Volltext Seite (XML)
No. 1. Sonnabend, den 3. Januar 1903. V. Jahrgang. DerJ-fandelsgärfner. Verantwortlicher Redakteur: y y py • , gce y f r t A , r Für die Handelsberichte und Hermann pnz, undels-Zeitunq für den oeufsehen Gartenbau. denfachtichenTetiverantwortch: , • • O-J , ,, M UULO 1 IIldCIKCI, Leipzig, Südstrasse 33. MF <• „g. 0, w • . .022 Verlag von Bernhard Thalacker, Leipzig = Gohlis. Leipzig-Gohlis. Organ des „Gartenbau-Verbandes für das Königreich Sachsen E. G.“ „Der Handelsgärtner“ kann direkt durch die Post unter No. 3222a der Postzeitungsliste bezogen werden. Der Abonnementspreis beträgt pro Jahr: für Deutschland und Oesterreich-^Ungarn Mark 5.—; für das übrige Ausland Mark 8.—. Das Blatt erscheint wöchentlich einmal Sonnabends. — Inserate kosten im „Handelspartner“ 30 Pfg. für die fünfgespaltene Petitzeile. Neujahrsgruss! 1903. Des Jahres letzte Stunde schlägt. Vom Thurme hallt der Ruf der Glocken, Tief ist der Menschheit Herz bewegt, Rings Gläserklingen und Frohlocken! Es steigen Geister still empor. Mit Rosen ist ihr Haupt umwunden, Das sind im heitren Blumenflor Des alten Jahres Freudenstunden! Wie reich es auch an Leiden war, Sein Frühling blühte nicht vergebens, Hab’ Dank, du leichtbeschwingte Schar, Du gabst uns neuen Mut des Lebens! Und andre Schatten seh’ ich dort Empor vor meinen Blicken tauchen, Sie scheuchen fast die ersten fort, Die Thräne glänzt in ihren Augen. Ich kenne Eure dunkle Spur, Ihr seid des bleichen Schmerzes Stunden, . Ich fürcht’ Euch nicht, Ihr zeigt mir nur, Was standhaft hab’ ich überwunden. Erinnrung hält mir wieder vor. Was mir im Jahr dahingeronnen, Ich sehe, was mein Herz verlor, Ich sehe, was mein Herz gewonnen! Und da vor meinem Auge steigt, Ein Frauenbild geschmückt hernieder, Und wie es still sich zu mir neigt. Find’ ich der Seele Freuden wieder. Im Zauber eines Augenblicks Seh’ ich die ganze Zukunft offen, — Du, Mutter unsres Erdenglücks, Du nahst uns, altes, süsses Hoffen! Ja, bleibst du uns, du Götterkind, So giebt’s kein Bangen und Verzagen, Und wie die Zeit dahin auch rinnt, Das Herz wird froh und mutig schlagen. Du sprichst: „Dein Gott verlässt dich nicht!“ Du hältst uns seine Güte offen, Nun wandeln wir im Himmelslicht Ins neue Jahr mit neuem Hoffen! Hermann Pilz. Im neuen Jahr! Ein Jahr dahin! Wir stehen wieder sinnend an seiner Bahre und halten stille Rückschau. Glocken- und Gläserklang bringt nicht allein die Weihe in der Stunde, da wir an der Pforte eines neuen Zeitabschnittes angelangt sind. Wir müssen vor allem auf den Weg zurückblicken, den wir gegangen sind und uns Rechenschaft über unser eigenes Tun undLassen ablegen. Unsere Taten sind wie die Blüten und Blätter, die wir zu einem Kranze bilden. Haben wir die richtigen Blätter und Blüten gefunden, gewählt, damit es einen Kranz gibt, mit dem wir in Ehren bestehen können? Das ist die Frage, die wir uns vor allem vorzulegen haben! Das politische Jahr 1902 glich seinem Vorgänger zum Leidwesen aufs Haar. Die Geschäftslage war im allgemeinei in Deutsch land keine günstige. Die Kiise dauerte an und die Hoffnungen, welche wir beim Beginn des Jahres 1902 hegten, haben sich nicht er füllt. Auch die Gärtnerei wurde von der all gemeinen Misere betroffen, denn das Thermo meter der Kauflust war zeitweise bis auf den Nullpunkt herabgesunken. Das bedeutsamste Ereignis für uns war die Beendigung des „Zollkrieges“ im Reichstag. Nachdem die Kommission, die dazu ausersehen war, eine Regierungsvorlage auszuarbeiten, in langen, zum Teil recht langweiligen Sitzungen ihre mühe volle Arbeit vollendet hatte, wurde der modi fizierte Entwurf der Kommission, wie wir schon in voriger Nummer mitteilten, in drei Lesungen vom Plenum angenommen, und damit der Kampf um die Vorlage, der alle Parteien lebhaft erbitterte, zu Ende geführt. Mit allen erlaubten und unerlaubten Mitteln ist gekämpft worden, und es