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No. 8. Sonnabend, den 21. Februar 1903. V. Jahrgang. DerJ-fandelsgärlner. Verantwortlicher Redakteur: p , py • , go. y y , y m r p Für die Handelsberichte und «ermann pnz, nantlels-Zeifungf für den deutsehen Gartenbau. d"ottoerhaläcker,chi Leipzig, Sudstrasse 33. Verlag von Bernhard Thalacker, Leipzig = Gohlis. Leipzig-aohlis. Organ des „Gartenbau=Verbandes für das Königreich Sachsen E. ö.“ „Der Handelsgärtner“ kann direkt durch die Post unter No. 3222a der Postzeitungsliste bezogen werden. Der Abonnementspreis beträgt pro Jahr: für Deutschland und Oesterreich-Ungarn Mark 5.—; für das übrige Ausland Mark 8.—. Das Blatt erscheint 'wöchentlich einmal Sonnabends. — Inserate kosten im „Handelsgärtner“ 30 Pfg. für die fünfgespaltene Petitzeile. Worin sind sich Prinzipale und Gehilfen einig, worin trennen sie sich ? Ein Wort zu den Gärtnertagen. Dem aufmerksamen Beobachter der Vor gänge auf den Thüringer Gärtnertagen wird es nicht entgangen sein, dass sich sowohl in den Referaten, wie in der nachfolgenden Debatte ergeben hat, dass eigentlich die Scheidewand, weiche in der Agitation für eine Organisation der deutschen Gärtnerei Arbeitgeber und Arbeit nehmer trennt, eine recht dünne geworden ist. So lange die selbständigen Gärtner, oder besser gesagt, die im Verband organisierten Arbeitgeber, danach strebten, eine Organisation ohne die Gehilfen im Anschluss an die Land wirtschaft zu erreichen, gähnte zwischen den beiden Heeren eine tiefe, unüberbrückbare Kluft. Das hat sich geändert. Der Verband ist bei seinen verschiedenen Versuchen, eine Organisation herbeizuführen, schliesslich bei selbständigen Gartenbaukammern stehen ge blieben, in welchen Prinzipale und Gehilfen gemeinschaftlich • über ihr Wohl und Wehe beraten und beschliessen sollen. Ein bestimmter Organisationsplan ist seitens des Verbandes noch nicht publiziert worden, man kann aber aus den einzelnen Kundgebungen bei ver schiedenen Gelegenheiten sich doch ein Bild darüber machen, welche Prinzipien die mass gebenden sein sollen. Die Gehilfen sind eines solchen Planes überhoben, weil sie einen direkten Anschluss an die schon bestehenden Handwerkskammern in einer selbständigen Ab teilung derselben, gemäss § 103, Abs. 2 der Gewerbe-Ordnung — es wird fälschlich immer immer vom § 103 a gesprochen — suchen und zuversichtlich zu finden glauben. Zunächst herrscht zwischen den Prinzipalen und den Angestellten in der Kardinalfrage, wie wir schon sagten, völlige Uebereinstimmung, denn beide Teile wollen zu einer gemein schaftlichen Organisation die Hand bieten. Eine Organisation, getrennt für beide Teile, wäre eben keine Organisation. Diese Anschauung, die von uns seit Jahren vertreten worden ist, und die uns zwang, den früheren Projekten des Verbandes gegenüber kühl zu bleiben, musste zum Durchbruch kommen, ehe über haupt im Ernste an eine Lösung der Frage gedacht werden konnte. Von Seiten der Ge hilfen ist natürlich niemals der Versuch gemacht worden, eine Organisation ohne die Prinzipale erkämpfen zu wollen, da dies ja von vorn herein ein aussichtsloses Beginnen gewesen wäre. Uebereinstimmung zwischen den Prin zipalen und Gehilfen herrscht auch darüber, dass die Gehilfen in einem Ausschuss oder direkt als Beisitzer bei den Beratungen der Kammern mitwirken und dass sie dabei nicht etwa nur in einer ohnmächtigen Minori tät auftreten sollen. Der Berichterstatter der selbständigen Gärtner, ihr Sprachrohr in der ganzen Bewegung, Beckmann-Steglitz, hat es zu erkennen gegeben, dass die Gehilfen auch in den vom Verband erstrebten Gartenbau kammern voll und ganz zu ihrem Rechte kom men sollen. Ja, es will uns scheinen, als würden die Gehilfen in diesen Gartenbaukam mern schliesslich noch intensiver mitwirken, als in den von ihnen erstrebten Handwerks kammern, wo ihre Befugnisse ja in § 103 k ziemlich eng begrenzt sind. Es kann daher auch davon gar keine Rede sein, dass der Anschluss an die Handwerkskammern für die Gehilfen eine Machtfrage bedeute. Einverstanden sind Arbeitgeber und Ge hilfen in den Zielen, welche die gewünschten Kammern haben sollen. In den Handwerks kammern, in welchen die Gehilfen Einlass be gehren, ist das Lehrlingswesen näher zu regeln. (§ 103e Nr. 1,2 der Gew.