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H Hl C >1 r i st II b t li d. Ben H. v. Kahlcuberq. ' (9!«6>diuck »crbolcu) § ist Weihnachtenbeud! Wunder seliger Zander denlschcr Weihenachl! Bv» den Kirchihürmeu länten die Glocken, eine festlich gekleidete Menschenmenge wagt in den Stra- gen, lachende Gesichter, rvth ange haucht vom Fräst, mit gläuzeudeu Augeu. Grüße der Liede sliegeu hiuüder und herüber: „Gesegnete l Weihnacht! Fröhliche Feiertage MWkHWWtzMtW euch allen!" Die üiolllädeu vor. den Schau- tMvÄUn seusteru iverdeu Herabgelasseu. Die " WirthShäuser, ivv saust die duuteu ^7^? Lampeu brcuueu und lauter Lärm der Zecheudeu erschallt, steheu dunkel und verödet. Oben am frastklareu Himmel entzündet sich Lichtchen an Lichtchen. Aus dem Fenster lngt ein lockiger Kiuderkopf: „Mittler, Mutter, jetzt kriegen die Engelchen ihren Weihuachts banm angcsteckt!" frohlocktes. „Dann kommt das Christkind gleich auch zu uns herunter!" Mit mildem Schimmer übergießt der Mond die schneebedeckten Dächer, hvhe und niedrige: Friede, Friede den Menschen ans Erden, uud den Menschen ein Wohlgefallen! Draußen im Felde liegt der Schnee glatt nnd tief. Unter dem starrenden Eise schläft der See, das murmelnde Bächlein. Schweigend im glitzernden Demantschmnck stehen Bäume und Büsche. Sie träumen vom Lenz. Henle in der Mitternacht, wenn der Weihnachlseugel vorüberfliegt, küßt er sic, nnd sie erblühen in lächelnder FrühliugSpracht unter seinem Kusse. In der Kirche flammen die Kerzen au den Tauncu- bäumeu. Kotzf au Kopf steht die Menge. Vornehme Damen in reichem Pelzwerk neben dem alten Mütterchen ans dem Polke, das mühsam die zitternden, arbeitsharten Hände faltet, Kinder mit großen, glänbigen Angeu neben Männern, auf deren ernsten Stirnen Leid nnd Kamps tiese Furchen gezogen. Wieder ertönt sic van geweihter Stätte, die uralte, selige Botschaft, die vor zwei Jahrtauseudeu vou Eugclslippcu über Bethlehems Felder geklungen: Euch ist heute der Heiland geboren! . . . Hinter den Fenstern wird's hell. Ans jeder Keller- öffnnng, jeder winzigen Bodenluke dringt strahlender Lichlerschein. Die Weihnachts- bäume brenuen. Ein köstlicher Duft vou Wald nud Nadeln, Wachskerzen nnd frischem würzigen Gebäck durchzieht das Haus: Weihuachtsduft! Bunte Gaben der Liebe breiten sich auf weißgedeckteu Tischen ans. Jubelnde Kindcrstimmen werden laut, die rAz/Eltern stehen mit verklärten Gesichtern. Die Alten werden wieder jnng, die Traurigen lächeln, nnd Feinde versöhnen sich. O,du liebe, gesegnete, deutsche Weihnacht! — Ein Fenster, das ich kenne, bleibt dnukel in all der Helle. In einem armen, todwunden Meuschenherzen klingt sie nicht wieder, die frohe Weihnachtsbotschaft. Bleich, mit gepreßten Lippen nnd thräuenlvseu, brennenden Augen sipt sic in Fiustcrniß hinter dicht verschlossenen Läden, eine einsame Frau iu schwarzen Tranergewändcrn. Sie hat ihre Dienstboten sortgcschickt: Geht nach Hause, zu Euren Eltern, zu Freunden. Feiert, wo Ihr könnt. Da habt Ihr Geld - Geld! . . Sic hatten mit scheuem Dankeswvrt die über reichen Gaben genommen und waren stnmm gegangen. — Jeden Besuch, jede Theiluahme wies sie hart nud schroff zurück! Ich