schien fast, als solle unser Volksparla ment den soliden, sicheren Grund und Boden, auf dem es bislang gearbeitet hat, einbüssen. Hoffen wir, dass die tumultuarischen Szenen, mit denen wir dem Ausland, wie die aus wärtige Presse zeigt, ein grosses Vergnügen bereitet haben, sich sobald nicht wiederholen werden. Hoffen wir aber auch, dass der Tarif, wie er jetzt vorliegt und in der Hauptsache auch vom Bundesrat acceptiert worden wird, zum Segen unserer Wirt- chaftspolitik ausfallen möge. Die deutschen Gärtner haben keine Ursache freudig gestimmt zu sein. Die gewaltige Schutz zollbewegung, welche diesmal fast die Gärtner aller Gegenden unseres Vaterlandes aufrüttelte und zu Protesten aufstachelte, sie hat wieder den Erfolg nicht gehabt, den wir uns von ihr versprochen haben und versprechen durften! Wiederum sind frische Blumen und Bindegrün zollfrei geblieben, um den Italienern keinen Stuhl vor die Türe zu setzen. Damit ist aber von den Zollforderungen der Handelsgärtner gerade das gefallen, was eigentlich den Kern punkt der ganzen Bewegung ausmachte. Der Zoll auf Pflanzen und Gemüse, der gewährt worden ist, kann daher nur als eine Abschlags zahlung angesehen und in der Hoffnung quittiert werden, dass auch die übrigen schon längst fälligen Posten noch gezahlt werden. Eine wirkliche Gesundung der wirtschaftlichen Ver hältnisse in der Gärtnerei dürfen wir von dem, was uns der Tarif bringen wird, nicht erwarten, um so weniger, als der Reichskanzler ja noch manches abzwacken wird, wenn er daran geht, die Handelsverträge mit den fremden Nationen zu ordnen. — Wir dürfen da noch auf grosse L’eberraschungen gefasst sein. So sind wir denn wieder allesamt auf den Etat der guten Hoffnung gesetzt worden. Aber Mutlosigkeit ist nie ein Zeichen deutschen Geistes gewesen! Der deutsche Gärtner wird auch im neuen Jahre zielbewusst für seine Rechte eintreten, an der Hebung seines Standes, an der Ver besserung seiner wirtschaftlichen Lage arbeiten, und sich der ernsten Aufgaben erinnern, welche die Zeit an ihn stellt. Unser „Handelsgärtner“ aber, der nun in den fünften Jahrgang eintritt, wird ihnen dabei, wie in früheren Jahren, unentwegt als Führer und Berater zur Seite stchen und an seinem Teile mit dafür eintreten, dass die Berufsarbeit des Handelsgärtners in Deutschland wieder goldnen Boden finde. In dem schönen Bewusstsein, auch an der Lösung der hohen kulturellen Aufgaben mitzuarbeiten, rufen wir in den Neujahrsmorgen bei Glocken- klang und Gläserklingen hinein: „Allezeit un verzagt ! Heil der deutschen Gärtnerei! Gott segne und beschirme sie auch in kommenden Tagen!“ Die Gehilfenbewegung hat in diesem Jahre so gut wie keine Bedeutung gehabt. Sie wurde infolge der Ungunst der Zeiten in den Hintergrund gedrängt. Jedem Betriebsinhaber legte die missliche Lage die Pflicht auf, seine Betriebe aufs äusserste einzuschränken, und es konnte deshalb auch von einem wirklichen „Gehilfenmangel“ in keiner Gegend Deutsch lands die Rede sein. Die an einzelnen Orten gemachten Versuche, die wirtschaftliche Lage der Gehilfen durch Ausstände zu heben, sind, wie schon in früheren Jahren, wieder geschei tert, und regen die Gemüter nur zeitweilig zwecklos auf. Zu einer Vereinigung der Mit glieder des „Allgemeinen deutschen Gärtnerver eins“ und der „Hamburger Gärtnervereinigung“ radikaler Richtung ist es wieder nicht gekom men. Wie lange die Hamburger, nachdem ihr neues Liebeswerben wieder ungehört verhallte, noch ihre Lärmtrompete werden ertönen lassen? Wir glauben, dass die Tage ihrer Herrlichkeit gezählt sind und ihre rote Fahne, die jetzt schon auf Halbmast gehisst ist, bald gänzlich von der Bildfläche verschwinden wird. Das Topfpfianzengeschäft liess teilweise vielfach zu wünschen übrig. Es wurde nicht so flott geräumt, wie man es sonst in dieser Branche gewöhnt war, wenngleich das Engros geschäft in den letzten Monaten noch einen