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Wöchentlich erscheinen drei N-unmern. prannmeratio»«-Preis 22) SUbergr. (5 Thlr.f vicrtelsahrlich, Z Lklr. sür dar ganze Jahr, ohne Erdöd ung, in allen ^deilen der Preußischen Monarchie. Magazin für die Man prönumerirt aus dieser Literatur» Blatt in Berlin in der Expedition der Allg. Pr. StaatS Zeitung (Friedrichs- Straße Nr. 72); in der Provinz so wie im Auslände bei den Wohliöbl. Post - Aemlern. Literatur des Auslandes. .>1/ 9S. Berlin, Mittwoch den 10. August 1842. Arabien. Beleuchtungen zur Lcbensgcschichte des Averroes. Aus Hebräischen und Arabischen Quellen, von F. Lebrecht. Dritter Artikel. Schriften des Averroes und ihre Aufnahme im Abendlande. Wenn es wahr ist, daß Geographie und Chronologie die beiden Augen der Geschichte sind, so ist es auch unumstößlich wahr, daß schriftstellerische Leistungen durch das „Wo" und „Wann" gerechter beurtheilt werden. Wenn der spätere Richter es nicht für eine große Pflicht hält, seine Urtheile über ein Wert mit der Abfaffungszcit desselben in Verbindung zu setzen, wenn er eS für unabhängig von den Umständen erklärt, die seine Entstehung umgaben, so muß sein Urtheil an vielen Punkten nothwcndig eines Vorurtheils verdäch tig werden, eines Vorurtheils, das sich aus den günstigen oder ungünstigen Eindrücken bildet, welche der mehr oder minder tiefe Einblick in die Leistungen des zu Prüfenden zuerst aus den Leser macht. Bei Averroes ist diese Pflicht noch kcineswcgeS erfüllt worden, und zwar aus dem enschuldigenden Grunde, weil seine Werke im Originale durch den Druck noch gar nicht bekannt, in Handschriften sehr selten sind, die Lateinischen Uebersetzungen dagegen bei aller Vorsicht auf Jrrthümer führen. Wenn die äußeren Verhältnisse eines Gelehrten von dem Maßstabe be- rührt werden müssen, den ein gewissenhafter Kritiker an den inneren Gehalt seiner Werke legt, so finden sich umgekehrt in den Schriften eines Mannes oft unabsichtlich hingeworsene Winke, die zum Verständniß seiner sonst ganz un bekannten Lebensverhältnisse führen. Auch dieses, bei weitem leichtere, Ver fahren haben die LebenSbeschreibcr des Averroes bis jetzt verabsäumt: und ich mache hier den, mir überlassenen, Versuch, aus den Andeutungen in seinen Schriften und über dieselben nützliche Data zu sammeln. Zugleich wird durch meine Nachweisung bei dieser Gelegenheit ein neuer Lichtpunkt in dem Leben des erhabenen Fricdrich's U. °) sichtbar werden, vor welchem der Blick fast aller Geschichtsforscher entweder unachtsam ober absichtlich rücksichtslos vorübergegangen. Bei der schriftstellerischen Thätigkcit des Averroes hat man nicht bloß über die große Zahl und Bedeutsamkeit der von ihm hinterlassenen Werke zu staunen, sondern auch über die Mannigfaltigkeit der Fächer. Die Philosophie jedoch nimmt den hervorragendsten Platz ein: nach ihr die Medizin, und am unbedeutendsten find Jurisprudenz und Theologie. Der Philosophie ist aber nicht nur der größere Theil seiner Schriften geweiht, sondern auch die meisten von ihm in den medizinischen und den übrigen Schriften aufgestellten Ansichten. Die philosophischen und medizinischen Schriften sind früh ins Hebräische und daraus ins Lateinische übersetzt worben, und haben sich deshalb alle erhalten; die theologischen und juristischen aber werden nur noch genannt, doch nur wenig mehr gefunden. Beide Zweige hatten, als rein muhammedanisch, für die jüdischen