-Ordn.) Auch der Verband erkennt die Reformbedürftigkeit des ganzen gärtnerischen Lehrlingswesens an und will in den Gartenbaukammern das Lehrlings wesen in neue gesündere Bahnen geleitet wissen. Einverstanden sind Arbeitgeber und Ge hilfen auch darüber, dass durch Gehilfenprü fungen dem Gehilfenstand eine festere Bas.s gegeben werden muss. Einverstanden sind sie schliesslich darüber, dass neben diesen speziellen Aufgaben die Kammern auch alle anderen gärt nerischen Fragen, welche die Betriebe betreffen, Iberaten und durch Eingaben und Gutachten bei den zuständigen Behörden zu lösen trachten sollen. Man sieht daraus, dass man in den wesentlichen Punkten der Organisation gar nicht mehr auseinander ist und unseres Er achtens darf sehr wohl behauptet werden, dass man sich über das wesentliche der Organisa tion im Einverständnis befinde. Ueber den Inhalt derselben herrscht kein Streit. Worin geht aber die Meinung der Parteien nun aus einander? Die Gehilfen wollen ihr Ziel im An schluss an die Handwerkskammer, die Prinzipale in der Errichtung einer selbständigen Garten baukammer erreichen. Das ist der grosse Unterschied in der Form. In die Handwerksorganisation muss die Gärtnerei gewaltsam hineingepresst werden. Sie wird da in ein Prckrustesbett gelegt. Da gegen sträuben sich die selbständigen Gärtner und mit Recht. Mit dem eigentlichen Hand werk haben sie im Laufe ihrer geschichtlichen Entwicklung wenig zu tun gehabt und selbst in der grossen Blüteperiode des Zunftwesens, wo alles um der „Machtfrage“ willen Zünfte bildete, waren gärtnerische Zünfte keineswegs die Regel. Auch heute hat der gärtnerische Betrieb mit dem des Handwerks wenig gemein. Der Gärtner ist ein Vasall der grossen Königin Natur. An sie bindet ihn die Lehnstreue. Mit seiner eigenen Macht ist nichts getan. Die geschickteste Hand ist ohnmächtig gegen das Walten der Naturkräfte. Gewiss, technische Fertigkeiten muss auch der Gärtner haben, um für die Natur zu arbeiten. Es gilt von ihm der Natur gegenüber das Wort Goethes: „Wir wirken beständig auf sie und haben doch keine Gewalt über sie“. Die neuen Erzeugnisse, welche die Gärtnerei hervorbringt, schafft der Gärtner nicht durch seine Handarbeit, sondern durch das geheimnissvolle Wesen der Natur. Sie zu ergründen, auf sie zu wirken, durch sie zu schaffen, das ist seine Wissenschaft! Der Handwerker schafft neue Werte mit seiner Hand. In seiner Hand hat er seine Macht. Nur soweit seine Hand tätig ist, wird das Werk gefördert. Es lebt nicht unter seinen Händen. Es ist tot. Er kann es verlassen, morgen findet er es wieder, wie er es verliess. Wem dieser weite Abstand der Gärtnerei vom Hand werk nicht klar wird, mit dem ist über die Frage nicht zu rechten. Mögen zahlreiche gärtnerische Betriebe heutzutage gewerbliche Betriebe sein und der Gewerbeordnung unter stellt werden, von einer Zugehörigkeit zum Handwerk kann keine Rede sein. Der Gärtner — ein Handwerker! Das will niemals den selbständigen Gärtnern in den Sinn 1 Aber auch die Voraussetzung der Bildung einer selb ständigen Abteilung bei den Handwerkskammern nach § 103 der Gewerbe-Ordnung ist die An erkennung der Gärtnerei als eines Handwerks betriebes. Die Handwerkskammern sind Zwangs organisationen lediglich für die Vertretung und Selbstverwaltung des Handwerks. Nur ein handwerksmässiger Betrieb kann auch in einer selbständigen Abteilung derselben Platz finden. So einfach also auch die Lösung der Frage wäre, wenn man eine selbständige Abteilung für die Gärtnerei bei den Handwerkskammern einrichten wollte, diese Lösung wäre doch nur möglich, wenn die Angehörigen des Gärtner standes ihren Charakter verleugnen wollten und sich als Handwerker fühlen würden. Davon kann aber zur Zeit gar keine