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Wöchentlich crschcincu drei Nummern. PränumerationS - Preis 22 z Sildcrgr, <5 Tdlr.) nicrleljZkrlich, ,°r Tblr. fnr das ganze Jahr, ohne Erhöhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie. Magazin für die Man pränumerirt auf dicscS Liuratur« Blatt in Berlin in der Expedition der Allg. Pr. Staat- Zcitnlig (Hriedritd-- Strafie Nr. 72); in der 'Provinz so wie im Au-lande bei den WohUödl. Post - Ämuern. Litertttur des Auslandes. 100 Berlin, Montag den 22. August 1842. Frankreich. Spinozismus und Ehristcnthum. °) Das Prinzip des Spinozismus ist die Identität des Idealen unk Realen, des Subjekts und Objekts. Es liegt wenig daran, ob man das Allgemeine, aus welchem Alles hervorgcht und in welches Alles zurückkehrt, Ich oder Natur nennt, Geist oder Absolutes; man hat diese Benennungen nur gebraucht, um den gefürchteten Namen Substanz zu vermeiden, und gerade bei den Systemen, die man mit dem günstigsten Erfolg dem Spinozismus entgcgenzuscycn schien, war der Kern Spinozismus. Was man auch thue oder denke, wenn man sich nicht dem sanften Joch des Evangeliums unterwirft, so wird der Geist stets Konsequenzen für sich in Anspruch nehmen, die man ihm nicht zugcstehen darf. Er wird stets mit Spinoza sagen, daß cs nur Eins gicbt, was wahrhaft eristirt, wie er es auch nenne, und in Verlegenheit um ein Wort, das seinen Gedanken vollständig ausspräche, nannte Spinoza dieses Eine Substanz. Die Substanz ist reines Seyn, ewiges Scyn, das Einzige, welches den Grund seiner Eristcnz in sich trägt, sie ist Gott. Da außer ihr Nichts den Grund seiner Eristcnz in sich tragen kann, so folgt, daß es nicht verschiedene Substanzen giebt, sondern daß die göttliche Substanz die einzige ist. Sie ist somit der Grund und das Wesen aller Dinge, ihre Attribute sind Denken und Ausdehnung. Man mag die Substanz als denkende oder als ausgedehnte fassen, sie ist stets dieselbe. DaS Denken und die Ausdehnung sind nicht im eigentlichen Sinne Attri bute Gottes, doch der Mensch, der sich Gott vorstellt, faßt ihn nur durch die Vorstellung dieser in Gottes Wese» als nothwcndig angenommenen Attribute. Wenn Ausdehnung und Denken wahrhafte Attribute Gottes wären, so würden sic das Wesen Gottes bestimmen, doch da jede Bestimmung negirl (omni!, determinativ negativ), so brächte dies einen Widerspruch in den Be griff Gottes. Ruhe und Bewegung, Erkenntniß und Wille sind nur einfache Modificationen der unendlichen Attribute. Da die Substanz das absolute Seyn ist, so folgt, daß die partiku lären Dinge keine ihnen eigenthümliche Eristcnz haben. Sie sind Modi oder Affectionen der unendlichen Attribute Gottes, und da diese selbst nicht das Wesen Gottes ausmachcn und demnach den Grund ihrer Eristcnz nicht in sich haben, so cristircn die einzelnen Dinge nur insofern, als man sie in Gott denkt. Die Gesammtheit der Modificationen der unendlichen Ausdehnung der Substanz bildet die Körperwelt, so wie die Gesammtheit der Modificationen des unendlichen Gedankens der Substanz die Welt der Ideen bildet. Diese beiden Welten bilden nur eine einzige, denn sie gehören derselben Substanz an, die sich unter zwei Attributen darstcllt. Körper und Gedanken sind dem nach an sich nicht verschieden. Der menschliche Geist als Modus des göttlichen Gedankens ist nur ein dcterminirtcr Ausdruck der göttlichen Natur; eine Brechung des unendlichen Erkennens der Gottheit. Als Brechung der göttlichen Erkenntniß kann sich der Mensch selbst zu einer unendlichen, ewigen Erkenntniß erheben. Der Mensch glaubt sich frei, weil er nicht weiß, wodurch sein Wille ge lenkt wirb, woraus seine Begierden entspringen- Je mehr der Mensch in seiner Vervollkommnung fortfchreiiet, desto mehr ist er thätig, desto weniger leidend; und umgekehrt, je mehr er thätig ist, desto mehr vervollkommnet er sich. Tugend üben heißt nichts Anderes als seine eigene Eristcnz bewahren, dies heißt zugleich sich den Gesetzen der Natur untcrwerfcn und doch den eigenen Vortheil im Auge behalten. Je mehr der Mensch seiner Vernunft gehorcht, desto inchr erkennt er, daß Nichts nützlich ist, als das, was mit der Vernunft in Einklang steht. Das höchste Gut des Geistes besteht in der Erkenntniß Gottes, und die höchste Richtung aller menschlichen Kräfte führt zu derselben hin. Je mehr man sich erkennt, desto mehr liebt man sich, und je mehr man sich liebt, desto mehr liebt man Gott. Gott kann Nichts lieben oder hassen ; diese Annahme würde in Gott einen Wechsel von Vollkommenheit und Unvollkommenheit voraussetzcn, was seinem Begriffe widerspricht. ') ES ist dicS daS style Kapiicl, gleichsam das ResumL deS bereits mehrfach von uns erwähnten Werkes Ui-Wlr- Se l- el« «e <I», >1« 8gluo,a, von Amand Lainst«, Dock da Gott sich selbst liebt, so liebt er eben dadurch auch die Menschen, denn die Liebe Gottes zu den Menschen und des Geistes zu Gott ist dieselbe. Das