Gelehrten kein Interesse und wurden nicht übersetzt; und das Verdienst des Averroes hierin muß nicht groß genug gewesen seyn, daß eS die Abhandlungen bei den Arabern vor dem Untergange geschützt hätte. Wir werden sie deshalb auch hier außer Betracht lassen und sie später bloß nament lich in der Schriftenliste aufführen; dagegen die philosophischen und medizi- Nischen im Allgemeinen besprechen, und besonders aus ihren Titeln und Nach schriften Mittel zur Aufklärung der Lebenszeit und der literarischen Blüthe ihres Verfassers schöpfen. -4- Die philosophischen Schriften. Averroes wird allgemein, im Mittelalter sowohl wie noch jetzt, als der jenige betrachtet, welcher de» Aristoteles ans der Vergessenheit gezogen and dem christlichen Abendland« zugc'ührt Hal. Auch nennen ihn die besten Ge schichtschreiber °°) den Uebersetzer des Aristoteles. Indessen ist dieses Letztere ganz falsch, das Erstere nur in einer Beziehung wahr. Averroes hat niemals das Griechische Original gelesen, das sieht man an unzähligen stellen seiner Werke""), und unzählige Mal spricht er von der Ucbcrsctzung, aus der er -) Deutschland ist so beglückt mit dem Namen Friedrich II., daß, wenn er genannt wird, man fragen muß, ob der Kaiser oder der König gemeint ist. Die beiden großen Fürsten baden in ihren Charakteren hundert Aebnlichkenen, aber nur wenig Verschieden heiten. Z» den vorzüglichen leßtcren gehört, daß der Kaiser ein katholischer, genießender, sreidenkendcr Sicilianer, der große König aber ei» protestantisch skeptischer Deutscher war. Zu bedauern ist es, daß selbst die besten Schulbücher solche Jrrthümer foripstanzen. So z. B. Pischon, Geschichte d. M. Isa, wo AoerroeS auch >217 stirbt. —) In der Rhetorik les- volücnth-» I!» heißt eS: „Man sagt, daß ei in, Grie- epischen Wörter gebe, die weder männlich noch weiblich find," arbeitet. Hierdurch würde schon ein Beweis, daß er nicht der Erste ist, welcher den Aristoteles bearbeitete und empfahl, überflüssig seyn. Aber eS ist bekannt, daß schon unter den ersten Abbasidcn Aristoteles übersetzt ward, und Avicenna, zu Anfang des Ilten Jahrhunderts, brachte ihn durch seine Bear beitungen auf den Gipfel ves Ansehens bei den Arabern, die sich viel lieber mit den scharfen Auseinandersetzungen des kosmopolitischen Stagiritcn befreun- dcten, als mit den geistvollen theologischen Träumen ves rein Hellenisch den kenden Plaio. Auch die großen Philosophen, Alfaradi ff!>bOl vor und Ibn el Zaig (1- I IZ8) nach Avicenna, thaten viel, durch Bearbeitung und mündliche Lehre, den Griechen als den ersten Philosophen darzustcllc»; und Alsarabi soll die Rhetorik 200mal gelesen haben. °) Man kann demnach nicht behaupten wollen, daß Averroes den Kultus der Aristotelischen Philosophie bei seinen Landsleuten cingesührt dabe; aber eS ist dennoch wahr, daß er sie dem ganzen Abendlanve und besonders ven Christen unv Juden aufs neue und bleibend zugeführt hat. Kein Araber vor ihm hing mit einer solchen Vergötterung an Aristoteles, und kein Araber vor ihm hatte ein solches Recht zur Vergötte rung. Denn bei ihm war cs nicht eine bloße Aristotclomanie, wie etwa die stupide Mittelmäßigkeit „in ihres Nichts durchbohrendem Gefühle" einen großen Mann anstaunt, um sich mit diesem Anstauncn dafür zu trösten, daß sie ihn nicht begreift, sondern cs war jene innige Verehrung und Bewunderung, die der Geistes- und Kraft-Verwandte demjenigen zu zollen sich gedrängt fühlt, ven