ihnen keineswegs verargt hätte, so wäre es ihnen doch ein leichtes gewesen, wenigstens die tägliche Arbeitszeit auf elf Stunden herabzusetzen. Das wäre schon eine Brücke zur gegenseitigen Verständigung gewesen, aber nein, — die Herren wollten zeigen, dass sie sich von der Streikandrohung nicht einschüchtern liessen und verwarfen den ganzen Lohntarif, der ihnen in der neuen, zeitgemässen Fassung unterbreitet worden war. Oel ins Feuer ist nichts gegen die Erbitterung, mit welcher die Gehilfen, namentlich die jüngeren Leute, den abschlägigen Bescheid aufnahmen. Aber bald machte die Erbitterung einer wilden Siegestrunken heit, einem Freudentaumel Platz, als es hiess, nun würde die Arbeit sofort in sämtlichen Gärtnereien niedergelegt. Ich schreibe Dir das alles nur, weil ich weiss, dass diese Dinge Dich, die zukünftige Gärtnersfrau, interessieren. Du liebst die Blumen mit einer, sozusagen aesthetischen Leiden-