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Wöchentlich erscheinen drei Nuinniern. Pränunttralion«-Preis 22) SiU-rrgr. Thlr.) vierteljährlich, Z Tblr. für das ganze Jahr, ohne Erhöhung, in olle» Theilen her Preußischen Monarchie. Magazin für die Man prönnmerirt auf hiesei Literatur- Blatt in Berlin in her Expedition der AUg. Pr. StaatS-Zeitung (Friedrichs- Straße Nr. 72); in der Provinz so wie im Auslande hei den Wvhllöhl. Post-Aemtern. Literatur des Auslandes. 48. Berlin, Freitag den 22. April 1842. Spanien. Leben und Dichtungen Lope de Bega's. Nach Damas-Hinard.' Noch bis zu dieser Stunde fehlt es an einer befriedigenden Darstellung des Lebens Lope de Vega's. Montalvan, des Dichters Freund und Schüler, hat wohl eine ihn seiber ehrende Lobrede auf seinen Meister, nicht aber eine eigentliche Geschichte seines Strebens und Wirkens, seiner Schicksale und sonstigen Lcbcnsvcrhältnissc hinterlassen. Alle folgende Biographen, sowohl heimische als auswärtige, haben sich ganz nach Montalvan gerichtet und ihn bloß abgeschrieben. Was uns betrifft, so haben wir, mit Beachtung einiger merkwürdigen Einzclnheiten, mancher anziehenden Erinnerungen, die wir aus Montalvan's „b'-u»» i>o.-it>»nu" °) (Nachruf) entlehnt, uns hauptsächlich an Lope selbst gewandt und an der Quelle unsere Nachrichten gesammelt. Wir haben uns sorgfältig bei den Vorreden zu seinen Arbeiten, bei deren Zueig nungen, bei seinen verschiedenen poetischen Erzeugnissen und insbesondere bei seinen Briefen Raths erholt; und gestützt auf diese unsere Nachforschungen, tragen wir kein Bedenken, endlich eine Biographie zu veröffentlichen, der man vor den übrigen mindestens den Vorzug größerer Vollständigkeit und Genauig keit einräumen dürfte. Um die Mitte des sechzehnten Jahrhunderts wohnte in dem Dorfe Carriedo, dem wichtigsten Orte des eben so genannten, im Gebirge von Burgos gelegenen reizenden Thales, nebst seiner Frau und seinem Sohne ein braver Hidalgo (Edelmann), Felix de Vega, welcher seine Zeit theilte zwischen der Pflege der schönen Wissenschaften und der, die sein kleines Erbgut erheischte. Allem An scheine nach war unser Felir von sehr empfänglicher Gemüthsart und besaß heftige Leidenschaften; denn kaum hatte ihm eine kleine hübsche Jungfer den Kops warm gemacht, als er auch flugs Weib und Kind sitzen ließ und mit Helenchen nach Madrid entwischte. Jndeß seine bestürzte und entschlossene Gattin, Fran cisca Fernandez, die höchst wahrscheinlich von jenen tapferen Asturierinnen abstammte, welche die Spanischen Minnesänger in ihren Liedern gefeiert haben, jagte dem flüchtigen Liebespaare nach, erhaschte cs wirklich und führte den sauberen Herrn Gemahl aus den Armen der verhaßten Nebenbuhlerin wieder in die ihrigen zurück. Dieser Wiederversöhnung hatte unser Dichter sein Da- sepn zu danken, und er nannte sich mit Hindeutung auf dieses Ereigniß „das Kind der Eifersucht". Lope Felir de Vega erblickte zu Madrid, dicht am Guadalarara - Thore, den 23. November 1362 das Licht der Welt, just am Namenstage des heiligen Lope, Bischofs von Verona, dessen Namen er, einem Spanischen Gebrauche zufolge, erhielt. Seine Geburt ging der William Shakespeares um achtzehn Monate vorher. Darf man Montalvan trauen, so war Lope in Wahrheit und in vollem Ernste das, was man gemeinhin ein Wunderkind heißt. Er war noch nicht einmal zwei Jahr alt, als sich schon in dem Glanze