regeren Umsatz brachte, als vorausgesetzt wer den konnte. Der Herbstversand begann dies mal ziemlich spät, da die Pflanzen noch sehr weit zurück waren. Die Schnittblumen kulturen waren, was den Absatz anlangt, verhältnismässig noch am günstigsten daran, doch hatten sie unter der nasskalten Witterung des verflossenen Sommers sehr zu leiden und bei vielen Artikeln wurde dadurch Qualität und Blühwilligkeit beeinflusst. In getriebenem blühen den Flieder und Maiblumen trat in den ersten Monaten der Frühjahrssaison vorübergehend Ueberproduktion ein, wodurch die Preise sehr gedrückt waren. Einen weiteren Nachteil übte wie alljährlich die Masseneinfuhr aus dem Süden im Oktober und November aus, durch welche die Wertbemessung der deutschen Schnittblumen litt, und dem Geschäft den Nutzen nahm. Am fühlbarsten war die gedrückte Lage, wie vor auszusehen. in der Landschaftsgärtnerei, und das hatte natürlich auch auf die in ihr beschäftigten Gehilfen eine unheilvolle Einwirkung. Es fehlte an Neuanlagen von Bedeutung und auch die Pflege und Ausgestaltung schon vorhandener Anlagen ist fast auf das Notwendigste beschränkt worden. Das schlug wiederum auf das Geschäft der Baumschulen zurück, die namentlich in feinen Ziergehölzen wenig Absatz hatten. Im Obstbau beschränkte sich der Bedarf meist auf Aepfel und Birnen. Man kann wohl Feuilleton. Frühlingsstürme. Gärtner-Roman aus der Gegenwart von Alfred Beetschen. Nachdruck untersagt. Erstes Kapitel. Es ging dem Frühling entgegen. Der hatte schon vor Wochen seine Vorposten ausgeschickt, um über die im Rück zug befindlichen Streitkräfte des Winters Kundschaft einzu holen. Es galt, die letzten Spuren des strengen Winterregiments zu verwischen, um dem neuen Herrn, dem Alt und Jung mit sehnsüchtigem Verlangen entgegensah, die Einzugsstrasse zu ebnen. Auch in die von waldreichen Höhenzügen flankierte Thalgegend, die in südwestlicher Richtung inmitten des Reiches gebettet liegt, wagten sich die ersten Frühlingsboten. Lang verstummt gebliebene Vogelstimmen wurden wach und fragten verwundert nach dem Stand der Dinge. Wo noch vor nicht allzu langer Zeit ein scharfer Nord wind an den Häusern gerüttelt und die Wetterfahnen klirren gemacht hatte, wehte heute ein mildes, vielversprechendes Lüftchen,-und über der langgestreckten Pappelallee hinter dem epheuumkletterten Schlossgraben, auf die der Himmel die längste Zeit finster und mürrisch herabgeblickt hatte, spazierte im zartesten Blau ein feines, weisses Wölklein neben dem anderen. » In dieser Gegend, die zum „Burgfrieden“ der malerisch gelegenen, von einem weithin sichtbaren Dom überragten altersgrauen Stadt gehört, in welcher sich unsere Erzählung abspielt, befindet sich am südlichen Abhang des Schlossbergs ein ausgedehntes Gärtnereigrundstück, das noch heute, trotz dem es vom eigentlichen Dombereich durch eine zur Hälfte abgetragene, verwitterte Klostermauer getrennt ist, allgemein die Domgärtnerei genannt wird. Der Sonne ward hier leichtes Spiel, wenn sie ins Blumen zuchtrevier des Gärtners Richard Romberg kam, der es sich manchen Schweisstropfen, ja die beste Zeit seines arbeits reichen Lebens hatte kosten lassen, dem idyllischen Fleckchen Erde all die lieblichen, vielbegehrten Erzeugnisse der Pflanzen welt abzugewinnen, die seinen Namen weit und breit bekannt, ihn selbst aber mit den Jahren zum wohlhabenden Manne gemacht hatten. Richard Romberg, eine stämmige, aufrechte Gestalt in der Mitte der Fünfzig, gehörte seinem Berufe von der Pike auf an. Unter seiner Leitung hatte sich die Domgärtnerei, die vor Jahrhunderten ein feierlicher Klostergarten gewesen sein mochte, ganz bedeutend entwickelt. Es war darin wiederholt gebaut und vergrössert worden, ohne dass der altehrwürdige Rahmen, der das Rombergsche Etablissement umschloss, durch diese Neuerungen zu leiden gehabt hätte. Wenn dem alten Romberg seine um sechs Jahre