Glück ist kein Lohn für die Tugend, sondern es ist die Tugend selbst; wir genießen es nicht, weil wir unsere Leidenschaften beherrschen, sondern weil wir eS gcnießen, sind wir im Stande, die Leidenschaften zu beherrschen. Hieraus folgt, baß wir, auch wenn wir nicht wüßten, vaß unser Geisi unsterblich ist, doch fortgesetzt Alles thun müßten, was die Religion und Sitt lichkeit fordert. Allein der menschliche Geist ist ewig; er wird bestehen, so lange die ewige Erkenntniß besteht. Ohne Jwciscl stößt auch den, der ohne wissenschaftliche Forschung an die ses Svstem tritt, ein dunkles Gefühl von demselben ab, und die christliche Liebe bat gerecht über dasselbe geurtheilt, ehe die Wissenschaft seine Schwäckcu nachgcwiesen hatte. Doch Gott hat die Erscheinung Spinoza s auf Erden zu- gelassen, um allen Sekten, welche dem allgemeinen religiösen Instinkt der Menschheit sich cntgcgcnstellcn, eine schlagende Warnung zu erthcilen, und um mit Evidenz zu zeigcn, wie weil die Kräste des menschliche» Gcistcs reichen. Die Hegelschc Philosophie jcvoch, welche sich rühmt, das letzte Wort der Phi losophie gefunden zu haben und über den Spinozismus hinausgegangen zu seyn, bat nur einen neuen Beweis dafür geliefert, daß es kcine Mitte gicbt zwischen kein evangclischcn Ehristcnthum, d. h. dem Supernaturalismus und dem reinen Spinozismus, welcher in der Verbindung der beide» Attribute, des Denkens und der Ausdehnung, besteht, welche das alleinige und nothwcndige Seyn bilden, aus dem Alles nach inneren Gesetzen bervorgeht und in das cs zurückkehrt. Um den Spinozismus zu umgehen, lassen die Einen das Sub- jekliv« vorherrschen, woraus ver reine Idealismus cntstandcn ist, gegen dcn sich die Erfahrung mit Macht auflehnt; die Anderen kehren das Objektive heraus, gegen das die edlen Kräfte des Herzens und Geistes mit nicht gerin- gcrcm Nachdruck Einspruch thun. Wir sind demiiach überzeugt, daß nickt zwischen Schelling, Hegel und Christus der letzte Kampf sich bilden wird, und noch weniger zwischen Christus und dem Rationalismus, der nur ei» verlorenes Kind des modernen Unglaubens ist, sondern zwischen Christus und Spinoza, der sein edelster und stärkster Gegner ist. Wenn bas Ehristcnthum göttlich ist, so muß cs, nachdem es den spinozistischcn Pantheismus noch eine Zeit lang neben sich geduldet, um erst einen vollwürdigen Gegner in ihm Heranwachfen zu lassen, herrlich über ihn triumphircn, oder es kommt in Gefahr, einem System zu unterliegen, welches dem menschlichen Geiste die absolute Wahrheit in ihren reinsten Zügen zu bieten scheint. Der Gläubige ist über den Ausgang dieses Kampfes außer Zweifel. Ihn hat die Erfahrung bereits gelehrt, daß der gemäßigtste Pantheismus nur für den Verstand vorhanden ist, daß er das Herz leer läßt; baß er vcmnach eine populäre Religio» nie gewesen ist und nie seyn kann, und wer versteht unter dem Worte Religion etwas Anderes als das, was die Bedürfnisse Aller befriedigtt Außerdem finden wir im Christen thum, welches die Erkenntniß aus der Liebe adleitet, ein metaphysisches Prin zip, an dem alle pantheistischen Gedanken der menschlichen Vernunft scheitern müssen, ich meine das Prinzip der menschlichen Persönlichkeit, das in keinem anderen Systeme sich bewahren läßt. Die Liebe setzt nothwendcg ein Subiekt voraus, welches sich besitzt, und ein anderes, de»; es sich weiht. Alle Sophis men der Vernunft werden dies Bebürfniß der Liebe nie zerstören; cs ist ein wesentlicher Zug der menschlichen Natur wie des Absoluten, wie Gottes selbst; und wie leicht ist cs, aus diesem Prinzip der göttlichen und menschlichen Per sönlichkeit die menschlichen Pflichte» abzuleitcn! Mag die Deutsche Philosophie demnach immerhin behaupten, um das Scyn zu erkenne», dürfe man nicht von den: Werden ausgehen, sondern von dcm Seyn selbst, denn es sey das Grund gesetz der menschlichen Vernunft, daß sie, um Verschiedenes zu erkennen, erst die Einheit desselben erkannt haben müsse. Nach unserer Weise die Persönlich keit durch die Liebe sich bilvcn zu lassen, ist der Pantheismus von vorn herein ausgeschlossen, so wie die Liebe nach ihm undenkbar ist, weil sie nur durch die Voraussetzung ursprünglich Berschievener besteht; da aber der Begriff der Per sönlichkeit Gottes nur durch die Liebe gewonucn wirb, w ist sie bcr Kern vcs ChristcnthumS. Wer vcmnach nicht aller Logik Hohn sprechen will, der muß entweder Spinozist oder Christ seyn; der muß entweder mit stoischem Mulhe die Gottheit betrachten »nv fick scheue», sie zu fragen, weshalb so viele physische, intellektuelle und moralische Bedürfnisse, die aus Erden nicht ihre Befriedigung finden, überhaupt vorhanden sind, oder er muß mit Freude arbeiten nicht bloß für sein irdisches Brot, welches vergeht, sondern für das ewige, das ihm Niemand entreißen kann. WaS das unendliche Hccr kleinerer philosophischer Systeme betrifft, die mit den verschiedensten Farben, welche bald