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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. Pränumeration- Preis 22 z Silbergr. lj Thlr.) vierteljährlich, 3 Thlr. für da» ganze Jahr, ohne Erhöhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie. Magazin für die Man pränumerirt auf tiefet Literatur. Blatt in Berlin m der Expedition der Allg. Pr. StaatS-Zeitung (Friedrich«. Straße Nr. 72); in der Provinz so wie im Auslande bei den Wohllöbl. Post-Aemtern. Literatur des Auslandes. 46. Berlin, Montag den 18. April 1842. Syrien. Von dem Harem und den Frauen des Orients. Nach Ferdinand Perrier.") Man hat schon oft und viel über die Frauen des Orients und über die Sitten des Harems geschrieben, und dennoch macht inan sich gewöhnlich, un geachtet der vielen Schriften hierüber, oder vielmehr eben deswegen, in Europa eine eben so falsche als übertriebene Vorstellung davon. Mehrere Reisende haben den Harem, den einige uneigentlich Serail nennen, als ein furchtbares Gefängniß geschildert, in welchem ein eifersüchtiger Tyrann unglückliche und schöne Frauen grausam gefangen hält und sie des Genusses der freien Luft be raubt; andere haben daraus einen Ort der Prostitution, ein ekelhaftes Lupanar gemacht, in welchem der Besitzer, vvn seinen Eunuchen umgeben, sich den zügellosesten Ausbrüchen seiner bestialischen Natur überläßt; noch andere Rei sende behaupten sogar, darin gewesen zu sepn und darüber als Augenzeugen sprechen zu können. Diese letztere Behauptung wird bei denjenigen, die einige Zeit im Orient gelebt und die Sitten der Muselmänner in der Nähe betrachtet haben, keinen Glauben finden können. Das Wort Harem bedeutet theils die Zimmer oder die Wohnung, die von den übrigen Gebäuden abgesondert liegt und von Frauen bewohnt ist, theils die Frauen selbst. Reiche und Arme sprechen auf gleiche Weise, wenn sie auch nur Eine Frau oder gar nur eine Sklavin haben, von ihrem Harem. Die Harems, welche viele Frauen enthalten, sind nicht so gewöhnlich, als man sich allgemein einbilvet. Harems von zwanzig Frauen sind schon selten, um so mehr solche, welche diese Zahl überschreiten ; und nur die Fürsten und Paschas besitzen die Mittel, einen derartigen Lurus zu entfalten und ein so zahlreiches Personal zu unterhalten. Das Gesetz erlaubt nur vier rechtmäßige Frauen; aber cs ist fast ohne Beispiel, daß in einem und demselben Harem mehr als eine oder zwei solche sich befinden. Alle übrige Frauen sind weiße oder schwarze Sklavinnen, die der Herr gekauft hat, um sie zu seinen Favo ritinnen zu machen und um sie für den besonderen Dienst bei seinen Gemah linnen zu verwenden. Andere Sklavinnen sind das Eigenthum der Frauen, welche dieselben für ihr eigenes Geld gekauft haben; denn eine jede derselben ist stolz darauf, eine große Anzahl Sklavinnen zu besitzen; oft ist es sogar der Fall, daß die Letzteren andere untergeordnetere Sklavinnen zu ihrem Dienste haben. Da jedes durch Geld erworbene Eigenthum nothwendiger Weise (in dem weitesten Sinne des Wortes) die Benutzung des gekauften Gegenstandes bedingt, so hat der Herr des Harems, als solcher, dieses erworbene Recht nur über die Sklaven, welche ihm gehören. Dies ist jedoch nicht mit den von seinen Frauen gekauften Sklavinnen der Fall; diese sind und bleiben für ihn Fremde, und er muß sie, wenn er seinem Gesetze treu sepn will, aus einem doppelten Grunde achten: erstens sind sic das Eigenthum eines Anderen, und dann verbietet es ihm seine Moral, eine Frau, die ihm nicht gehört, zu begehren. Der Harem oder die Wohnung der Frauen hat, in Betreff der Einthcilung der Zimmer, nichts, was ihn von den übrigen Gebäuden unterscheiden könnte; die Fenster gehen gewöhnlich nicht nach der Straße, sie gehen meistens nach den inneren Höfen oder nach den von sehr hohen Mauern umgebenen Gärten. Sie sind beständig mit Stäben vergittert oder mit schönen Holz-Skulpturen verdeckt; manchmal hat das Fenster, außerhalb der Mauer, einen Vorsprung in Gestalt eines Balkons oder eines leichten Pavillons. Man nennt diesen Vorbau Muscharabia, welcher gewöhnlich nach einem vortrefflichen Ara bischen Styl erbaut und von Arabesken oder anderem Schnitzwerk überladen ist. Auf dem kleinen Divan dieses Balkons ausgcstreckt liegend, kann die Frau Alles, was draußen vergeht, sehen, ohne selbst gesehen zu werden. In Syrien, wo man auf den Terrassen der Häuser einen großen Theil der Abende und sogar der schönen Sommernächte zubringt, errichtet man um diese Ter rassen leichte Mauern, die aus in die Breite gelegten hohlen Cylindcrn von gebranntem Thon gebildet werden. Durch diese transparenten Mauern blickt die Frau auf die nächsten Umgebungen, ohne den eifersüchtigen Argwohn ihres Herrn zu wecken. Bei den wohlhabenden Muselmännern ist die allgemeine Einrichtung eines Harems, der von einer gewissen Anzahl von Frauen bewohnt wird, fast überall dieselbe. Mehrere kleine abgesonderte Zimmer befinden