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ich manchen Entgegnungen jenes kritischen Briefes, invem ich sie mit Still- schwcigen überging, meine Zustimmung gegeben. Nur dies muß gesagt wer den, daß das philosophische System Hegcl's unter den im Verlaufe der Ge schichte des menschlichen Geistes hervvrgetrelenen Philosophicen noch immer das beste und intensiv wie ertcnsiv das vollkommenste ist. Denn, meines Erach tens, darf und kann der Werth oder Unwerth eines philosophischen Systems nicht danach bcurthcill werden, ob cs den Begriff Gottes, der Welt, des ewigen Fortlebens der Seele u. s. w. der gemeinen Vorstellung mehr oder minder mundgerecht gemacht, kenn hierüber wird man ewig dafür und dawider rai- sonnircn könne»: sondern seine Verehrung oder Verdammung hängt vorzüglich von dem Umstande ab, ob seine Grundprinzipien, von denen nun allerdings auch oben berührte Wahrheiten ihre Gestaltung erhalten, von der Art sind, das die craklcn Wissenschaften und die Kunst in ihrer Wahrheit erkannt, in ihrer Tiefe erfaßt und endlich, und worauf es am meisten ankömmt, ob in ihnen, krakt dieser Prinzipien, das Göttliche und Ewige erkannt wird, und nicht, wie dies allerdings in manchen philosophischen Systemen der Fall ist, das Dascyn und die Fortbildung derselben der menschlichen Vortheile und Interessen halber kür nothwenvig gehauen werden. Und in dieser Beziehung, muß man sagen, hat der Hegelianismus große Vorzüge aufzuweisen, Vorzüge, die vielleicht nur noch im Schcllingianiümus zu finden sind. I. L. S. Nußland. Leben und Weben im Russischen Volke. (Fortsetzung.) Bemerkte man etwa, daß ein Kind um Mitternacht aufwachte, fo sagte man: „Es har die Nachtschwalbe." Dann trug die Mutter es drei Morgen hinter einander zu den Hühnern in den Stall, legte es in ihren Rockschooß, wiegte es so ganz leise und sprach: ..Morgenroihc mein, D» Wcßcrm. Nimm de» kleinen Schrcibals dm Gegen Schlaflosigkeit legt man dem Kinde auch ein Schnittchen Brod, eine Mannsrreublütbe (nnmnuron lwncüuuu Iwp.), ein Knöchelchen von der Ge stalt einer alten Silberkowke, aus dem Kopse eines Spanferkels oder eines Fisches, in eie Wiege dem Mädchen überdies noch eine Spindel, vcm Knaben einen Bogen nebst Pfeil, damit er die Nachtkchwalbc schießen möge — und das Alles beißt in der Volkssprache: der Schlaf. Zu Jcmano durch Schreck erkrankt, so legi man den Srei», welchen das gemeine Volk den Donncrstrahl ncnnr (er ist meist schwarz oder dunkel grau, siebt aus wie eine Lanzcnspivc ober wie ein unregelmäßiges längliches Dreieck und findet sich iin freien Felde, koch öfter noch in Haide-Steppen), in Wasser und begießt mit letzterem den Kranken, unter der gehörigen Be sprechung — oder mau führt ihn auch wohl, zur Zeit des Läutens, auf den Glockenthurm und stellt ibn dort gerade unter die Glocke. Neben vielen solchen abergläubischen Gebräuchen haben sich bis heute auch folgende Vorunheilc erhalten: Nicht selten wird ein Kind in einem zarten Häurchcn geboren, welches man gemeiniglich das Hemdchen nennr — (die Ursache dieser Erscheinung weiß ,eder Arzt zu erklären). Dieses Hemdchen gilt dem Volke für ein untrügliches Glückszcichen und wird deshalb in die Kleider, oder in ein Bcuiclchen, welches mau unausgesetzt bei sich trägt, eingenäht. Daher sagt man von demjenigen, dem Alles glückt: „Er ist im Hemdchen geboren." Manchmal trägt man ein solches Hemd auch aus Freundschaft, Änderen zum Glücke, bei irgend einem wichtigen Vorhaben. — Zst ein Kind kränklich oder stirbr wem oft ein solches, so verkauft man es an irgend Jemand, doch am liebsten an einen alten Mann oder an eine alte Frau. Der Käufer stellt sich umer daS Fenster, durch dieses wird ibm das Kind zngercicht, wogegen man st oder IO Kopeken erhält: und hierfür steckt man ein Licht in der Kirche aus. Der