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30 zoscn, die kein Mittel hatten, diese Artigkeit zu erwicdern, und denen es wenig Spaß machte, den Engländern als Zielscheibe zu dienen, eilten dann schnell vom Deiche hinunter, um am Fuße desselben gegen die Kugeln Schutz zu suchen. Die Bewohner des Uferlandes, welche uns diese Umstände mittheilten, lebten unterdessen mit der Fregatte im besten Einvcrständniß; die frischen Le bensmittel, welche sie ihr des Nachts zuführten, wurden gut und pünktlich be zahlt, zwischen den Schönen dieser Gegend, den Offizieren und der Mannschaft wurde mancher Liebcshandel angesponnen, und sogar Heiraten sollen in Folge derselben stattgefundcn haben. Welche Schwierigkeiten es damals verursachte, Waarensendungen von der Seeküste nach dem Innern Deutschlands zu bewerkstelligen, wird man aus der Beschreibung einer Erpedition schließen können, bei der ich selbst thätig war. Es galt, eine Ladung von englischem Twist von Altona aus durch die franzö sischen Posten zu schaffen, welche sämmtliche nach dem Innern führende Land straßen besetzt hatten und in Städten und Dörfern cinquartiert waren. Man fürchtete und erzählte sich sogar Beispiele, daß die Ursprungs-Certifikate deS französischen Konsuls und Gesandten nicht mehr respektirt würden; cs mußte jedoch gewagt werden. Die Hamburger Douanen ließen die Böte, welche die Certifikate für ihre Ladung hatten, die Elbe aufwärts passiren; der späten Jahreszeit wegen konnten diese aber nicht höher als nach einem Flecken, Na mens Winsen, hinauffahren, wo gewandte Fuhrleute, die alle Straßen genau kannten, die Ballen aufludcn. Meine Aufgabe war, den Zug von dort aus solche Weise zu leiten, daß alles Zusammentreffen mit den Franzosen mög lichst vermieden wurde, und im Fall wir dennoch an einen feindlichen Posten geriethcn, uns mit Hülfe meiner Sprachkenntniß oder der noch viel überzeu genderen Beredtsamkeit einer Handvoll Louisd'or aus ihren Klauen zu retten. Ich machte daher die Reise zu Pferde und ritt immer voraus, um, sobald ich Gefahr entdeckt zu haben glaubte, die Wagen von der Landstraße abfahrcn und einen anderen Weg nehmen zu lassen. Wenn in der Ferne Waffen blitzten, so hielt der ganze Zug still; kamen fie näher, so bog er in den ersten besten Feld weg ein, wie unfahrbar dieser auch zu einer Zeit seyn mochte, wo selbst die Hauptstraßen sich in einem Zustande befanden, von dem unsere jetzige an Eisenbahnen und Chausseen gewöbnte Generation kaum eine Ahnung hat. ES traf sich indessen, daß die französischen Truppen-Kommando's meistentheils der großen Armee nach Polen gefolgt waren und die Garnisonen, wo cs solche gab, aus den Truppen des Rheinbundes bestanden. Dies war auch der Fall in Magdeburg, das zwar einen französischen Kommandanten u. s. w., aber eine Besatzung von Württembergern und anderen deutschen Truppen hatte, die Napoleon vcrmuthlich als weniger zuverlässig zu diesem Dienst verwandte, während seine eigenen Krieger, nach Vernichtung der preußischen Armee, gegen die Russen vorrückten. Meinen Fuhrleuten, die ich vor dem Thore Magdeburgs in einiger Entfernung von der Stadt traf, gab ich auf, um die Stadt herum zu fahren, da eS zu gewagt schien, fie geradeSwegeS durchziehen zu lassen; auf der Straße nach Halle schloß ich mich ihnen von neuem an und geleitete fie bis in die Nähe dieses Ortes, woher wir zu unserer Freude die Nachricht er halten hatten, daß hier kein Aufenthalt zu befürchten scy. Im Königreich Sachsen waren zu jener Zeit die Straßen völlig frei von französischen Trup- pen-Corps, und unsere bisherigen Vorsichtsmaßregeln wurden daher jetzt un- nöthig; die Frachtwagen setzten daher ihren Weg allein fort und erreichten wohlbehalten ihren Bestimmungsort. Unter solchen Bedrängnissen und trüben Aussichten für die Freiheit deS Handels, so wie unter fortwährender Bedrückung von Seiten der französischen Behörden, schloß das Jahr 