kann keine frohen Mcuscheu scheu. Ich köuule kein Lachen hören. Ich will allein sein am Weihnachts abend. Allein mit meinen Todteu ! . . . Sie war allein, ganz a^eiu . . . Noch im vorigen Jahr hatte in demselben Zimmer ein strahlender Lichterbanm gebrannt, rosige Kiuderarme streckten sich jubelnd nach den glitzernden Herrlichkeiten au seine» Zweigen. Wie sie jauchzten nnd zwitscherten, die Hellen Stimmcheu: „Sieh doch, sich doch nur die Puppe, Heiui! Hemdchen nnd Nöckchcn hat sie, alles zum Aus ziehen und — und", Gretcheu's Planungen wnrdcn weit vor Entzücken, „Schühchen, Schühchen mit Knöpfen! O, Heini!" — Heini saß schon rittlings ans dem prächtigen Schankcl- pserd nnd spornte es mit feuerndem hüh-hott! Er halte Bleisoldaten gekriegt, Reiter, die mau vou deu Pferden ab- nehmen konnte, nud eiu Hvru zum Tulcu. Ach, wie herr lich das tutete! — l >n dann schmiegten sich zwei Bloud- köpfchcu an ihre Knie, weiche Kinderlippcn küßten ihr Ge sicht nnd Hände: „Liebes, goldnes Mütterchen, danke! danke!" — Ach, liebliche, fromme Kinder waren sie gewesen. Gretchen hatte das kleine Christkindchen aus der Krippe gcnommeu uud ihm ihres Püppchens schönstes Seidenkleid angezogen, weil das liebe Jesulein nur so nackt nud arm wäre, uud sie wollte ihm so gern auch was Gittes scheukeu. Heiui ließ alle seine Soldaten gegen den bösen König Herodes ansmarschicren, der jämmerlich geschlagen nnd vom Pferde geworfen wurde. — Jedermann hatte die Beiden lieb gehabt, ihre Mutter vergötterte die Kinder fast. Sie waren ihr ein und alles, seit sie Wittwe geworden. Dann kam die böse Senchc in die Stadt; sie starben beide in einer Woche. Bor einigen Tagen hatte mau die kleiueu schwarzen Särge hinaus getragen ans den Friedhof. Es war dnnkel nnd still geworden in dem Weihuachtszimmer. Dnnkel nnd still. . Das Herz der einsamen Fran krampfte sich in Weh nnd Bitterkeit. Sie versuchte die Hände zn falten, aber es war kein Gebets das von ihren Lippen kam, nur ein Stöhnen der Klage: „Warum muß,ich leben? Warum blieb ich allein zurück? Laß mich auch sterbeu! Wenn Du barm herzig bist, habe Erbarme»!" Bou »ute» herauf klang Mnsik: „Stille Nacht, heilige Stacht", von Hellen Kindcrstimmen gesungen, dann Jnbcl- geschrei, Rasseln nud Klirren, zwischen hinein das Tute» eines Hornes. Ah, dieses Tuten! Sie krümmte sich unter deu Tönen wie in Fvlterqnalen. Sie wollte nichts hören, nichts fühlen nnd doch hörte sie alles dnrch die Wände hin durch, als wäre ihr Ohr unnatürlich geschärft. Nebenan wohnte eiu junges Ehepaar, dem vor vier Wochen ei» Söhnchen geboren worden war. Jetzt waren die Groß eltern da, die ganze Familie, nnd sie hörte das Lachen fröhlicher Stimmen, Gläserklirren nnd dann ein winziges, durchdringendes Stimmchen, vor dem alle anderen audachts- ' voll verstummten. Sie sah das strahlende Gesicht der junge» Mutter sich über das kleine rosige Köpfchen bengen, sie sah . . . Stöhnend bedeckte sie ihr Gesicht mit beiden Händen, nm nicht zn sehen. Aber das Tute» und Jubel» dauerte fort, uud sie flüchtete von Zimmer zu Zimmer bis iu ihr Schlafgemach, das war nach dem Hose hinaus gelegen. Aber auch ans den Küchen nnd Hinterhäusern