und Feuer seiner Augen ein unbegränzter Verstand offenbarte. Noch bevor er reden konnte, war sein Geist schon rege und thätig, und in Ermangelung der Sprache suchte er sich dadurch zu helfen, daß er seine Gedanken durch Zeichen, Mienen und Geberdcn ausdrückte. Bereits als fünfjähriger Anabe wußte er Latein und machte Verse in der Muttersprache; da er jedoch nicht fähig war, sic niederzuschreiben, so diktirte er sie seinen Gefährten, denen er dann ihre Mühe mit seinem Morgenbrodte bezahlte oder öfters gar die niedlichen Einge bungen seiner Muse gegen Spielzeug und allerhand Bilderchen umtauschte. Gewährt cs nicht einen ganz cigcnthümlichen Reiz, zu sehen, wie diese kin dischen Neigungen und eine so srühe Reife des Geistes sich friedlich mit ein ander vertragen? Nachdem der Unterricht in den Ansangsgründen beendet war, wurde der junge Lope in die Kaiserliche Schule von Madrid gebracht, wo er innerhalb einer Frist von zwei Jahren die Grammatik und Rhetorik erlernte. Ungefähr in seinem eilften oder zwölften Jahre verfertigte er (er selbst theilt cs uns mit) kurze vieraktige Lustspiele in der vor Alters üblichen Spanischen Form. Und als ob diese mannigfaltigen Arbeiten seinem rastlosen Eifer, seinem unver gleichlichen Triebe zur Thätigkeit noch nicht genügt hätten, lernte er noch außerdem fingen, tanzen und fechten, in welchen Stücke» er ebenfalls alle seine Mitschüler übertraf; eine Vielseitigkeit, die uns in ihm eine jener über aus begünstigten und gewaltigen Naturen erblicken läßt, welche allenthalben so I Dieses Werk hätte er zum Preise dcS Dichters verfaßt und im Jahre IM, etliche Monate nach dessen Tode, herauSgegedcn. selten sich finden, ja kaum auf Italiens gesegnetem Boden, auf dem doch ein Leonardo da Vinci, ein Michel Angelo und ein Galiläi entsprossen sind. Gerade während der Studienzeit hatte Lope das Unglück, Vater und Mutter zu verlieren und der Obhut einiger entfernten Verwandten überlassen zu bleiben. Einer von ihnen, statt sich der armen Waise lebhaft anzunehmen, entblödete sich nicht, ihm sogar sein mäßiges Erbe zu rauben. Aber ein noch viel schlimmerer Umstand für den bedauernswerthen Burschen war der, daß ihm just in dem Augenblicke seine Aeltern starben, wo er besonders einer liebe vollen und wachsamen Leitung bevurfte. — Noch lange nicht war der Jüng ling zu einem siomo xui smä-«, d. h. zu einem selbständigen Manne, herange diehen, als ihn schon die Lust ergriff, sich in der Welt umzuthun. Da er iudeß nicht für sich allein und auf eigene Faust ein Vorhaben von solcher Wichtigkeit ausführen mochte, so verband er sich zu diesem Zwecke mit einem Schulfreunde, Namens Fernan Munoz, der, laut Montalvan, auch seinerseits einen mächtigen Hang zu Reisen und Abenteuern fühlte. Beide raffen nun in aller Stille ihre ganze Baarschaft und diejenigen Dinge, worüber sie verfügen können, zusammen und machen sich eiligst auf den Weg. In Segovia angc- langt und ohne Zweifel stark ermüdet durch einen so weiten Marsch, kaufen unsere Wanderer für fünfzehn Goldstücke einen prächtigen Hengst zur Fort schaffung ihrer Personen und ihres Gepäcks, reiten im Triumph durch Lavaneza und dringen bis zu der an der Gränze von Galicien gelegenen Stadt Astorga vor. Hier ruhen sic von ihren Anstrengungen aus. Höchlichst erstaunt, zu sehen, daß die Welt denn doch ein bischen größer se», als sie es vermuthet, daß ihr Seckel fast