Käufer aber gicbt der Mutter das Kind mit den Worten zurück: „Lebe, mir zum Glück!" — Vor Ablauf des ersten Jahres schneidet man keinem Kinve das Haar, dann aber geschieht dies an etlichen Orten sogar mit einiger Feierlichkeit: Man setzt nämlich den kleinen Menschen auf einen Sattel und stuyt ibm so die Härchen. — Wenn eine Schwangere die Eßlnst verloren, so nimmt man von Bettlern vierzig Almosen, d. h. 40 Brodschnittcn — mitunter jedoch auch nur eine einzige — und verzedrt sic. Außerdem aber gebt die Mutter des Ehemannes, oder sonst Jemano von der Familie, in ein fremdes Haus und sucht dort ein Stück Brod heimlich, so daß die Hausfrau cs nicht gcwadr wird, wegzunehmen. Solches Brod — meint man bringt die Eßlust wieder. Auch wenn nach sonst einer Krankheit Jemankcn der Appetit fehlt, nimmt man das Almosen von den Bettlern. So lange Eins dcn Schlucken hat, streiten und warren dessen Schutzengel und der Teufel mit einander ab, wessen von ihnen Beiden man eingedenk sevn werde und deshalb spricht der mit dem Schlucken Be haftete jedes Mal gewissenhaft: „Herr, gedenke mein, wenn Du in Dein Reich kommen wirst!" — Die Seife, mit welcher ein Leichnam gewaschen worden, hebt man aus, um sie als Heilmittel gegen erfrorene Hände zu gebrauchen. — Wer schon mehrere Kinder verloren hat, nimmt, zu besserem Glücke, die ersten Personen, die ihm begegnen, sobald er ans dem Hause getreten, zu Pathen, und wenn sie auch Bettler sind. Die Badestube gilt noch immersür einen unreinen und nicht gcheucrn Ori, den selbst der Kühnste niemals, am wenigsten Abends, allein betritt. Alles Bade- geräth, jeder unversehens in die Badestube gebrachte oder mit Badewasser ge füllte Eimer und Zober gilt für unrein; für solches giebt es kein reinigendes Ge bet. In früherer Zeit pflegte man die Schwangere bei Annäherung der Wehen ins Bad zu führen, damit sie dort entbunden wurde und nahm, um sie dort nicht allein zu lassen, das Heiligenbild dahin mit. Sobalv dann die heftigsten Wehen eintraten, ließ man die Bademutter, wenn auch nur auf kurze Zeit, sich entfernen, wobei diese einen Badcbescn oder einen Stock in einem Winkel aus- stelltc, um durch ihn die Wöchnerin und daS Kind behüten zu lassen. — Die Erklärung dieses abergläubischen Wesens meint die Verfasserin in der gewöhn lichen Lage der ländlichen Badehäuser am Wasser und enifernt von allen an deren Gebäuden, so wie in dem Umstande zu finden, daß jene nicht, wie diese, geweiht werden — was dem noch unwissenderen Geschlechte der Vorzeit alle die seltsamen, zum Theil sinnlosen Vorstellungen, Vorurtheilc und Erdichtungen eingegcben, unter deren Einflüsse nachher die Jugend bis heutigen Tages auf- erzogen werden. — Den im Wege gesunkenen alren Achsnagcl, oder Schub, trägt man fein säuberlich heim, als Mittel gegen die Wanzen. Zu gleichem Zwecke dient folgender wunderlicher Gebrauch: Am Abende des letzten Flcisch- tagcs vor den Peters fasten °) nimmt das crstgcborne Kind des Hauses einen Löffel und füllt ihn mit Butter und Quarkkäse, während das jüngste die Ofenkrücke hervorsucht und sich rittlings auf dieselbe setzt. Dann verlassen Beide das Haus und umreiten, resp. umgehen, es drei Mal, wobei der Ritter an jeder Ecke desselben Halt macht, den Infanteristen fragt: „Womit beschließest Du das Fleisckcsscn)" und, auf die Antwort: „Mit Butter und Quark" — die weitere Frage rhut: „Aber womit schlie ßen die Wanzen)" worauf vom Anderen erwicdcrl wirv: „Die Wanze verzehrt die Wanze." — Haben Beide so ihre abenteuerliche Fahrt vollbracht, so verschmaust der Träger des Löffels dcn Inhalt desselben. — Auch das Ei, mit welchem man am ersten Ostcrtagc den ersten Glückwunsch gewechselt hat, bewahrt man auf, indem man glaubt, dieses faule nie — und, wenn etwa ein Feuer entstände, brauche man nur jenes in die