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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. PränumernlionS - Preis 22 j Silbcrgr. (1 Thlr.) vierteljährlich, Z Tklr. für da» ganze Jahr, ohne Erhöhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie. Magazin für die Pränumerationen werden von jeder Buchhandlung (in Berlin bel Deit u. Comp., Iägcrstraße Nr. 25), s» wie von allen König!. Post - Aemlern, angenommen. Literatur des Auslandes. 8. Berlin, Dienstag den 18. Januar 1848. Handel und Schifffahrt zur Zeit des Kontinental-Systems. Von einem alten Kaufmann. In unseren Tagen, wo nach und nach die meisten Schranken fallen, die sonst ein Volk von dem anderen trennten, wird eü vielleicht nicht ganz ohne Interesse seyn, einige Neminiscenzcn aus einer Zeit zu erhalten, in der alle Verbindungen und namentlich solche, die sich aus Handel und Industrie be zogen, auf eine unerhörte Weise erschwert waren. Die jüngere Generation, für welche die Herrschaft Napoleon's mit einer Art von poetischer Glorie um geben erscheint, betrachtet dieselbe natürlich mit ganz anderen Augen, als seine Zeitgenossen, denen ihre sehr prosaische Seite nur allzu gut bekannt war, und mit deren sich allmälig lichtenden Reihen auch die letzten Erinnerungen an die Drangsale jener Zeit verschwinden werden. I. (1806.) Die Schlacht von Jena und Aucrstädt war geschlagen, Blücher hatte sich nach Lübeck zurückgezogen, wo er, von drei französischen Marschällen cinge- schloffcn, nach Erstürmung der nur schwach befestigten Stadt kapilulircn mußte, und auch Hamburg, bis dahin so friedlich und ruhig, die Kriegcs- stürme nur in der Ferne hörend, sollte nun feindliche Truppen, wenn auch für jetzt noch in geringer Anzahl, vor seinen Mauern sehen. Eines schönen Morgens, im November 1806, kam nämlich ein Detaschcment französischer Vlis88vur-j n csievsl, unter dem EScadronschef Amcil, von Lübeck mit einem Transport preußischer Gefangenen an und überschritt mit diesen Vie Gränz linie des Hamburger Gebiets, ohne Rücksicht auf die Gränzpfähle, die es als das ll'errirnire neurro ck'llsmdourg bezeichneten. Das Detaschement mit den Gefangenen lagerte sich auf einer Wiese in der Vorstadt Hamm, während der Senat der freien Stadt bei dem Gesandten Bourienne wegen Verletzung des Hamburger Gebiets Klage führte. Dieser fuhr zu dem Commandcur hinaus, um ihn zum Weitcrzichcn über die Elbe zu bewegen, was jedoch erst am folgenden Tage geschah. — Währenddessen wur den von der Stadt Wagen voll Lebensmittel für die Gefangenen hinauSgc- bracht, die sich auf 400 Mann belaufen mochten und aus Soldaten von allen Regimentern und Waffen bestanden, die den traurigsten Anblick darbotcn- Die Bevölkerung Hamburgs strömte nach dem nahen Hamm, um dieses für sie noch neue Schauspiel in Augenschein zu nehmen. Auch Schreiber dieses, damals noch ein junger Mann, folgte von Neugierde getrieben dem hinauS- ziehendrn Haufen der Schaulustigen, der mn so zahlreicher, als cS gerade Sonn - oder Festtag war. Am Schlagt, dem sogenannten Hammcrbaum, den man Herabgelaffen hatte und wo die innere Vorstadt St. Georg ansängt, hielten mehrere preußische Offiziere, auf kleinen Vancrpserden reitend, die sic wahrscheinlich auf dem Wege von Lübeck gcmiethct hatten. Sie waren von den Franzosen auf ihr Ehrenwort frcigclaffcn worden und begehrten nun Einlaß in die Stadt, der ihnen auch, nach geschehener