Rede sein. Die selbständigen Gärtner werden sich mit aller Macht dagegen sträuben und es erscheint uns als ausgeschlossen, dass die Regierungen über ihre Köpfe hinweg sie zu einer Organisation zwingen werden, die ihrem Wunsch und Willen widerstreitet. Man wird sich wohl sagen müssen, dass von einer solchen widerwilligen Organisation sich nichts Erspriessliches er warten lässt. Wir sind der Meinung, dass die selbständige Abteilung bei den Handwerks kammern erst als äusserster Notbehelf in Frage kommen kann, wenn sich andere Organi sationspläne nicht verwirklichen lassen. Da aber die Gehilfen einstweilen in den Gartenbaukammern auch alles das finden sollen, was sie von einer Organisation erwarten, da sie in diesen Hauptfragen sich eins wissen mit der Gärtnerei, so könnten sie unseres Erachtens auch den Versuch mit unternehmen, auf diesem Wege zum Ziel zu gelangen. Auch sie müssen sich, wenn sie die Natur des gärtnerischen Betriebes sich klar vor Augen halten, sagen, dass der Anschluss an das Handwerk, bei aller schuldigen Hochachtung vor demselben, doch für den Gärtner die ultima ratio ist! Diesen Weg wird man erst gehen dürfen, wenn alle anderen Wege versperrt sind. Schwere Bedenken sind allerdings gegen die Errichtung von Gartenbaukammern erhoben worden und wir geben zu, dass es den Leitern des Verbandes bislang nicht gelungen ist, sie zu entkräften. Wie das Damoklesschwert hängt über den selbständigen Gartenbaukammern die Kostenfrage. Man hat seitens des Verbandes davon gesprochen, dass die Errichtung der Kammern den Bundesstaaten überlassen bleiben und bei deren Regiernngen für sie agitiert werden soll. Das würde ein Missgriff sein. Wenn Lippe-Schaumburg dieselben einführte, würde Lippe-Detmold die Einführung sicherlich Feuilleton. Frühlingsstürme. Gärtner-Roman aus der Gegenwart von Alfred Beetschen. 7. Fortsetzung. Nachdruck untersagt. Am liebsten wäre Heinz mit diesem Schreiben zu seinem Vater geeilt, um ihm freudestrahlenden Gesichts zuzurufen: Sieh’, die gute Sache des Fortschritts siegt. Wende dich nicht länger davon ab und ertrage das Unabänderliche mit Ruhe und Gelassenheit! — Aber Himmel, da käme er schön an! Da war nichts zu wollen. Am Stahlpanzer dieser unbeug samen Natur prallte jeder noch so gut gemeinte Vorschlag ab. So musste er denn auf eigene Faust vorgehn, nicht rechts, nicht links blickend und das andere Gott überlassen. Der würde, sagte ihm seine liebe selige Mutter, alle Dinge zum besten führen, warum sollte er es in diesem Fall nicht tun? Hastig begab er sich auf sein Zimmer im ersten Stock. Er war eben im Begriff, seine Garderobe im Hinblick auf sein Vorhaben zu inspizieren, als es leise anklopfte und auf sein kurzes „herein!“ Emilie, die gewöhnlich Emmy genannte Schwester seines Vaters, mit bekümmertem, ernsten Antlitz auf der Schwelle erschien. „Ja, sag mir nur ums Himmelswillen, Heini“, begann sie mit weinerlicher, vorwurfsvoller Stimme, „was soll denn das nur werden? Hat dich denn dein guter Engel aber auch ganz verlassen, dass du dich kopfüber ins Unglück stürzen willst? Ich bitte dich, wo soll das noch hinaus, wenn du und der Vater — —“ Tränen erstickten die Stimme der besorgten Hausmutter, die den Sohn ihres Bruders in ihr Herz geschlossen hatte, wie wenn er ihr eigenes Kind gewesen wäre. „Ach, Mutier, das verstehst du nicht,“ gab ihr Heinz, der fortfuhr, in seinem Wäscheschrank Musterung zu halten, aus weichend zur Antwort. „So, das verstehe ich nicht, meinst du? Sieh’, ich bin nur eine einfache alternde Frau, aber so viel verstehe ich doch von der Welt, dass das nicht so weiter gehen kann.“ „Ganz meine Meinung!“ „So, — und nun?“ „Und nun gibt der Klügere nach und räumt den Platz.