er zu ermessen und zu würdigen versteht, und den er deshalb so hoch stellt, weil er ihn nach einer Sclbstwürdigung über sich stellt."") In dieser Andacht lebte er wohl 70 Jahre für Aristoteles und verarbeitete nicht nur fast sämmiliche Werke desselben, sondern gab von vielen Bearbeitun gen in verschiedenen Rezensionen heraus. Hierüber ist eine Nachschrift zu den läbri-i Vlll .4u8c»lrstiuui8 pbzsicso wichtig. Die Bearbeitung in hebräischer Uebersctzung befindet sich auf mehreren öffentlichen Bibliotheken, unter andercn auch in Leipzig. Zu Ende dieses Buches beißt es: °°") „Es ist von mir schon ein Kommentar dieses Buches unter dem Volke, den ich in meiner Jugend ausgcarbeitet habe, der aber nur kurz ist. Es schien mir jetzt zweck mäßig, den Kommentar ausführlicher zu machen, unv ich wurde von Allah unterstützt, ihn so wie andere Werke zu vollenden ...." Diese Worte schrieb der Verfasser im Jahre L62 (im Turiner Coder S6Z) —II»6 s. 6., wo er schon dem Greiscnalter nahte; und wir entnehmen, daß er schon in seiner Jugend kurze Erklärungen zu Aristotelischen Büchern schrieb, daß er im Jahre 1166 schon verschiedene andere Werke vollendet, und vaß er sich fast sein ganzes Leben hindurch mit Aristoteles beschäftigte. Wir können Letzteres noch kräftiger durch folgende Bemerkung bestätigen: Der kürzere in der Jugend geschriebene Kommentar, auf welchen sich Averroes hier beruft, ist Hebräisch in einer Sammlung seiner kleineren Werke gedruckt (kivsi IHdeim 1560. 8.). Ich habe dieses äußerst seltene Werk vor mir und sehe, daß eS in der Ein leitung heißt; Wer dieses Buch lesen will, der thut gut, sich erst mit der Logik bekannt zu machen, sey cs durch das Werk des Alfarabi oder wenigstens durch die kleinere von uns geschriebene Abkürzung. Er hat demnach schon vor der Acroasis Aristotelische Werke geschrieben, und zwar deuten die Worte kleinere Abkürzung darauf bin, daß ein ausführlicher, ein kurzer und ein kürzerer Kommentar da war. Hier ist der Ort, wo wir ein Wort über die Beschaffenheit dieser Kommentare anknüpfen können. Die Kommentare des Averroes zu dem Aristotelischen Werke können diesen Namen nicht in dem Sinne tragen, den wir mit dem Worte Kommentar verbinden. Es ist kein zusammenhängender Tert des Aristoteles, der erläutert wird, sondern der Gedanke, meist mit den Ausdrücken des Aristoteles, wird zu Grunde gelegt. Wir würden sagen: er schrieb nach Aristoteles. In unserem goldenen Zeitalter der Selbstverleugnung freilich würve man nicht einmal „nach" sagen. Wenn z. B. Herr Z. mit dem Talisman eines neuen Buches sich leichtlich auf ein Katheder schwingen will, ist er kein Narr, zu A. zurückzu- gchen und Alles durchzustudircn bis auf I. Nein, diese Donquijotterie ist "I Nach Anderen war e» das Werk ve müma. ") Brücher IH-t. Philo*. III, Il)o faßt: „IN<lü omuiniu, gui ilc ^rerroe inripucrunt, pru»ccutum Xri«totr>«m." Weder emc blinde noch wahnsinnige Anbetung haben wir gefunden, sondern eine solche, die dem Verehrer eben so zur Ehre gereicht wie dem Verehrten. Auch wird Aristoteles öfter widerleg«; doch wo der Jrrlhum für ihn zu arg scheint, sagt AoerroeS entschuldigend: „ES muß wohl an der schlechte» Ueberseß ung liegen.'^ Sollten die Tadler des AoerroeS' nicht auch manchmal so sprechen? S. Catal. dührormn IN,8 .... Ilihl. neuat. In;--, e liü. dluuinauu etc. 29l, h. ES ist der coü. XXVI in dem von Delißsch aurgearbcüettu Katalog der Hebr. L>a»d< schriften.