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schallie 6',csa»g Niid Kinder jnbel. Hin!«' jedem Deuster belinulendheist bänmcheu. — Großer Gott! Großer Gott! Gibt cs denn sein Winkelchen in der ganzeii menen Welt, >vv man sich ver kriechen Ivnnle i» Stille und Dwttelhcil? Gibt es in dieser Welt des Elends nnd Jam- nierS nicht ein Golgatha, ein Heiligthnm des Schmerzes nnd der Thronen, vor dessen Schwelle die lärmende Freude sehen zurückweicht'? Ja, dn armes, wnndeS Herz! Es gibt einen Ort, wo nie ein Jubellaut.erschallt, wo der Wind nnr Klagen uudSeufzcr anfnimmt, wo die Trauer weiden mit ewig gesenkten Kronen weinen und weiße Rosen nm dnnkle Kreuze blühen. Da ist Stille, da ist Einsamkeit. Wo die Tobten rnhcn im wcltentlcgenen Blütheu-Garten ailf dem Friedhöfe! Wie eine Erlösung kam ihr der Gedanke. Sic hüllte sich in einen Pelzmantel nnd band ein dunkles Tuch um deu Kopf. Kein Mensch begegnete ihr ans dem Gange und nuten in der Flnr. Sie feierten Alle. Durch die verödeten Straßen hastete sie mit fliehendem Fnßc wie ein dunkles schweigenden Grabhügel. In dem einen, über den die ge ragte, richte ihr Gemahl seit fünf Nachtgespenst. Immer derselbe festliche Lichterglanz, dieselben Jnbel- lante kindlicher Stimmen: Weihnachtsfrcndc in Hütten nnd Palästen! — Vorüber! Vorüber! . . . Die Häuser wurden spärlicher, in langen Zwischen räumen brannten mit trübem Schimmer vereinzelte Laternen. Der Mund schien sehr hell, nnd vom Schnee ging ein weißes, geheimnißvvlles Leuchten ans, in dem die Vänme nnd Hecken zn flnthcn schienen. In dem rvhgezimmerlen Lattenzaun, der den nen angelegten Theil des Kirchhofs abgrenzte, war eine Oessnnng, die sic kannte. Sie schlüpsre hindurch. Driuueu athmeie sie tief auf. Wie still es hier war! Wie ein schimmernder See mit weißen, erstarrten Wogen lag der weite Nanin. Schwarz hoben sich dunkle Chpressenhäupter gegen den lichten Nachthimmel ab. Leise — leise senfzte der Wind in den winterknhleu Zweigen der Trauerweiden, in winzigen Nadeln und Sternchen rieselte der Schnee von den bereiften Nvseu- büschcn. Zwischen den laugen Reihen von beschneiten Kreuzen nnd Gedenksteinen snchte sie ihren Weg. Ein hohes Eisen- gitter zog sich um ciu längliches Viereck. Alles, was ihr das Leben lieb und werth gemacht hatte, war beschlossen in diesem engen Raume. Das war ihre Welt jetzt, diese beiden Jahren schon, daneben, unter welken, erfrorenen Kränzen, schliefen ihre bei den Kinder. Der Raum für cin drittes Grab war noch freigelassen. Da ge hörte sie hin. Da war ihre Heimath jetzt. Ah, was sollte sie noch in der lauten, lebenoigen Welt da draußen, mit ihrem tvdtcn, gebroche nen Herzen'? Warum brvchene Pvrphhisänle mußte sie lebeu, nachdem der Inhalt ihres Lebens ihr genommen. „Tödtc mich! Allbarmhcrziger! Laß mich sterben sterben!" stöhnte sie verzweifelnd. . Sie >var ans der niedrigen Bank znsammengesnnken, ihre heiße Stirn gegen das eisige Gitter pressend. Der Ge danke an eine mögliche Gefahr in der kalten Wintcrnacht kam ihr gar nicht in den Sinn. Ihr bitteres Leid, das Gefühl trostloser, hossnnngslvser Verlassenheit beherrschte sie ganz n d gar. Dann ans einmal kam cs ihr vor, als sanden ihre Senszer ein Echo, als regte sich etwas zwischen den Gräbern. Ein leises, wehes Wimmern! Sie hielt den Athcm an nnd sah sich nm. Dort, wo sich in langer Reihe die neuanfge schütteten Gräber hiuzvgcn, kam cs her. Sie hörte es jetzt deutlicher, baugeö, lauggezvgcucS Schluchzeu einer Kinder stimme. Aber konnte wirklich ein junges Kind so weinen, so hcrzgebrvchcn, so verzweifelt'? Ein Schauer überlies sie. Vielleicht war es der Wind, dcr Geist ewiger Trauer, der über dieser Stätte schwebte und der Menschheit gan zes Leid in diesen einen unsagbar wehcn Klagetvn znsammcnpreßtc. Sic erhob sich fröstelnd. Zwischen den weißen Gräbern bewegte sich et was Schwarzes. Es erhob die Aermchcn, — es wimmerte nnd rief in die Nacht hinein: „Mutter! Mutter!" Ein Kiud. — Es war wirklich ein Kiud. Ein kleiner Jnuge. Lieber Gott, nnd wie sah er aus'? Halb erfroren in seinem dünnen, knappen Kittel- - chen hockte er ans dem Grabe. Ein blasses, zartes Gesichtchen mit übergroßen, tief- umschatteten Augen. Er rührte sich nicht, wie sie ans ihn zu kam. Erst als sie dicht vor ihm staud, hob er die Augen. Großer Gott! daß es Kinder gibt mit solchen Angen; dnnkle Spiegel, ans denen eine grundlose Tiefe des Leides nnS rührend nnd anklageud zugleich eutgcgeustarri. „Was thust Du hier in der heiligen Nacht, mein Kind? Was suchst Du'?" fragte sie saust. „Meine Mutter!" sagte er leise mit müdem, klanglosem Stimmchen. „Ich will zu meiner Mittler. Hier unten ist sie drin. Ich habe sie gerufen, aber sie kommt nicht. Sie hört mich nicht." Er schluchzte auf: „Mutter! Mutter!" schrie er in leidenschaftlichem Schmerz, sich über das Grab werfend. Es schnitt ihr dnrch's Herz: „Hast Du deuu keine» Vater mehr?" fragte sic nach einer -Weile. Er schüttelte den Kopf. „Mein Vater war Schul lehrer!" erklärte er und sie sah, daß er stolz auf seine» Vater war. / „Wie heißt Du deuu, mein Kleiner?" / tv.-ihuachtim auf hcUu-l-