“ Wie zur Illustrierung seiner Worte, begann er. die Hände in den Seitentaschen des zugeknöpften Jacketts, den Fussboden läufer mit hastigen Schritten zu durchmessen. „Also du bist der Klügere, und der Vater — —“ „Mit dem Vater kann man über gewisse Dinge überhaupt nicht mehr reden; er ist unzugänglich für das, was uns not tut und ist durch nichts zu überzeugen. Auf alle mögliche Weise habe ich schon versucht, seine fast vorsündflutlich zu nennenden Ansichten mit dem rasch pulsierenden Leben der Neuzeit in Einklang zu bringen, aber er winkt ab, bevor ich recht zu sprechen angefangen habe.“ „Er weiss, was er will, mein Bruder; er ist ehrenhaft und zähe, aber lauter wie Gold. Du kannst doch nicht von ihm verlangen, dass er gar noch die Streikbrüder da oben in Dingsda, — in Hamburg unterstützt und solchen ungehobelten Gesellen wie dem Casper noch untertänigst dankt, dass er ihn mit den Unarten der törichten Verbesserer bekannt ge macht habe.“ „Ach, ich sag’s ja, Mutter, du verstehst mich nicht oder willst mich nicht verstehn. Diesmal handelt es sich nicht um Kleinigkeiten, sondern um Lebensfragen, um die Zukunft des Gärtnereibetriebes überhaupt. Wer aber nicht hören will, muss fühlen, und ich sage nur so viel, dass ich nicht in der Haut des Vaters stecken möchte, wenn die Streikkiste explodiert.“ „Mein guter Bruder braucht sich vor dem Streike nicht zu fürchten. Unsere Gehilfen können sich nicht beklagen. Sie haben in der Domgärtnerei stets eine kräftige, schmack hafte Kost und eine saubere Schlafstelle gehabt.“ „Eine Schande für uns, wenn’s nicht so wäre! Wenn der Mensch von früh morgens bis abends unter den Augen des Prinzipals steht und arbeitet, so braucht man ihm das bisschen Essen und was er nun einmal zu seiner Lebensnot durft braucht, nicht noch vorzuhalten. Das ist doch alles ganz selbstverständlich, nicht aber ist es notwendig, dass ein Angestellter dreizehn und vierzehn Stunden tagsüber arbeitet, wenn er dasselbe in elf Stunden leisten kann. Das ist in meinen Augen nichts als zopf ge Schulfuchserei, welche die Würde des freien Menschen untergräbt und ihn zum Sklaven, zum Leibeigenen erniedrigt.“ „Na, sei so gut,“ — erwiderte jetzt die ihm zur zweiten Mutter gewordene Schwester seines Vaters, „bei uns gibt’s keine Sklaverei; wenn’s die Gehilfen nur überall so schön hätten wie in der Domgärtnerei!“ „Das ist’s ja eben, Mutter! Es laufen doch noch viele tausend Gärtner und solche, die es zu sein meinen, in der Welt herum, und die meisten haben wenig zu rühmen. Es handelt sich hier um ein Prinzip, um die Gesamtheit der Schaffenden in unserem Berufe, und diesen zu Hilfe zu eilen, wenn’s not tut und sie vor dem Ausbeutersystem zu schützen, das schon traurige Früchte genug gereift hat, scheint mir eine der schönsten Aufgaben meines so wie so nicht allzu ab wechslungsreichen Lebens. Dass der Vater eine solche Aufgabe nicht zu würdigen versteht, kann mich nur betrüben. Jeden falls befindet er sich mit seiner kalten Gleichgültigkeit gegen über solchen Zeiterscheinungen, Erscheinungen, die studiert sein wollen, in direktem Gegensatz mit dem ihm doch sonst so geläufigen Bibelwort.“ Heinz hatte sich immer mehr in Eifer geredet. Er fühlte sich überall missverstanden, selbst von seinen Nächsten, und das schmerzte ihn tief. „Ich will ja gern glauben, dass dein gutes Herz da wieder einmal mit dir durchgeht, aber schliesslich steht man sich selbst am nächsten!“ „Das ist ja eine recht christliche Ansicht,“ höhnte Heinz, dessen Aerger nun einem ehrlichen Zorn das Feld räumte. „Und du bist und bleibst ein phantastischer Schwärmer, der nur durch Schaden klug werden wird!“ klang es gereizt aus der Fensternische, wo sich die schlicht gekleidete, statt liche Frau erhoben hatte. Sie presste das Taschentuch an ihre Augen, da ihr Heinz trotz seiner Eigenheiten und Schrullen, wie sie es nannte, sehr ans Herz gewachsen war. Schon wollte sie sich zur Türe wenden, als diese sich von selbst öffnete und Richard Romberg mit forschendem Blick eintrat. „Ich hörte, du seist hier oben, Emmy —, ich möchte dich für ein paar Minuten in einer Angelegenheit haben. — Was? Rote Augen?“ fragte er nach einer langen Pause, in dem er fragend auf seinen Sohn sah, der mit fieberisch ge rötetem Antlitz am Fenster stand und die heisse Stirne an