jüngere Schwester Emilie, die nach dem Tode seiner unersetzt ge bliebenen Frau Katharina die Führung des Haushaltes über nommen hatte, dann und wann einmal mit zwei Fingern ein weisses Haar vom Rockkragen nahm und es lächelnd gegen das Licht hielt, brauchte das dein immer noch rüstigen, allen Unbilden der Witterung trotzenden Mann nicht zu verdriessen. Vater Romberg war in Ehren grau geworden, das wussten alle, die ihn kannten und in geschäftlicher Beziehung mit ihm standen. Ein Gärtner von altem Schrot und Korn, wusste er, dass es im Leben wie in seinem Beruf mit dem Fleiss allein nicht gethan ist. Auch eine gute Dosis Glück gehört dazu. Wenn die Huld des Himmels, ein Sonnenlächeln ausbleibt, kann der Mensch seinen Boden noch so wacker nach allen Regeln der Kunst bearbeiten, — es wird doch nichts rechtes daraus. Und dass Roberg dieses Glückes in hohem Masse teilhaftig geworden* war ihm ein erhebendes Bewusstsein, das den ernsten, von Schicksalsschlägen nicht verschont gebliebenen Mann innerlich oft heiter und froh stimmte. Er glaubte, darin den Segen zu erkennen, der auf ehrlicher und treu verrichteter Arbeit ruht. Diese langjährige Erfahrung und Beobachtung war es, die ihn immer zu neuen Anläufen, zu nicht selten gewagten Unternehmungen angespornt hatte, die ihn tröstete, wenn ein mal etwas fehlschlug, und ihn vor Selbstüberhebung bewahrte. Eines nur machte Vater Romberg manchmal schwere Gedanken: die Zukunft seines einzigen Sohnes Heinrich, auf den er mit gerechtem Stolz, aber auch mit heimlicher Sorge blickte. Auch am heutigen Sonntag konnte er sich solcher Ge- gtB, 3 Teden. 8 Ual. o| 3, Berin danken nicht entschlagen, zumal ihm das Textwort der Vor- mittagspredigt, die er, so „altväterisch“ war Herr. Romberg senior, in den letzten Jahren nur ungern zu versäumen pflegte, immer und immer wieder durch den Kopf ging. :A Es waren die Einleitungsverse des ersten Psalms, die da lauten: „Wohl dem, der nicht wandelt im Rate der Gottlosen, noch tritt auf den Weg der Sünder, noch sitzet, da die Spötter sitzen; sondern hat Lust zum Gesetz des Herrn und redet von seinem Gesetz Tag und Nacht. Der ist wie ein Baum, gepflanzet an den Wasserbächen, der seine Frucht bringet zu seiner Zeit, und seine Blätter verwelken nicht, und was er macht, das gerät wohl.“ Das Bild von dem im wasserumspülten Erdreiche ge pflanzten Baume war es ganz besonders, was ihm wohlgefiel. Es beschäftigte seine Phantasie und liess ihn auch jetzt nicht los, als er sich, nachdem er seine kurzstielige Weichselpfeife in Brand gesteckt, auf einer Bank an der hinteren Gartenseite seines Hauses niederliess. Ja, wenn er es noch erleben könnte, dass sein Heinz einem solchen Baume gleichen möchte; wie gern wollte er sein Haupt zur Ruhe legen, aber so — —; der Junge war zu neuerungssüchtig, zu wenig bodenständig, zu wurzellocker. Was ihm der Zeitgeist vor die Füsse wehte, glaubte er, sich aneignen zu müssen, und seit er draussen im Ausland gewesen, in englischen und französischen Gärtnereien geschafft, hatte er in der Domgärtnerei da und dort was auszusetzen, zu reformieren, zu „verschlimmbessern“. Vater Romberg unterbrach seinen Gedankengang, räusperte sich, fuhr mit der Rechten hastig um seinen Rockkragen, als ob ihm dort etwas zu eng wäre, schlug ein Bein über das andere und schaute verträumt ins Abendrot hinaus. Der Himmel erglühte in goldenem Feuerschein, der seinen Reflex auf die Scheiben der Sattelhäuser warf und dort im Spiegelglanz gleich vielen kleinen Freudenfeuern fortloderte. Es war ein entzückendes Schauspiel, über dessen Be trachtung der Alte, dem das Studium der Natur zeitlebens eine Quelle des reinsten Genusses gewesen, es nicht bemerkt hatte, dass sich ihm Jemand mit leichten Schritten näherte. „Guten Abend, Herr Romberg!“ Der Angeredete wandte den scharfprofilierten Kopf. „Ah, sieh da, — der Herr Nachbar! n’ Abend, — n’ Abend!