Gluth zu werfen, um sic zu bewältigen. — Die durch Blitz entzündete Feuersbrunst aber löscht man mir Milch ") und Kwaß (kein bekannten wcinsäuerlichcn Naiionaltrankc). Ehedem ertbcilten die erfahrenen und die allen Leute der Jugend man cherlei Lehren, die gewöhnlich verschiedene abergläubische Vorsichtsmaßregeln enthielten: z. B. wenn eine Braut zum Hochzeitkranzc geführt wurde, so empfahl man ihr angelegentlichst, danach zu trachten, daß sie zuerst auf die Fußbank trete; denn, wenn ihr dieses glücke, so werde sie auch künftig im Hause höher stehen. — Fand sich Jemand ciwa in einem Hause, in welchem eS zufolge der VolkSmcinung verdächtige Leute gab, so mußte er bei jeder ge reichten Speise und bei jedem Getränke unbemerklich übers Kreuz hauchen vdcr leise sprclben: Elle und Scheere — denn die Elle maß und die Schcerc schneide: alles Böse ab. — Ging man zu irgend einem Geschäft oder Gesuche nach einem anderen Hause, so mußte inan, bevor man cintrat, drei mal das Tbürbanv berühren und sagen: „Wie dieses Band schweigt, mögst auch Du gegen mich schweigen!" Beim Eintritte mußte man sich sogleich umsehen und denken oder sagen: . „Ich ein der Wels, Lu biß bas Schal; Ich esse Dick, ib verschlinge Lich — Au smchle mich!" Im ganzen häuslichen Leben wimmelt es dermaßen von abergläubischen Wahrnehmungen, daß cs dein gemeinen Manne kauin möglich ist, nur einen einzigen Schritt ohne dergleichen ;n thun. Riecht es plötzlich nach Weihrauch, so stirbt Jemand im Hause; knistert ein Vorderwinkcl des Hanscs oder der Querbalken über der Thür, so glaubt man, dies gelte einem Sterbefalle — ist's aber eine Hintere Ecke, so vertreibt cs cinen Lebenden, und der Wirth ober ein anderer Bewohner muß dann das Haus verlassen. — Ist für cinen Leichnam das Grab zu groß gegraben, ober bleibt bie Leiche lange warm, so wirr man bald eine zweite im Hause sehen. — Mißraihcn die Ostcrbrodte oder andere Vorbereitungen zu diesem Feste, so bedeutet das dem Hausherrn nichts Gutes; bekommen die Brodte aber Köpfe (Blasen, Beulen)), so merke man genau, wo diese aufgcgangcn: denn entstauben sie im Ofen, so zeigen sie einen Gewinn - bildeten sie sich dagegen nach vcm Ofenloche zu — einen Verlust an. Dieselbe Bemerkung gilt, wenn der Grützbrei im Topse überkocht. — Springen aus dem Feuer im Ofen Kohlen heraus oder fällt in demsel ben das brennende Holz nach vorn herunter, so kommen Gäste. Eine TodcS- bvtschakl ober Ankündigung einer Trennung bedeutet der Rabe, der sich aufs Dach deS Hauses setzt, die Holzkrähe und der Speckt. Eule und Kukkuk fliegen zur Leiche herbei ober verkündigen cine Feucrsgcfahr; überhaupt bringt Käuzchen-, Horn- und Nachteulcn-Flug nimmer etwas Gutes. Fängt etwa eine Henne an, wie ein Hahn zu krähen, so wirb die dabei Ertappte sofort abgeschlachtei — kann man aber die Uebcltdäicrin nicht ermitteln, so pflegt mau zu rufen: „Kräh' dich um den Hals!" Nächtliches Gluksen der Hcnnen bedeutet Krieg, vver RckruienauShcbung. — Schreit der Hahn Abends zu ungewöhnlicher Zeit, so muß man ihn von seiner Siystange herun terholen und ihm die Füße befühlen: sind sic warm, so giebt's Neuigkeiten oder Besuch; sind sic aber kalt: eine Leiche. — Picken die Hühner oder anderes Geflügel das Futter bei Nacht auf, so entsteht Theuerung der Lebensmittel. — Das Loch, welches ein Hund gräbt, bedeutet ein frisches Grab; und wenn er auf ein Haus zuläuft und heult, so steht nicht minder ein Todesfall bevor. Das Geheul von Hunden, welche dabei die Köpfe in die Höhe strecken, ist der Vorbote eines Brandunglücks. — Die Schwalben bringen zwar dem Hause, ') welche am 2. (14.) Juni beginnen und i Wochen ! Tage dauern. ") Die» führt Tappo in seiner Sprachlehre sogar mitten in einer Folge von unbe strittenen und unbestreitbaren Wahrheiten, wie gan) dazu gehiriz, auf.