sich an den Seiten ') Au« dessen in diesen Blättern dereitö mehrfach erwähntem Werke: I.a 8zri- -au» la «loluiuativll äe ö1e!»ewet- eines großen Saales, der mit Divans möblirt und mit Springbrunnen, Blumen und Orangenbäumen geschmückt ist: dies ist der Versammlungsort der Frauen und der Empfangssaal des Herrn des Harems ; auch ist sein Platz daselbst immer für ihn bereit und in einer Ecke des Divans durch einige wollene Kiffen angcdeutet. Jede Frau oder Sklavin bewohnt eines dieser kleinen Zimmer, deren Thüren nach dem gemeinschaftlichen Saale führen. Sie sind gewöhnlich in zwei Hälften getheilt, so daß die Herrin, die mit ihren Sklavinnen oder Be gleiterinnen in demselben Zimmer schläft, sich beliebig von ihnen trennen oder sie allein lassen kann, wenn sie den Besuch ihres Sidi (Herrn) erwartet. Die Erscheinung desselben in dem Harem ist immer ein Gegenstand der Freude für die Frauen. Jede bemüht sich, durch eine geschmackvolle Toilette seine Blicke auf sich zu ziehen und ihm zu gefallen. Immer wird ein Blumen strauß oder einige Früchte, die er besonders liebt, auf seinen kleinen Divan gelegt, um ihn zu erquicken und zu erfrischen. Sobald er in den Saal tritt, gehen ihm alle entgegen, umringen ihn und begrüßen ihn ehrerbietig ; alle machen sich eine Freude daraus, seine kleinsten Wünsche zu errathen und zu befriedigen. Nur die rechtmäßigen Frauen dürfen, wenn der Herr sich gesetzt hat, auf dem Divan Platz nehmen. Die übriqen müssen stehen bleiben, bis er es ihnen erlaubt, sich zu setzen. Eine schwere Strase und ein demüthi- gendes Zeichen der Ungnade würde cS für diejenige seyn, welche er stehen ließe oder der er nicht mit der Hand gnädig zuwinkt, sich auf den Divan zu setzen. Die Ehre, den Sidi zu bedienen, gehört besonders den rechtmäßigen Frauen und den Favoritinnen. Sobald er eingetreten ist, bringt eine von ihnen sein Nargileh, eine andere überreicht ihm den Sorbet oder den Kaffee. Zwei der jüngsten Sklavinnen setzen sich auf den Teppich zu seinen Füßen und schaukeln sich, indem sie dazu singen und einen ungeheuer großen Fächer von schwarzen Straußfedcrn bewegen, um ihm kühle Luft zuzuwchen. Der Muselmann, welcher öffentliche Aemter oder Geschäfte zu besorgen hat, bringt den ganzen Tag gewöhnlich außerhalb des Harems zu. Er bleibt alsdann in seinem besonderen Divan, wo er Audienz giebt und Besuche empfängt. Hierher bringt man ihm seine MittagSmahlzcit, welche er sehr häufig mit denjenigen theilt, die eben bei ihm sind, ohne Rücksicht darauf zu nehmen, ob sie reich oder arm sind; aber wenn der Abend kommt, ober wenn er Ruhe nöthig zu haben glaubt, zieht er sich in seinen Harem zurück. Als dann können weder Besuche noch Geschäfte, es müßten denn Sachen von der höchsten Wichtigkeit seyn, ihn hierin stören. In dieser Hinsicht genießt der Orientale die Freuden des Lebens besser, als der Europäer. Wenn der Türke in den Harem eingetreten ist, errichtet er zwischen der äußeren Welt und sich eine Scheidewand; er gehört sich alsdann ganz allein; denn es muß eine sehr ernste und sehr dringende Angelegenheit seyn, wenn ein Eunuche oder eine Lieblings-Sklavin ihn zu stören wagen sollte. Die Abendmahlzeit wird ge wöhnlich im Harem eingenommen. Die Frauen bedienen ihren Sidi mit einer Sorgfalt und Aufmerksamkeit, welche man im Occidcnt für niedrig und sklavisch halten würde; so sehr kontrastiren sie mit unseren Sitten und Gebräuchen. Die Orientalen, welche mit den Fingern essen, waschen sich die Hände immer vor und nach der Mahlzeit; in den reichen Familien bringen drei Sklavinnen die Waffcrkanne und die Handtücher. Die Frauen haben dieses Amt im Harem; die eine bringt erstens eine reichgcstickte Serviette, welche sie zusammengefaltet in den Händen hält; dann läßt sie sich auf ein Knie nieder, breitet dieselbe ganz aus und legt sie auf die Knice des Herrn. Eine andere bringt die Waffcrkanne und das zum Aufnchmen des Wassers bestimmte Gefäß, kniet neben ihm nieder und gießt das Wasser tropfenweise auf seine Hände. Eine dritte reicht ihm hierauf eine neue Serviette zum Abtrocknen und be sprengt ihm manchmal den Bart mit Roscnwaffer. Der Herr ißt allein oder mit einer oder zweien seiner Frauen, welche er dazu einladet, während die übrigen sich bemühen, ihn durch Gesang oder Musik zu erheitern und zu er freuen. Die Muselmännischen Frauen einer gewissen Klaffe verachten den Tanz und überlassen diese in ihren Augen unedle Kunst den Almees, die sie als ein Gewerbe treiben. Zn Abwesenheit des Herrn hält eine strenge Etikette die Harmonie unter den Frauen eines und desselben Harems aufrecht. Die Verletzung dieser Etikette ist selten und wird sogleich bestraft. Die Furcht, dem Sidi zu mißfallen, seine Ungnade sich zuzuziehen, und eine beständige Aufsicht erhalten die Ord nung und den Anstand weit besser, als strenge Maßregeln, welche daselbst ganz unbekannt sind. Der Muselmann, und besonders der Türke, gewährt