Anfrage des die Wache kommandirenden Offiziers beim Chef der Stadt-Garnison, bewilligt ward. Trotz mancher früheren Mißstimmungen erregte das Unglück der Preußen in Hamburg allgemeine Sympathie, da man ihren Ruin als den Vorläufer deS eigenen betrachtete. Diese Episode war auch wirklich der Anfang der Trübsale, welche in der Folge auf der geängstigten Stadt lasteten, deren Handel bereits mehrere Jahre lang durch die englische Blokade der Elbe, die französische Be setzung des Amts Ritzebüttel und die Occupation des damaligen Churfürsten thums Hannover unbeschreiblich gelitten hatte. Denn einige Wochen später rückte daS Mortiersche CorpS in Hamburg ein, und nun begann das fran zösische Werk der Militair-Regierung, während die Kontinental-Spcrre in volle Kraft trat. Zwar blieb die Autorität dcö Senats noch geltend, aber nur dem Scheine nach; der Wille deS französischen Gouverneurs war Gesetz. Am fol genden Tage schon erschien eine Bekanntmachung, daß jeder Bürger eine Liste von allen englischen Manufaktur-Waarcn und Kolonial-Produkten, die ihm selbst oder einem britischen Untcrthancn gehörten, auf dem Bürcau des Mar schalls cinzureichen habe. Bei Verheimlichung oder ungenauer Angabe wurden zugleich die schwersten Strafen angcdroht, wenn bei einer in Aussicht ge- stellirn Haussuchung sich die Unrichtigkeit der Declaration ergeben sollte. Dieser strengen Maßregel folgte eine andere: man arretirte alle ange sehenen, in Hamburg sich befindenden Engländer, die zu der sogenannten ksvrorx, einer Gesellschaft von britischen Kaufleuten, gehörten. Diese kactor^ bestand nach Verträgen mit England schon seit mehreren Jahrhunderten in Hamburg (wie eine ähnliche noch jetzt in St. Petersburg besteht); die Mit- glieder hatten das Privilegium, Großhandel jeder Art zu treiben, ohne daß sie genöthigt waren, sich das Bürgerrecht zu erwerben, und sie wählten ihren Vorsteher oder den kourr IAsr>ter aus ihrer Mitte, der sie bei Verhandlungen mit den Behörden vertreten mußte. — Nachdem man diese Mitglieder der kucrorx verhaftet hatte, wurden sie in einem Saal cingesperrt, wo man sie den ganzen Tag bewachte, und eS ging die Rede, daß sie sämmtlich als Ge fangene nach Frankreich abgcführt werden sollten. Jndeß verwandte sich der Senat eifrigst für sic bei dem französischen Gouverneur, und Herr v. Bourienne bewirkte, daß gegen eine schwere Contribution von mehreren Millionen Mark, die zugleich mit für die englischen Waaren von der Stadt entrichtet wurde, die obige Drohung unausgeführt blieb und die Gefangenen ihre Freiheit erhielten. Während der Unterhandlungen und ehe noch alle Thore und Hafen-Aus gänge von den französischen Truppen besetzt waren, flüchtete man einen großen Theil der Waare zu Lande und auf der Elbe nach Altona, indem das dänische Territorium von den Franzosen rcspektirt wurde; wahrscheinlich wollte Napo leon auch Dänemark, das zur Zeit sein treuer Alliirter war, nicht feindlich behandeln. Das Geschäft der Hamburger wurde zur Zeit größtentheils in Altona betrieben und der Kontinental-Spcrre durch Versendungen von dort sowohl als von Hamburg entgegcngcarbeitet. ES konnten noch alle Waaren mit Lertissculü üHgine, die man gegen hohe Gebühren vom französischen Konsul La Chevardiere bekam, ohne Schwierigkeit versandt werden. — Dieser und auch selbst Bourienne kümmerten sich wenig darum, ob die Ursprungs- Angaden der Waaren