1806. II. (1807.) Im Jahre 1807 waren die deutschen Küsten der Nordsee von einer fran- zösischen Douanen-Linie genau bewacht, die sich jedoch nur bis an die hollän dische Gränze erstreckte. Holland selbst hatte noch einen Schatten von Selbst ständigkeit unter seinem neuen König Ludwig Napoleon; die dortige Küste war daher nur von holländischen Zollwächtern besetzt, denen wenig daran lag, das napoleonische System der gänzlichen Ausschließung Englands vom Kontinent erzwingen zu helfen, und die den Handel vielleicht eher begünstigten, wenn er ihnen nur selbst einige Accidenzicn abwarf. In Rotterdam war es daher noch möglich, nach England einzuschiffen, und obgleich es unter dem Vorwande der Klarirung nach einem neutralen Hafen geschah, so wußte doch Jeder, daß die hierzu gebrauchten Fahrzeuge mit ihren meistens aus Butter und Käse be stehenden Ladungen nach England bestimmt wären. — Diese waren damals die einzigen Paffagicrschiffc, und da das Geschäft in Hamburg auf Null gc- funken war und ich eine Reise nach England zu machen hatte, die deutschen Küsten aber, wie erwähnt, vollkommen abgcsperrt waren, so beschloß ich, über Rotterdam zu gehen. ES war jedoch nöthig, daß man die Pässe, welche nach dänischen Häfen lauteten, vom Minister deS Auswärtigen unterzeichnen ließ, um beim holländischen Wachtschiffe, welches auf der Maas einige Meilen un- tcrhalb Rotterdam lag, vorgezeigt zu werden. Hierzu gab cs aber in Rotter, dam Agenten, die alles Erforderliche im Haag besorgten, ohne daß die Passa giere sich selbst zu zeigen brauchten, diese hatten vielmehr nur einige LouiSd'or für die Unterschrift einzusenden. Auf zwei kleinen Kutters, die zugleich nach England abgingen, schiffte sich eine Reisegesellschaft von ungefähr 80 Passagieren ein, wovon jeder 6 Louisd'or für die Ueberfahrt zahlte. Sie fuhren unter Papenburger oder Kniphauser Flagge (fast die einzigen noch neutralen oder wenigstens von England als solche behandelten) und hatten nach Norwegen auSklarirt. Die Capitaine mußten ihre Papiere und die der Reisenden am Wachtschiffe vorzcigen, und man ließ uns dann ohne fernere Schwierigkeit passiren. — Der Kutter, auf dem ich mich befand, war vor dem Ausbruch des Krieges ein englisches Packctboot gewesen, das zwischen Harwich und Helvoctsluys fuhr, und lag zu fällig beim Beginn der Feindseligkeiten in letzterem Hafen, wo er angehalten und für eine gute Prise erklärt ward; seitdem hatte er vier Jahre in Rotter dam gelegen, ohne daß man sich damit in See wagte, aus Furcht, daß ihn die Engländer wieder nehmen würden. Erst jetzt, nachdem man ihn unter Papen burger Flagge gebracht, sollte er eine Probcreise antrcten; er hatte von den Holländern den Namen „Telemachus" erhalten, und wahrscheinlich sollte sein Gefährte den Mentor vorstellen. — In kurzer Entfernung von der holländi schen Küste trafen wir schon auf einen englischen Kreuzer, der bald Jagd auf uns machte; nachdem wir unsere Flagge ausgezogen, kam ein Offizier an Bord und fragte nach der Bestimmung der beiden Schiffe. Er erhielt den Be scheid, daß wir nach London bestimmt scyen und die Papiere nur fimulirt wä ren, mit welcher Antwort er nach seiner Fregatte zurückfubr; indessen behielt uns diese fortwährend im Gesicht, um sich zu überzeugen, daß wir wirklich der englischen Küste zusteuerten. Ucbrigens hatten die holländischen Fahrzeuge auch eine englische I^cence, die fie aber bisher versteckt halten mußten, damit die französischen und holländischen Zollbeamten sie nicht fanden, was ohne Weiteres die Confiscation der Fahrzeuge nach sich gezogen hätte. — Der Wind war unterdessen zu ungünstig geworden, um nach London gelangen zu können, wes halb die Capitaine von uns Passagieren bewogen wurden, in Harwich cinzu- laufen, und wir landeten dort ohne fernere Abenteuer, vergnügt, den franzö sischen und holländischen Douanen entgangen zu seyn und ein Land zu betreten, wohin sich die auf