eben so leer war wie eine Kirchmaus, zum Theil es auch wohl beklagend und sich gar sehr hinter den Ohren kratzend, jetzt die Freuden und Bequemlichkeiten, die sie bis dahin im Schoße der Ihrigen genossen, ent behren zu müssen, beratben sich Vie entronnenen Bögelein, was zu beginnen, und siehe da sie breiten ihre Schwingen aus und flattern dem gewohnten Neste zu. Doch halt! Die Strecke, die sie zum gewünschten Ziel zurückzu legen haben, ist immer noch weit genug; der Magen sucht auf ungestüme Weise seine Rechte geltend zu machen, knurrt und bellt ganz fürchterlich, unv sie wissen sich aus ihrer Noth nicht anders herauszubeißcn, als daß sie i» aller Schnelle die Habseligkeiten von Werth, die sie bei sich führen, zusammcn- klaubcn, um sie irgendwo loszuschlagen. Sie gehen demnach, der Eine, um die letzten Dublonen zu verwechsel», der Andere, eine gülvene Kette zu ver äußern, in den Laden eines Goldschmieds. Dieser wackere Man», welcher — so glaubt wenigstens Montalvan — nicht stets bei seinen Einkäufen all die nöthige Vorsicht und eine gar zu ängstliche Gewissenhaftigkeit beobachtet habe» mochte, wittert gerade da Unrath und zeigt sofort die verhungerten Ausreißer bei der Behörde an. Rach etlichen Minute» werden sie gepackt. Zum Glücke war der Corregidor (Polizeirichtcr), in dessen Hände sic gefallen waren, ein Manu von Sinn und Verstand. Er erkannte ohne viel Mühe, daß er es mit ein Paar unschuldigen Bube» zu thuu habe, vermahnte sie ernstlich wegen ihres thörichten Streichs und schickte auf der Stelle, unter Begleitung eines Algua- zils (Polizcidiener), ihren Angehörigen die beiden berühmten Reisenden wieder zu, die sich rühmen durften, Galicien und Astorga entdeckt zu haben. Trotz diesem Auszuge unselige» Angedenkens, war Lope nicht von seinem Reisefieber geheilt. Er verweilte nur kurze Zeit in seiner Vaterstadt, saß da ordentlich wie auf glühende» Kohle», und ehe er für immer daselbst bliebe, dachte er, zuvor noch einen Umlauf um das Erdenrund zu untcruebmen. Und wahrhaftig, kaum hat er das fünfzehnte Lebensjahr üdersckrittcn, als er sich von neuem auf die Beine macht; diesmal aber nicht mehr in der Eigenschaft eines Reisenden, son dern als Soldat, den Degen zur Seite, das Gewehr über der Schulter, auf dem Haupt den mit stolzer Feder geschmückten Hut. Er wollte in Portugal und in Afrika unter den Befehlen des Marquis von Santa-Cruz, eines der bedeutend sten Feldherren jener Zeit, dienen. Er bewies sich stets beherzt und tapfer. Er selbst erzählt eS uns irgendwo mit einer gewissen Selbstzufriedenheit, daß er, immer der Erst« beim Angriff, jedesmal zuletzt den Kampfplatz räumte. Ungc achtet seines glänzenden MutHS, gelang cs Lope dennoch nicht, auf der kriege rischen Laufbahn sonderlich vorwärts zu kommen, und er kehrte, dieses Gewer bes überdrüssig, bald wieder nach Madrid zurück. Jetzt (1578) wählte er das Amt eines Edelknaben und GehcimschrciberS bei Don Geronimo Mauriqne de Lara, Bischof von Avila und Groß-Inquisitor, dem nämlichen, welcher als Päpstlicher Botschafter dem von Don Juan d'Austria über die Ungläubigen bei Lepanto erfochtenen Scesiege beigewohnt hatte. Herr in seiner gegenwär tigen Stellung, fern vom Gewirre des Kriegs, konnte Lope um so ungestörter des Umgangs seiner Muse pflegen; und da er ebenfalls seine Fähigkeit in einer Gattung von Werken, welche damals vorzugsweise im Schwange war, beknn-