richtig wären, wenn sie nur ihre Gebühren für die Certifikate einstreichen konnten. Beide füllten sich auf diese Weise ganz artig die Taschen, und es verlautete einige Jahre später, daß La Chevardiere Be fehl vom Kaiser erhalten habe, sich nach Paris zu begeben, wo Napoleon ihm einen großen Theil seiner Beute wieder abgenommen haben soll, indem cr ihm mit Gefängniß und anderen Strafen drohte. Im Laufe des Spätherbstes traf dann auch eine Abtheilung französischer Douaniers in Hamburg ein. Diese sind bekanntlich ganz militairisch organisirt, und das gedachte Corps, welches aus mehreren Offizieren und einigen Ivo Ge meinen, preposes cke« üousne«, bestand, wurde von einem gewissen Capitain M... r, Verwandten eines in Berlin sehr wohl bekannten jüdischen Hand- lungShauseS, befehligt. Diese Douaniers stellten nun an allen Thoren und und Bäumen dcö Hafens Posten aus, legten auch später ein Wachtschiff auf die Elbe zwischen Hamburg und Altona, um alle auf- und absegelndcn Fahr zeuge anzuhaltcn und zu untersuchen, ob solche geschmuggelte Waarcn am Bord hätten. Dessenungeachtet wurden letztere fortwährend nach Hamburg eingeschwärzt. Man suchte die verschiedensten Mittel aus, um die Douancn zu hintcrgchen. So packte man in Altona z. B. englische Kattun-Fabrikate in Kutschen und schloß sich damit den Wagen an, die von den Begräbnißplätzen, die in Hamburg außerhalb deS Thores liegen, nach der Stadt zurückkehrten, und in deren Gefolge man unangefochten durchkam. Später wurden wohl dergleichen Manöver vcrrathen, und die Douaniers visitirten von nun an alle Equipagen, die in die Stadt einfuhren. Einige Zeit daraus fiel in der Nähe ein Intermezzo vor, das für die Zoll beamten zwar ernsthaft war, aber im Publikum allgemeine Heiterkeit erregte. Die Douaniers hatten mit mehreren französischen Matrosen zusammen ein al- tcs, früher hannoversches Wachtschiff, das bei Stade auf der Elbe lag, eben falls besetzt, um auch weiter unten Alles, was von Kurhavcn hcraufkam, zu überwachen. — Dieses hatte Lord James Stuart, Capitain der englischen Fregatte „^imablo", die unterhalb Kurhaven vor Anker lag, in Erfahrung gebracht —, er sandte in einer dunkeln Nacht einige bewaffnete Böte die Elbe hinauf, welche sich in aller Stille mit verhüllten Rudern dcm Wachtschiffe nä herten, und ehe die Wache sie anruscn konnte, wenn gar eine auf dcm Ver- deck war, sprangen die bewaffneten Engländer schon an Bord, schloffen die SchiffSlukcn, kappten das Ankcrtau und bugfirtcn dann das Schiff die Elbe hinunter. Was von Franzosen zufällig auf dcm Verdeck war, sprang ins Wasser, welches gerade nicht tief war, da das Fahrzeug unweit des Ufers lag; die aber unten waren, mußten sich als Gefangene ergeben. Nutzen mochten die Engländer von ihrer Prise nicht viel haben — das alte Schiff war wenig werth; eS war aber für Offiziere und Mannschaft „s bie ok kun", und in Hamburg freute man sich, daß die verhaßten Zollbeamten eine Lection bekom men hatten. UebrigenS war die blokirende Fregatte hauptsächlich damit be schäftigt, auf alle Bewegungen unter den französischen Truppen zu achten, welche im Amt Ritzcbüttel einquarticrt und auf den Elbdeichen zwischen letz terem Städtchen und Kurhavcn zur Bewachung des Stroms postirt waren, und sobald man von der Fregatte aus feindliche Soldaten auf dcn Deichen erblickte, schickte man ihnen gewöhnlich einige Kanonenkugeln zu. Die Fran-