ganz Europa lastende Willkürherrschaft nicht erstreckte. — Die Verbindung mit dem Kontinent war bereits so sehr erschwert, daß die Ankunft so vieler Passagiere als eine Seltenheit betrachtet wurde ; man be stürmte uns mit Fragen über die Zustände des Kontinents, die von den Reisen den mit den schwärzesten Farben gemalt wurden, und die Bewohner Harwichs wünschten sich Glück, im freien England zu leben, wo sie den Bedrückungen einer fremden Militairherrschaft nicht ausgesetzt waren. Nachdem ich mich einige Monate in London aufgehalten, fand unser Haus cs wieder nöthig, wegen mehrerer vorbereiteten Waaren-Expeditionen einen Bevollmächtigten nach Hamburg zu schicken. Der Briefwechsel war nämlich so erschwert, daß man nicht auf den Empfang eines Schreibens rechnen konnte, indem die französischen Behörden den englischen Briefen nachspürten, und wenn sie einen auffingcn, dessen Inhalt ihnen eine Geschäftsverbindung offenbarte, so konnte dieses für den Empfänger die größte Gefahr herbeiführen. Man pflegte zwar die Briefe nicht nur mit falschen Unterschriften, sondern auch fimulirten Adressen zu versehen, um die wahren Adressaten vor poli zeilicher Untersuchung zu sichern; aber hierbei lief man wieder Gefahr, daß sie in unrichtige Hände kamen oder auf der Post verbrannt wurden, wenn die angegebene Person nicht zu finden war. Aus diesen Ursachen mußte bei eingeleitetcn wichtigen Geschäften eine mit den Verhältnissen und dem Plane der Unternehmung genau bekannte Person abgeschickt wer den, um die Vorkehrungen zu treffen die gewöhnlich schriftlich verhandelt werden. — Die Ankunft von Reisenden aus England in Holland und an der deutschen Küste war seit meinem Abgang noch strenger überwacht, und die Schiffer, welche Passagiere mit sich führten, wurden arretirt und mußten lange im Gefängniß schmachten; fie weigerten sich daher jetzt, Rei sende an Bord zu nehmen. Um ungefährdet nach Deutschland zu kommen, blieb nur noch der Weg über Schweden offen, wohin ein englisches Post- Packetboot mit dem Brief-Felleisen zweimal wöchentlich von Harwich nach Gothenburg abging. Dänemark, obgleich im Kriege mit England, blieb doch bis zu Anfang des Jahres 1808 auf freundschaftlichem Fuß mit Schweden, weshalb die Reisenden ohne Hindcrniß von Gothenburg nach der dänischen Küste gelangen konnten. Ich schiffte mich also im November 1807 nach Go thenburg ein; dort angekommen aber, reiste ich unverzüglich nach Kopenhagen, wo ich, als von Schweden kommend, ohne Schwierigkeit einen Paß nach Ham burg erhielt. — In Kopenhagen wurden wir gewarnt, keine englischen Briefe oder Schriften, die eine Verbindung mit England vcrrathcn könnten, bei uns zu führen, oder sie wenigstens so zu verbergen, daß sie den dänischen Beamten nicht zu Gesicht kämen, welche die Reisenden beim Ausgang aus dem dänischen Gebiete visitirtcn. Aus Unachtsamkeit hatte ich jedoch Mehreres von meinen Papieren in der Brieftasche behalten und sah mich daher in nicht geringe Verlegenheit gesetzt, als an der Gränze Holsteins auf dem letzten Zollhause Langenfelde der Beamte den Reisenden ihre Brieftaschen abforderte, um fie zu untersuchen. Zum Glücke waren unser drei zusammen, und während er mit den anderen beschäftigt war, fand ich Mittel, die englischen Papiere zu ver- bergen und ihm nachher nur unverdächtige Briefschaften und Dokumente vor- zuzeigcn. In Hamburg angckommcn, fanden wir nichts als Trauer und Muthlofig. keit; unter dem Joche einer französischen Besatzung, von den Argus-Augen der Polizeispione und Douanen bewacht, war der Handel in völlige Stockung gerathcn und die cinst so geschäftige und lebenslustige Stadt kaum mehr zu erkennen. (Schluß folgt.) Nord-Amerika. Die gegenwärtige Stellung der eingeborenen Irokesen im Staate New-Aork. (Schluß.) Besonders gewähren die Wanderungen der Stämme in der westlichen Hemisphäre ein großes Interesse, weil die Spuren derselben überall erkennbar